Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 615/04
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 227/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 24. August 2006 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin streitet um die Zahlung von Lebzeitenleistungen als Sonderrechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes im Rahmen der Anerkennung einer Bronchialkrebserkrankung als Berufskrankheit (BK).
Der 1943 geborene Ehemann der Klägerin B. B. (nachstehend: der Versicherte) hatte bei der Firma MR. in R-Stadt von 1961 bis Ende 1963 eine Lehre als Elektriker absolviert und war danach bis 16. März 1968 weiter als Elektrikergeselle beschäftigt, unterbrochen durch eine 18monatige Wehrdienstzeit. Im Anschluss war er von Mai 1968 bis November 1969 als Elektriker und von Dezember 1968 bis September 1970 als technischer Zeichner bei der H. beschäftigt. Danach fand er bis 1973 bei der Firma Y. Beschäftigung, wo er als Service-Techniker Kopiergeräte wartete. Im Anschluss nahm er ein Lehrerstudium auf und war nach dem Studium als Lehrer tätig. Ende Januar 2003 fiel dem Versicherten auf, dass er Blut hustete. Durch Röntgen- und CT-Untersuchungen, insbesondere das Thorax-CT des Radiologen Dr. T. vom 10. Februar 2003, sowie eine anschließend durchgeführte Bronchoskopie mit Gewebeprobe konnte ein Bronchialkarzinom nachgewiesen werden. Er war deswegen ab 4. Februar 2003 arbeitsunfähig. Nach einer Vorstellung in der DR-Klinik DR-Stadt am 5. März 2003 begab er sich in die weitere Behandlung des Universitätsklinikums DR-Stadt, wo eine fünffache Chemotherapie durchgeführt wurde, bevor der Tumor als inoperabel angesehen und mit Bestrahlungsmaßnahmen fortgefahren wurde. Am 7. Mai 2004 verstarb der Versicherte. Eine Obduktion wurde nicht durchgeführt.
Das BK-Verfahren wurde durch die ärztliche Anzeige des Internisten und Pneumologen Dr. MD. vom 5. März 2003 eingeleitet, der in dieser Anzeige sowie einem weiteren Bericht vom 24. Februar 2003 ein Bronchialkarzinom im rechten Lungenunterlappen beschrieb und auf früheren beruflichen Umgang des Versicherten mit Asbest hinwies. Der Versicherte habe bis vor viereinhalb Monaten im Umfang von 90 bis 100 Packungsjahren geraucht. Der Sachbearbeiter der Beklagten Q. suchte den Versicherten am 4. April 2003 in dessen Einfamilienhaus auf und fertigte hierüber den Aktenvermerk vom 9. April 2003. Für die Zeit als Lehrling und Geselle bei der nicht mehr existierenden Firma MR. führt der Aktenvermerk aus, der Versicherte habe dort überwiegend Elektroinstallationen in landwirtschaftlichen Betrieben ausgeführt, wobei damals unter Schaltanlagen und Zählerkästen Asbestplatten verlegt werden mussten. Er habe daher laufend Asbestplatten zurecht geschnitten, habe die Platten befestigt und die Anschlüsse für die Leitungen gebohrt. Die Firma MR. habe ganze Ortsnetze erneuert und der Versicherte dadurch viel auf Eternitdächern gearbeitet. Kontakt zu Asbest habe insbesondere bestanden, wenn die Eternitplatten verarbeitet werden mussten, um neue Hausanschlüsse zu fertigen. Dazu seien auch für die neuen Anschlüsse Eternitplatten verschnitten worden. Zusätzlich habe der Versicherte Nachtspeicheröfen aufgebaut, abgebaut und repariert. Dabei seien damals asbesthaltige Isolationsstoffe verarbeitet worden und Asbestwolle sei zum Einsatz gekommen. Die Firma MR. habe auch im Heizungsbau gearbeitet, wodurch der Versicherte Kontakt zu Asbestschnüren gehabt habe, um die Heizungsrohre abzudichten. Insgesamt habe während der Beschäftigungszeit bei der Firma MR. eine erhebliche Asbeststaubexposition bestanden, ohne dass Schutzausrüstungen getragen worden seien. In den weiteren Beschäftigungen des Versicherten bei der H. wie auch bei der Firma Y. und zuletzt in seiner Lehrertätigkeit habe kein Asbestkontakt bestanden. Im Rahmen des Besuchs gab der Versicherte an, von 1960 bis 2002 starker Raucher gewesen zu sein. Als täglichen Zigarettenkonsum wurde der im Formblatt vorgesehene höchstmögliche Bereich von über 20 Zigaretten täglich angekreuzt.
Die Beklagte zog auf die ärztliche BK-Anzeige hin medizinische Unterlagen des Radiologen Dr. T., der DR-Klinik DR-Stadt und des Universitätsklinikums DR-Stadt bei. Zur Frage einer Asbestbelastung im Rahmen der Tätigkeit bei der H. ließ sie die Stellungnahme der Unfallkasse vom 6. Mai 2003 erstatten, wonach der Versicherte weder als Elektriker bei der Fahrleitungsmeisterei AZ. noch als technischer Zeichner bei der H.direktion AZ. einen Asbestkontakt gehabt habe. Ihre eigene Präventionsabteilung errechnete sodann mit Stellungnahme vom 21. Mai 2003 die beim Versicherten relevanten Faserjahre mit 12,3. Sie ging dabei davon aus, dass der Versicherte als Auszubildender von 1961 bis 1963 drei Tage in der Firma MR. gearbeitet habe und von 1964 bis August 1966 – unterbrochen durch 18 Monate Wehrdienst – ganzwöchig. Für das Zuschneiden und Bohren von Asbestplatten, für das Bearbeiten von Eternitplatten auf Dächern, das Reparieren von Nachtspeicheröfen und die Verwendung von Asbestschnur für den Heizungsbau legte der Präventionsdienst die aus dem BK-Faserjahr-Report 1/97 ersichtlichen Faserkonzentrationen zugrunde. Sodann ließ die Beklagte das Gutachten des Prof. ES., Strahlenklinik DR-Stadt, vom 7. Oktober 2003 zur Frage einer asbestbedingten Bronchialkrebserkrankung des Versicherten erstatten. Dieser überprüfte die beigezogenen medizinischen Unterlagen sowie das komplette Radiologiematerial aus dem Zeitraum März bis August 2003 auf asbesttypische Befundkonstellationen sowie Pleuraergüsse. Auf der gesunden linken Lungenseite fanden sich keine asbestspezifischen morphologischen Veränderungen. Im Bereich der rechten Lunge konnten sklerotisch, fibrotische Veränderungen, eine Pleuraverdickung und im Verlauf Pleuraergüsse unterschiedlicher Ausprägung festgestellt werden, die Prof. ES. im Zusammenhang mit dem Bronchialkarzinom sah. Auch die vorliegenden schriftlichen Befunde dokumentierten im zeitlichen Verlauf über sechs Monate keinerlei asbestbedingte Veränderungen des Lungengerüstes. In dem Befund des bronchoskopisch gewonnenen histologischen Untersuchungsmaterials wurden keine asbesttypischen Formationen (Asbestfasern) beschrieben. Der Nachweis von mindestens 25 Faserjahren sei – so Prof. ES. – anhand der Datenlage nicht möglich. Ein Unterschied zwischen einem durch Asbeststaub oder durch eine andere Noxe (hier Nikotin) verursachten Bronchialkarzinom lasse sich nicht feststellen. Gestützt auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 4. November 2003 die Anerkennung der Bronchialerkrankung als BK nach Nr. 4104 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) ab. Eine Exposition gegenüber asbesthaltigen Feinstäuben habe zwar bestanden, habe aber lediglich den Nachweis von 12,3 Faserjahren für die Tätigkeit bei der Firma MR. erbracht. Bei der H. AG und der Firma Y. habe nach eigenen Angaben des Versicherten keine Asbest-Exposition bestanden. Prof. ES. habe weder eine Asbestose noch eine Erkrankung der Pleura nachweisen können, so dass die gesetzlichen Anerkennungsvoraussetzungen für eine BK 4101 fehlten.
