Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 KR 176/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 137/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 35/01 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 29. August 2000 und der Bescheid der Beklagten vom 26. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 1999 werden aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 12. bis 18. Februar 1999 Krankengeld zu bezahlen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Krankengeld vom 12. bis 18.02.1999.
Der am 1951 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten; seine Ehefrau ist gleichfalls in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert. Er war bis 31.01.1999 versicherungspflichtig beschäftigt, wurde anschließend erwerbslos und begab sich vom 01. bis 06.02.1999 auf Arbeitssuche in die Schweiz.
Die Ärztin Dr.P. stellte mit der Erstbescheinigung vom 11.02.1999 Arbeitsunfähigkeit vom 10.02. bis 13.02.1999 und mit der Folgebescheinigung vom 15.02.1999 Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 19.02.1999 fest. Ab 19.02.1999 erhielt der Kläger Arbeitslosengeld. Er beantragte am 22.02.1999 bei der Beklagten Krankengeld, die mit Bescheid vom 23.02.1999 die Leistung mit der Begründung ablehnte, der Kläger sei ab 01.02.1999 über seine Ehefrau familienversichert und könne aus dieser Versicherung Krankengeld nicht erhalten. Er legte dagegen am 10.03.1999 Widerspruch ein und nahm ihn am 18.03.1999 zurück. Am 19.03.1999 legte der Klägerbevollmächtigte Widerspruch ein und die Beklagte erließ am 26.03.1999 einen weiteren Bescheid, mit dem sie Krankengeld wegen der bestehenden Familienversicherung unter Bezugnahme auf das Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 24./25.06.1998 sowie die Rechtsauffassung des Bundesversicherungsamtes ablehnte; im Übrigen könne ein Krankengeldanspruch frühestens vom Tag an bestehen, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folge. Der Kläger hatte hiergegen am 12.04.1999 Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben (S 7 KR 92/99) und die Klage am 18.05.1999 zurückgenommen.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 11.06.1999 den Widerspruch mit der Begründung zurück, mit Beginn einer Familienversicherung könnten unabhängig von nachgehenden Ansprüchen, Leistungsansprüche nur aus dieser Versicherung abgeleitet werden. Bei dem nachgehenden Anspruch handele es sich um einen nachrangigen Anspruch, der hinter den Leistungsanspruch aufgrund einer Familienversicherung zurücktrete. Ein Anspruch auf Krankengeld innerhalb eines Monats nach Ende der Mitgliedschaft bestehe daher nicht.
Der Kläger hat mit der Klage vom 12.07.1999 - S 7 KR 176/99 - beim SG geltend gemacht, der nachgehende Anspruch werde durch die Familienversicherung bezüglich des Krankengeldes nicht verdrängt. Das SG hat mit Urteil vom 29.08.2000 die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger sei im streitigen Zeitraum familienversichert und könne daher Krankengeld nicht erhalten. Der nachgehende Anspruch sei subsidiär gegenüber der Familienversicherung, auch soweit das neue Versicherungsverhältnis keine entsprechenden Leistungen vorsehe. Dass der Kläger aufgrund der Familienversicherung keinen Anspruch auf Krankengeld mehr habe, während er ohne Eintritt der Familienversicherung für den streitigen Zeitraum grundsätzlich Krankengeld beanspruchen könne, verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz. Ende die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger, beschränke sich der Fortbestand des Versicherungsschutzes auf den kurzen Zeitraum von einem Monat. Nach Ablauf dieser Frist sei der Versicherte, sofern er nicht erneut die Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht erfülle, ohne den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung. Demgegenüber gewähre die Familienversicherung den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung zeitlich unbegrenzt, solange die Voraussetzungen hierfür erfüllt seien. Das SG hat in den Entscheidungsgründen die Berufung zugelassen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 20.11.2000, mit der er geltend macht, die bestehen bleibende Mitgliedschaft verdränge die Familienversicherung, so dass der Anspruch auf Krankengeld zu erfüllen sei. Es verstoße gegen den Gleichheitssatz, ihm das Krankengeld zu versagen, jedoch einem Versicherten, dessen Ehegatte privat versichert sei, diese Leistung zuzubilligen. Die Familienversicherung könne nicht mehr verdrängen, als sie selbst leiste.
Der Klägerbevollmächtigte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.08. 2000 und den zugrundeliegenden Bescheid der Beklagten vom 26.03.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Krankengeld für den Zeitraum vom 12. bis 18.02.1999 zu bezahlen.
Die Vertreterin der Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Das SG hat zwar nicht im Tenor, sondern nur in den Entscheidungsgründen die Berufung zugelassen (§ 144 Abs.1 SGG). Diese Zulassung ist aber wirksam, da sich aus dem Urteil eindeutig ergibt, dass die Einlegung des Rechtsmittels ermöglicht werden soll (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, § 144, Rn.39 m.w.N.).
Die Berufung des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil und die Bescheide sind aufzuheben und die Beklagte ist zu verurteilen, dem Kläger im streitigen Zeitraum vom 12. bis 18.02. 1999 Krankengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu leisten (§ 44 Abs.1 Sozialgesetzbuch V - SGB V -). Nach dieser gesetzlichen Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Dass der Kläger in der Zeit vom 12. bis 18.02.1999 arbeitsunfähig erkrankt ist, wie aus den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von Dr.P. hervorgeht, ist zumindest im Widerspruchsbescheid und im erstinstanziellen Verfahren von der Beklagten nicht mehr bestritten worden.
Streitig ist vielmehr, ob der Anspruch nach § 44 Abs.1 Satz 2 SGB V ausgeschlossen ist, weil danach Familienversicherte keinen Anspruch auf Krankengeld haben oder ob der Anspruch sich aus § 19 Abs.2 SGB V i.V.m. der vorausgegangenen Pflichtversicherung aufgrund einer Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt (§ 5 Abs.1 Nr.1 SGB V) ergibt. Endet die Mitgliedschaft Versicherungsspflichtiger, besteht nach § 19 Abs.2 SG V Anspruch auf Leistungen für längstens einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird (sog. nachgehender Anspruch).
