Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 8 U 27/10
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 22/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 3. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 3. Februar 2011, mit dem die Ablehnung des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. S. wegen Besorgnis der Befangenheit für unbegründet erklärt worden ist.
Im Rahmen der Klage zur Feststellung der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 13. November 2003 unter Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) der Klägerin hat das Sozialgericht Magdeburg zur medizinischen Ermittlung mit Beweisanordnung vom 29. Oktober 2010 Dr. H. S. nach § 106 Abs. 3 Nr. 5, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Sachverständigen ernannt.
Gegen diesen Sachverständigen hat die Klägerin am 30. November 2010 einen Ablehnungsantrag gestellt, weil er im Auftrag von Versicherungsgesellschaften und Berufsgenossenschaften tätig und deshalb von diesen Auftraggebern wirtschaftlich abhängig sei. Im Übrigen sei dieser Sachverständige aus demselben Grunde am 15. Januar 2004 vom Landgericht Köln (Az. ) abgelehnt worden. Mit am 20. Januar 2011 eingegangenem Schreiben hat die Klägerin vorgeschlagen, Prof. Dr. K. mit der Erstellung eines unfallchirurgischen Gutachtens zu beauftragen.
Das Sozialgericht Magdeburg hat mit Beschluss vom 3. Februar 2011 den Ablehnungsantrag gegen den Sachverständigen Dr. S. für unbegründet erklärt, weil kein objektiver Ablehnungsgrund erkennbar sei. Nahezu alle Gutachter, die im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung vom Gericht bestellt würden, arbeiteten auch für die Versicherungswirtschaft und die Unfallversicherungsträger. Es gäbe im Gerichtsbezirk nur eine begrenzte Anzahl von Gutachtern, die sich mit der unfallversicherungsrechtlichen Kausalitätslehre und der MdE-Bewertung adäquat auseinandersetzen könnten. Auch bei dem von der Klägerin benannten Gutachter werde nicht erklärt, dass dieser nicht für die Versicherungswirtschaft bzw. Unfallversicherungsträger tätig sei. Der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in einem Parallelverfahren, bei dem Dr. S. ein Gutachten erstellt hatte, unterlegen sei, sei unbeachtlich.
Gegen den am 15. Februar 2011 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 15. März 2011 beim Sozialgericht Magdeburg Beschwerde eingelegt. Grund für den Ablehnungsantrag sei nicht allein die Arbeit des Sachverständigen für die Versicherungswirtschaft und die gesetzlichen Unfallversicherungsträger, sondern die vorgenannte Entscheidung des Landgerichts K. vom 15. Januar 2004. Diese Entscheidung habe bei ihr die Besorgnis der Befangenheit hervorgerufen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 3. Februar 2011 aufzuheben und den Sachverständigen Dr. S. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.
Die Beklagte stellt keinen ausdrücklichen Antrag, trägt aber vor, dem Gutachter als unabhängigen Sachverständigen könne kein Parteiverhalten unterstellt werden. Daher sei dem Ablehnungsantrag nicht zu folgen.
Der Senat hat Dr. S. Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, der am 18. April 2011 erklärt hat: Er sei weiterhin bereit, im zugrunde liegenden Verfahren vor dem Sozialgericht Magdeburg als gerichtlicher Sachverständiger tätig zu werden. Zum Ablehnungsgesuch hat er darauf hingeweisen, er sei ausschließlich gutachtlich tätig. Die klägerseitige Unterstellung, er könne regelmäßig mit Aufträgen rechnen, wenn er Gefälligkeitsgutachten erstelle, sei wirklichkeitsfremd, da die Auftraggeber kein Interesse an einem "Parteigutachten" hätten. Er müsse sich jederzeit der kritischen Überprüfung durch einschlägig erfahrene Fachkollegen und im Streitfall auch durch die Gerichte stellen. Es sei daher auch im Interesse der Auftraggeber, ein sachlich richtiges Gutachten zu erhalten.
Die Klägerin meint, der Sachverständige Dr. S. habe mit der Stellungnahme die Besorgnis seiner Befangenheit nicht entkräftet, da er der Entscheidung des Landgerichts K. nicht entgegengetreten sei. Im Übrigen sei Dr. S. von der Beklagten im Schreiben vom 12. Oktober 2007 als Gutachter vorgeschlagen worden.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Grundsätzlich ist nach § 118 Abs. 1 SGG für die Beweisaufnahme § 406 Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend anwendbar.