Auf den Widerspruch des Versicherten vom 3. Dezember 2003 hörte die Beklagte ihren Präventionsdienst ergänzend, der am 26. Januar 2004 ausführte, der Einsatz des Versicherten bei der Firma MR. habe dem typischen Berufsbild eines Elektroinstallateurs im ländlichen Raum entsprochen. Die Entnahme und die Zuordnung der Asbestfaser-Konzentrationen in der Abschätzung vom 21. Mai 2003 habe dem BK-Report 1/97 entsprochen. Da der Versicherte auch im Widerspruchsverfahren keine anderen Angaben gemacht habe, müsse es dabei verbleiben. Auf Anregung des Versicherten wurde sodann das Aktengutachten des Prof. A. vom 17. März 2004 eingeholt, der im Ergebnis mit dem Gutachten des Prof. ES. übereinstimmte. Bei sorgfältiger Durchsicht des kompletten Radiologiematerials ergebe sich kein Hinweis auf sichere pleurale Plaques, diffuse pleurale Verdickungen oder eine Lungenasbestose. Die bildgebenden Verfahren zeigten einen rechtsparakardialen Tumor. Damit ergäben sich röntgenologisch und computertomographisch keine Hinweise auf eine Lungen- und/oder Pleuraasbestose. Die Recherchen des Präventionsdienstes hätten eine kumulative Asbestfaserstaubdosis von 12,3 Faserjahren ergeben, so dass die Voraussetzungen zur Annahme einer BK nach Nr. 4104 aus arbeitsmedizinischer Sicht nicht zu begründen sei. Aktenkundig sei als nicht versicherte konkurrierende Ursache für die Entstehung eines Lungenkrebses die erhebliche Rauchgewohnheit des Versicherten, der von 1960 bis 2002 etwa 90 bis 100 Packungsjahre inhaliert haben solle. Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juni 2004 wies die Beklagte sodann den Widerspruch unter Hinweis auf die Stellungnahme der Präventionsabteilung und das Aktengutachten des Prof. A. zurück.
Der Versicherte legte dagegen am 1. Juli 2004 vor dem Sozialgericht Marburg (SG) Klage ein, zu deren Begründung er vortrug, er halte die Faserjahrberechnung der Beklagten für nicht zutreffend. Denn Asbestfasern mit einer Länge bis 5 Mikrometer seien nicht mitgezählt worden, wodurch die Faserzahl um das 100 bis 200fache erhöht würde. Zudem sei beim Schneiden von Asbestfasern nicht von 3 sondern von mindestens 20 Asbestfasern pro Kubikzentimeter Luft auszugehen. Die Klägerin erklärte nach dem Versterben des Versicherten, mit dem Versicherten von 1972 bis zu dessen Tode im gemeinsamen Haushalt gelebt zu haben und führte das Verfahren fort.
Mit Urteil vom 24. August 2006 hat das SG die Klage abgewiesen, da nach den Gutachten der Professores ES. und A. eine Asbeststaublungen-Erkrankung bzw. eine durch Asbeststaub verursache Pleuraerkrankung nicht erwiesen sei. Auch die Faserjahr-Berechnung der Beklagten mit dem Ergebnis von 12,3 Faserjahren sei nicht zu beanstanden und sei von den sachverständigen Medizinern ohne Einschränkung ihrer Beurteilung zugrunde gelegt worden, so dass der Versicherte letztlich die Voraussetzungen der BK-Ziffer 4104 nicht erfüllt habe.
Gegen das ihr am 28. August 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. September 2006 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung ihres Rechtsmittels hat sie über die erstinstanzlich erhobenen Einwände hinaus vorgetragen, der Versicherte habe auch während seiner Tätigkeit bei der H. AG einer Asbestbelastung unterlegen. Denn die Eisenbahnwaggons seien mit Asbest ausgeschäumt gewesen und insbesondere das Heizsystem sei asbestbelastet gewesen. Auch der Schotter der Geleise sei, soweit er aus Gabbro-Gestein bestanden habe, asbesthaltig gewesen. Zum Nachweis hat sie das Gutachten des Bergassessor a.D. Prof. Dipl.-Ing. LL. vom 2. Februar 2004 vorgelegt. Zudem müsse beim Versicherten davon ausgegangen werden, dass die Asbesteinwirkung in Verbindung mit dem Nikotingenuss eine multiplikative Wirkung gehabt habe und so wesentlich mitursächlich für die Entstehung der Bronchialkrebs-Erkrankung geworden sei.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 24. August 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juni 2004 zu verurteilen, die Bronchialkrebserkrankung des Versicherten als Berufskrankheit anzuerkennen und in gesetzlichem Umfang zu entschädigen,
hilfsweise,
Bergassessor a.D. Prof. Dipl.-Ing. LL. mit der Erstellung einer unabhängigen arbeitstechnischen Expertise zur Asbestbelastung des Versicherten bei der H. AG zu beauftragen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Voraussetzungen der BK-Ziffer 4104 für nicht erfüllt. Im Falle des Versicherten stelle sich nicht die Frage einer Synkanzerogenese, die erfordere, dass mehrere BK-relevante Noxen im Zusammenwirken eine als BK anerkennungsfähige Erkrankung hervorriefen. Hier gehe es indessen um den privaten Nikotingenuss des Versicherten als Kausalbeitrag. Mit Bescheid vom 9. Mai 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2007 hat die Beklagte auf Drängen der Klägerin über deren Hinterbliebenenleistungen entschieden und hat diese abgelehnt, da der Versicherte nicht an einer BK verstorben sei.
Der Senat hat ergänzende Stellungnahmen des TAD der Eisenbahn-Unfallkasse sowie der Präventionsabteilung der Beklagten eingeholt. Die Eisenbahn-Unfallkasse hat am 2. Oktober 2007 ausgeführt, der Versicherte habe einer Asbestbelastung bei der H. AG, wenn überhaupt, nur unterhalb der Nachweisgrenze im ubiquitären Bereich unterlegen, so dass eine arbeitsbedingte Asbestbelastung hieraus nicht abgeleitet werden könne. Bei in bestimmten Bereichen in Deutschland abgebauten Gesteinen, auch bei Gabbro-Gesteinen, könne ein Asbestanteil nicht ausgeschlossen werden. Untersuchungen in Steinbrüchen hätten gezeigt, dass bei kompakten Gesteinsbrocken keine freien Asbestfasern festzustellen seien, solange diese nicht mehr mechanisch be- oder verarbeitet würden. Eine Asbestexposition sei danach nur zu quantifizieren, wenn ein Versicherter an einem Brecher oder beim Verladen in einem Steinbruch mit entsprechender Staubentwicklung tätig geworden sei. Auch wenn danach nicht auszuschließen sei, dass in Schotteranteilen festgebundene Asbestfasern in verschiedenen Konzentrationen enthalten gewesen seien, lasse sich nicht mehr ermitteln, ob dies im Arbeitsbereich des Versicherten so gewesen sei. Insbesondere bleibe fraglich, ob im Bereich des Rangierbahnhofes AZ., wo der Versicherte gearbeitet habe, Schotter aus Gabbro- oder anderen Gesteinen mit Anteilen von Naturasbest eingebracht worden seien. Pilotmessungen hätten ergeben, dass die Asbestfaserkonzentrationen an verschiedenen Arbeitsplätzen beim Einbau von Schotter deutlich unter der Nachweisgrenze gelegen hätten. Bei der Tätigkeit als Elektriker in der Fahrleitungsmeisterei sei ein Asbestkontakt sicher auszuschließen, auch wenn bei den Aushubarbeiten mit der Schottergabel oder –schaufel Schottersteine zu bewegen gewesen seien. Ein Aufenthalt im Bereich einer Staubwolke sei jedenfalls nicht erforderlich gewesen und die Einwirkung von Feinstaub oberhalb des Staubgrenzwertes lasse sich im direkten Arbeitsbereich des Versicherten nicht erkennen. Der Präventionsdienst der Beklagten äußerte am 24. Oktober 2007, die Expositionszeiten mit Asbestbelastung seien für den Versicherten aus einem Erfahrungsschatz vergleichbarer Erkrankungsfälle von Elektroinstallateuren im ländlichen Raum hergeleitet worden. Bei Fehlen konkreter Messergebnisse sei der BK-Report 1/97, nunmehr in der aktuellen Fassung 1/07, als Bemessungsgrundlage für die Faserkonzentration zu verwenden. Die Zuordnung der Messergebnisse zu den Tätigkeiten seien dementsprechend korrekt erfolgt.