Das Verhältnis zwischen dem nachgehenden Anspruch und der Familienversicherung ist in der juristischen Literatur umstritten. Es wird vielfach angenommen, dass sich in diesen "Konkurrenzfällen" nach den allgemeinen Grundsätzen des Krankenversicherungsrechts ein Vorrang des aktuellen Versicherungsverhältnisses und der daraus sich ergebenden Leistungsansprüche ergebe und der nachgehende Versicherungsschutz subsidiär sei. Zur Begründung wird angeführt, dass der tragende Grund, die Schutzbedürftigkeit des Versicherten, durch das neue Versicherungsverhältnis entfalle. Dieser Nachrang bestehe grundsätzlich auch, soweit das neue Versicherungsverhältnis keine entsprechenden Leistungen vorsehe (Höfler in KassKomm, § 19 SGB V, Rdnr.10; Zipperer in Maassen u.a., GKV-Kommentar, § 19, Rn.19, 20, andererseits Rn. 21; Noftz in Hauck/Haines, SGB V, § 19, Rn.60, 61; Igl in von Maydell, GK-SGB V, § 19, Rz.25, 26; Leitherer in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 1, Krankenversicherungsrecht, § 19, Rdnr.283 jeweils m.w.N.). Zur Begründung wird außerdem auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verwiesen, nämlich auf das Urteil vom 28.04.1981 (BSGE 51, 281, 285) und das Urteil vom 20.08.1986 (SozR 2200 § 214 Nr.2) sowie darauf, dass zwei Versicherungsverhältnisse nicht nebeneinander bestehen könnten.
Der Senat schließt sich dieser Ansicht, wie er bereits in einem früheren Fall (Urteil vom 05.04.2001 4 Kr 102/00 - rechtskräftig) entschieden hat, nicht an, d.h. nach seiner Auffassung wird der bestehende nachgehende Anspruch (§ 19 Abs.2 SGB V) aus der früheren Pflichtversicherung (§ 5 Abs.1 Nr.1 SGB V) bezüglich des Anspruchs auf Krankengeld nicht durch die Familienversicherung (§ 10 SGB V) verdrängt. Die obengenannten Entscheidungen des BSG sind nicht geeignet, die vom Schrifttum vertretene Auffassung zu stützen. Das Urteil des BSG vom 28.04.1981 (BSGE 51, 281, 285) betrifft das Verhältnis zwischen der freiwilligen Mitgliedschaft und dem Anspruch auf Familienhilfe nach früherem Recht. Im vorliegenden Fall jedoch geht es um das Verhältnis der Pflichtversicherung einschließlich des nachgehenden Anspruchs zur Familienversicherung, die durch das SGB V anders ausgestaltet wurde als die Familienhilfe nach § 205 RVO. Nach dem neuen Recht des SGB V wird der Familienversicherte zwar auch nicht Mitglied der Kasse, aber er erhält nunmehr einen eigenen Versichertenstatus und leitet daher seine Leistungsansprüche aus eigenem Recht ab (vgl. § 3 und Umkehrschluss aus §§ 186 bis 188 SGB V).
Das außerdem zitierte Urteil des BSG vom 20.08.1986 (SozR 2200 § 214 Nr.2) betrifft die Konkurrenz zwischen nachgehendem Versicherungsschutz nach altem Recht (§ 214 Abs.1 RVO) und einer freiwilligen Weiterversicherung ohne Krankengeldanspruch. Es geht hier um eine andere Rechtsbeziehung und es ist außerdem zu berücksichtigen, dass der nachgehende Versicherungsschutz (§ 214 Abs.1 RVO) früher insofern schwächer ausgestaltet war, als er von einer Vorversicherungszeit abhing.
Für die Auffassung des Senats sprechen folgende Gründe: Wäre bei der vorliegenden Konstellation der Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossen, hätte es des § 19 Abs.2 SGB V nicht bedurft. Dieser Fall hätte, wenn man der obengenannten Auffassung in der Literatur folgen würde, auch über die zeitliche Abfolge der Versicherungsverhältnisse und des Vorrangs des jeweiligen aktuellen Versicherungsverhältnisses (im vorliegenden Fall der Familienversicherung gemäß § 10 SGB V) gelöst werden können. Es ist jedoch gerade der Sinn des § 19 Abs.2 SGB V, der eine Ausnahme von dem Grundsatz ist, dass der Anspruch auf Leistungen mit dem Ende der Mitgliedschaft erlischt (§ 19 Abs.1 SGB V), Ansprüche aus einer beendeten Mitgliedschaft, wenn auch für einen beschränkten Zeitraum, weiter zu gewähren, um den Pflichtversicherten sozialen Schutz zu geben.
