Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 1106/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 2814/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 19. Mai 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist vorliegend streitig, ob der Kläger am 25.09.1973 ein Arbeitsunfall erlitten hat.
Der 1940 in M. geborene Kläger lebt seit 1971 im Bundesgebiet. Er machte in der Vergangenheit die Anerkennung verschiedener Arbeitsunfälle bzw. eine Berufskrankheit geltend. Der Kläger war vom 22.06.1972 bis 20.11.1973 bei der Firma G. B. Rohstoffverwertung in K. beschäftigt. Er bezieht seit 01.06.1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheid der Landesversicherungsanstalt B. vom 07.12.1995).
Am 07.11.2007 beantragte der Kläger (durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten) die Folgen eines im Jahr 1973 erlittenen Arbeitsunfalls zu überprüfen. Der Kläger legte eine - unvollständige - Kopie einer "Ärztliche Bescheinigung" vom 15.11.1973 ohne Namen und Unterschrift vor, in der bescheinigt wird, dass der Kläger im Betrieb der Firma B. am 25.09.1973 einen Arbeitsunfall erlitten habe, wobei er sich am Endglied des linken Daumens eine Quetschwunde zugezogen und sich deswegen vom 25.09.1973 bis 25.10.1973 bei Arbeitsunfähigkeit bis 28.10.1973 in ambulanter Behandlung befunden habe. Heute sei der Finger reizlos ausgeheilt. Es liege eine leichte Druckempfindlichkeit des Daumens vor. Die Bescheinigung enthält den handschriftlichen Zusatz: "ABAJT UNFAL 35 % PROCENT". Nach einer zu den Akten der Beklagten gelangten (an den Kläger gerichteten) Bescheinigungen der AOK K. vom 12.11.1990 sowie dem Vorerkrankungsverzeichnis bestand beim Kläger vom 25.09.1973 bis 15.10.1973 wegen einer Quetschwunde am linken Daumen unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit. In einem Arztbrief von Dr. Z. vom 21.11.2007 wird - u. a. -mitgeteilt, der Kläger habe angegeben, sich 1973 bei einer Reparatur eines Krans die linke Hand schwer verletzt zu haben und deswegen im Krankenhaus K. behandelt worden zu sein. Es sei ein Grad der Behinderung von 35 % festgestellt worden. Auf Anfrage der Beklagten teilte die AOK K. mit Schreiben vom 21.12.2007 mit, die Firma G. B. Rohstoffverwertung existiere nicht mehr und sei nicht mehr feststellbar. Weiter teilte das Klinikum K. auf Anfrage der Beklagten mit Schreiben vom 15.01.2009 mit, über den Kläger seien keine Unterlagen mehr vorhanden.
Mit Bescheid vom 27.03.2009 wurde von der Beklagten das Ereignis aus dem Jahr 1973 nicht als Arbeitsunfall anerkannt und mitgeteilt, dass Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht gewährt würden. Zur Begründung wurde ausgeführt, ein Unfall aus dem Jahr 1973 sei seinerzeit nicht gemeldet worden. Nach Würdigung aller aktenkundigen Fakten könne weder zweifelsfrei vom Vorliegen eines versicherten Unfallereignisses noch vom Vorliegen eines darauf zurückzuführenden verbliebenen Gesundheitsschadens ausgegangen werden. Es ließen sich 34 Jahre nach dem angeblichen Unfallereignis weder Unfalltag, Unfallhergang noch der Umfang der tatsächlich erlittenen Gesundheitsstörungen im Vollbeweis feststellen. Die Ermittlungsmöglichkeiten seien ausgeschöpft. Die Folgen der Nichterweislichkeit gingen zu Lasten des Klägers.
Am 15.04.2009 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG). Er machte - soweit vorliegend relevant - geltend, wenn Unterlagen fehlten, sei die Aufbewahrungspflicht verletzt worden, was nicht zu seinen Ungunsten ausfallen könne. Die Unterlagen müssten ermittelt werden. Er habe mehrfach Arbeitsunfälle erlitten, die er sämtlich bei den Firmen gemeldet habe. Das stehe fest. Am 25.09.1973 habe er bei der Reparatur eines Krans Schnittwunden an der linken Hand erlitten. Der Daumen (Haut) sei bis zum Knochen durchgeschnitten worden. Die Wunde sei im Krankenhaus K. genäht worden. Er sei drei Monate arbeitsunfähig geschrieben worden. Er habe 35 % "Arbeitsunfähigkeit" erhalten. Der Kläger legte Unterlagen vor.