Sodann hat der Senat eine gutachterliche Stellungnahme des Prof. A. nach Aktenlage vom 13. Juli 2008 eingeholt. Prof. A. hat darauf verwiesen, dass die Faserzählung nach weltweitem Standard auf die Größe von Asbestfasern einer Länge von mehr als 5 Mikrometer beschränkt werde. Diese Vorgabe gelte auch für die Legaldefinition der BK-Ziffer 4104 mit dem Dosisgrenzwert von 25 Asbestfaserjahren. Gleiche Vorgaben mache der Faserjahr-Report 1/97. Experimentell habe eine positive Korrelation zwischen Faserzahl und Tumorrate für Fasern dieser Größe bestätigt werden können. Eine nennenswerte Lungenkrebsinzidenz für kleinere Fasern sei bisher nicht erwiesen – wohl wissend, dass diese in deutlich größerem Umfange jeweils mit eingeatmet würden. Der Versicherte habe nach eigener Einschätzung einer Asbestbelastung bei der H. AG nicht unterlegen. Er sei dort im konkreten Einsatz nicht gefährdend tätig geworden. Dem Präventionsdienst der Beklagten seien gravierende Mängel bei Erhebung der Zeitdauer der asbestfaserstaubgefährdeten Verrichtungen bei der Firma MR. unterlaufen, wodurch eine vollbeweisliche Expositionssicherung nicht gelingen könne. Eine für derartige Befragungen entwickelte Checkliste (Stand 2002) sei von deren Mitarbeiter Q. nicht hinreichend beachtet worden. Angesichts weiterer Bedenken gegenüber den Vorgaben des Präventionsdienstes empfahl Prof. A., eine ergänzende Befragung des Prof. D. (BGIA). Geeignete belastbare neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft im Hinblick auf eine zu bevorzugende Anwendung des § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – 7. Band (SGB VII) im Falle des Versicherten bei einer Unterschreitung der arbeitsbedingten kumulativen Asbestfaserstaubdosis von 25 Asbestfaserjahren seien ihm nicht bekannt. Eine belastbare qualifizierte Raucheranamnese könne er nicht erkennen. Bei einem Raucherleben von 1960 bis Oktober 2002 und 90 bis 100 Zigarettenpackungsjahren müsse von einem durchschnittlichen täglichen Zigarettenkonsum von 46 ausgegangen werden, was Bedenken erwecke. Der Nikotinkonsum sei im Sinne einer multiplikativen Synkanzerogenese mit Asbesteinwirkung aufzufassen und zwar in einem annähernd multiplikativen Ausmaß. In Anbetracht dessen halte er die Asbesteinwirkung von 12,3 Asbestfaserjahren letztlich für eine wesentliche Mitursache bei Verursachung der Bronchialkrebserkrankung des Versicherten. Selbst ein erheblicher Zigarettenkonsum in der Größenordnung von 90 bis 100 Zigarettenpackungsjahren könne nicht a priori als Lebensführungsschuld die Anerkennung einer Erkrankung an Lungenkrebs beim Vorliegen der übrigen Voraussetzungen der Nr. 4104 BKV oder der Öffnungsklausel des § 9 Abs. 2 SGB VII ausschließen. Aus arbeits- und sozialmedizinischer Sicht stelle selbst eine BK-rechtlich versicherte Teilursächlichkeit von 12,3 Asbestfaserjahren insoweit keine Gelegenheitsursache sondern eine wesentliche, nämlich annähernd multiplikativ wirkende Teilursache dar.
Der Senat hat sodann eine weitere Anfrage bei Prof. D., BGIA, gehalten, woraufhin dieser mit Stellungnahme vom 10. Dezember 2008 ausgeführt hat, die vom Präventionsdienst der Beklagten für die Installationsarbeiten mit Asbestplatten im landwirtschaftlichen Bereich sowie bei Erneuerung von Ortsnetzen gemachten Vorgaben seien zu bestätigen. Beim Auf- und Abbau von Nachtspeicherheizungen seien indessen die von der Beklagten angenommenen Werte überhöht mit der Folge, dass die berufliche Asbestbelastung des Versicherten sich nur im Ausmaße von 7,4 Faserjahren ergebe. Sodann hat Prof. A. am 30. März bzw. 8. April 2009 abschließend Stellung genommen. Er geht nunmehr davon aus, dass die von Prof. D. mitgeteilte Faserjahrbelastung des Versicherten als bestverfügbarer Schätzwert überzeuge. Auch 7,4 Asbestfaserjahre hat er als wesentliche, annähernd multiplikativ mitwirkende Teilursache und nicht als bloße Gelegenheitsursache für das Auftreten der Bronchialkrebs-Erkrankung des Versicherten bewertet.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung der Klägerin (§§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nicht begründet, da die Bronchialkrebserkrankung des Versicherten nicht als BK nach Ziffer 4104 von der Beklagten anzuerkennen und zu entschädigen ist. Der Senat konnte darüber trotz Nichterscheinen der Klägerin und ihres Vertreters entscheiden. Denn der Klägervertreter wurde rechtzeitig zum Senatstermin geladen und in der Ladung darauf hingewiesen, dass der Senat trotz Nichterscheinen zur Entscheidung befugt ist (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Streitig waren allein Lebzeitenleistungen, die die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin nach § 56 Abs. 1 SGB I ihres versicherten Ehemannes B. B. geltend macht. Nicht Streitgegenstand waren die Anerkennung der Bronchialkrebserkrankung des Versicherten "wie eine BK" nach § 9 Abs. 2 SGB VII, da weder Beklagte noch SG hierüber entschieden haben und es einer Entscheidung der Beklagten über diese als separaten Versicherungsfall anzusehende Anspruchsgrundlage (dazu Urteile des Bundessozialgerichts -BSG- vom 23. Juni 2004 – Az.: B 2 U 22/03 R – sowie vom 27. Juni 2006 – Az.: B 2 U 9/05 -) bedarf, bevor eine sozialgerichtliche Überprüfung erfolgen kann. Ebenso wenig wie eine seitens der Verwaltung unterbliebene Entscheidung über eine Quasi-BK nach § 96 SGG in ein sozialgerichtliches Verfahren einbezogen werden darf, gilt dies für den Bescheid vom 9. Mai 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2007, in denen die Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen an die Klägerin abgelehnt hat. Auch dieser Bescheid "ändert" oder "ersetzt" den streitigen Bescheid der Beklagten vom 4. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2004 über Lebzeitenleistungen für den Versicherten nicht im Sinne des § 96 SGG.
BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit (§§ 2, 3 und 6 SGB VII) erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Nach Ziffer 4104 der Anlage zur BKV sind Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) bzw. in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura oder bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren als BK anerkannt. Voraussetzung für die Feststellung jeder Erkrankung als BK ist, dass die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen sowie die Erkrankung, für die Entschädigungsleistungen beansprucht werden, i. S. des Vollbeweises nachgewiesen sind. Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (s. BSGE 45, 1, 9 sowie BSGE 19, 52, 53 und BSGE 7, 103, 106). Erforderlich ist eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, nach der kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen vorgenannter Tatbestandsmerkmale zweifelt (BSGE 6, 144 vgl. auch Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz mit Erläuterungen, § 118, Rdnr. 5). Darüber hinaus muss die sog. haftungsbegründende Kausalität zwischen den berufsbedingten Einwirkungen und der erforderlichen Erkrankung zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bejaht werden. Dies ist dann der Fall, wenn bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, dass die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben können (s. BSG vom 2. Juni 1959, SozR § 542 Reichsversicherungsordnung – RVO – a. F. Nr. 20). Jedoch ist der ursächliche Zusammenhang nicht bereits dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSGE 60, 58, 59). Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und Erkrankungen im BK-Recht gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung, die als Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie hat, nach der Ursache eines Erfolges jedes Ereignis ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (sog. conditio sine qua non, s. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 = BSGE 96, 196 ff.). Aufgrund der Unbegrenztheit der Bedingungstheorie werden im Sozialrecht als rechtserheblich aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens und Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen der erstbehandelnden Ärzte sowie der gesamten Krankengeschichte. Trotz dieser Ausrichtung am individuellen Versicherten ist bei der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs im Einzelfall der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ursachenzusammenhänge zwischen Ereignissen und Gesundheitsschäden zugrunde zu legen. Letzterer bestimmt sich unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde (s. BSG, Urteile vom 27. Juni 2006, Az.: B 2 U 7/05 R sowie B 2 U 20/04 R).
