Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 1 LW 189/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 LW 5/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 LW 7/02 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Regelungen des § 84 Abs.2 ALG einerseits und der §§ 3, 83 ALG andererseits gelten für Weiterversicherte nicht kumulativ. Bei Versäumung der Befreiungsfrist des § 84 Abs.2 Satz 2 ALG kann nicht hilfsweise auf die §§ 3, 85 ALG zurückgegriffen werden, weil die erstere Vorschrift für die Weiterversicherten als geschlossenes Sondersystem gilt. Die Regelung des § 27 SGB I gilt auch für die genannte Befreiungsfrist. Stellt allerdings der Versicherungsträger in einem Bescheid - offenbar in Unkenntnis der weiterbestehenden Versicherungspflicht - fest, dass "... die Versicherung ... für die Dauer der Erzielung von Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen beendet ist", bleibt die Weiterversicherung unerwähnt und wird das Beitragsguthaben erstattet, dann wird der Versicherte insoweit auch von seiner Weiterversicherung befreit.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 13. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte erstattet der Klägerin die außergerichtlichen Kosten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die Befreiung von der Versicherungspflicht zur Alterssicherung der Landwirte ab 01.02.1999.
Die Klägerin ist die Ehefrau eines Landwirts und war entsprechend ihrer Erklärung vom 09.07.1973 vom 01.10.1973 bis 31.12.1994 Weiterversicherte nach § 27 GAL. Mit Schreiben vom 25.11.1994 wies die Beklagte die Klägerin auf ihre grundsätzliche Versicherungspflicht als Ehegattin eines Landwirts ab 01.01.1995 hin und informierte sie über Befreiungsmöglichkeiten gemäß § 85 Abs.3 und § 3 ALG.
Vom 09.01.1995 datiert ihr Aufklärungsschreiben über die Befreiungsmöglichkeiten als Weiterentrichterin gemäß § 84 Abs.2 ALG.
Mit Bescheid vom 12.09.1995 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin ab 01.01.1995 gemäß § 1 Abs.3 ALG fest. Nach Erhalt einer Rentenberechnung beantragte die Klägerin am 25.01.1999 die Befreiung von der Versicherungspflicht wegen außerlandwirtschaftlichen Einkommens von der W. GmbH & Co KG. Dem entsprach die Beklagte mit Bescheid vom 19.03. 1999, in dem es an hervorgehobener Stelle heißt: "Für die Zeit ab 01.02.1999 werden Sie als Landwirt von der Versicherungspflicht zur Landwirtschaftlichen Alterskasse Niederbayern/Oberpfalz befreit". Die überzahlten Beiträge wurden der Klägerin gleichzeitig zurückerstattet.
Nach einer Innenrevision erließ die Beklagte am 07.06.1999 einen Bescheid, wonach die Klägerin ab 01.02.1999 gemäß § 84 Abs.2 ALG versicherungspflichtig ist. Dem widersprach die Klägerin mit der Begründung, die Befreiung vom 01.02.1999 erfasse auch die Weiterversicherung, da § 1 Abs.3 ALG gegenüber § 27 GAL vorrangig sei. Im Übrigen stehe ihr ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zu, da sie die Aufklärungsschreiben der Beklagten nicht erhalten habe bzw. diese nicht konkret genug seien. Im Widerspruchsbescheid vom 13.02.1999 heißt es, die Beitragspflicht nach § 27 GAL bestehe neben der Versicherungspflicht nach ALG und die Aufklärung sei umfassend erfolgt.
Mit ihrer am 16.12.1999 erhobenen Klage machte die Klägerin unter anderem geltend, entsprechend der Innenrevision habe sie keine Mitteilung über das Ruhen bzw. ein mögliches Wiederaufleben der Beitragszahlung nach GAL im Bescheid vom 12.09.1995 erhalten. Demgegenüber vertrat die Beklagte die Ansicht, der fehlende Hinweis auf ein mögliches Wiederaufleben der Versicherungspflicht nach § 27 GAL sei irrelevant, weil die Klägerin auf ihre Anfrage nach Befreiungsmöglichkeiten 1973 über die Beitragspflicht bis zum 60.Lebensjahr unterrichtet worden sei.