Die Beschwerde ist zulässig, da gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung eines Sachverständigen für unbegründet erklärt wird, eine Beschwerde stattfindet (§ 172 Abs. 1 SGG, § 406 Abs. 5 ZPO) und die einmonatige Beschwerdefrist gewahrt ist (§ 173 SGG). Das Sozialgericht war auch für die Ablehnungsentscheidung zuständig, da dort Dr. S. mit Beweisanordnungsbeschluss vom 29. Oktober 2010 zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt worden ist (§ 118 Abs. 1 SGG i.V.m. 406 Abs. 4 ZPO).
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, da keine Besorgnis der Befangenheit vorliegt. Ein Sachverständiger kann als Richtergehilfe aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden (§ 118 Abs. 1 Satz 1, § 60 Abs. 3 SGG; § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 60 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO).
Es kommt hierbei ausschließlich darauf an, ob ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftigem Überlegen, d. h. bei objektiver Betrachtungsweise, Bedenken gegen die Unparteilichkeit haben könnte. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge des Ablehnenden scheiden somit aus.
Dr. S. betreibt ein Institut für medizinische Begutachtung und ist nach eigener Stellungnahme ausschließlich gutachtlich tätig. Da die Sozialversicherungsträger und auch die private Versicherungswirtschaft regelmäßig medizinische Gutachten nachfragen, kann mit der Klägerin unterstellt werden, dass Dr. S. eine Vielzahl von Aufträgen auch aus dem vorgenannten Bereichen erhält und daraus einen wirtschaftlichen Nutzen zieht. Dieser Umstand ist jedoch nicht geeignet, bei einem objektiven Beteiligten Misstrauen gegen die Unparteilichkeit von Dr. S. zu wecken. Andernfalls wären alle unabhängigen und freien medizinischen Gutachter von vornherein befangen, da ihre Gutachtenaufträge regelmäßig von privaten und öffentlich-rechtlichen Versicherungen kommen dürften. Eine wirtschaftliche Verflechtung mit gesetzlichen und privaten Unfallversicherern allein rechtfertigt nicht die Besorgnis der Befangenheit. Denn es erscheint fernliegend, dass der Sachverständige ein "versicherungsfreundliches" und damit ein den Anspruch ablehnendes oder ihn schmälerndes Gutachten verfasst, nur damit er weiterhin Gutachtenaufträge erhält. Nach dem Sächsischen LSG ist eine derartige "Verkommenheit" des ganzen Systems anzunehmen, dass der Sachverständige aus unterstelltem Gewinnstreben eine vorsätzliche unrichtige Expertise erstellt, entspricht nicht mehr dem Standpunkt eines ruhig und besonnen denkenden Verfahrensbeteiligten (so Beschl. vom 1. September 2009 - L 6 U 222/09 B - juris).
Die klägerische Behauptung, Dr. S. sei von Versicherungsgesellschaften und Berufsgenossenschaften wirtschaftlich abhängig, mag zutreffen, stellt im vorliegenden Verfahren aber keinen Grund für die Besorgnis der Befangenheit dar. Die Klägerin selbst behauptet noch nicht einmal, dass Dr. S. gerade von der Beklagten wirtschaftlich abhängig sei. Selbst wenn ein Gutachter überwiegend im Auftrag von Versicherungsgesellschaften tätig ist, kann dies aus Sicht eines objektivierten Beteiligten nicht ausreichen, um eine Befangenheit zu bejahen. Auch das häufige Tätigwerden für den konkreten Prozessgegner reicht für die Besorgnis der Befangenheit nicht aus, wenn insoweit eine wirtschaftliche Unabhängigkeit besteht (OLG Köln, Beschluss vom 4. März 1992 - 27 W 12/92 - VersR 1992, 58). Auch die Beratungstätigkeit beim Prozessgegner rechtfertigt nicht automatisch die Befangenheit (BayObLG, Beschluss vom 17. Septemter 1987 - BReg 3 Z 76/87 -, NJW -RR 1988, 163). Da vorliegend weder eine wirtschaftliche Abhängigkeit von der Beklagten behauptet noch glaubhaft gemacht worden ist, ist aus Sicht eines objektiven Beteiligten ein Ablehnungsgrund nicht zu erkennen.