Bei Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen der streitigen BK-Ziffer 4104 geht der Senat von folgendem Sachverhalt aus:
Der Versicherte war von 1961 bis 1968 – unterbrochen durch die 18monatige Bundeswehrzeit – bei der Firma MR. als Elektrikerlehrling und –geselle asbestexponiert tätig. Weitere Asbesteinwirkungen – insbesondere bei der H. – hatte der Versicherte selbst anlässlich des am 4. April 2003 mit dem Sachbearbeiter Q. geführten Gespräches in Abrede gestellt. Die mehrfache Befassung des TAD der Eisenbahnunfallkasse hat Asbesteinwirkungen insofern ebenso wenig bestätigt wie Prof. A. nach eigenständiger Überprüfung dieser Umstände in dessen Stellungnahme vom 13. Juli 2008. Das von der Klägerin vorgelegte "Gutachten" des Prof. LL. vom 2. Februar 2004 befasst sich mit asbestbelasteten Tätigkeiten von Bahnbediensteten, mit denen der Versicherte in keiner Weise befasst war. Unerheblich war auch die von der Klägerin erhobene Behauptung, Eisenbahnwaggons und deren Heizsystem insbesondere seien asbestbelastet gewesen. Denn der Versicherte hatte weder als Elektriker bei der Fahrleistungsmeisterei AZ. noch als technischer Zeichner bei der H.direktion AZ. in den Jahren von 1968 bis 1970 mit oder in derartigen Waggons zu tun. Dem Hilfsantrag der Klägerin, Prof. LL. mit einer arbeitstechnischen Expertise zur Asbestbelastung des Versicherten bei der H. zu beauftragen, war insofern nicht zu entsprechen. Prof. D. hat in seiner Stellungnahme vom 10. Dezember 2008 zuletzt die Asbestexposition des Versicherten in einem Umfang von 7,4 Faserjahren bestätigt und mit Prof. A. in dessen Stellungnahme vom 30. März 2009 geht der Senat davon als "bestverfügbarem Schätzwert" aus. Die Asbestbelastung des Versicherten in diesem Umfange ist mit Prof. A. als naturwissenschaftliche Ursache der Bronchialkrebserkrankung des Versicherten anzusehen.
Daneben war der Versicherte von 1960 bis Ende 2002 extrem starker Raucher, wie er dem Sachbearbeiter Q. gegenüber bestätigt hatte und wie dies vom behandelnden Internisten und Pneumologen Dr. MD. in der ärztlichen BK-Anzeige vom 5. März und dem beigefügten Bericht vom 24. Februar 2003 im Ausmaß von 90 bis 100 Packungsjahren bestätigt wird. Die Vorgaben für diese Quantifizierung kann der behandelnde Arzt nur vom Versicherten selbst erhalten haben. Weder der Versicherte noch die Klägerin habe diese Angaben je in Abrede gestellt. Soweit Prof. A. mit Stellungnahme vom 13. Juli 2008 daraus einen durchschnittlichen täglichen Zigarettenkonsum von 46 errechnet hat, ist dieser extreme Nikotinkonsum vom Senat zugrunde zu legen. Dabei kann dahinstehen, wie sich die Summe der Packungsjahre letztlich zusammenaddiert hat, ob die täglich konsumierte Zigarettenzahl im Verlauf der vielen Jahre im Wesentlichen gleich oder schwankend war, ob der Versicherte insbesondere schon während der Lehrzeit in diesem Umfang geraucht hat. Soweit Prof. A. angesichts dessen eine belastbare qualifizierte Raucheranamnese des Versicherten in Zweifel zieht, teilt der Senat diese Zweifel nicht. Die Wertigkeit der Raucheranamnese steht der schätzweise gewonnenen Asbestbelastung des Versicherten nicht nach. Auch den extremen Nikotinkonsum des Versicherten sieht der Senat mit Prof. A. als naturwissenschaftlich relevante Ursache seiner Bronchialkrebserkrankung an.
Aus den Listen-BKen kommt allein die Ziffer 4104 in Betracht, deren Voraussetzungen der Versicherte indessen nicht erfüllte, da er weder eine Asbestose noch eine asbestbedingte Pleuraerkrankung aufwies. Dies konnten Prof. ES. im Gutachten vom 7. Oktober 2003 und Prof. A. im Gutachten vom 17. März 2004 übereinstimmend zur Überzeugung des Senats feststellen, wobei beide Gutachten im Verwaltungsverfahren durch die Beklagte eingeholt wurden und vom Senat im Weg des Urkundenbeweises zu würdigen waren. Beide sachverständigen Mediziner hatten zwecks Erstellung ihres Gutachtens das komplette Radiologiematerial aus der Zeit von März bis August 2003 einer eingehenden Überprüfung auf asbesttypische Befundkonstellationen unterzogen. Sie überprüften auch sämtliche schriftlich vorliegenden Befunde im zeitlichen Verlauf von über sechs Monaten einschließlich der Befunde des bronchoskopisch gewonnen histologischen Untersuchungsmaterials, ohne asbesttypische Formationen bestätigen zu können. Da auch die berufliche Asbestbelastung des Versicherten die in Ziffer 4104 geforderte Asbestfaserjahrzahl von 25 nicht erreichte und nur im Ausmaß der von Prof. D. ermittelten 7,4 Asbestfaserjahre festzustellen war, kam die Anerkennung der Bronchialkrebserkrankung des Versicherten als BK nach Ziffer 4104 nicht in Betracht.
Obwohl eine Anerkennung und Entschädigung dieser Erkrankung wie eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII nicht Streitgegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist, hält der Senat in Anbetracht der hierzu von Prof. A. im Berufungsverfahren eröffneten Diskussion eine Stellungnahme auch insoweit für geboten.
Nach § 9 Abs. 2 SGB VII haben Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestehenden Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Nach letztgenannter Bestimmung wird die Bundesregierung ermächtigt, in der BKV solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind.
Die Entschädigung der Bronchialkrebserkrankung des Versicherten, dessen berufliche Asbestbelastung nur im Umfang von 7,4 Faserjahren feststellbar ist, scheidet auch über § 9 Abs. 2 SGB VII aus. Denn es liegen keine neuen Erkenntnisse vor, die es erlauben würden, die BK-Ziffer 4104 auf Asbestbelastungen von unter 25 Faserjahren zu erweitern, wie Literatur und Rechtsprechung (Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 13. Oktober 2003 – Az.: L 2 U 119/03; Mehrtens-Brandenburger, Die Berufskrankheiten-Verordnung, Kommentar, Anm. 3 zu M 4104; Koch in: Lauterbach, Unfallversicherung, SGB VII, Band 2, § 9 Anhang IV, Ziffern 4.3 und 4.4) und zuletzt auch Prof. A. mit Stellungnahme vom 13. Juli 2008 übereinstimmend bestätigen.
Der Verordnungsgeber wäre schließlich gehindert, eine geringere Asbestbelastung deshalb als BK zur Anerkennung zu stellen, weil sie wegen eines konkurrierenden Nikotinkonsums dieselbe Verursachungswahrscheinlichkeit erlangt wie die bei 25 Asbestfaserjahren erreichte Verdoppelungsdosis als Grundlage der BK 4104 (dazu Koch, a.a.O., Anm. 4.4.). Denn nach § 9 Abs. 2 SGB VII kommen nur beruflich verursachte Einwirkungen als Anknüpfungspunkte für BKen in Betracht (Urteil des BSG vom 4. Dezember 2001 in Breithaupt 2002, 619; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 1178; Becker, Synkanzerogenese aus sozialjuristischer Sicht, Der medizinische Sachverständige 2005, S. 115, 118; Mehrtens-Brandenburger, a.a.O., Anm. 7). Eine BK-Ziffer, die eine berufliche Asbestbelastung mit einer privaten Nikotinbelastung verknüpfen und entschädigungsfähig machen würde, wäre weder vom Wortlaut des § 9 Abs. 1 und 2 SGB VII noch vom Grundgedanken der gesetzlichen Unfallversicherung gedeckt. Im Falle des Versicherten handelt es sich insbesondere nicht um das Beispiel einer in Literatur und Rechtsprechung weiterhin umstrittenen, aber grundsätzlich anerkennungsfähigen synkanzerogenen Krebserkrankung durch mehrere Berufsstoffe (dazu beispielhaft Urteile des BSG vom 12. Juni 1990 – Az.: B 2 U 14/90 sowie vom 4. Juni 2002 – Az.: B 2 U 16/01 R aus der Rechtsprechung sowie Koch, a.a.O., Anm. 130 ff. zu § 9 SGB VII sowie ergänzende Erläuterungen zur BK 4104 im Anhang IV unter 5. und Becker, a.a.O., S. 117). Die Argumentation des Prof. A., über die die gesetzliche Unfallversicherung beherrschende Theorie der wesentlichen Bedingung und den Gesichtspunkt der von ihm verneinten "Lebensführungsschuld" zu einer positiven Entscheidung im Falle des Versicherten zu gelangen, verkennt, dass diese Kausalitätstheorie nur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben Anwendung finden und keinem Kausalfaktor eine wesentliche Bedeutung beizumessen vermag, der kraft Gesetzes eine Entschädigungsverpflichtung nicht begründen kann.