Mit Beschluss vom 28.08.2009 setzte das SG das Verfahren bis zur Entscheidung über den Widerspruch des Klägers, der gleichzeitig in der Klageerhebung liege, aus. Mit Widerspruchsbescheid (ohne Datum) wurde von der Beklagten der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 27.03.2009 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, ein Arbeitsunfall sei nicht bewiesen. Unterlagen oder Zeugenaussagen, die das vom Kläger behauptete Unfallgeschehen während einer betrieblichen Tätigkeit bestätigen könnten, lägen nicht vor. Auch sonst fänden sich keine Hinweise auf andere Umstände, die das behauptete Geschehen sowie die benannten Verletzungen belegen könnten. Das Vorerkrankungsverzeichnis rechtfertige keine andere Beurteilung. Die anspruchsbegründenden Tatsachen seien dadurch nicht bewiesen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 15.11.1973. Die dortigen Ausführungen seien unvollständig. Ein Ersteller der Bescheinigung sei nicht erkennbar. Die Bescheinigung habe deshalb keinen Beweiswert. Es sei schwer nachzuvollziehen, weshalb der Kläger nicht schon in den Jahren ab 1973 mit der Berufsgenossenschaft in Kontakt getreten sei.
Am 11.01.2010 führte der Kläger seine Klage weiter. Er bekräftigte, mehrere Arbeitsunfälle erlitten zu haben, unter anderem am 25.09.1973.
Mit Urteil vom 19.05.2010 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, der vom Kläger geltend gemachte Arbeitsunfall vom 25.09.1973 habe nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden können. Zwar könne die Mitteilung der AOK K. vom 12.11.1990, in der vom 25.09.1973 bis 15.10.1973 eine arbeitsunfallbedingte Arbeitsunfähigkeitszeit bescheinigt werde, eine gewisse Indizwirkung beigemessen werden. Auch die ärztliche Bescheinigung vom 15.11.1973 scheine für einen Arbeitsunfall zu sprechen. Diese Bescheinigung sei jedoch weder unterzeichnet noch sei der Aussteller erkennbar, weshalb der Beweiswert dieser Bescheinigung als sehr gering einzustufen sei. Zudem sei die Bescheinigung unvollständig in Kopie vorgelegt worden und die Richtigkeit daher nicht gewährleistet. Zudem stimme die bescheinigte Arbeitsunfähigkeitszeit nicht mit der Mitteilung der AOK überein. Dadurch werde generell Skepsis gegenüber den Angaben des Klägers erweckt. Zwar hätten in der mündlichen Verhandlung deutliche Narben am linken Daumen des Klägers festgestellt werden können, womit eine Daumenverletzung hinreichend wahrscheinlich sei. Dass es sich dabei um eine arbeitsunfallbedingte Verletzung handele, die am 25.09.1973 eingetreten sei, könne hieraus jedoch nicht zwingend abgeleitet werden. Gegen die Annahme des Nachweises einer entsprechenden unfallbedingten Verletzung sei - wie im Parallelverfahren 6 U 1105/09 (Berufungsverfahren L 8 U 2813/10) - auf die sehr undifferenzierten und widersprüchlichen Angaben des Klägers hinzuweisen. Die nicht konsistenten Angaben des Klägers erschwerten die Annahme, dass ein Arbeitsunfall stattgefunden habe. Bei der Gesamtbetrachtung sei der erforderliche Vollbeweis eines Arbeitsunfalles nicht erbracht worden. Weiter Aufklärungsmöglichkeiten seien nicht ersichtlich.