Außerdem ist der Versicherungsschutz aus einer eigenen, mit Beiträgen finanzierten Pflichtversicherung, hier aus einem Beschäftigungsverhältnis, stärker ausgeprägt ist als der abgeleitete Versicherungsschutz aus einer Familienversicherung, deren begünstigte Familienangehörige keine Beiträge zahlen. Dieser "starke" Versicherungsschutz aus der Pflichtversicherung gemäß § 5 Abs.1 Nr.1 SGB V setzt sich fort im nachgehenden Anspruch des § 19 Abs.2 SGB V. Dass die Pflichtversicherung gemäß § 5 Abs.1 Nr.1 SGB V "stärker" ausgestaltet ist als die anderen Versicherungen des SGB V, ergibt sich aus den Konkurrenzregeln des § 5 Abs.6 bis 8 SGB V, die einen Vorrang der Versicherung gemäß § 5 Abs.1 Nr.1 SGB V gegenüber den anderen dort genannten Pflichtversicherungen enthalten. Demgegenüber ist die Familienversicherung als solche "schwach" ausgestaltet: § 10 Abs.1 Nr.1 bis 5 SGB V enthält Restriktionen, die das Zustandekommen einer Familienversicherung hindern. Abs.2 bis 4 SGB V des § 10 SGB V enthalten weitere Einschränkungen, die sich in zeitlicher Hinsicht auf etwaige Leistungsansprüche aus dieser Versicherung auswirken. § 44 Abs.1 Satz 2 SGB V schließt für Familienversicherte den Krankengeldanspruch aus, der eine wesentliche Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung ist. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang § 10 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGB V zu erwähnen, der eine Familienversicherung verhindert, wenn eine Pflichtversicherung als Arbeitnehmer gemäß § 5 Abs.1 Nr.1 SGB V besteht. Dieser Ausgestaltung der Familienversicherung als subsidiäre Versicherungsform ist zu entnehmen, dass sie nach dem Willen des Gesetzgebers den Versicherungsschutz aus der Pflichtversicherung gemäß § 5 Abs.1 Nr.1 SGB V nicht verdrängen soll.
Unzutreffend ist auch die Meinung, eine "Konkurrenz zweier Versicherungsverhältnisse" dürfe nicht bestehen und damit müsse die aktuelle Familienversicherung den Vorrang haben. Denn durch § 19 Abs.2 SGB V wird nicht das Versicherungsverhältnis gemäß § 5 Abs.1 Nr.1 SGB V verlängert, sondern lediglich ein daraus bestehender Leistungsanspruch für einen begrenzten Zeitraum über das Ende der Versicherung hinaus. Im vorliegenden Fall hat mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses die Mitgliedschaft am 31.01.1999 geendet (§ 190 Abs.2 SGB V) und mit diesem Tage auch aufgrund der Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 7 Abs.1 Sozialgesezbuch IV) das Pflichtversicherungsverhältnis gemäß § 5 Abs.1 Nr.1 SGB V. Anderenfalls könnte eine Familienversicherung nicht entstehen (§ 10 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGB V). Es geht also im vorliegenden Fall nicht um die "Konkurrenz zweier Versicherungsverhältnisse", sondern um die Verlängerung eines Leistungsanspruchs aus einem früheren Versicherungsverhältnis, woraus sich eine Kollision mit der Ausgestaltung der Familienversicherung (§ 44 Abs.1 Satz 2 SGB V) allenfalls dann ergäbe, wenn es um einen Sachleistungsanspruch ginge und die Familienversicherung bei einer anderen Kasse bestünde. Das ist aber bei der nachgehenden Versicherungsleistung Krankengeld gerade nicht der Fall. Die Leistungsabwicklung geschieht konkurrenzlos nebeneinander.
Vor allem spricht aber ein soziales Schutzbedürfnis für das Fortbestehen eines möglichen Krankengeldanspruchs im eng begrenzten zeitlichen Rahmen des § 19 Abs.2 SGB V. Dieses Schutzbedürfnis ist auch dann noch gegeben, wenn, wie im vorliegenden Fall, der Versicherungsfall Krankheit nach dem Ende der Mitgliedschaft innerhalb der Übergangszeit eingetreten ist (Regierungsentwurf-GRG, S.166, Begründung zu § 19 Abs.2). Um Lücken im Versicherungsschutz zu vermeiden, die sich z.B. durch einen Arbeitgeberwechsel ergeben, können nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht Leistungen noch für einen Monat nach der Mitgliedschaft in Anspruch genommen werden. Mit dieser Begründung hat der Gesetzgeber im SGB V eine Regelung fortgeführt, die schon zu Beginn der gesetzlichen Krankenversicherung ein wesentlicher Teil des Krankenversicherungsschutzes war. Das Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15.06.1883 (RGBL. S.73) bestimmte in § 28, dass Kassenmitglieder, welche erwerbslos werden, für die Dauer der Erwerbslosigkeit, jedoch nicht für einen längeren Zeitraum, als sie der Kasse angehört haben, und höchstens für drei Wochen ihre Ansprüche auf die gesetzlichen Mindestleistungen der Kasse behalten. Diese Vorschrift, die für die Betriebs- und Innungskrankenkassen gleichfalls entsprechend galt, wurde in der Praxis auch so angewendet, dass ein Unterstützungsfall, der innerhalb von drei Wochen nach Ende der Mitgliedschaft eintrat, Ansprüche begründen konnte, und zwar bis zur sonst geltenden Höchstleistungsdauer (Peters, SGb 1984, 229, 231). An diesem sozialen Schutzbedürfnis hat sich bis heute nichts geändert. Die gesetzliche Krankenversicherung ist nach wie vor für die versicherungspflichtigen Arbeitnehmer geschaffen, die die größte Gruppe der Versicherten darstellen. 90 % der Pflichtmitglieder sind Beschäftigte (Peters in KassKomm, § 5, Rdnr.15) und diese bilden den stärksten Anteil unter den Beitragszahlern.