Die Berufung der Klägerin gegen die zutreffende erstinstanzliche Entscheidung war danach zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin streitet um die Zahlung von Lebzeitenleistungen als Sonderrechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes im Rahmen der Anerkennung einer Bronchialkrebserkrankung als Berufskrankheit (BK).
Der 1943 geborene Ehemann der Klägerin B. B. (nachstehend: der Versicherte) hatte bei der Firma MR. in R-Stadt von 1961 bis Ende 1963 eine Lehre als Elektriker absolviert und war danach bis 16. März 1968 weiter als Elektrikergeselle beschäftigt, unterbrochen durch eine 18monatige Wehrdienstzeit. Im Anschluss war er von Mai 1968 bis November 1969 als Elektriker und von Dezember 1968 bis September 1970 als technischer Zeichner bei der H. beschäftigt. Danach fand er bis 1973 bei der Firma Y. Beschäftigung, wo er als Service-Techniker Kopiergeräte wartete. Im Anschluss nahm er ein Lehrerstudium auf und war nach dem Studium als Lehrer tätig. Ende Januar 2003 fiel dem Versicherten auf, dass er Blut hustete. Durch Röntgen- und CT-Untersuchungen, insbesondere das Thorax-CT des Radiologen Dr. T. vom 10. Februar 2003, sowie eine anschließend durchgeführte Bronchoskopie mit Gewebeprobe konnte ein Bronchialkarzinom nachgewiesen werden. Er war deswegen ab 4. Februar 2003 arbeitsunfähig. Nach einer Vorstellung in der DR-Klinik DR-Stadt am 5. März 2003 begab er sich in die weitere Behandlung des Universitätsklinikums DR-Stadt, wo eine fünffache Chemotherapie durchgeführt wurde, bevor der Tumor als inoperabel angesehen und mit Bestrahlungsmaßnahmen fortgefahren wurde. Am 7. Mai 2004 verstarb der Versicherte. Eine Obduktion wurde nicht durchgeführt.
Das BK-Verfahren wurde durch die ärztliche Anzeige des Internisten und Pneumologen Dr. MD. vom 5. März 2003 eingeleitet, der in dieser Anzeige sowie einem weiteren Bericht vom 24. Februar 2003 ein Bronchialkarzinom im rechten Lungenunterlappen beschrieb und auf früheren beruflichen Umgang des Versicherten mit Asbest hinwies. Der Versicherte habe bis vor viereinhalb Monaten im Umfang von 90 bis 100 Packungsjahren geraucht. Der Sachbearbeiter der Beklagten Q. suchte den Versicherten am 4. April 2003 in dessen Einfamilienhaus auf und fertigte hierüber den Aktenvermerk vom 9. April 2003. Für die Zeit als Lehrling und Geselle bei der nicht mehr existierenden Firma MR. führt der Aktenvermerk aus, der Versicherte habe dort überwiegend Elektroinstallationen in landwirtschaftlichen Betrieben ausgeführt, wobei damals unter Schaltanlagen und Zählerkästen Asbestplatten verlegt werden mussten. Er habe daher laufend Asbestplatten zurecht geschnitten, habe die Platten befestigt und die Anschlüsse für die Leitungen gebohrt. Die Firma MR. habe ganze Ortsnetze erneuert und der Versicherte dadurch viel auf Eternitdächern gearbeitet. Kontakt zu Asbest habe insbesondere bestanden, wenn die Eternitplatten verarbeitet werden mussten, um neue Hausanschlüsse zu fertigen. Dazu seien auch für die neuen Anschlüsse Eternitplatten verschnitten worden. Zusätzlich habe der Versicherte Nachtspeicheröfen aufgebaut, abgebaut und repariert. Dabei seien damals asbesthaltige Isolationsstoffe verarbeitet worden und Asbestwolle sei zum Einsatz gekommen. Die Firma MR. habe auch im Heizungsbau gearbeitet, wodurch der Versicherte Kontakt zu Asbestschnüren gehabt habe, um die Heizungsrohre abzudichten. Insgesamt habe während der Beschäftigungszeit bei der Firma MR. eine erhebliche Asbeststaubexposition bestanden, ohne dass Schutzausrüstungen getragen worden seien. In den weiteren Beschäftigungen des Versicherten bei der H. wie auch bei der Firma Y. und zuletzt in seiner Lehrertätigkeit habe kein Asbestkontakt bestanden. Im Rahmen des Besuchs gab der Versicherte an, von 1960 bis 2002 starker Raucher gewesen zu sein. Als täglichen Zigarettenkonsum wurde der im Formblatt vorgesehene höchstmögliche Bereich von über 20 Zigaretten täglich angekreuzt.
Die Beklagte zog auf die ärztliche BK-Anzeige hin medizinische Unterlagen des Radiologen Dr. T., der DR-Klinik DR-Stadt und des Universitätsklinikums DR-Stadt bei. Zur Frage einer Asbestbelastung im Rahmen der Tätigkeit bei der H. ließ sie die Stellungnahme der Unfallkasse vom 6. Mai 2003 erstatten, wonach der Versicherte weder als Elektriker bei der Fahrleitungsmeisterei AZ. noch als technischer Zeichner bei der H.direktion AZ. einen Asbestkontakt gehabt habe. Ihre eigene Präventionsabteilung errechnete sodann mit Stellungnahme vom 21. Mai 2003 die beim Versicherten relevanten Faserjahre mit 12,3. Sie ging dabei davon aus, dass der Versicherte als Auszubildender von 1961 bis 1963 drei Tage in der Firma MR. gearbeitet habe und von 1964 bis August 1966 – unterbrochen durch 18 Monate Wehrdienst – ganzwöchig. Für das Zuschneiden und Bohren von Asbestplatten, für das Bearbeiten von Eternitplatten auf Dächern, das Reparieren von Nachtspeicheröfen und die Verwendung von Asbestschnur für den Heizungsbau legte der Präventionsdienst die aus dem BK-Faserjahr-Report 1/97 ersichtlichen Faserkonzentrationen zugrunde. Sodann ließ die Beklagte das Gutachten des Prof. ES., Strahlenklinik DR-Stadt, vom 7. Oktober 2003 zur Frage einer asbestbedingten Bronchialkrebserkrankung des Versicherten erstatten. Dieser überprüfte die beigezogenen medizinischen Unterlagen sowie das komplette Radiologiematerial aus dem Zeitraum März bis August 2003 auf asbesttypische Befundkonstellationen sowie Pleuraergüsse. Auf der gesunden linken Lungenseite fanden sich keine asbestspezifischen morphologischen Veränderungen. Im Bereich der rechten Lunge konnten sklerotisch, fibrotische Veränderungen, eine Pleuraverdickung und im Verlauf Pleuraergüsse unterschiedlicher Ausprägung festgestellt werden, die Prof. ES. im Zusammenhang mit dem Bronchialkarzinom sah. Auch die vorliegenden schriftlichen Befunde dokumentierten im zeitlichen Verlauf über sechs Monate keinerlei asbestbedingte Veränderungen des Lungengerüstes. In dem Befund des bronchoskopisch gewonnenen histologischen Untersuchungsmaterials wurden keine asbesttypischen Formationen (Asbestfasern) beschrieben. Der Nachweis von mindestens 25 Faserjahren sei – so Prof. ES. – anhand der Datenlage nicht möglich. Ein Unterschied zwischen einem durch Asbeststaub oder durch eine andere Noxe (hier Nikotin) verursachten Bronchialkarzinom lasse sich nicht feststellen. Gestützt auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 4. November 2003 die Anerkennung der Bronchialerkrankung als BK nach Nr. 4104 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) ab. Eine Exposition gegenüber asbesthaltigen Feinstäuben habe zwar bestanden, habe aber lediglich den Nachweis von 12,3 Faserjahren für die Tätigkeit bei der Firma MR. erbracht. Bei der H. AG und der Firma Y. habe nach eigenen Angaben des Versicherten keine Asbest-Exposition bestanden. Prof. ES. habe weder eine Asbestose noch eine Erkrankung der Pleura nachweisen können, so dass die gesetzlichen Anerkennungsvoraussetzungen für eine BK 4101 fehlten.