Das Sozialgericht Landshut hob den Bescheid vom 07.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.1999 mit der Begründung auf, die strittigen Bescheide ordneten die Versicherungspflicht an, ohne den Befreiungsbescheid vom 19.03.1999 aufzuheben. Ob § 84 Abs.2 ALG die Anwendung allgemeiner Befreiungsregelungen ausschließe, oder ob ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch bestehe, bleibe dahingestellt.
Gegen das am 20.02.2001 zugestellte Urteil vom 13.12.2000 legte die Beklagte am 14.02.01 Berufung ein. Sie trug vor, die gemäß § 3 ALG gewährte Befreiung habe keine Wirkung auf die Pflichtversicherung als Weiterversicherte. Das Bundessozialgericht habe zwischenzeitlich bestätigt, dass sich Personen nach § 84 Abs.1 ALG nicht nach § 3 ALG befreien lassen könnten. Die rechtzeitige und umfassende Aufklärung der Klägerin 1994 und 1995 sei aktenkundig.
Die Beklagte beantragt:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 13.12.2000 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Klägerin beantragt:
1. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Landshut sowie der Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 13.12.2000 ist nicht zu beanstanden. Zutreffend wird damit der Bescheid der Beklagten vom 07.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.1999 aufgehoben. Die darin enthaltene Feststellung der Versicherungspflicht gemäß § 84 Abs.2 ALG verstößt gegen die Bindungswirkung des Befreiungsbescheids vom 19.03.1999. Die Klägerin ist damit uneingeschränkt von der Versicherungspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse befreit worden. Dieser Bescheid ist weiterhin wirksam, so dass der strittige Bescheid aufzuheben war.
Zwar gehört die Klägerin zu dem Personenkreis des § 84 Abs.2 ALG, die am 31. Dezember 1994 unabhängig von einer Tätigkeit als Landwirt oder mitarbeitender Familienangehöriger beitragspflichtig waren und auch nach Inkrafttreten des ALG versicherungspflichtig bleiben. Diese Regelung entspricht der Unwiderruflichkeit der Weiterversicherungserklärung während der Geltungsdauer des GAL vor Vollendung des 60.Lebensjahres bzw. bis zum Beginn bestimmter Sozialleistungen wie dem Altersgeld. Hieran änderte auch das zum 1. Januar 1995 in Kraft getretene ALG im Grundsatz nichts (BSGE vom 19.10.2000 Az.: B 10 LW 14/99 R). Ihre Befreiung konnte die Klägerin auch nicht im Wege des § 3 Abs.1 Nr.1 ALG erlangen, weil für die Weiterversicherten die Befreiungsregelung des § 84 Abs.2 ALG als geschlossenes Sondersystem gilt (BSG vom 19.10.2000 in SozR 3-5868 § 84 Nr.2). Der Anspruch auf Befreiung von der gesetzlichen Versicherungspflicht als Unternehmer ist anders geregelt als der des ehemaligen Unternehmers, der die Versicherungspflicht freiwillig übernommen hat. Insbesondere gelten die Befreiungsregelungen von § 84 Abs.2 ALG einerseits und § 3, § 85 ALG andererseits für Weiterversicherte nicht kumulativ (BSGE vom 19.10. 2000 a.a.O.).