Schließlich darf nicht übersehen werden, dass der Anspruch auf Krankengeld ein wesentliches Äquivalent für die Beitragszahlung ist. Im Versicherungsbegriff der gesetzlichen Krankenversicherung kommt auch das Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen dem Beitragsanspruch des Versicherungsträgers und dem Leistungsanspruch des Versicherten zum Ausdruck. Es besteht insoweit eine Äquivalenz zwischen Beiträgen und Leistungen (Leitherer, a.a.O. Rdnr.22 m.w.N. auf die höchstrichterliche Rechtsprechung). Dieses Äquivalenzprinzip wäre nach der Überzeugung des Senats (und entgegen dem SG) verletzt, da der nachgehende Anspruch als wesentlicher Bestandteil der Pflichtversicherung der Arbeitnehmer durch die gezahlten Beiträge mitfinanziert wird. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat insbesondere in zwei Entscheidungen aus der jüngeren Zeit das Äquivalenzprinzip im Zusammenhang mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art.3 Abs.1 Grundgesetz-GG) hervorgehoben und dessen Bedeutung betont. Das BVerfG hat mit Urteil vom 09.11.1988 (BVerfGE 79, 87 ff.) für Recht erkannt, dass das Versicherungsprinzip dadurch gekennzeichnet ist, dass im Grundsatz eine Äquivalenz von Beitrag und Leistung besteht. Es hat in diesem Zusammenhang als verfassungswidrig angesehen, dass der Bezug einer anderen Sozialleistung (hier Verletztengeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder Übergangsgeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung) auch insoweit zum Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld führt, als dieses höher wäre (Krankengeld-Spitzenbetrag). Es hat außerdem mit Urteil vom 11.01.1995 (SozR 3-2200 § 385 Nr.6) es gleichfalls mit dem allgemeinen Gleichheitssatz als unvereinbar erklärt, dass einmalig gezahltes Entgelt zu Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen wird, ohne dass es bei der Berechnung von kurzfristigen Lohnersatzleistungen (beispielsweise Arbeitslosengeld, Krankengeld und Übergangsgeld) berücksichtigt wird. Auch in diesem Fall hat es die Verfassungswidrigkeit darin gesehen, dass Versicherte, deren Einmalzahlungen der Beitragspflicht unterliegen, hinsichtlich der Lohnersatzleistungen aus diesen Beiträgen keine Leistungen erhalten, während Versicherte, die lediglich aus laufendem Arbeitsentgelt Beiträge zahlen, voll in den Genuss äquivalenter Leistungen gelangen. Auch wenn eine versicherungsmathematische Äquivalenz zwischen Beiträgen und Leistungen nicht bestehen muss, war in dem dortigen Fall für Äquivalenzabweichungen bei Versichertengruppen mit gleicher Beitragsleistung ein hinreichender sachlicher Grund nicht gegeben (vgl. hierzu Schlegel, NZS 1997, 201 ff.; Ebsen NZS 1997, 441 ff.).
Die Gründe der Entscheidungen des BVerfG gelten auch im vorliegenden Fall. Denn die Rechtsanwendung der Beklagten führt zu einer Ungleichbehandlung von Personengruppen mit gleich hohen Beitragsleistungen und damit zu einer gleichheitssatzwidrigen Benachteiligung. Der Gleichheitssatz des Art.3 Abs.1 GG ist nach der sog. neuen Formel insbesondere dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (Ebsen a.a.O., mit Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung des BVerfG zu Art.3 GG; s. auch Bieback, SGb 1989, 46, 48 unter Hinweis auf den Normzweck; Rüfner, SGb 1984, 147 ff.)
Der Kläger wird im vorliegenden Fall als ehemaliger Pflichtversicherter gemäß § 5 Abs.1 Nr.1 SGB V in seinem nachgehenden Anspruch gegenüber den entsprechenden Pflichtversicherten benachteiligt, deren Ehefrauen nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung sind und daher keine Familienversicherung begründen können. Diesen Versicherten stünde auch nach der Rechtsauffassung der Beklagten der nachgehende Anspruch gemäß § 19 Abs.2 SGB V zu. Ein sachlicher Differenzierungsgrund für diese Ungleichbehandlung ist nicht ersichtlich. Der Kläger erhält aufgrund der Versicherung seiner Ehefrau - diese Versicherung bildet die Grundlage der Familienversicherung - eine Entwertung seines Versicherungsverhältnisses, dessen wesentlicher Bestandteil der Anspruch auf Krankengeld ist. Es ist jedoch nicht der Sinn und Zweck der Familienversicherung, bestehende Ansprüche auszuschließen, sondern vielmehr den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung auch auf Familienangehörige zu erweitern, falls die in § 10 SGB V genannten Voraussetzungen erfüllt sind. In der Familienversicherung liegt ein wesentliches Element des sozialen Ausgleichs (Familienlastenausgleich), das die soziale Krankenversicherung prägt (Peters in KassKomm § 10, Rdnr.2). Ein Ausschluss des nachgehenden Krankengeldanspruchs durch die Familienversicherung würde die Funktion dieser Versicherung ins Gegenteil verkehren. Im Ergebnis besteht daher kein Ausschluss des nachgehenden Krankengeldanspruchs durch die bestehende Familienversicherung.
§ 48 Abs.1 SGB V (Dauer des Krankengeldes) steht dem Anspruch auf Krankengeld gleichfalls nicht entgegen. Danach wird Krankengeld grundsätzlich für die gesamte Dauer der Arbeitsunfähigkeit ohne Rücksicht auf das Fortbestehen der Mitgliedschaft gewährt. Im vorliegenden Fall jedoch ist die Arbeitsunfähigkeit erst nach Beendigung der Pflichtmitgliedschaft eingetreten. Dieser Fall wird von § 48 Abs.1 SGB V nicht erfasst. Außerhalb des Normbereichs des § 48 SGB V gilt § 19 Abs.2 SGB V, d.h. insbesondere für die nachgehenden Ansprüche. Dies betrifft Versicherungsfälle, die nach Beendigung der Mitgliedschaft, aber noch vor dem Ende der Übergangszeit von einem Monat eingetreten sind (Höfler, a.a.O., § 19, Rdnr.8; derselbe, a.a.O. § 48, Rdnr.2.).
Gemäß § 46 Satz 1 Nr.2 SGB V entsteht der Anspruch auf Krankengeld von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Dies ist im vorliegenden Fall der 12.02.1999, da die Erstbescheinigung von Dr.P. Arbeitsunfähigkeit am 11.02.1999 festgestellt hat. Hinweise für ein Ruhen des Krankengeldanspruchs gemäß § 49 Abs.1 Nr.5 SGB V bietet der vorliegende Sachverhalt nicht. Nach dieser Bestimmung ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt. Der Senat hat die Auskunft der Beklagten vom 14.09.2001 zur Kenntnis genommen und berücksichtigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist die Revision zuzulassen (§ 160 Abs.2 Nr.1 SGG).