Auf den Widerspruch des Versicherten vom 3. Dezember 2003 hörte die Beklagte ihren Präventionsdienst ergänzend, der am 26. Januar 2004 ausführte, der Einsatz des Versicherten bei der Firma MR. habe dem typischen Berufsbild eines Elektroinstallateurs im ländlichen Raum entsprochen. Die Entnahme und die Zuordnung der Asbestfaser-Konzentrationen in der Abschätzung vom 21. Mai 2003 habe dem BK-Report 1/97 entsprochen. Da der Versicherte auch im Widerspruchsverfahren keine anderen Angaben gemacht habe, müsse es dabei verbleiben. Auf Anregung des Versicherten wurde sodann das Aktengutachten des Prof. A. vom 17. März 2004 eingeholt, der im Ergebnis mit dem Gutachten des Prof. ES. übereinstimmte. Bei sorgfältiger Durchsicht des kompletten Radiologiematerials ergebe sich kein Hinweis auf sichere pleurale Plaques, diffuse pleurale Verdickungen oder eine Lungenasbestose. Die bildgebenden Verfahren zeigten einen rechtsparakardialen Tumor. Damit ergäben sich röntgenologisch und computertomographisch keine Hinweise auf eine Lungen- und/oder Pleuraasbestose. Die Recherchen des Präventionsdienstes hätten eine kumulative Asbestfaserstaubdosis von 12,3 Faserjahren ergeben, so dass die Voraussetzungen zur Annahme einer BK nach Nr. 4104 aus arbeitsmedizinischer Sicht nicht zu begründen sei. Aktenkundig sei als nicht versicherte konkurrierende Ursache für die Entstehung eines Lungenkrebses die erhebliche Rauchgewohnheit des Versicherten, der von 1960 bis 2002 etwa 90 bis 100 Packungsjahre inhaliert haben solle. Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juni 2004 wies die Beklagte sodann den Widerspruch unter Hinweis auf die Stellungnahme der Präventionsabteilung und das Aktengutachten des Prof. A. zurück.
Der Versicherte legte dagegen am 1. Juli 2004 vor dem Sozialgericht Marburg (SG) Klage ein, zu deren Begründung er vortrug, er halte die Faserjahrberechnung der Beklagten für nicht zutreffend. Denn Asbestfasern mit einer Länge bis 5 Mikrometer seien nicht mitgezählt worden, wodurch die Faserzahl um das 100 bis 200fache erhöht würde. Zudem sei beim Schneiden von Asbestfasern nicht von 3 sondern von mindestens 20 Asbestfasern pro Kubikzentimeter Luft auszugehen. Die Klägerin erklärte nach dem Versterben des Versicherten, mit dem Versicherten von 1972 bis zu dessen Tode im gemeinsamen Haushalt gelebt zu haben und führte das Verfahren fort.
Mit Urteil vom 24. August 2006 hat das SG die Klage abgewiesen, da nach den Gutachten der Professores ES. und A. eine Asbeststaublungen-Erkrankung bzw. eine durch Asbeststaub verursache Pleuraerkrankung nicht erwiesen sei. Auch die Faserjahr-Berechnung der Beklagten mit dem Ergebnis von 12,3 Faserjahren sei nicht zu beanstanden und sei von den sachverständigen Medizinern ohne Einschränkung ihrer Beurteilung zugrunde gelegt worden, so dass der Versicherte letztlich die Voraussetzungen der BK-Ziffer 4104 nicht erfüllt habe.
Gegen das ihr am 28. August 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. September 2006 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung ihres Rechtsmittels hat sie über die erstinstanzlich erhobenen Einwände hinaus vorgetragen, der Versicherte habe auch während seiner Tätigkeit bei der H. AG einer Asbestbelastung unterlegen. Denn die Eisenbahnwaggons seien mit Asbest ausgeschäumt gewesen und insbesondere das Heizsystem sei asbestbelastet gewesen. Auch der Schotter der Geleise sei, soweit er aus Gabbro-Gestein bestanden habe, asbesthaltig gewesen. Zum Nachweis hat sie das Gutachten des Bergassessor a.D. Prof. Dipl.-Ing. LL. vom 2. Februar 2004 vorgelegt. Zudem müsse beim Versicherten davon ausgegangen werden, dass die Asbesteinwirkung in Verbindung mit dem Nikotingenuss eine multiplikative Wirkung gehabt habe und so wesentlich mitursächlich für die Entstehung der Bronchialkrebs-Erkrankung geworden sei.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 24. August 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juni 2004 zu verurteilen, die Bronchialkrebserkrankung des Versicherten als Berufskrankheit anzuerkennen und in gesetzlichem Umfang zu entschädigen,
hilfsweise,
Bergassessor a.D. Prof. Dipl.-Ing. LL. mit der Erstellung einer unabhängigen arbeitstechnischen Expertise zur Asbestbelastung des Versicherten bei der H. AG zu beauftragen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Voraussetzungen der BK-Ziffer 4104 für nicht erfüllt. Im Falle des Versicherten stelle sich nicht die Frage einer Synkanzerogenese, die erfordere, dass mehrere BK-relevante Noxen im Zusammenwirken eine als BK anerkennungsfähige Erkrankung hervorriefen. Hier gehe es indessen um den privaten Nikotingenuss des Versicherten als Kausalbeitrag. Mit Bescheid vom 9. Mai 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2007 hat die Beklagte auf Drängen der Klägerin über deren Hinterbliebenenleistungen entschieden und hat diese abgelehnt, da der Versicherte nicht an einer BK verstorben sei.
Der Senat hat ergänzende Stellungnahmen des TAD der Eisenbahn-Unfallkasse sowie der Präventionsabteilung der Beklagten eingeholt. Die Eisenbahn-Unfallkasse hat am 2. Oktober 2007 ausgeführt, der Versicherte habe einer Asbestbelastung bei der H. AG, wenn überhaupt, nur unterhalb der Nachweisgrenze im ubiquitären Bereich unterlegen, so dass eine arbeitsbedingte Asbestbelastung hieraus nicht abgeleitet werden könne. Bei in bestimmten Bereichen in Deutschland abgebauten Gesteinen, auch bei Gabbro-Gesteinen, könne ein Asbestanteil nicht ausgeschlossen werden. Untersuchungen in Steinbrüchen hätten gezeigt, dass bei kompakten Gesteinsbrocken keine freien Asbestfasern festzustellen seien, solange diese nicht mehr mechanisch be- oder verarbeitet würden. Eine Asbestexposition sei danach nur zu quantifizieren, wenn ein Versicherter an einem Brecher oder beim Verladen in einem Steinbruch mit entsprechender Staubentwicklung tätig geworden sei. Auch wenn danach nicht auszuschließen sei, dass in Schotteranteilen festgebundene Asbestfasern in verschiedenen Konzentrationen enthalten gewesen seien, lasse sich nicht mehr ermitteln, ob dies im Arbeitsbereich des Versicherten so gewesen sei. Insbesondere bleibe fraglich, ob im Bereich des Rangierbahnhofes AZ., wo der Versicherte gearbeitet habe, Schotter aus Gabbro- oder anderen Gesteinen mit Anteilen von Naturasbest eingebracht worden seien. Pilotmessungen hätten ergeben, dass die Asbestfaserkonzentrationen an verschiedenen Arbeitsplätzen beim Einbau von Schotter deutlich unter der Nachweisgrenze gelegen hätten. Bei der Tätigkeit als Elektriker in der Fahrleitungsmeisterei sei ein Asbestkontakt sicher auszuschließen, auch wenn bei den Aushubarbeiten mit der Schottergabel oder –schaufel Schottersteine zu bewegen gewesen seien. Ein Aufenthalt im Bereich einer Staubwolke sei jedenfalls nicht erforderlich gewesen und die Einwirkung von Feinstaub oberhalb des Staubgrenzwertes lasse sich im direkten Arbeitsbereich des Versicherten nicht erkennen. Der Präventionsdienst der Beklagten äußerte am 24. Oktober 2007, die Expositionszeiten mit Asbestbelastung seien für den Versicherten aus einem Erfahrungsschatz vergleichbarer Erkrankungsfälle von Elektroinstallateuren im ländlichen Raum hergeleitet worden. Bei Fehlen konkreter Messergebnisse sei der BK-Report 1/97, nunmehr in der aktuellen Fassung 1/07, als Bemessungsgrundlage für die Faserkonzentration zu verwenden. Die Zuordnung der Messergebnisse zu den Tätigkeiten seien dementsprechend korrekt erfolgt.