Gegen das dem vormaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 10.06.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger beim SG mit Schreiben vom 21.05.2010 (ohne Eingangstempel) Berufung eingelegt, die am 16.06.2010 dem Landessozialgericht Baden-Württemberg vorgelegt worden ist. Er macht geltend, das angefochtene Urteil sei total ungerecht und für ihn nicht verständlich. Er bitte alles zu überprüfen. Er beantrage Entschädigung. Er hat im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt und Unterlagen vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 19. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, einen Unfall vom 25. September 1973 als Arbeitsunfall anzuerkennen, sowie eine Daumenverletzung links als Folge dieses Unfalls festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten, insbesondere des Klägers, wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Anhaltspunkte dafür, dass die Berufung nicht innerhalb der Berufungsfrist eingelegt worden ist, bestehen nicht. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten Gesundheitsstörung als Folgen eines Arbeitsunfalles.
Im vorliegenden Fall sind noch die bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) anzuwenden, da sich das als Arbeitsunfall geltend gemachte Ereignis bereits vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01. Januar 1997 im September 1973 ereignet hatte (§§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII), auch soweit nach diesem Zeitpunkt ggf. festzustellende Leistungen geltend gemacht werden. Im Übrigen ergibt sich für die Frage, ob ein Arbeitsunfall vorliegt, auch durch die ab 01. Januar 1997 geltenden Bestimmungen des SGB VII keine andere Bewertung als nach den zuvor geltenden Bestimmungen der RVO, da die Voraussetzungen für die Bejahung von Versicherungsschutz keine Änderung erfahren haben.
Gemäß § 548 Abs. 1 RVO (bzw. § 8 Abs. 1 SGB VII) ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter infolge einer dem Versicherungsschutz nach einer der in §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO (bzw. §§ 2, 3 oder 6 SGB VII) begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit) erleidet. Es muss ein kausaler Zusammenhang zwischen der im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall bestehen.
Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalles ist - in der Regel - erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist und dass diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Es muss eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der innere bzw. sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln. Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Beweis ihres Vorliegens erforderlich (vgl. im Einzelnen BSG, Urteil vom 24. Februar 2000, Az. B 2 U 20/99 R in SozR 3-2700 § 8 Nr. 2 m.w.N.).
Hiervon ausgehend ist ein Anspruch des Klägers auf Anerkennung des angeschuldigten Ereignisses vom 25.09.1973 als Arbeitsunfall nicht gegeben. Das SG hat im angefochtenen Urteil zutreffend begründet, dass ein Arbeitsunfall nicht ausreichend nachweisbar ist. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum gleichen Ergebnis. Er macht sich die Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil (ab Seite 5 Absatz 2) zur Begründung seiner eigenen Entscheidung voll zu eigen, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend bleibt auszuführen:
Zeugen, die den vom Kläger geltend gemachten Vorgang am 25.09.1973 bestätigen, sind weder vom Kläger benannt worden noch ist für den Senat ersichtlich, dass solche vorhanden sind. Der Kläger stützt sich zur Beweisführung allein auf sein Vorbringen. Grundsätzlich ist das (Partei-) Vorbringen des Versicherten als alleinige Grundlage eines Nachweises des Arbeitsunfalls zwar nicht ausgeschlossen. Das (Partei-) Vorbringen muss jedoch in sich widerspruchsfrei und mit den nachgewiesenen sonstigen äußeren Umständen in Einklang zu bringen sein.
