L 16 LW 12/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 LW 169/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 LW 12/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 LW 9/01 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 23.11.1999 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Beitragserstattung gemäß § 27 a Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) zum 01.01.1995.

Der am ...1959 geborene Kläger war vom 01.01.1986 bis 30.06.1993 als mitarbeitender Familienangehöriger gemäß § 14 Abs.1 b GAL versicherungspflichtig und hat für 90 Monate Beitragszeiten zurückgelegt.

Mit Bescheid vom 27.07.1993 stellte die Beklagte fest, dass mit Ablauf des Juni 1993 die Beitragspflicht endete.

Am 11.05.1994 beantragte der Kläger, die bisher gezahlten Beiträge in voller Höhe an ihn auszubezahlen.

Die Beklagte sandte dem Kläger einen Versicherungsverlauf, woraus sich ergibt, dass Gesamtbeiträge in Höhe von 9.699,00 DM für 90 Monate bezahlt wurden.

Mit Schreiben vom 02.07.1995 beantragte der Kläger die Rückzahlung der vom 01.01.1986 bis 30.06.1993 eingezahlten Beiträge.

Die Beklagte teilte mit, dass die Erstattung der bisher entrichteten Beiträge mitarbeitender Familienangehöriger zur landwirtschaftlichen Alterskasse nicht möglich sei, da das neue Recht, das ab 01.01.1995 gelte, eine solche Regelung nicht mehr vorsehe. Der Kläger wurde um Mitteilung gebeten, sofern er einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid wünsche.

Daraufhin erhob der Kläger Widerspruch. Er trug vor, es sei inaktzeptabel, dass nach dem neuen Recht keine Möglichkeit bestehe, Beiträge erstattet zu bekommen. Nach seiner Auffassung müsse für die bis zum 31.12.1994 ausgeschiedenen mitarbeitenden Familienangehörigen die alte Regelung übergangsweise angewendet werden, da er weder einen Rentenanspruch erworben habe, noch die Beiträge zurück erhalte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.1995 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie sah im Schreiben vom 28.08.1995 einen Verwaltungsakt, der vom Kläger mit Widerspruch angefochten worden war. In der Sache selbst war sie der Auffassung, dass die Wartezeit von zwei Jahren für die Erstattung der Beiträge als mitarbeitendes Familienmitglied gemäß § 27a GAL in der bis zum 31.12.1994 geltenden Fassung während der Geltungsdauer der Bestimmung noch nicht abgelaufen war. Vor dem 01.07.1995 habe daher im Falle des Klägers ein Anspruch auf Beitragserstattung nicht entstehen können. Somit sei aber auch die Anwendung des § 27a Abs.2 GAL nicht möglich, da ein Anspruch wegen der fehlenden zweijährigen Wartezeit am 01.01.1995 nicht bestanden habe.

Mit der Klage vom 20.12.1995 begehrte der Kläger die Aufhebung des Bescheides und die Beitragserstattung, da er bereits mit Schreiben vom 11.05.1994 den Antrag auf Beitragserstattung gestellt habe und seit dem Ende der Beitragspflicht inzwischen zwei Jahre vergangen seien. Seinem Anspruch stehe nicht entgegen, dass nach dem jetzigen Recht eine Beitragserstattung nicht mehr in Betracht komme. Die Beitragserstattung sei vielmehr nach altem Recht vorzunehmen, da der Anspruch bereits mit Beendigung der Beitragspflicht entstanden sei. Im Übrigen erfordere es die Eigentumsgarantie des Art.14 Grundgesetz (GG), dass bei einer Änderung der gesetzlichen Bestimmungen eine Übergangsvorschrift für Altfälle bestehe, so dass die Möglichkeit der Beitragserstattung nicht vollständig ausgeschlossen werden könne. Da die Wartezeit von 15 Jahren nach dem ALG nicht erfüllt sei, stünde den Beiträgen kein entsprechendes Äquivalent gegenüber. Diese Beiträge würden deshalb vollständig verfallen, ohne dass der Kläger eine Gegenleistung dafür erhalte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterlägen aber Beiträge der Eigentumsgarantie, so dass es nicht möglich sei, durch eine Gesetzesänderung nachträglich in eine gesicherte Eigentumsposition einzugreifen.

Die Beklagte war weiter der Auffassung, dass erst das Ende der zweijährigen Wartezeit das Entstehen des Anspruchs bewirken könne und somit ein Anspruch des Klägers nicht mehr entstehen konnte, da das GAl bereits außer Kraft getreten war.