Sodann hat der Senat eine gutachterliche Stellungnahme des Prof. A. nach Aktenlage vom 13. Juli 2008 eingeholt. Prof. A. hat darauf verwiesen, dass die Faserzählung nach weltweitem Standard auf die Größe von Asbestfasern einer Länge von mehr als 5 Mikrometer beschränkt werde. Diese Vorgabe gelte auch für die Legaldefinition der BK-Ziffer 4104 mit dem Dosisgrenzwert von 25 Asbestfaserjahren. Gleiche Vorgaben mache der Faserjahr-Report 1/97. Experimentell habe eine positive Korrelation zwischen Faserzahl und Tumorrate für Fasern dieser Größe bestätigt werden können. Eine nennenswerte Lungenkrebsinzidenz für kleinere Fasern sei bisher nicht erwiesen – wohl wissend, dass diese in deutlich größerem Umfange jeweils mit eingeatmet würden. Der Versicherte habe nach eigener Einschätzung einer Asbestbelastung bei der H. AG nicht unterlegen. Er sei dort im konkreten Einsatz nicht gefährdend tätig geworden. Dem Präventionsdienst der Beklagten seien gravierende Mängel bei Erhebung der Zeitdauer der asbestfaserstaubgefährdeten Verrichtungen bei der Firma MR. unterlaufen, wodurch eine vollbeweisliche Expositionssicherung nicht gelingen könne. Eine für derartige Befragungen entwickelte Checkliste (Stand 2002) sei von deren Mitarbeiter Q. nicht hinreichend beachtet worden. Angesichts weiterer Bedenken gegenüber den Vorgaben des Präventionsdienstes empfahl Prof. A., eine ergänzende Befragung des Prof. D. (BGIA). Geeignete belastbare neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft im Hinblick auf eine zu bevorzugende Anwendung des § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – 7. Band (SGB VII) im Falle des Versicherten bei einer Unterschreitung der arbeitsbedingten kumulativen Asbestfaserstaubdosis von 25 Asbestfaserjahren seien ihm nicht bekannt. Eine belastbare qualifizierte Raucheranamnese könne er nicht erkennen. Bei einem Raucherleben von 1960 bis Oktober 2002 und 90 bis 100 Zigarettenpackungsjahren müsse von einem durchschnittlichen täglichen Zigarettenkonsum von 46 ausgegangen werden, was Bedenken erwecke. Der Nikotinkonsum sei im Sinne einer multiplikativen Synkanzerogenese mit Asbesteinwirkung aufzufassen und zwar in einem annähernd multiplikativen Ausmaß. In Anbetracht dessen halte er die Asbesteinwirkung von 12,3 Asbestfaserjahren letztlich für eine wesentliche Mitursache bei Verursachung der Bronchialkrebserkrankung des Versicherten. Selbst ein erheblicher Zigarettenkonsum in der Größenordnung von 90 bis 100 Zigarettenpackungsjahren könne nicht a priori als Lebensführungsschuld die Anerkennung einer Erkrankung an Lungenkrebs beim Vorliegen der übrigen Voraussetzungen der Nr. 4104 BKV oder der Öffnungsklausel des § 9 Abs. 2 SGB VII ausschließen. Aus arbeits- und sozialmedizinischer Sicht stelle selbst eine BK-rechtlich versicherte Teilursächlichkeit von 12,3 Asbestfaserjahren insoweit keine Gelegenheitsursache sondern eine wesentliche, nämlich annähernd multiplikativ wirkende Teilursache dar.
Der Senat hat sodann eine weitere Anfrage bei Prof. D., BGIA, gehalten, woraufhin dieser mit Stellungnahme vom 10. Dezember 2008 ausgeführt hat, die vom Präventionsdienst der Beklagten für die Installationsarbeiten mit Asbestplatten im landwirtschaftlichen Bereich sowie bei Erneuerung von Ortsnetzen gemachten Vorgaben seien zu bestätigen. Beim Auf- und Abbau von Nachtspeicherheizungen seien indessen die von der Beklagten angenommenen Werte überhöht mit der Folge, dass die berufliche Asbestbelastung des Versicherten sich nur im Ausmaße von 7,4 Faserjahren ergebe. Sodann hat Prof. A. am 30. März bzw. 8. April 2009 abschließend Stellung genommen. Er geht nunmehr davon aus, dass die von Prof. D. mitgeteilte Faserjahrbelastung des Versicherten als bestverfügbarer Schätzwert überzeuge. Auch 7,4 Asbestfaserjahre hat er als wesentliche, annähernd multiplikativ mitwirkende Teilursache und nicht als bloße Gelegenheitsursache für das Auftreten der Bronchialkrebs-Erkrankung des Versicherten bewertet.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung der Klägerin (§§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nicht begründet, da die Bronchialkrebserkrankung des Versicherten nicht als BK nach Ziffer 4104 von der Beklagten anzuerkennen und zu entschädigen ist. Der Senat konnte darüber trotz Nichterscheinen der Klägerin und ihres Vertreters entscheiden. Denn der Klägervertreter wurde rechtzeitig zum Senatstermin geladen und in der Ladung darauf hingewiesen, dass der Senat trotz Nichterscheinen zur Entscheidung befugt ist (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Streitig waren allein Lebzeitenleistungen, die die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin nach § 56 Abs. 1 SGB I ihres versicherten Ehemannes B. B. geltend macht. Nicht Streitgegenstand waren die Anerkennung der Bronchialkrebserkrankung des Versicherten "wie eine BK" nach § 9 Abs. 2 SGB VII, da weder Beklagte noch SG hierüber entschieden haben und es einer Entscheidung der Beklagten über diese als separaten Versicherungsfall anzusehende Anspruchsgrundlage (dazu Urteile des Bundessozialgerichts -BSG- vom 23. Juni 2004 – Az.: B 2 U 22/03 R – sowie vom 27. Juni 2006 – Az.: B 2 U 9/05 -) bedarf, bevor eine sozialgerichtliche Überprüfung erfolgen kann. Ebenso wenig wie eine seitens der Verwaltung unterbliebene Entscheidung über eine Quasi-BK nach § 96 SGG in ein sozialgerichtliches Verfahren einbezogen werden darf, gilt dies für den Bescheid vom 9. Mai 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2007, in denen die Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen an die Klägerin abgelehnt hat. Auch dieser Bescheid "ändert" oder "ersetzt" den streitigen Bescheid der Beklagten vom 4. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2004 über Lebzeitenleistungen für den Versicherten nicht im Sinne des § 96 SGG.
BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit (§§ 2, 3 und 6 SGB VII) erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Nach Ziffer 4104 der Anlage zur BKV sind Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) bzw. in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura oder bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren als BK anerkannt. Voraussetzung für die Feststellung jeder Erkrankung als BK ist, dass die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen sowie die Erkrankung, für die Entschädigungsleistungen beansprucht werden, i. S. des Vollbeweises nachgewiesen sind. Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (s. BSGE 45, 1, 9 sowie BSGE 19, 52, 53 und BSGE 7, 103, 106). Erforderlich ist eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, nach der kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen vorgenannter Tatbestandsmerkmale zweifelt (BSGE 6, 144 vgl. auch Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz mit Erläuterungen, § 118, Rdnr. 5). Darüber hinaus muss die sog. haftungsbegründende Kausalität zwischen den berufsbedingten Einwirkungen und der erforderlichen Erkrankung zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bejaht werden. Dies ist dann der Fall, wenn bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, dass die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben können (s. BSG vom 2. Juni 1959, SozR § 542 Reichsversicherungsordnung – RVO – a. F. Nr. 20). Jedoch ist der ursächliche Zusammenhang nicht bereits dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSGE 60, 58, 59). Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und Erkrankungen im BK-Recht gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung, die als Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie hat, nach der Ursache eines Erfolges jedes Ereignis ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (sog. conditio sine qua non, s. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 = BSGE 96, 196 ff.). Aufgrund der Unbegrenztheit der Bedingungstheorie werden im Sozialrecht als rechtserheblich aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens und Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen der erstbehandelnden Ärzte sowie der gesamten Krankengeschichte. Trotz dieser Ausrichtung am individuellen Versicherten ist bei der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs im Einzelfall der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ursachenzusammenhänge zwischen Ereignissen und Gesundheitsschäden zugrunde zu legen. Letzterer bestimmt sich unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde (s. BSG, Urteile vom 27. Juni 2006, Az.: B 2 U 7/05 R sowie B 2 U 20/04 R).