Die Beitragspflicht aus § 84 Abs.2 ALG ist nicht durch die Versicherungspflicht als Ehegattin eines Landwirts ab 01.01.1995 erloschen. Ebenso wie die Beitragspflicht aus § 27 GAL bei erneuter Betriebsübernahme nicht von der Beitragspflicht nach § 17 Abs.1 GAL auf Dauer, sondern nur für die Zeit der doppelten Beitragspflicht verdrängt wird, endet auch die Beitragsverpflichtung aus § 84 Abs.2 ALG nicht mit der Eigenschaft als Landwirt. Soweit sich der Landwirt nicht nach den §§ 3, 85 ALG von der Versicherungspflicht des § 1 Abs.1 Nr.1 ALG befreien lassen kann, verdrängt diese Versicherungspflicht wegen des grundsätzlichen Ausschlusses der Doppelversicherung jene aus § 84 Abs.2 ALG. Erreicht ein solcher Landwirt indessen seine Befreiung nach einem der vorgenannten Tatbestände des ALG, lebt die zuvor verdrängte Versicherungspflicht nach § 84 Abs.2 ALG wieder auf (BSG vom 19.10.2000 in SozR 3 5868 § 84 Nr.2). Der Gesetzgeber hat sich vielmehr auf ein befristetes Befreiungsrecht beschränkt.
Gemäß § 84 Abs.2 Satz 2 ALG ist die Befreiung bis zum 31. Dezember 1995 zu beantragen. Diese Frist hat die Klägerin unstreitig versäumt. Zwar ist eine Wiedereinsetzung mangels ausdrücklichen Ausschlusses nicht ausgeschlossen; die Klägerin war jedoch nicht im Sinne des § 27 Abs.1 SGB X ohne ihr Verschulden verhindert, diese Frist einzuhalten. Wiederholt trug sie vor, ihr seien die Frist des § 84 Abs.2 ALG und die Folgen des Anspruchsverlustes bei deren Versäumung nicht bekannt gewesen. Dies stellt indes keinen Wiedereinsetzungsgrund dar. Nach dem Grundsatz der formellen Publizität bei der Verkündung von Gesetzen gelten diese mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt allen Normadressaten als bekannt, ohne Rücksicht darauf, ob und wann diese davon tatsächlich Kenntnis erlangt haben. Die Unkenntnis solcher Rechte, deren befristete Ausübung im Gesetz selbst ausdrücklich geregelt ist, kann eine Wiedereinsetzung daher grundsätzlich nicht rechtfertigen (BSGE vom 22.10.1996 in SozR-3 2600 § 115 SGB VI Nr.1 mit weiteren Nachweisen).
Die Klägerin kann auch nicht auf Grund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so behandelt werden, als hätte sie den Befreiungsantrag rechtzeitig gestellt. Die Beklagte hat weder ihre Beratungs- und/oder Auskunftspflicht noch ihre Pflicht verletzt, auf sachgerechte Anträge hinzuwirken. Das am 09.01.1995 abgesandte Schreiben enthielt eine umfassende und eingehende Aufklärung über die Gesetzesänderung und die der Klägerin zur Verfügung stehenden Gestaltungsmöglichkeiten. Gleichzeitig wurde der Klägerin angeboten, sich beraten zu lassen, wenn sie die Befreiung in Erwägung ziehe. Wie der Senat in seinem Urteil vom 18.10.2000 (Az.: L 16 LW 39/99) ausgeführt hat, hat die Beklagte mit ihren EDV-mäßig erstellten Schreiben ihre Betreuungspflicht sogar übererfüllt. Die Behauptung der Klägerin, dieses Schreiben nicht erhalten zu haben, wird durch die Indizwirkung des Datumsstempels auf den im Akt abgehefteten Aufklärungsschreiben entkräftet.
Obwohl die Feststellung der Beklagten über diese Versicherungspflicht der Klägerin als Weiterversicherte ab 01.02.1999 materiell-rechtlich zutreffend ist, scheitert die Heranziehung der Klägerin zur landwirtschaftlichen Altersversorgung ab 01.02. 1999 aus formell-rechtlichen Gründen. Die Beklagte hat nämlich offenbar in Unkenntnis der weiterbestehenden Versicherungspflicht nach § 84 Abs.2 ALG die Klägerin mit Bescheid vom 19.03.1999 von der Versicherungspflicht befreit. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dieser Befreiungsbescheid nicht nur als Befreiung gemäß § 3 ALG auszulegen. Die Auslegung eines Verwaltungsakts richtet sich nach den für Willenserklärungen maßgebenden Auslegungsgrundsätzen (Krasney in Kassler Kommentar § 31 SGB X Rz.11 mit weiteren Nachweisen). Maßgebend ist die im Verfügungssatz getroffene Regelung und ihre darin abgegebene Erklärung und der aus dem Inhalt ersichtliche Erklärungswille, wie er für den Adressaten des Verwaltungsakts erkennbar geworden ist. Mit dem Verfügungssatz im Bescheid vom 19.03.1999 im Zusammenhang mit der Erstattung des Beitragsguthabens und der Nichterwähnung der Weiterversicherung wurde der Klägerin deutlich gemacht, dass die Versicherungspflicht zur Landwirtschaftlichen Alterskasse auf die Dauer der Erzielung von Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen beendet ist. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Klägerin auch davor nicht über das Ruhen der Weiterversicherung während der Versicherungspflicht als Landwirtin unterrichtet war, wie die Innenrevision zutreffend festgestellt hat.