Mit Urteil vom 23.11.1999 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 28.08.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.11.1995 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger die Beiträge zu erstatten. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass nach § 94 Abs.2 ALG die Bestimmung des § 27 a GAl noch anwendbar sei, da der Kläger innerhalb der Frist bis 31.03.1995, nämlich bereits am 11.05.1994, die Erstattung beantragt habe. Im Übrigen sei die Vollendung der Wartefrist keine materielle Voraussetzung für den Erstattungsanspruch; es handele sich vielmehr um einen befristeten Ausschluss der Realisierung des Antrags auf Beitragserstattung. Dieser Ausschluss diene lediglich dem Schutz des Versicherten vor übereilter Erstattung. Der Versicherte solle sein Versicherungsverhältnis erst rückabwickeln können, wenn sich bei ihm über eine gewisse Zeit hinaus die Gewissheit gebildet habe, dass er in die Versicherungspflicht nicht zurückkehren werde. Nach dem alten Recht konnte dahingestellt bleiben, ob der Erstattungsanspruch bereits mit dem Ende der Versicherungspflicht oder erst mit Ablauf der Wartezeit entstanden ist. Unter Hinweis auf § 94 Abs.2 ALG müsse jedoch eine Anspruchsentstehung bereits mit dem Ende der Versicherungspflicht angenommen werden, mit der Folge, dass der Erstattungsanspruch noch realisiert werden könne.

Die Beklagte legte Berufung ein und beantragte, das Urteil des SG München aufzuheben. Sie ist der Auffassung, nach dem Außer- krafttreten des § 27 GAL könnten Erstattungsansprüche aufgrund dieser Vorschrift nicht mehr entstehen. Der Kläger habe die Erstattung zwar innerhalb der Frist des § 94 Abs.2 ALG beantragt, da der Erstattungsanspruch aber erst zwei Jahre nach Ende der Beitragspflicht entstehen konnte, seien die Voraussetzungen nicht erfüllt. Im Unterschied zu den Beiträgen ehemaliger Unternehmer seien Beiträge mitarbeitender Familienangehöriger immer für die Wartezeit relevant gewesen. Dies bedeute, dass die Beiträge, die der Kläger als mitarbeitender Familienangehöriger vor dem 01.01.1995 entrichtet hat, nicht verloren seien. Dies gelte insbesondere im Zusammenhang mit § 17 Abs.1 Nr.1 ALG, wonach Beiträge aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit Beiträgen aus der Altersversicherung der Landwirte zur Erfüllung der Wartezeit zusammengerechnet werden können. § 27 a Abs.2 GAL sei grundsätzlich so zu verstehen gewesen, dass Erstattungsansprüche nachrangig im Vergleich zu Leistungsansprüchen waren. Erst wenn feststehe, dass keine Rente bei Erreichen der Altersgrenze bezogen werden kann, sollten die Beiträge erstattet werden. Eine Beitragserstattung sei also nach §§ 75, 117 ALG derzeit ausgeschlossen, da die Erstattung nach altem Recht ausgeschlossen war und für den Kläger keine 180 Kalendermonate vor dem 31.12.1994 bezahlt waren.

Der Klägerbevollmächtigte hält das Urteil des SG München für zutreffend. Nur die dort vorgenommene Auslegung gewährleiste, dass die vom Kläger geleisteten Beiträge nicht verfallen. Es könne nämlich nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass der Kläger aufgrund einer Tätigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung die Wartezeit von 15 Jahren noch erfülle. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass hinsichtlich der Regelaltersrente in der gesetzlichen Rentenversicherung eine Wartezeit von fünf Jahren ausreiche. Hierin liege ebenfalls eine Ungleichbehandlung gegenüber dem Versicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung. Da der Kläger die Beitragserstattung rechtzeitig beantragt habe, seien ihm die Beiträge zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 23.11.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt