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Krankengeld vom 12. bis 18.02.1999.
Der am 1951 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten; seine Ehefrau ist gleichfalls in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert. Er war bis 31.01.1999 versicherungspflichtig beschäftigt, wurde anschließend erwerbslos und begab sich vom 01. bis 06.02.1999 auf Arbeitssuche in die Schweiz.
Die Ärztin Dr.P. stellte mit der Erstbescheinigung vom 11.02.1999 Arbeitsunfähigkeit vom 10.02. bis 13.02.1999 und mit der Folgebescheinigung vom 15.02.1999 Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 19.02.1999 fest. Ab 19.02.1999 erhielt der Kläger Arbeitslosengeld. Er beantragte am 22.02.1999 bei der Beklagten Krankengeld, die mit Bescheid vom 23.02.1999 die Leistung mit der Begründung ablehnte, der Kläger sei ab 01.02.1999 über seine Ehefrau familienversichert und könne aus dieser Versicherung Krankengeld nicht erhalten. Er legte dagegen am 10.03.1999 Widerspruch ein und nahm ihn am 18.03.1999 zurück. Am 19.03.1999 legte der Klägerbevollmächtigte Widerspruch ein und die Beklagte erließ am 26.03.1999 einen weiteren Bescheid, mit dem sie Krankengeld wegen der bestehenden Familienversicherung unter Bezugnahme auf das Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 24./25.06.1998 sowie die Rechtsauffassung des Bundesversicherungsamtes ablehnte; im Übrigen könne ein Krankengeldanspruch frühestens vom Tag an bestehen, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folge. Der Kläger hatte hiergegen am 12.04.1999 Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben (S 7 KR 92/99) und die Klage am 18.05.1999 zurückgenommen.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 11.06.1999 den Widerspruch mit der Begründung zurück, mit Beginn einer Familienversicherung könnten unabhängig von nachgehenden Ansprüchen, Leistungsansprüche nur aus dieser Versicherung abgeleitet werden. Bei dem nachgehenden Anspruch handele es sich um einen nachrangigen Anspruch, der hinter den Leistungsanspruch aufgrund einer Familienversicherung zurücktrete. Ein Anspruch auf Krankengeld innerhalb eines Monats nach Ende der Mitgliedschaft bestehe daher nicht.
Der Kläger hat mit der Klage vom 12.07.1999 - S 7 KR 176/99 - beim SG geltend gemacht, der nachgehende Anspruch werde durch die Familienversicherung bezüglich des Krankengeldes nicht verdrängt. Das SG hat mit Urteil vom 29.08.2000 die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger sei im streitigen Zeitraum familienversichert und könne daher Krankengeld nicht erhalten. Der nachgehende Anspruch sei subsidiär gegenüber der Familienversicherung, auch soweit das neue Versicherungsverhältnis keine entsprechenden Leistungen vorsehe. Dass der Kläger aufgrund der Familienversicherung keinen Anspruch auf Krankengeld mehr habe, während er ohne Eintritt der Familienversicherung für den streitigen Zeitraum grundsätzlich Krankengeld beanspruchen könne, verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz. Ende die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger, beschränke sich der Fortbestand des Versicherungsschutzes auf den kurzen Zeitraum von einem Monat. Nach Ablauf dieser Frist sei der Versicherte, sofern er nicht erneut die Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht erfülle, ohne den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung. Demgegenüber gewähre die Familienversicherung den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung zeitlich unbegrenzt, solange die Voraussetzungen hierfür erfüllt seien. Das SG hat in den Entscheidungsgründen die Berufung zugelassen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 20.11.2000, mit der er geltend macht, die bestehen bleibende Mitgliedschaft verdränge die Familienversicherung, so dass der Anspruch auf Krankengeld zu erfüllen sei. Es verstoße gegen den Gleichheitssatz, ihm das Krankengeld zu versagen, jedoch einem Versicherten, dessen Ehegatte privat versichert sei, diese Leistung zuzubilligen. Die Familienversicherung könne nicht mehr verdrängen, als sie selbst leiste.
Der Klägerbevollmächtigte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.08. 2000 und den zugrundeliegenden Bescheid der Beklagten vom 26.03.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Krankengeld für den Zeitraum vom 12. bis 18.02.1999 zu bezahlen.
Die Vertreterin der Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Das SG hat zwar nicht im Tenor, sondern nur in den Entscheidungsgründen die Berufung zugelassen (§ 144 Abs.1 SGG). Diese Zulassung ist aber wirksam, da sich aus dem Urteil eindeutig ergibt, dass die Einlegung des Rechtsmittels ermöglicht werden soll (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, § 144, Rn.39 m.w.N.).
Die Berufung des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil und die Bescheide sind aufzuheben und die Beklagte ist zu verurteilen, dem Kläger im streitigen Zeitraum vom 12. bis 18.02. 1999 Krankengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu leisten (§ 44 Abs.1 Sozialgesetzbuch V - SGB V -). Nach dieser gesetzlichen Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Dass der Kläger in der Zeit vom 12. bis 18.02.1999 arbeitsunfähig erkrankt ist, wie aus den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von Dr.P. hervorgeht, ist zumindest im Widerspruchsbescheid und im erstinstanziellen Verfahren von der Beklagten nicht mehr bestritten worden.
Streitig ist vielmehr, ob der Anspruch nach § 44 Abs.1 Satz 2 SGB V ausgeschlossen ist, weil danach Familienversicherte keinen Anspruch auf Krankengeld haben oder ob der Anspruch sich aus § 19 Abs.2 SGB V i.V.m. der vorausgegangenen Pflichtversicherung aufgrund einer Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt (§ 5 Abs.1 Nr.1 SGB V) ergibt. Endet die Mitgliedschaft Versicherungsspflichtiger, besteht nach § 19 Abs.2 SG V Anspruch auf Leistungen für längstens einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird (sog. nachgehender Anspruch).