Auch die von der Klägerin in Bezug genommene Entscheidung des Landgerichts Köln vom 15. Januar 2004 (Az. 23 T 1/04; 146 C 31/03) vermag hieran nichts zu ändern. Sie entfaltet für das vorliegende Bescherdeverfahren keine rechtliche oder inhaltliche Bindungswirkung. Soweit die Klägerin meint, durch diesen landgerichtlichen Beschluss sei bei ihr gegenüber Dr. S. die Besorgnis der Befangenheit hervorgerufen worden, obgleich sie noch nicht einmal Partei des landgerichtlichen Zivilverfahrens war, ist dies aus objektiver Betrachtungsweise nicht nachvollziehbar und damit nicht zu berücksichtigen. Darüber hinaus teilt der Senat die in dem landgerichtlichen Beschluss gegebene Ablehnungsbegründung nicht, da für die Beurteilung des Vorliegens einer Besorgnis der Befangenheit nicht der Standpunkt des Landgerichts sondern der eines objektiven Beteiligten zugrunde zu legen ist. Das Landgericht K. stellt anstatt auf die Sichtweise des antragstellenden Beteiligten auf seine eigenen Erfahrungen mit dem konkreten Gutachter ab.
Soweit die Klägerin vorbringt, Dr. S. sei bereits im Schreiben vom 12. Oktober 2007 und damit im Verwaltungsverfahren seitens der Beklagten als Gutachter vorgeschlagen worden, ist dies kein Grund zur Annahme eines kollusiven Zusammenwirkens. Nach § 200 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII) hat die Beklagte als Unfallversicherungsträgerin der Klägerin als Versicherten im Verwaltungsverfahren mehrere Gutachter zur Auswahl zu benennen. Die Beklagte hat im vorgenannten Schreiben neben Dr. S. auch Prof. Dr. W. und Prof. Dr. H. als Gutachter zur Auswahl vorgeschlagen. Selbst wenn die Klägerin im Verwaltungsverfahren Dr. S. als Gutachter ausgewählt hätte, ist anerkannt, dass Gerichte nicht gehindert sind, die vom Leistungsträger beigezogenen Gutachten zu verwerten und auch den bereits von der Verwaltungsbehörde gehörten Sachverständigen zum gerichtlichen Sachverständigen zu ernennen (BSG, Beschluss vom 16. Mai 1995 - 9 BV 175/94 - juris). Selbst wenn also Dr. S. bereits in einem Vorprozess tätig gewesen wäre und ein für die Klägerin ungünstiges Gutachten erstellt hätte, rechtfertigte dies nicht die Besorgnis der Befangenheit (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. Juli 1996 - L 2 U 1617/96 B -, Breith 1997, 373 - 376). Allein die Benennung von Dr. S. im Verwaltungsverfahren als einer von drei möglichen Gutachtern vermag bei einem objektiven Beteiligten dennoch kein Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu begründen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 3. Februar 2011, mit dem die Ablehnung des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. S. wegen Besorgnis der Befangenheit für unbegründet erklärt worden ist.
Im Rahmen der Klage zur Feststellung der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 13. November 2003 unter Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) der Klägerin hat das Sozialgericht Magdeburg zur medizinischen Ermittlung mit Beweisanordnung vom 29. Oktober 2010 Dr. H. S. nach § 106 Abs. 3 Nr. 5, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Sachverständigen ernannt.
Gegen diesen Sachverständigen hat die Klägerin am 30. November 2010 einen Ablehnungsantrag gestellt, weil er im Auftrag von Versicherungsgesellschaften und Berufsgenossenschaften tätig und deshalb von diesen Auftraggebern wirtschaftlich abhängig sei. Im Übrigen sei dieser Sachverständige aus demselben Grunde am 15. Januar 2004 vom Landgericht Köln (Az. ) abgelehnt worden. Mit am 20. Januar 2011 eingegangenem Schreiben hat die Klägerin vorgeschlagen, Prof. Dr. K. mit der Erstellung eines unfallchirurgischen Gutachtens zu beauftragen.
Das Sozialgericht Magdeburg hat mit Beschluss vom 3. Februar 2011 den Ablehnungsantrag gegen den Sachverständigen Dr. S. für unbegründet erklärt, weil kein objektiver Ablehnungsgrund erkennbar sei. Nahezu alle Gutachter, die im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung vom Gericht bestellt würden, arbeiteten auch für die Versicherungswirtschaft und die Unfallversicherungsträger. Es gäbe im Gerichtsbezirk nur eine begrenzte Anzahl von Gutachtern, die sich mit der unfallversicherungsrechtlichen Kausalitätslehre und der MdE-Bewertung adäquat auseinandersetzen könnten. Auch bei dem von der Klägerin benannten Gutachter werde nicht erklärt, dass dieser nicht für die Versicherungswirtschaft bzw. Unfallversicherungsträger tätig sei. Der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in einem Parallelverfahren, bei dem Dr. S. ein Gutachten erstellt hatte, unterlegen sei, sei unbeachtlich.