Angesichts der grundlegenden Neuregelung der Versicherungspflicht ab 01.01.1995 kann die Beklagte die Klägerin nicht darauf verweisen, sie habe sie bereits 1973 über das Weiterbestehen der Beitragspflicht bis zum 60.Lebensjahr unterrichtet. Nachdem weder der Bescheid vom 12.09.1995 noch der vom 19.03. 1999 die Weiterversicherung erwähnte, konnte die Klägerin davon ausgehen, dass die frühere Verpflichtungserklärung hinfällig war.
Die Ausführungen im Bescheid zu der Regelung des § 3 Abs.1 Nr.1 ALG stellen lediglich Hinweise zur Erläuterung des Bescheides dar, nehmen jedoch an dem Verfügungssatz des Bescheides nicht teil. Deshalb kann der Bescheid vom 19.03.1999 nicht dahingehend verstanden werden, dass nur eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 3 ALG, nicht aber nach § 84 Abs.2 ALG erfolgt ist. Die Befreiungsentscheidung der Beklagten war vielmehr absolut und erfolgte für alle möglichen Versicherungspflichttatbestände nach dem ALG.
Diese Auslegung entspricht dem im Sozialversicherungsrecht geltenden Grundsatz, dass eine Befreiung von der Versicherungspflicht absolut ist, sofern das Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes vorschreibt. Wie das LSG Mainz in seiner Entscheidung vom 06.04.2000 (Az.: L 5 LW 22/99) in einem vergleichbaren Rechtsstreit ausgeführt hat, ist der Gesetzgeber gehalten, die Rechtsfolge ausdrücklich vorzusehen, dass trotz einer ausgesprochenen Befreiung von der Versicherungspflicht wegen einer weiterbestehenden Pflichtversicherung auf Grund einer anderen Vorschrift weiterhin Versicherungspflicht besteht. Eine solche Regelung enthält das ALG nicht, so dass der Befreiungsbescheid die Klägerin ab 01.02.1999 insgesamt von der Versicherungspflicht befreit hat.
Zutreffend hat das Sozialgericht weiter festgestellt, dass dieser die Klägerin begünstigende Bescheid, der von Anfang an rechtswidrig war, von der Beklagten bislang nicht zurückgenommen ist. Eine Rücknahme wäre nur im Rahmen von § 45 SBG X möglich. Danach darf ein unanfechtbar gewordener begünstigender Verwaltungsakt nur unter den Voraussetzungen des § 45 Abs.2 SGB X ohne Berücksichtigung von Rücknahmefristen im Sinne des Abs.3 und Abs.4 zurückgenommen werden. In einen solchen Bescheid kann der streitgegenständliche Bescheid vom 07.06.1999 nicht umgedeutet werden. Nach § 43 Abs.1 SGB X kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. § 43 Abs.3 SGB X schließt jedoch die Umdeutung einer gebundenen Entscheidung in eine Ermessensentscheidung aus. Während die Feststellung von Versicherungspflicht als Weiterversicherte eine gebundene Entscheidung darstellt und auch als solche ergangen ist, sieht § 45 SGB X die Ausübung von Ermessen durch die Behörde ausdrücklich vor. Im Übrigen wäre auch die Rücknahme für die Vergangenheit im Hinblick auf § 45 Abs.4 Satz 1 SGB X ausgeschlossen.