Das Verhältnis zwischen dem nachgehenden Anspruch und der Familienversicherung ist in der juristischen Literatur umstritten. Es wird vielfach angenommen, dass sich in diesen "Konkurrenzfällen" nach den allgemeinen Grundsätzen des Krankenversicherungsrechts ein Vorrang des aktuellen Versicherungsverhältnisses und der daraus sich ergebenden Leistungsansprüche ergebe und der nachgehende Versicherungsschutz subsidiär sei. Zur Begründung wird angeführt, dass der tragende Grund, die Schutzbedürftigkeit des Versicherten, durch das neue Versicherungsverhältnis entfalle. Dieser Nachrang bestehe grundsätzlich auch, soweit das neue Versicherungsverhältnis keine entsprechenden Leistungen vorsehe (Höfler in KassKomm, § 19 SGB V, Rdnr.10; Zipperer in Maassen u.a., GKV-Kommentar, § 19, Rn.19, 20, andererseits Rn. 21; Noftz in Hauck/Haines, SGB V, § 19, Rn.60, 61; Igl in von Maydell, GK-SGB V, § 19, Rz.25, 26; Leitherer in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 1, Krankenversicherungsrecht, § 19, Rdnr.283 jeweils m.w.N.). Zur Begründung wird außerdem auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verwiesen, nämlich auf das Urteil vom 28.04.1981 (BSGE 51, 281, 285) und das Urteil vom 20.08.1986 (SozR 2200 § 214 Nr.2) sowie darauf, dass zwei Versicherungsverhältnisse nicht nebeneinander bestehen könnten.
Der Senat schließt sich dieser Ansicht, wie er bereits in einem früheren Fall (Urteil vom 05.04.2001 4 Kr 102/00 - rechtskräftig) entschieden hat, nicht an, d.h. nach seiner Auffassung wird der bestehende nachgehende Anspruch (§ 19 Abs.2 SGB V) aus der früheren Pflichtversicherung (§ 5 Abs.1 Nr.1 SGB V) bezüglich des Anspruchs auf Krankengeld nicht durch die Familienversicherung (§ 10 SGB V) verdrängt. Die obengenannten Entscheidungen des BSG sind nicht geeignet, die vom Schrifttum vertretene Auffassung zu stützen. Das Urteil des BSG vom 28.04.1981 (BSGE 51, 281, 285) betrifft das Verhältnis zwischen der freiwilligen Mitgliedschaft und dem Anspruch auf Familienhilfe nach früherem Recht. Im vorliegenden Fall jedoch geht es um das Verhältnis der Pflichtversicherung einschließlich des nachgehenden Anspruchs zur Familienversicherung, die durch das SGB V anders ausgestaltet wurde als die Familienhilfe nach § 205 RVO. Nach dem neuen Recht des SGB V wird der Familienversicherte zwar auch nicht Mitglied der Kasse, aber er erhält nunmehr einen eigenen Versichertenstatus und leitet daher seine Leistungsansprüche aus eigenem Recht ab (vgl. § 3 und Umkehrschluss aus §§ 186 bis 188 SGB V).
Das außerdem zitierte Urteil des BSG vom 20.08.1986 (SozR 2200 § 214 Nr.2) betrifft die Konkurrenz zwischen nachgehendem Versicherungsschutz nach altem Recht (§ 214 Abs.1 RVO) und einer freiwilligen Weiterversicherung ohne Krankengeldanspruch. Es geht hier um eine andere Rechtsbeziehung und es ist außerdem zu berücksichtigen, dass der nachgehende Versicherungsschutz (§ 214 Abs.1 RVO) früher insofern schwächer ausgestaltet war, als er von einer Vorversicherungszeit abhing.
Für die Auffassung des Senats sprechen folgende Gründe: Wäre bei der vorliegenden Konstellation der Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossen, hätte es des § 19 Abs.2 SGB V nicht bedurft. Dieser Fall hätte, wenn man der obengenannten Auffassung in der Literatur folgen würde, auch über die zeitliche Abfolge der Versicherungsverhältnisse und des Vorrangs des jeweiligen aktuellen Versicherungsverhältnisses (im vorliegenden Fall der Familienversicherung gemäß § 10 SGB V) gelöst werden können. Es ist jedoch gerade der Sinn des § 19 Abs.2 SGB V, der eine Ausnahme von dem Grundsatz ist, dass der Anspruch auf Leistungen mit dem Ende der Mitgliedschaft erlischt (§ 19 Abs.1 SGB V), Ansprüche aus einer beendeten Mitgliedschaft, wenn auch für einen beschränkten Zeitraum, weiter zu gewähren, um den Pflichtversicherten sozialen Schutz zu geben.
Außerdem ist der Versicherungsschutz aus einer eigenen, mit Beiträgen finanzierten Pflichtversicherung, hier aus einem Beschäftigungsverhältnis, stärker ausgeprägt ist als der abgeleitete Versicherungsschutz aus einer Familienversicherung, deren begünstigte Familienangehörige keine Beiträge zahlen. Dieser "starke" Versicherungsschutz aus der Pflichtversicherung gemäß § 5 Abs.1 Nr.1 SGB V setzt sich fort im nachgehenden Anspruch des § 19 Abs.2 SGB V. Dass die Pflichtversicherung gemäß § 5 Abs.1 Nr.1 SGB V "stärker" ausgestaltet ist als die anderen Versicherungen des SGB V, ergibt sich aus den Konkurrenzregeln des § 5 Abs.6 bis 8 SGB V, die einen Vorrang der Versicherung gemäß § 5 Abs.1 Nr.1 SGB V gegenüber den anderen dort genannten Pflichtversicherungen enthalten. Demgegenüber ist die Familienversicherung als solche "schwach" ausgestaltet: § 10 Abs.1 Nr.1 bis 5 SGB V enthält Restriktionen, die das Zustandekommen einer Familienversicherung hindern. Abs.2 bis 4 SGB V des § 10 SGB V enthalten weitere Einschränkungen, die sich in zeitlicher Hinsicht auf etwaige Leistungsansprüche aus dieser Versicherung auswirken. § 44 Abs.1 Satz 2 SGB V schließt für Familienversicherte den Krankengeldanspruch aus, der eine wesentliche Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung ist. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang § 10 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGB V zu erwähnen, der eine Familienversicherung verhindert, wenn eine Pflichtversicherung als Arbeitnehmer gemäß § 5 Abs.1 Nr.1 SGB V besteht. Dieser Ausgestaltung der Familienversicherung als subsidiäre Versicherungsform ist zu entnehmen, dass sie nach dem Willen des Gesetzgebers den Versicherungsschutz aus der Pflichtversicherung gemäß § 5 Abs.1 Nr.1 SGB V nicht verdrängen soll.