Danach ist das Vorbringen des Klägers nicht geeignet, das Vorliegen eines Arbeitsunfalles am 25.09.1973 nachzuweisen. Denn sein Vorbringen weist erhebliche Unstimmigkeiten auf, wie das SG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an. Insbesondere spricht der Umstand, dass der Kläger erst über 30 Jahre nach dem angeschuldigten Ereignis vom 25.09.1973 bei der Beklagten einen Arbeitsunfall geltend gemacht hat, gegen das Vorliegen eines Arbeitsunfalles. Denn es ist schlicht unverständlich, dass der Kläger so lange zuwartet, einen Arbeitsunfall geltend zu machen, wenn er tatsächlich einen Arbeitsunfall mit verbliebenen Folgen erlitten hätte. Weiter erweckt die vom Kläger vorgelegte unvollständige und handschriftlich ergänzte Kopie einer ärztlichen Bescheinigung vom 15.11.1973 den Eindruck, dass der Kläger lediglich den Versuch unternimmt, mit dieser Bescheinigung einen tatsächlich nicht bestehenden Anspruch durchzusetzen. Auch stimmen die vom Kläger behaupteten Unfallfolgen (Schnittwunden an der linken Hand) nicht mit der im Schreiben der AOK K. vom 12.11.1990 und in der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 15.11.1973 genannten Verletzung (Quetschwunde am - Endglied - des linken Daumens) überein. Im Übrigen spricht nichts dafür, dass die im Schreiben der AOK K. vom 12.11.1990 hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeitszeit vom 25.09.1973 bis 15.10.1973 und die in der ärztlichen Bescheinigung vom 15.11.1973 genannte Gesundheitsstörung bleibende Folgen hinterlassen hat. Krankengeld oder gar - im Auftrag des Unfallversicherungsträgers gezahltes - Verletztengeld ist nach dem Leistungsverzeichnis der AOK für die Verletzung von September 1973 nicht gewährt worden. Es ist vielmehr im Hinblick auf die Art der dokumentierten Gesundheitsstörung sowie der dadurch bedingten Arbeitsunfähigkeitszeit davon auszugehen, dass die Gesundheitsstörung folgenlos im Zeitraum der Lohnfortzahlung ausgeheilt ist. Dafür spricht auch der in der ärztlichen Bescheinigung vom 15.11.1973 genannte Befund, dass der Finger - mit Ausnahme einer leichten Druckempfindlichkeit des Daumens - reizlos ausgeheilt sei.
Neue Gesichtspunkte, die eine andere Bewertung rechtfertigen, hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht aufgezeigt. Den vom Kläger - auch im Berufungsverfahren - vorgelegten Unterlagen lässt sich kein Nachweis entnehmen, der auf einen Arbeitsunfall am 25.09.1973 schließen lässt.
Ansatzpunkte für weitere Ermittlungen zum Unfallgeschehen am 25.09.1973 bestehen - auch für den Senat - nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist vorliegend streitig, ob der Kläger am 25.09.1973 ein Arbeitsunfall erlitten hat.
Der 1940 in M. geborene Kläger lebt seit 1971 im Bundesgebiet. Er machte in der Vergangenheit die Anerkennung verschiedener Arbeitsunfälle bzw. eine Berufskrankheit geltend. Der Kläger war vom 22.06.1972 bis 20.11.1973 bei der Firma G. B. Rohstoffverwertung in K. beschäftigt. Er bezieht seit 01.06.1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheid der Landesversicherungsanstalt B. vom 07.12.1995).
Am 07.11.2007 beantragte der Kläger (durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten) die Folgen eines im Jahr 1973 erlittenen Arbeitsunfalls zu überprüfen. Der Kläger legte eine - unvollständige - Kopie einer "Ärztliche Bescheinigung" vom 15.11.1973 ohne Namen und Unterschrift vor, in der bescheinigt wird, dass der Kläger im Betrieb der Firma B. am 25.09.1973 einen Arbeitsunfall erlitten habe, wobei er sich am Endglied des linken Daumens eine Quetschwunde zugezogen und sich deswegen vom 25.09.1973 bis 25.10.1973 bei Arbeitsunfähigkeit bis 28.10.1973 in ambulanter Behandlung befunden habe. Heute sei der Finger reizlos ausgeheilt. Es liege eine leichte Druckempfindlichkeit des Daumens vor. Die Bescheinigung enthält den handschriftlichen Zusatz: "ABAJT UNFAL 35 % PROCENT". Nach einer zu den Akten der Beklagten gelangten (an den Kläger gerichteten) Bescheinigungen der AOK K. vom 12.11.1990 sowie dem Vorerkrankungsverzeichnis bestand beim Kläger vom 25.09.1973 bis 15.10.1973 wegen einer Quetschwunde am linken Daumen unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit. In einem Arztbrief von Dr. Z. vom 21.11.2007 wird - u. a. -mitgeteilt, der Kläger habe angegeben, sich 1973 bei einer Reparatur eines Krans die linke Hand schwer verletzt zu haben und deswegen im Krankenhaus K. behandelt worden zu sein. Es sei ein Grad der Behinderung von 35 % festgestellt worden. Auf Anfrage der Beklagten teilte die AOK K. mit Schreiben vom 21.12.2007 mit, die Firma G. B. Rohstoffverwertung existiere nicht mehr und sei nicht mehr feststellbar. Weiter teilte das Klinikum K. auf Anfrage der Beklagten mit Schreiben vom 15.01.2009 mit, über den Kläger seien keine Unterlagen mehr vorhanden.