Da die Klägerin somit auf der Grundlage des Bescheids vom 19.03.1999 weiterhin von der Versicherungspflicht in der Landwirtschaftlichen Altersversorgung befreit ist, ist der Bescheid der Beklagten vom 07.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.1999 rechtswidrig und deshalb aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Strittig war die Auslegung eines Bescheidwortlauts im Einzelfall.
II. Die Beklagte erstattet der Klägerin die außergerichtlichen Kosten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die Befreiung von der Versicherungspflicht zur Alterssicherung der Landwirte ab 01.02.1999.
Die Klägerin ist die Ehefrau eines Landwirts und war entsprechend ihrer Erklärung vom 09.07.1973 vom 01.10.1973 bis 31.12.1994 Weiterversicherte nach § 27 GAL. Mit Schreiben vom 25.11.1994 wies die Beklagte die Klägerin auf ihre grundsätzliche Versicherungspflicht als Ehegattin eines Landwirts ab 01.01.1995 hin und informierte sie über Befreiungsmöglichkeiten gemäß § 85 Abs.3 und § 3 ALG.
Vom 09.01.1995 datiert ihr Aufklärungsschreiben über die Befreiungsmöglichkeiten als Weiterentrichterin gemäß § 84 Abs.2 ALG.
Mit Bescheid vom 12.09.1995 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin ab 01.01.1995 gemäß § 1 Abs.3 ALG fest. Nach Erhalt einer Rentenberechnung beantragte die Klägerin am 25.01.1999 die Befreiung von der Versicherungspflicht wegen außerlandwirtschaftlichen Einkommens von der W. GmbH & Co KG. Dem entsprach die Beklagte mit Bescheid vom 19.03. 1999, in dem es an hervorgehobener Stelle heißt: "Für die Zeit ab 01.02.1999 werden Sie als Landwirt von der Versicherungspflicht zur Landwirtschaftlichen Alterskasse Niederbayern/Oberpfalz befreit". Die überzahlten Beiträge wurden der Klägerin gleichzeitig zurückerstattet.
Nach einer Innenrevision erließ die Beklagte am 07.06.1999 einen Bescheid, wonach die Klägerin ab 01.02.1999 gemäß § 84 Abs.2 ALG versicherungspflichtig ist. Dem widersprach die Klägerin mit der Begründung, die Befreiung vom 01.02.1999 erfasse auch die Weiterversicherung, da § 1 Abs.3 ALG gegenüber § 27 GAL vorrangig sei. Im Übrigen stehe ihr ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zu, da sie die Aufklärungsschreiben der Beklagten nicht erhalten habe bzw. diese nicht konkret genug seien. Im Widerspruchsbescheid vom 13.02.1999 heißt es, die Beitragspflicht nach § 27 GAL bestehe neben der Versicherungspflicht nach ALG und die Aufklärung sei umfassend erfolgt.
Mit ihrer am 16.12.1999 erhobenen Klage machte die Klägerin unter anderem geltend, entsprechend der Innenrevision habe sie keine Mitteilung über das Ruhen bzw. ein mögliches Wiederaufleben der Beitragszahlung nach GAL im Bescheid vom 12.09.1995 erhalten. Demgegenüber vertrat die Beklagte die Ansicht, der fehlende Hinweis auf ein mögliches Wiederaufleben der Versicherungspflicht nach § 27 GAL sei irrelevant, weil die Klägerin auf ihre Anfrage nach Befreiungsmöglichkeiten 1973 über die Beitragspflicht bis zum 60.Lebensjahr unterrichtet worden sei.
Das Sozialgericht Landshut hob den Bescheid vom 07.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.1999 mit der Begründung auf, die strittigen Bescheide ordneten die Versicherungspflicht an, ohne den Befreiungsbescheid vom 19.03.1999 aufzuheben. Ob § 84 Abs.2 ALG die Anwendung allgemeiner Befreiungsregelungen ausschließe, oder ob ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch bestehe, bleibe dahingestellt.