Gegen den am 15. Februar 2011 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 15. März 2011 beim Sozialgericht Magdeburg Beschwerde eingelegt. Grund für den Ablehnungsantrag sei nicht allein die Arbeit des Sachverständigen für die Versicherungswirtschaft und die gesetzlichen Unfallversicherungsträger, sondern die vorgenannte Entscheidung des Landgerichts K. vom 15. Januar 2004. Diese Entscheidung habe bei ihr die Besorgnis der Befangenheit hervorgerufen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 3. Februar 2011 aufzuheben und den Sachverständigen Dr. S. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.
Die Beklagte stellt keinen ausdrücklichen Antrag, trägt aber vor, dem Gutachter als unabhängigen Sachverständigen könne kein Parteiverhalten unterstellt werden. Daher sei dem Ablehnungsantrag nicht zu folgen.
Der Senat hat Dr. S. Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, der am 18. April 2011 erklärt hat: Er sei weiterhin bereit, im zugrunde liegenden Verfahren vor dem Sozialgericht Magdeburg als gerichtlicher Sachverständiger tätig zu werden. Zum Ablehnungsgesuch hat er darauf hingeweisen, er sei ausschließlich gutachtlich tätig. Die klägerseitige Unterstellung, er könne regelmäßig mit Aufträgen rechnen, wenn er Gefälligkeitsgutachten erstelle, sei wirklichkeitsfremd, da die Auftraggeber kein Interesse an einem "Parteigutachten" hätten. Er müsse sich jederzeit der kritischen Überprüfung durch einschlägig erfahrene Fachkollegen und im Streitfall auch durch die Gerichte stellen. Es sei daher auch im Interesse der Auftraggeber, ein sachlich richtiges Gutachten zu erhalten.
Die Klägerin meint, der Sachverständige Dr. S. habe mit der Stellungnahme die Besorgnis seiner Befangenheit nicht entkräftet, da er der Entscheidung des Landgerichts K. nicht entgegengetreten sei. Im Übrigen sei Dr. S. von der Beklagten im Schreiben vom 12. Oktober 2007 als Gutachter vorgeschlagen worden.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Grundsätzlich ist nach § 118 Abs. 1 SGG für die Beweisaufnahme § 406 Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend anwendbar.
Die Beschwerde ist zulässig, da gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung eines Sachverständigen für unbegründet erklärt wird, eine Beschwerde stattfindet (§ 172 Abs. 1 SGG, § 406 Abs. 5 ZPO) und die einmonatige Beschwerdefrist gewahrt ist (§ 173 SGG). Das Sozialgericht war auch für die Ablehnungsentscheidung zuständig, da dort Dr. S. mit Beweisanordnungsbeschluss vom 29. Oktober 2010 zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt worden ist (§ 118 Abs. 1 SGG i.V.m. 406 Abs. 4 ZPO).
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, da keine Besorgnis der Befangenheit vorliegt. Ein Sachverständiger kann als Richtergehilfe aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden (§ 118 Abs. 1 Satz 1, § 60 Abs. 3 SGG; § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 60 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO).
Es kommt hierbei ausschließlich darauf an, ob ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftigem Überlegen, d. h. bei objektiver Betrachtungsweise, Bedenken gegen die Unparteilichkeit haben könnte. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge des Ablehnenden scheiden somit aus.
Dr. S. betreibt ein Institut für medizinische Begutachtung und ist nach eigener Stellungnahme ausschließlich gutachtlich tätig. Da die Sozialversicherungsträger und auch die private Versicherungswirtschaft regelmäßig medizinische Gutachten nachfragen, kann mit der Klägerin unterstellt werden, dass Dr. S. eine Vielzahl von Aufträgen auch aus dem vorgenannten Bereichen erhält und daraus einen wirtschaftlichen Nutzen zieht. Dieser Umstand ist jedoch nicht geeignet, bei einem objektiven Beteiligten Misstrauen gegen die Unparteilichkeit von Dr. S. zu wecken. Andernfalls wären alle unabhängigen und freien medizinischen Gutachter von vornherein befangen, da ihre Gutachtenaufträge regelmäßig von privaten und öffentlich-rechtlichen Versicherungen kommen dürften. Eine wirtschaftliche Verflechtung mit gesetzlichen und privaten Unfallversicherern allein rechtfertigt nicht die Besorgnis der Befangenheit. Denn es erscheint fernliegend, dass der Sachverständige ein "versicherungsfreundliches" und damit ein den Anspruch ablehnendes oder ihn schmälerndes Gutachten verfasst, nur damit er weiterhin Gutachtenaufträge erhält. Nach dem Sächsischen LSG ist eine derartige "Verkommenheit" des ganzen Systems anzunehmen, dass der Sachverständige aus unterstelltem Gewinnstreben eine vorsätzliche unrichtige Expertise erstellt, entspricht nicht mehr dem Standpunkt eines ruhig und besonnen denkenden Verfahrensbeteiligten (so Beschl. vom 1. September 2009 - L 6 U 222/09 B - juris).