Unzutreffend ist auch die Meinung, eine "Konkurrenz zweier Versicherungsverhältnisse" dürfe nicht bestehen und damit müsse die aktuelle Familienversicherung den Vorrang haben. Denn durch § 19 Abs.2 SGB V wird nicht das Versicherungsverhältnis gemäß § 5 Abs.1 Nr.1 SGB V verlängert, sondern lediglich ein daraus bestehender Leistungsanspruch für einen begrenzten Zeitraum über das Ende der Versicherung hinaus. Im vorliegenden Fall hat mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses die Mitgliedschaft am 31.01.1999 geendet (§ 190 Abs.2 SGB V) und mit diesem Tage auch aufgrund der Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 7 Abs.1 Sozialgesezbuch IV) das Pflichtversicherungsverhältnis gemäß § 5 Abs.1 Nr.1 SGB V. Anderenfalls könnte eine Familienversicherung nicht entstehen (§ 10 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGB V). Es geht also im vorliegenden Fall nicht um die "Konkurrenz zweier Versicherungsverhältnisse", sondern um die Verlängerung eines Leistungsanspruchs aus einem früheren Versicherungsverhältnis, woraus sich eine Kollision mit der Ausgestaltung der Familienversicherung (§ 44 Abs.1 Satz 2 SGB V) allenfalls dann ergäbe, wenn es um einen Sachleistungsanspruch ginge und die Familienversicherung bei einer anderen Kasse bestünde. Das ist aber bei der nachgehenden Versicherungsleistung Krankengeld gerade nicht der Fall. Die Leistungsabwicklung geschieht konkurrenzlos nebeneinander.
Vor allem spricht aber ein soziales Schutzbedürfnis für das Fortbestehen eines möglichen Krankengeldanspruchs im eng begrenzten zeitlichen Rahmen des § 19 Abs.2 SGB V. Dieses Schutzbedürfnis ist auch dann noch gegeben, wenn, wie im vorliegenden Fall, der Versicherungsfall Krankheit nach dem Ende der Mitgliedschaft innerhalb der Übergangszeit eingetreten ist (Regierungsentwurf-GRG, S.166, Begründung zu § 19 Abs.2). Um Lücken im Versicherungsschutz zu vermeiden, die sich z.B. durch einen Arbeitgeberwechsel ergeben, können nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht Leistungen noch für einen Monat nach der Mitgliedschaft in Anspruch genommen werden. Mit dieser Begründung hat der Gesetzgeber im SGB V eine Regelung fortgeführt, die schon zu Beginn der gesetzlichen Krankenversicherung ein wesentlicher Teil des Krankenversicherungsschutzes war. Das Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15.06.1883 (RGBL. S.73) bestimmte in § 28, dass Kassenmitglieder, welche erwerbslos werden, für die Dauer der Erwerbslosigkeit, jedoch nicht für einen längeren Zeitraum, als sie der Kasse angehört haben, und höchstens für drei Wochen ihre Ansprüche auf die gesetzlichen Mindestleistungen der Kasse behalten. Diese Vorschrift, die für die Betriebs- und Innungskrankenkassen gleichfalls entsprechend galt, wurde in der Praxis auch so angewendet, dass ein Unterstützungsfall, der innerhalb von drei Wochen nach Ende der Mitgliedschaft eintrat, Ansprüche begründen konnte, und zwar bis zur sonst geltenden Höchstleistungsdauer (Peters, SGb 1984, 229, 231). An diesem sozialen Schutzbedürfnis hat sich bis heute nichts geändert. Die gesetzliche Krankenversicherung ist nach wie vor für die versicherungspflichtigen Arbeitnehmer geschaffen, die die größte Gruppe der Versicherten darstellen. 90 % der Pflichtmitglieder sind Beschäftigte (Peters in KassKomm, § 5, Rdnr.15) und diese bilden den stärksten Anteil unter den Beitragszahlern.