Bei Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen der streitigen BK-Ziffer 4104 geht der Senat von folgendem Sachverhalt aus:
Der Versicherte war von 1961 bis 1968 – unterbrochen durch die 18monatige Bundeswehrzeit – bei der Firma MR. als Elektrikerlehrling und –geselle asbestexponiert tätig. Weitere Asbesteinwirkungen – insbesondere bei der H. – hatte der Versicherte selbst anlässlich des am 4. April 2003 mit dem Sachbearbeiter Q. geführten Gespräches in Abrede gestellt. Die mehrfache Befassung des TAD der Eisenbahnunfallkasse hat Asbesteinwirkungen insofern ebenso wenig bestätigt wie Prof. A. nach eigenständiger Überprüfung dieser Umstände in dessen Stellungnahme vom 13. Juli 2008. Das von der Klägerin vorgelegte "Gutachten" des Prof. LL. vom 2. Februar 2004 befasst sich mit asbestbelasteten Tätigkeiten von Bahnbediensteten, mit denen der Versicherte in keiner Weise befasst war. Unerheblich war auch die von der Klägerin erhobene Behauptung, Eisenbahnwaggons und deren Heizsystem insbesondere seien asbestbelastet gewesen. Denn der Versicherte hatte weder als Elektriker bei der Fahrleistungsmeisterei AZ. noch als technischer Zeichner bei der H.direktion AZ. in den Jahren von 1968 bis 1970 mit oder in derartigen Waggons zu tun. Dem Hilfsantrag der Klägerin, Prof. LL. mit einer arbeitstechnischen Expertise zur Asbestbelastung des Versicherten bei der H. zu beauftragen, war insofern nicht zu entsprechen. Prof. D. hat in seiner Stellungnahme vom 10. Dezember 2008 zuletzt die Asbestexposition des Versicherten in einem Umfang von 7,4 Faserjahren bestätigt und mit Prof. A. in dessen Stellungnahme vom 30. März 2009 geht der Senat davon als "bestverfügbarem Schätzwert" aus. Die Asbestbelastung des Versicherten in diesem Umfange ist mit Prof. A. als naturwissenschaftliche Ursache der Bronchialkrebserkrankung des Versicherten anzusehen.
Daneben war der Versicherte von 1960 bis Ende 2002 extrem starker Raucher, wie er dem Sachbearbeiter Q. gegenüber bestätigt hatte und wie dies vom behandelnden Internisten und Pneumologen Dr. MD. in der ärztlichen BK-Anzeige vom 5. März und dem beigefügten Bericht vom 24. Februar 2003 im Ausmaß von 90 bis 100 Packungsjahren bestätigt wird. Die Vorgaben für diese Quantifizierung kann der behandelnde Arzt nur vom Versicherten selbst erhalten haben. Weder der Versicherte noch die Klägerin habe diese Angaben je in Abrede gestellt. Soweit Prof. A. mit Stellungnahme vom 13. Juli 2008 daraus einen durchschnittlichen täglichen Zigarettenkonsum von 46 errechnet hat, ist dieser extreme Nikotinkonsum vom Senat zugrunde zu legen. Dabei kann dahinstehen, wie sich die Summe der Packungsjahre letztlich zusammenaddiert hat, ob die täglich konsumierte Zigarettenzahl im Verlauf der vielen Jahre im Wesentlichen gleich oder schwankend war, ob der Versicherte insbesondere schon während der Lehrzeit in diesem Umfang geraucht hat. Soweit Prof. A. angesichts dessen eine belastbare qualifizierte Raucheranamnese des Versicherten in Zweifel zieht, teilt der Senat diese Zweifel nicht. Die Wertigkeit der Raucheranamnese steht der schätzweise gewonnenen Asbestbelastung des Versicherten nicht nach. Auch den extremen Nikotinkonsum des Versicherten sieht der Senat mit Prof. A. als naturwissenschaftlich relevante Ursache seiner Bronchialkrebserkrankung an.
Aus den Listen-BKen kommt allein die Ziffer 4104 in Betracht, deren Voraussetzungen der Versicherte indessen nicht erfüllte, da er weder eine Asbestose noch eine asbestbedingte Pleuraerkrankung aufwies. Dies konnten Prof. ES. im Gutachten vom 7. Oktober 2003 und Prof. A. im Gutachten vom 17. März 2004 übereinstimmend zur Überzeugung des Senats feststellen, wobei beide Gutachten im Verwaltungsverfahren durch die Beklagte eingeholt wurden und vom Senat im Weg des Urkundenbeweises zu würdigen waren. Beide sachverständigen Mediziner hatten zwecks Erstellung ihres Gutachtens das komplette Radiologiematerial aus der Zeit von März bis August 2003 einer eingehenden Überprüfung auf asbesttypische Befundkonstellationen unterzogen. Sie überprüften auch sämtliche schriftlich vorliegenden Befunde im zeitlichen Verlauf von über sechs Monaten einschließlich der Befunde des bronchoskopisch gewonnen histologischen Untersuchungsmaterials, ohne asbesttypische Formationen bestätigen zu können. Da auch die berufliche Asbestbelastung des Versicherten die in Ziffer 4104 geforderte Asbestfaserjahrzahl von 25 nicht erreichte und nur im Ausmaß der von Prof. D. ermittelten 7,4 Asbestfaserjahre festzustellen war, kam die Anerkennung der Bronchialkrebserkrankung des Versicherten als BK nach Ziffer 4104 nicht in Betracht.
Obwohl eine Anerkennung und Entschädigung dieser Erkrankung wie eine BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII nicht Streitgegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist, hält der Senat in Anbetracht der hierzu von Prof. A. im Berufungsverfahren eröffneten Diskussion eine Stellungnahme auch insoweit für geboten.
Nach § 9 Abs. 2 SGB VII haben Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestehenden Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Nach letztgenannter Bestimmung wird die Bundesregierung ermächtigt, in der BKV solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind.
Die Entschädigung der Bronchialkrebserkrankung des Versicherten, dessen berufliche Asbestbelastung nur im Umfang von 7,4 Faserjahren feststellbar ist, scheidet auch über § 9 Abs. 2 SGB VII aus. Denn es liegen keine neuen Erkenntnisse vor, die es erlauben würden, die BK-Ziffer 4104 auf Asbestbelastungen von unter 25 Faserjahren zu erweitern, wie Literatur und Rechtsprechung (Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 13. Oktober 2003 – Az.: L 2 U 119/03; Mehrtens-Brandenburger, Die Berufskrankheiten-Verordnung, Kommentar, Anm. 3 zu M 4104; Koch in: Lauterbach, Unfallversicherung, SGB VII, Band 2, § 9 Anhang IV, Ziffern 4.3 und 4.4) und zuletzt auch Prof. A. mit Stellungnahme vom 13. Juli 2008 übereinstimmend bestätigen.
Der Verordnungsgeber wäre schließlich gehindert, eine geringere Asbestbelastung deshalb als BK zur Anerkennung zu stellen, weil sie wegen eines konkurrierenden Nikotinkonsums dieselbe Verursachungswahrscheinlichkeit erlangt wie die bei 25 Asbestfaserjahren erreichte Verdoppelungsdosis als Grundlage der BK 4104 (dazu Koch, a.a.O., Anm. 4.4.). Denn nach § 9 Abs. 2 SGB VII kommen nur beruflich verursachte Einwirkungen als Anknüpfungspunkte für BKen in Betracht (Urteil des BSG vom 4. Dezember 2001 in Breithaupt 2002, 619; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 1178; Becker, Synkanzerogenese aus sozialjuristischer Sicht, Der medizinische Sachverständige 2005, S. 115, 118; Mehrtens-Brandenburger, a.a.O., Anm. 7). Eine BK-Ziffer, die eine berufliche Asbestbelastung mit einer privaten Nikotinbelastung verknüpfen und entschädigungsfähig machen würde, wäre weder vom Wortlaut des § 9 Abs. 1 und 2 SGB VII noch vom Grundgedanken der gesetzlichen Unfallversicherung gedeckt. Im Falle des Versicherten handelt es sich insbesondere nicht um das Beispiel einer in Literatur und Rechtsprechung weiterhin umstrittenen, aber grundsätzlich anerkennungsfähigen synkanzerogenen Krebserkrankung durch mehrere Berufsstoffe (dazu beispielhaft Urteile des BSG vom 12. Juni 1990 – Az.: B 2 U 14/90 sowie vom 4. Juni 2002 – Az.: B 2 U 16/01 R aus der Rechtsprechung sowie Koch, a.a.O., Anm. 130 ff. zu § 9 SGB VII sowie ergänzende Erläuterungen zur BK 4104 im Anhang IV unter 5. und Becker, a.a.O., S. 117). Die Argumentation des Prof. A., über die die gesetzliche Unfallversicherung beherrschende Theorie der wesentlichen Bedingung und den Gesichtspunkt der von ihm verneinten "Lebensführungsschuld" zu einer positiven Entscheidung im Falle des Versicherten zu gelangen, verkennt, dass diese Kausalitätstheorie nur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben Anwendung finden und keinem Kausalfaktor eine wesentliche Bedeutung beizumessen vermag, der kraft Gesetzes eine Entschädigungsverpflichtung nicht begründen kann.
Die Berufung der Klägerin gegen die zutreffende erstinstanzliche Entscheidung war danach zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
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