Gegen das am 20.02.2001 zugestellte Urteil vom 13.12.2000 legte die Beklagte am 14.02.01 Berufung ein. Sie trug vor, die gemäß § 3 ALG gewährte Befreiung habe keine Wirkung auf die Pflichtversicherung als Weiterversicherte. Das Bundessozialgericht habe zwischenzeitlich bestätigt, dass sich Personen nach § 84 Abs.1 ALG nicht nach § 3 ALG befreien lassen könnten. Die rechtzeitige und umfassende Aufklärung der Klägerin 1994 und 1995 sei aktenkundig.
Die Beklagte beantragt:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 13.12.2000 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Klägerin beantragt:
1. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Landshut sowie der Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 13.12.2000 ist nicht zu beanstanden. Zutreffend wird damit der Bescheid der Beklagten vom 07.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.1999 aufgehoben. Die darin enthaltene Feststellung der Versicherungspflicht gemäß § 84 Abs.2 ALG verstößt gegen die Bindungswirkung des Befreiungsbescheids vom 19.03.1999. Die Klägerin ist damit uneingeschränkt von der Versicherungspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse befreit worden. Dieser Bescheid ist weiterhin wirksam, so dass der strittige Bescheid aufzuheben war.
Zwar gehört die Klägerin zu dem Personenkreis des § 84 Abs.2 ALG, die am 31. Dezember 1994 unabhängig von einer Tätigkeit als Landwirt oder mitarbeitender Familienangehöriger beitragspflichtig waren und auch nach Inkrafttreten des ALG versicherungspflichtig bleiben. Diese Regelung entspricht der Unwiderruflichkeit der Weiterversicherungserklärung während der Geltungsdauer des GAL vor Vollendung des 60.Lebensjahres bzw. bis zum Beginn bestimmter Sozialleistungen wie dem Altersgeld. Hieran änderte auch das zum 1. Januar 1995 in Kraft getretene ALG im Grundsatz nichts (BSGE vom 19.10.2000 Az.: B 10 LW 14/99 R). Ihre Befreiung konnte die Klägerin auch nicht im Wege des § 3 Abs.1 Nr.1 ALG erlangen, weil für die Weiterversicherten die Befreiungsregelung des § 84 Abs.2 ALG als geschlossenes Sondersystem gilt (BSG vom 19.10.2000 in SozR 3-5868 § 84 Nr.2). Der Anspruch auf Befreiung von der gesetzlichen Versicherungspflicht als Unternehmer ist anders geregelt als der des ehemaligen Unternehmers, der die Versicherungspflicht freiwillig übernommen hat. Insbesondere gelten die Befreiungsregelungen von § 84 Abs.2 ALG einerseits und § 3, § 85 ALG andererseits für Weiterversicherte nicht kumulativ (BSGE vom 19.10. 2000 a.a.O.).
Die Beitragspflicht aus § 84 Abs.2 ALG ist nicht durch die Versicherungspflicht als Ehegattin eines Landwirts ab 01.01.1995 erloschen. Ebenso wie die Beitragspflicht aus § 27 GAL bei erneuter Betriebsübernahme nicht von der Beitragspflicht nach § 17 Abs.1 GAL auf Dauer, sondern nur für die Zeit der doppelten Beitragspflicht verdrängt wird, endet auch die Beitragsverpflichtung aus § 84 Abs.2 ALG nicht mit der Eigenschaft als Landwirt. Soweit sich der Landwirt nicht nach den §§ 3, 85 ALG von der Versicherungspflicht des § 1 Abs.1 Nr.1 ALG befreien lassen kann, verdrängt diese Versicherungspflicht wegen des grundsätzlichen Ausschlusses der Doppelversicherung jene aus § 84 Abs.2 ALG. Erreicht ein solcher Landwirt indessen seine Befreiung nach einem der vorgenannten Tatbestände des ALG, lebt die zuvor verdrängte Versicherungspflicht nach § 84 Abs.2 ALG wieder auf (BSG vom 19.10.2000 in SozR 3 5868 § 84 Nr.2). Der Gesetzgeber hat sich vielmehr auf ein befristetes Befreiungsrecht beschränkt.