Schließlich darf nicht übersehen werden, dass der Anspruch auf Krankengeld ein wesentliches Äquivalent für die Beitragszahlung ist. Im Versicherungsbegriff der gesetzlichen Krankenversicherung kommt auch das Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen dem Beitragsanspruch des Versicherungsträgers und dem Leistungsanspruch des Versicherten zum Ausdruck. Es besteht insoweit eine Äquivalenz zwischen Beiträgen und Leistungen (Leitherer, a.a.O. Rdnr.22 m.w.N. auf die höchstrichterliche Rechtsprechung). Dieses Äquivalenzprinzip wäre nach der Überzeugung des Senats (und entgegen dem SG) verletzt, da der nachgehende Anspruch als wesentlicher Bestandteil der Pflichtversicherung der Arbeitnehmer durch die gezahlten Beiträge mitfinanziert wird. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat insbesondere in zwei Entscheidungen aus der jüngeren Zeit das Äquivalenzprinzip im Zusammenhang mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art.3 Abs.1 Grundgesetz-GG) hervorgehoben und dessen Bedeutung betont. Das BVerfG hat mit Urteil vom 09.11.1988 (BVerfGE 79, 87 ff.) für Recht erkannt, dass das Versicherungsprinzip dadurch gekennzeichnet ist, dass im Grundsatz eine Äquivalenz von Beitrag und Leistung besteht. Es hat in diesem Zusammenhang als verfassungswidrig angesehen, dass der Bezug einer anderen Sozialleistung (hier Verletztengeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder Übergangsgeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung) auch insoweit zum Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld führt, als dieses höher wäre (Krankengeld-Spitzenbetrag). Es hat außerdem mit Urteil vom 11.01.1995 (SozR 3-2200 § 385 Nr.6) es gleichfalls mit dem allgemeinen Gleichheitssatz als unvereinbar erklärt, dass einmalig gezahltes Entgelt zu Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen wird, ohne dass es bei der Berechnung von kurzfristigen Lohnersatzleistungen (beispielsweise Arbeitslosengeld, Krankengeld und Übergangsgeld) berücksichtigt wird. Auch in diesem Fall hat es die Verfassungswidrigkeit darin gesehen, dass Versicherte, deren Einmalzahlungen der Beitragspflicht unterliegen, hinsichtlich der Lohnersatzleistungen aus diesen Beiträgen keine Leistungen erhalten, während Versicherte, die lediglich aus laufendem Arbeitsentgelt Beiträge zahlen, voll in den Genuss äquivalenter Leistungen gelangen. Auch wenn eine versicherungsmathematische Äquivalenz zwischen Beiträgen und Leistungen nicht bestehen muss, war in dem dortigen Fall für Äquivalenzabweichungen bei Versichertengruppen mit gleicher Beitragsleistung ein hinreichender sachlicher Grund nicht gegeben (vgl. hierzu Schlegel, NZS 1997, 201 ff.; Ebsen NZS 1997, 441 ff.).
Die Gründe der Entscheidungen des BVerfG gelten auch im vorliegenden Fall. Denn die Rechtsanwendung der Beklagten führt zu einer Ungleichbehandlung von Personengruppen mit gleich hohen Beitragsleistungen und damit zu einer gleichheitssatzwidrigen Benachteiligung. Der Gleichheitssatz des Art.3 Abs.1 GG ist nach der sog. neuen Formel insbesondere dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (Ebsen a.a.O., mit Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung des BVerfG zu Art.3 GG; s. auch Bieback, SGb 1989, 46, 48 unter Hinweis auf den Normzweck; Rüfner, SGb 1984, 147 ff.)
Der Kläger wird im vorliegenden Fall als ehemaliger Pflichtversicherter gemäß § 5 Abs.1 Nr.1 SGB V in seinem nachgehenden Anspruch gegenüber den entsprechenden Pflichtversicherten benachteiligt, deren Ehefrauen nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung sind und daher keine Familienversicherung begründen können. Diesen Versicherten stünde auch nach der Rechtsauffassung der Beklagten der nachgehende Anspruch gemäß § 19 Abs.2 SGB V zu. Ein sachlicher Differenzierungsgrund für diese Ungleichbehandlung ist nicht ersichtlich. Der Kläger erhält aufgrund der Versicherung seiner Ehefrau - diese Versicherung bildet die Grundlage der Familienversicherung - eine Entwertung seines Versicherungsverhältnisses, dessen wesentlicher Bestandteil der Anspruch auf Krankengeld ist. Es ist jedoch nicht der Sinn und Zweck der Familienversicherung, bestehende Ansprüche auszuschließen, sondern vielmehr den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung auch auf Familienangehörige zu erweitern, falls die in § 10 SGB V genannten Voraussetzungen erfüllt sind. In der Familienversicherung liegt ein wesentliches Element des sozialen Ausgleichs (Familienlastenausgleich), das die soziale Krankenversicherung prägt (Peters in KassKomm § 10, Rdnr.2). Ein Ausschluss des nachgehenden Krankengeldanspruchs durch die Familienversicherung würde die Funktion dieser Versicherung ins Gegenteil verkehren. Im Ergebnis besteht daher kein Ausschluss des nachgehenden Krankengeldanspruchs durch die bestehende Familienversicherung.
§ 48 Abs.1 SGB V (Dauer des Krankengeldes) steht dem Anspruch auf Krankengeld gleichfalls nicht entgegen. Danach wird Krankengeld grundsätzlich für die gesamte Dauer der Arbeitsunfähigkeit ohne Rücksicht auf das Fortbestehen der Mitgliedschaft gewährt. Im vorliegenden Fall jedoch ist die Arbeitsunfähigkeit erst nach Beendigung der Pflichtmitgliedschaft eingetreten. Dieser Fall wird von § 48 Abs.1 SGB V nicht erfasst. Außerhalb des Normbereichs des § 48 SGB V gilt § 19 Abs.2 SGB V, d.h. insbesondere für die nachgehenden Ansprüche. Dies betrifft Versicherungsfälle, die nach Beendigung der Mitgliedschaft, aber noch vor dem Ende der Übergangszeit von einem Monat eingetreten sind (Höfler, a.a.O., § 19, Rdnr.8; derselbe, a.a.O. § 48, Rdnr.2.).
Gemäß § 46 Satz 1 Nr.2 SGB V entsteht der Anspruch auf Krankengeld von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Dies ist im vorliegenden Fall der 12.02.1999, da die Erstbescheinigung von Dr.P. Arbeitsunfähigkeit am 11.02.1999 festgestellt hat. Hinweise für ein Ruhen des Krankengeldanspruchs gemäß § 49 Abs.1 Nr.5 SGB V bietet der vorliegende Sachverhalt nicht. Nach dieser Bestimmung ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt. Der Senat hat die Auskunft der Beklagten vom 14.09.2001 zur Kenntnis genommen und berücksichtigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist die Revision zuzulassen (§ 160 Abs.2 Nr.1 SGG).
Rechtskraft
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