Die klägerische Behauptung, Dr. S. sei von Versicherungsgesellschaften und Berufsgenossenschaften wirtschaftlich abhängig, mag zutreffen, stellt im vorliegenden Verfahren aber keinen Grund für die Besorgnis der Befangenheit dar. Die Klägerin selbst behauptet noch nicht einmal, dass Dr. S. gerade von der Beklagten wirtschaftlich abhängig sei. Selbst wenn ein Gutachter überwiegend im Auftrag von Versicherungsgesellschaften tätig ist, kann dies aus Sicht eines objektivierten Beteiligten nicht ausreichen, um eine Befangenheit zu bejahen. Auch das häufige Tätigwerden für den konkreten Prozessgegner reicht für die Besorgnis der Befangenheit nicht aus, wenn insoweit eine wirtschaftliche Unabhängigkeit besteht (OLG Köln, Beschluss vom 4. März 1992 - 27 W 12/92 - VersR 1992, 58). Auch die Beratungstätigkeit beim Prozessgegner rechtfertigt nicht automatisch die Befangenheit (BayObLG, Beschluss vom 17. Septemter 1987 - BReg 3 Z 76/87 -, NJW -RR 1988, 163). Da vorliegend weder eine wirtschaftliche Abhängigkeit von der Beklagten behauptet noch glaubhaft gemacht worden ist, ist aus Sicht eines objektiven Beteiligten ein Ablehnungsgrund nicht zu erkennen.
Auch die von der Klägerin in Bezug genommene Entscheidung des Landgerichts Köln vom 15. Januar 2004 (Az. 23 T 1/04; 146 C 31/03) vermag hieran nichts zu ändern. Sie entfaltet für das vorliegende Bescherdeverfahren keine rechtliche oder inhaltliche Bindungswirkung. Soweit die Klägerin meint, durch diesen landgerichtlichen Beschluss sei bei ihr gegenüber Dr. S. die Besorgnis der Befangenheit hervorgerufen worden, obgleich sie noch nicht einmal Partei des landgerichtlichen Zivilverfahrens war, ist dies aus objektiver Betrachtungsweise nicht nachvollziehbar und damit nicht zu berücksichtigen. Darüber hinaus teilt der Senat die in dem landgerichtlichen Beschluss gegebene Ablehnungsbegründung nicht, da für die Beurteilung des Vorliegens einer Besorgnis der Befangenheit nicht der Standpunkt des Landgerichts sondern der eines objektiven Beteiligten zugrunde zu legen ist. Das Landgericht K. stellt anstatt auf die Sichtweise des antragstellenden Beteiligten auf seine eigenen Erfahrungen mit dem konkreten Gutachter ab.
Soweit die Klägerin vorbringt, Dr. S. sei bereits im Schreiben vom 12. Oktober 2007 und damit im Verwaltungsverfahren seitens der Beklagten als Gutachter vorgeschlagen worden, ist dies kein Grund zur Annahme eines kollusiven Zusammenwirkens. Nach § 200 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII) hat die Beklagte als Unfallversicherungsträgerin der Klägerin als Versicherten im Verwaltungsverfahren mehrere Gutachter zur Auswahl zu benennen. Die Beklagte hat im vorgenannten Schreiben neben Dr. S. auch Prof. Dr. W. und Prof. Dr. H. als Gutachter zur Auswahl vorgeschlagen. Selbst wenn die Klägerin im Verwaltungsverfahren Dr. S. als Gutachter ausgewählt hätte, ist anerkannt, dass Gerichte nicht gehindert sind, die vom Leistungsträger beigezogenen Gutachten zu verwerten und auch den bereits von der Verwaltungsbehörde gehörten Sachverständigen zum gerichtlichen Sachverständigen zu ernennen (BSG, Beschluss vom 16. Mai 1995 - 9 BV 175/94 - juris). Selbst wenn also Dr. S. bereits in einem Vorprozess tätig gewesen wäre und ein für die Klägerin ungünstiges Gutachten erstellt hätte, rechtfertigte dies nicht die Besorgnis der Befangenheit (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. Juli 1996 - L 2 U 1617/96 B -, Breith 1997, 373 - 376). Allein die Benennung von Dr. S. im Verwaltungsverfahren als einer von drei möglichen Gutachtern vermag bei einem objektiven Beteiligten dennoch kein Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu begründen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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