Gemäß § 84 Abs.2 Satz 2 ALG ist die Befreiung bis zum 31. Dezember 1995 zu beantragen. Diese Frist hat die Klägerin unstreitig versäumt. Zwar ist eine Wiedereinsetzung mangels ausdrücklichen Ausschlusses nicht ausgeschlossen; die Klägerin war jedoch nicht im Sinne des § 27 Abs.1 SGB X ohne ihr Verschulden verhindert, diese Frist einzuhalten. Wiederholt trug sie vor, ihr seien die Frist des § 84 Abs.2 ALG und die Folgen des Anspruchsverlustes bei deren Versäumung nicht bekannt gewesen. Dies stellt indes keinen Wiedereinsetzungsgrund dar. Nach dem Grundsatz der formellen Publizität bei der Verkündung von Gesetzen gelten diese mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt allen Normadressaten als bekannt, ohne Rücksicht darauf, ob und wann diese davon tatsächlich Kenntnis erlangt haben. Die Unkenntnis solcher Rechte, deren befristete Ausübung im Gesetz selbst ausdrücklich geregelt ist, kann eine Wiedereinsetzung daher grundsätzlich nicht rechtfertigen (BSGE vom 22.10.1996 in SozR-3 2600 § 115 SGB VI Nr.1 mit weiteren Nachweisen).
Die Klägerin kann auch nicht auf Grund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so behandelt werden, als hätte sie den Befreiungsantrag rechtzeitig gestellt. Die Beklagte hat weder ihre Beratungs- und/oder Auskunftspflicht noch ihre Pflicht verletzt, auf sachgerechte Anträge hinzuwirken. Das am 09.01.1995 abgesandte Schreiben enthielt eine umfassende und eingehende Aufklärung über die Gesetzesänderung und die der Klägerin zur Verfügung stehenden Gestaltungsmöglichkeiten. Gleichzeitig wurde der Klägerin angeboten, sich beraten zu lassen, wenn sie die Befreiung in Erwägung ziehe. Wie der Senat in seinem Urteil vom 18.10.2000 (Az.: L 16 LW 39/99) ausgeführt hat, hat die Beklagte mit ihren EDV-mäßig erstellten Schreiben ihre Betreuungspflicht sogar übererfüllt. Die Behauptung der Klägerin, dieses Schreiben nicht erhalten zu haben, wird durch die Indizwirkung des Datumsstempels auf den im Akt abgehefteten Aufklärungsschreiben entkräftet.
Obwohl die Feststellung der Beklagten über diese Versicherungspflicht der Klägerin als Weiterversicherte ab 01.02.1999 materiell-rechtlich zutreffend ist, scheitert die Heranziehung der Klägerin zur landwirtschaftlichen Altersversorgung ab 01.02. 1999 aus formell-rechtlichen Gründen. Die Beklagte hat nämlich offenbar in Unkenntnis der weiterbestehenden Versicherungspflicht nach § 84 Abs.2 ALG die Klägerin mit Bescheid vom 19.03.1999 von der Versicherungspflicht befreit. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dieser Befreiungsbescheid nicht nur als Befreiung gemäß § 3 ALG auszulegen. Die Auslegung eines Verwaltungsakts richtet sich nach den für Willenserklärungen maßgebenden Auslegungsgrundsätzen (Krasney in Kassler Kommentar § 31 SGB X Rz.11 mit weiteren Nachweisen). Maßgebend ist die im Verfügungssatz getroffene Regelung und ihre darin abgegebene Erklärung und der aus dem Inhalt ersichtliche Erklärungswille, wie er für den Adressaten des Verwaltungsakts erkennbar geworden ist. Mit dem Verfügungssatz im Bescheid vom 19.03.1999 im Zusammenhang mit der Erstattung des Beitragsguthabens und der Nichterwähnung der Weiterversicherung wurde der Klägerin deutlich gemacht, dass die Versicherungspflicht zur Landwirtschaftlichen Alterskasse auf die Dauer der Erzielung von Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen beendet ist. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Klägerin auch davor nicht über das Ruhen der Weiterversicherung während der Versicherungspflicht als Landwirtin unterrichtet war, wie die Innenrevision zutreffend festgestellt hat.