Mit Bescheid vom 27.03.2009 wurde von der Beklagten das Ereignis aus dem Jahr 1973 nicht als Arbeitsunfall anerkannt und mitgeteilt, dass Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht gewährt würden. Zur Begründung wurde ausgeführt, ein Unfall aus dem Jahr 1973 sei seinerzeit nicht gemeldet worden. Nach Würdigung aller aktenkundigen Fakten könne weder zweifelsfrei vom Vorliegen eines versicherten Unfallereignisses noch vom Vorliegen eines darauf zurückzuführenden verbliebenen Gesundheitsschadens ausgegangen werden. Es ließen sich 34 Jahre nach dem angeblichen Unfallereignis weder Unfalltag, Unfallhergang noch der Umfang der tatsächlich erlittenen Gesundheitsstörungen im Vollbeweis feststellen. Die Ermittlungsmöglichkeiten seien ausgeschöpft. Die Folgen der Nichterweislichkeit gingen zu Lasten des Klägers.
Am 15.04.2009 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG). Er machte - soweit vorliegend relevant - geltend, wenn Unterlagen fehlten, sei die Aufbewahrungspflicht verletzt worden, was nicht zu seinen Ungunsten ausfallen könne. Die Unterlagen müssten ermittelt werden. Er habe mehrfach Arbeitsunfälle erlitten, die er sämtlich bei den Firmen gemeldet habe. Das stehe fest. Am 25.09.1973 habe er bei der Reparatur eines Krans Schnittwunden an der linken Hand erlitten. Der Daumen (Haut) sei bis zum Knochen durchgeschnitten worden. Die Wunde sei im Krankenhaus K. genäht worden. Er sei drei Monate arbeitsunfähig geschrieben worden. Er habe 35 % "Arbeitsunfähigkeit" erhalten. Der Kläger legte Unterlagen vor.
Mit Beschluss vom 28.08.2009 setzte das SG das Verfahren bis zur Entscheidung über den Widerspruch des Klägers, der gleichzeitig in der Klageerhebung liege, aus. Mit Widerspruchsbescheid (ohne Datum) wurde von der Beklagten der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 27.03.2009 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, ein Arbeitsunfall sei nicht bewiesen. Unterlagen oder Zeugenaussagen, die das vom Kläger behauptete Unfallgeschehen während einer betrieblichen Tätigkeit bestätigen könnten, lägen nicht vor. Auch sonst fänden sich keine Hinweise auf andere Umstände, die das behauptete Geschehen sowie die benannten Verletzungen belegen könnten. Das Vorerkrankungsverzeichnis rechtfertige keine andere Beurteilung. Die anspruchsbegründenden Tatsachen seien dadurch nicht bewiesen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 15.11.1973. Die dortigen Ausführungen seien unvollständig. Ein Ersteller der Bescheinigung sei nicht erkennbar. Die Bescheinigung habe deshalb keinen Beweiswert. Es sei schwer nachzuvollziehen, weshalb der Kläger nicht schon in den Jahren ab 1973 mit der Berufsgenossenschaft in Kontakt getreten sei.
Am 11.01.2010 führte der Kläger seine Klage weiter. Er bekräftigte, mehrere Arbeitsunfälle erlitten zu haben, unter anderem am 25.09.1973.