die Zurückweisung der Berufung.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts München sowie des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts München hat der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung seiner Beiträge, geleistet als mithelfender Familienangehöriger nach § 14 Abs.1 b GAL, gemäß § 27 a GAL. Die Vorschrift des § 27 a Abs.2 GAL ist auf den Kläger nicht mehr anwendbar. Diese Vorschrift war bereits zu einem Zeitpunkt außer Kraft getreten, als die Zweijahresfrist des § 27 Abs.2 Satz 1 Buchstabe a GAL noch nicht verstrichen war. Das GAL ist am 01.01.1995 außer Kraft getreten (Art.48 Abs.1 i.V.m. Art.47 Nr.1 des Argrarsozialreformgesetzes (ASRG 1995 vom 29.07.1994, BGBl I 1890). Damit trat § 94 Abs.1 ALG in Kraft, wonach die Vorschriften des neuen Gesetzes von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden sind, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Hiervon macht lediglich § 84 Abs.2 ALG für den Fall eine Ausnahme, dass ein Anspruch nach altem Recht bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach Aufhebung geltend gemacht wird. Der klare Wortlaut des § 84 Abs.2 ALG lässt keine andere Auslegung zu, als dass die Vorschriften des GAL für Leistungen, die innerhalb der Dreimonatsfrist beantragt wurden, nur dann besteht, wenn der Leistungsanspruch am 31.12.1994 bereits bestanden hat. Die Erstattungsvorschrift des § 27 a GAL, auf die sich der Kläger allein stützen könnte, setzt tatbestandsmäßig voraus, dass ein mitarbeitender Familienangehöriger weniger als 180 Beitragsmonate zurückgelegt hat und mindestens zwei Jahre keine Versicherungspflicht nach den Vorschriften des GAL bestanden hat. Diese Zweijahresfrist stellt daher nicht lediglich ein Auszahlungshindernis dar, sondern ist eine echte Anspruchsvoraussetzung. Weil innerhalb der Frist bis zur Aufhebung des GAL diese Voraussetzung nicht eingetreten ist, hat der Kläger keinen Anspruch während der Geltung des GAL gehabt. Sinn und Zweck dieser Regelung, die gleichlautend auch in § 210 Abs.2 SGB VI getroffen wurde, war, eine vorschnelle Lösung von Versicherten aus der Versicherung zu verhindern, um nicht den erworbenen sozialen Schutz durch vorschnelle Entscheidung zu gefährden. Im neuen Recht hat der Gesetzgeber die Erstattung ausschließlich in § 117 ALG geregelt und dabei nur die Erstattung an Landwirte erfasst. Für mitarbeitende Familienangehörige kommt nach § 117 Abs.2 ALG eine Erstattung nur in Betracht, wenn diese auch nach dem alten GAL-Recht möglich war. Dies trifft beim Kläger wegen der noch nicht erfüllten Zweijahresfrist gerade aber nicht zu. Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 02.12.1999 (B 10 LW 15/98 R = SozR 3-5850 § 27 a Nr.3 GAL) bereits entschieden, dass diese Auslegung rechtens ist, und dass der Gesetzgeber sich bewusst und ausdrücklich dafür entschieden hat, eine solche Erstattungsregelung in das neue, ab 01.01.1995 geltende Recht für mitarbeitende Familienangehörige nicht aufzunehmen. Das BSG hat ausgeführt, dass Erstattungsregelungen, wie sie das GAL noch vorgesehen hatte, bei der Neuregelung nicht mehr erforderlich sind, denn es sei nach Einstellung der Beitragszahlungen praktisch nicht mehr ausgeschlossen, in der Zukunft noch einen Rentenanspruch zu erlangen. Das BSG wies dabei auf den Umstand hin, dass die Wartezeit nach dem ALG auch mit Zeiten von Pflichtbeiträgen in der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt werden kann. Das BSG hat weiter ausgeführt, dass die vom Gesetzgeber im Rahmen des Gesamtkonzepts gefundenen Regelungen auch nicht gegen den Eigentumsschutz nach Art.14 Abs.1 Satz 1 Grundgesetz verstoßen. Der Eingriff durch die Abschaffung der Beitragserstattung sei verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da er verhältnismäßig, d.h. geeignet, erforderlich und zumutbar sei. Der Wegfall des Anspruchs auf Beitragserstattung, der im Falle des Klägers erst im Entstehen begriffen war, sei ihm zumutbar, da nach neuem Recht aus den entrichteten Beiträgen Ansprüche erhalten blieben. Einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art.3 Abs.1 Grundgesetz hat das Bundessozialgericht ebenfalls nicht gesehen, da eine Stichtagsregelung wie die vorliegende stets mit Härten verbunden sei, jedoch mit den allgemeinen Grundsätzen in Einklang stehe, wenn sie sich am gegebenen Sachverhalt orientiere und somit sachlich vertretbar sei. Im Übrigen ist darüber hinaus noch darauf hinzuweisen, dass nach den neueren Vorschriften grundsätzlich Erstattung auf vom Erstattungsberechtigten selbst geleistete Beiträge beschränkt ist und es deshalb nicht zwingend erforderlich war, für den mitarbeitenden Familienangehörigen gleiche Regelungen zu schaffen wie für den Unternehmer selbst. Die Beiträge für den mitarbeitenden Familienangehörigen hat nach § 14 Abs.5 GAL der Unternehmer getragen (so auch § 76 Abs.1 ALG).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Da die Streitfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist, ist gemäß § 160 Abs.1 Ziffer 1 SGG die Revision zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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