Angesichts der grundlegenden Neuregelung der Versicherungspflicht ab 01.01.1995 kann die Beklagte die Klägerin nicht darauf verweisen, sie habe sie bereits 1973 über das Weiterbestehen der Beitragspflicht bis zum 60.Lebensjahr unterrichtet. Nachdem weder der Bescheid vom 12.09.1995 noch der vom 19.03. 1999 die Weiterversicherung erwähnte, konnte die Klägerin davon ausgehen, dass die frühere Verpflichtungserklärung hinfällig war.
Die Ausführungen im Bescheid zu der Regelung des § 3 Abs.1 Nr.1 ALG stellen lediglich Hinweise zur Erläuterung des Bescheides dar, nehmen jedoch an dem Verfügungssatz des Bescheides nicht teil. Deshalb kann der Bescheid vom 19.03.1999 nicht dahingehend verstanden werden, dass nur eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 3 ALG, nicht aber nach § 84 Abs.2 ALG erfolgt ist. Die Befreiungsentscheidung der Beklagten war vielmehr absolut und erfolgte für alle möglichen Versicherungspflichttatbestände nach dem ALG.
Diese Auslegung entspricht dem im Sozialversicherungsrecht geltenden Grundsatz, dass eine Befreiung von der Versicherungspflicht absolut ist, sofern das Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes vorschreibt. Wie das LSG Mainz in seiner Entscheidung vom 06.04.2000 (Az.: L 5 LW 22/99) in einem vergleichbaren Rechtsstreit ausgeführt hat, ist der Gesetzgeber gehalten, die Rechtsfolge ausdrücklich vorzusehen, dass trotz einer ausgesprochenen Befreiung von der Versicherungspflicht wegen einer weiterbestehenden Pflichtversicherung auf Grund einer anderen Vorschrift weiterhin Versicherungspflicht besteht. Eine solche Regelung enthält das ALG nicht, so dass der Befreiungsbescheid die Klägerin ab 01.02.1999 insgesamt von der Versicherungspflicht befreit hat.
Zutreffend hat das Sozialgericht weiter festgestellt, dass dieser die Klägerin begünstigende Bescheid, der von Anfang an rechtswidrig war, von der Beklagten bislang nicht zurückgenommen ist. Eine Rücknahme wäre nur im Rahmen von § 45 SBG X möglich. Danach darf ein unanfechtbar gewordener begünstigender Verwaltungsakt nur unter den Voraussetzungen des § 45 Abs.2 SGB X ohne Berücksichtigung von Rücknahmefristen im Sinne des Abs.3 und Abs.4 zurückgenommen werden. In einen solchen Bescheid kann der streitgegenständliche Bescheid vom 07.06.1999 nicht umgedeutet werden. Nach § 43 Abs.1 SGB X kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. § 43 Abs.3 SGB X schließt jedoch die Umdeutung einer gebundenen Entscheidung in eine Ermessensentscheidung aus. Während die Feststellung von Versicherungspflicht als Weiterversicherte eine gebundene Entscheidung darstellt und auch als solche ergangen ist, sieht § 45 SGB X die Ausübung von Ermessen durch die Behörde ausdrücklich vor. Im Übrigen wäre auch die Rücknahme für die Vergangenheit im Hinblick auf § 45 Abs.4 Satz 1 SGB X ausgeschlossen.
Da die Klägerin somit auf der Grundlage des Bescheids vom 19.03.1999 weiterhin von der Versicherungspflicht in der Landwirtschaftlichen Altersversorgung befreit ist, ist der Bescheid der Beklagten vom 07.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.1999 rechtswidrig und deshalb aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Strittig war die Auslegung eines Bescheidwortlauts im Einzelfall.
Rechtskraft
Aus
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