Mit Urteil vom 19.05.2010 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, der vom Kläger geltend gemachte Arbeitsunfall vom 25.09.1973 habe nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden können. Zwar könne die Mitteilung der AOK K. vom 12.11.1990, in der vom 25.09.1973 bis 15.10.1973 eine arbeitsunfallbedingte Arbeitsunfähigkeitszeit bescheinigt werde, eine gewisse Indizwirkung beigemessen werden. Auch die ärztliche Bescheinigung vom 15.11.1973 scheine für einen Arbeitsunfall zu sprechen. Diese Bescheinigung sei jedoch weder unterzeichnet noch sei der Aussteller erkennbar, weshalb der Beweiswert dieser Bescheinigung als sehr gering einzustufen sei. Zudem sei die Bescheinigung unvollständig in Kopie vorgelegt worden und die Richtigkeit daher nicht gewährleistet. Zudem stimme die bescheinigte Arbeitsunfähigkeitszeit nicht mit der Mitteilung der AOK überein. Dadurch werde generell Skepsis gegenüber den Angaben des Klägers erweckt. Zwar hätten in der mündlichen Verhandlung deutliche Narben am linken Daumen des Klägers festgestellt werden können, womit eine Daumenverletzung hinreichend wahrscheinlich sei. Dass es sich dabei um eine arbeitsunfallbedingte Verletzung handele, die am 25.09.1973 eingetreten sei, könne hieraus jedoch nicht zwingend abgeleitet werden. Gegen die Annahme des Nachweises einer entsprechenden unfallbedingten Verletzung sei - wie im Parallelverfahren 6 U 1105/09 (Berufungsverfahren L 8 U 2813/10) - auf die sehr undifferenzierten und widersprüchlichen Angaben des Klägers hinzuweisen. Die nicht konsistenten Angaben des Klägers erschwerten die Annahme, dass ein Arbeitsunfall stattgefunden habe. Bei der Gesamtbetrachtung sei der erforderliche Vollbeweis eines Arbeitsunfalles nicht erbracht worden. Weiter Aufklärungsmöglichkeiten seien nicht ersichtlich.
Gegen das dem vormaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 10.06.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger beim SG mit Schreiben vom 21.05.2010 (ohne Eingangstempel) Berufung eingelegt, die am 16.06.2010 dem Landessozialgericht Baden-Württemberg vorgelegt worden ist. Er macht geltend, das angefochtene Urteil sei total ungerecht und für ihn nicht verständlich. Er bitte alles zu überprüfen. Er beantrage Entschädigung. Er hat im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt und Unterlagen vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 19. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, einen Unfall vom 25. September 1973 als Arbeitsunfall anzuerkennen, sowie eine Daumenverletzung links als Folge dieses Unfalls festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten, insbesondere des Klägers, wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Anhaltspunkte dafür, dass die Berufung nicht innerhalb der Berufungsfrist eingelegt worden ist, bestehen nicht. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten Gesundheitsstörung als Folgen eines Arbeitsunfalles.
Im vorliegenden Fall sind noch die bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) anzuwenden, da sich das als Arbeitsunfall geltend gemachte Ereignis bereits vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01. Januar 1997 im September 1973 ereignet hatte (§§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII), auch soweit nach diesem Zeitpunkt ggf. festzustellende Leistungen geltend gemacht werden. Im Übrigen ergibt sich für die Frage, ob ein Arbeitsunfall vorliegt, auch durch die ab 01. Januar 1997 geltenden Bestimmungen des SGB VII keine andere Bewertung als nach den zuvor geltenden Bestimmungen der RVO, da die Voraussetzungen für die Bejahung von Versicherungsschutz keine Änderung erfahren haben.
Gemäß § 548 Abs. 1 RVO (bzw. § 8 Abs. 1 SGB VII) ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter infolge einer dem Versicherungsschutz nach einer der in §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO (bzw. §§ 2, 3 oder 6 SGB VII) begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit) erleidet. Es muss ein kausaler Zusammenhang zwischen der im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall bestehen.
Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalles ist - in der Regel - erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist und dass diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Es muss eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der innere bzw. sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln. Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Beweis ihres Vorliegens erforderlich (vgl. im Einzelnen BSG, Urteil vom 24. Februar 2000, Az. B 2 U 20/99 R in SozR 3-2700 § 8 Nr. 2 m.w.N.).
Hiervon ausgehend ist ein Anspruch des Klägers auf Anerkennung des angeschuldigten Ereignisses vom 25.09.1973 als Arbeitsunfall nicht gegeben. Das SG hat im angefochtenen Urteil zutreffend begründet, dass ein Arbeitsunfall nicht ausreichend nachweisbar ist. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum gleichen Ergebnis. Er macht sich die Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil (ab Seite 5 Absatz 2) zur Begründung seiner eigenen Entscheidung voll zu eigen, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend bleibt auszuführen:
Zeugen, die den vom Kläger geltend gemachten Vorgang am 25.09.1973 bestätigen, sind weder vom Kläger benannt worden noch ist für den Senat ersichtlich, dass solche vorhanden sind. Der Kläger stützt sich zur Beweisführung allein auf sein Vorbringen. Grundsätzlich ist das (Partei-) Vorbringen des Versicherten als alleinige Grundlage eines Nachweises des Arbeitsunfalls zwar nicht ausgeschlossen. Das (Partei-) Vorbringen muss jedoch in sich widerspruchsfrei und mit den nachgewiesenen sonstigen äußeren Umständen in Einklang zu bringen sein.
Danach ist das Vorbringen des Klägers nicht geeignet, das Vorliegen eines Arbeitsunfalles am 25.09.1973 nachzuweisen. Denn sein Vorbringen weist erhebliche Unstimmigkeiten auf, wie das SG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an. Insbesondere spricht der Umstand, dass der Kläger erst über 30 Jahre nach dem angeschuldigten Ereignis vom 25.09.1973 bei der Beklagten einen Arbeitsunfall geltend gemacht hat, gegen das Vorliegen eines Arbeitsunfalles. Denn es ist schlicht unverständlich, dass der Kläger so lange zuwartet, einen Arbeitsunfall geltend zu machen, wenn er tatsächlich einen Arbeitsunfall mit verbliebenen Folgen erlitten hätte. Weiter erweckt die vom Kläger vorgelegte unvollständige und handschriftlich ergänzte Kopie einer ärztlichen Bescheinigung vom 15.11.1973 den Eindruck, dass der Kläger lediglich den Versuch unternimmt, mit dieser Bescheinigung einen tatsächlich nicht bestehenden Anspruch durchzusetzen. Auch stimmen die vom Kläger behaupteten Unfallfolgen (Schnittwunden an der linken Hand) nicht mit der im Schreiben der AOK K. vom 12.11.1990 und in der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 15.11.1973 genannten Verletzung (Quetschwunde am - Endglied - des linken Daumens) überein. Im Übrigen spricht nichts dafür, dass die im Schreiben der AOK K. vom 12.11.1990 hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeitszeit vom 25.09.1973 bis 15.10.1973 und die in der ärztlichen Bescheinigung vom 15.11.1973 genannte Gesundheitsstörung bleibende Folgen hinterlassen hat. Krankengeld oder gar - im Auftrag des Unfallversicherungsträgers gezahltes - Verletztengeld ist nach dem Leistungsverzeichnis der AOK für die Verletzung von September 1973 nicht gewährt worden. Es ist vielmehr im Hinblick auf die Art der dokumentierten Gesundheitsstörung sowie der dadurch bedingten Arbeitsunfähigkeitszeit davon auszugehen, dass die Gesundheitsstörung folgenlos im Zeitraum der Lohnfortzahlung ausgeheilt ist. Dafür spricht auch der in der ärztlichen Bescheinigung vom 15.11.1973 genannte Befund, dass der Finger - mit Ausnahme einer leichten Druckempfindlichkeit des Daumens - reizlos ausgeheilt sei.
Neue Gesichtspunkte, die eine andere Bewertung rechtfertigen, hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht aufgezeigt. Den vom Kläger - auch im Berufungsverfahren - vorgelegten Unterlagen lässt sich kein Nachweis entnehmen, der auf einen Arbeitsunfall am 25.09.1973 schließen lässt.
Ansatzpunkte für weitere Ermittlungen zum Unfallgeschehen am 25.09.1973 bestehen - auch für den Senat - nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved