Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 11 KA 544/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 2/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 42/15 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Bewertungsausschusses hat in seiner 93. Sitzung am 29. Oktober 2004 durch Beschluss in Ziff. 4.2 Leistungen des Kapitels 32 EBM von der Einbeziehung in das Regelleistungsvolumen ausgenommen. Diese verbindliche Vorgabe kann nicht durch die Partner des Bundesmantelvertrages aufgehoben werden. Der entsprechende Beschluss in der 78. Sitzung am 16.12.2005 ist rechtswidrig.
Der Bewertungsausschuss ist nach den gesetzlichen Vorgaben in § 87 SGB V ausdrücklich allein und ausschließlich zur Beschlussfassung über den EBM befugt. Ausnahmen können nur in engen Grenzen zugelassen werden.
Die Regelleistungsvolumina im HVV der KV Hessen sind an die Vorgaben des Bewertungsausschusses anzupassen. Dies ist in der Ergänzungsvereinbarung vom 15.09.2011 nicht erfolgt.
Der Bewertungsausschuss ist nach den gesetzlichen Vorgaben in § 87 SGB V ausdrücklich allein und ausschließlich zur Beschlussfassung über den EBM befugt. Ausnahmen können nur in engen Grenzen zugelassen werden.
Die Regelleistungsvolumina im HVV der KV Hessen sind an die Vorgaben des Bewertungsausschusses anzupassen. Dies ist in der Ergänzungsvereinbarung vom 15.09.2011 nicht erfolgt.
1) Der Bescheid vom 18.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2007 sowie der Bescheid vom 22.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2008 wird aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
2) Die Beklagte trägt die Gerichtskosten sowie die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Sonderregelung im Rahmen des Regelleistungsvolumens für die Quartale I/06 bis IV/07.
Die Klägerin ist seit dem 28.06.1994 als Fachärztin für Kinderheilkunde und seit dem 29.09.1998 zusätzlich als Fachärztin für Humangenetik zugelassen. Sie führt seit dem 02.01.1995 eine Einzelpraxis und nimmt seit dem 01.10.1998 an der hausärztlichen Versorgung teil. Sie verfügt seit dem 25.09.2001 über eine sog. Doppelzulassung und ist in die Honorar(unter-)gruppe der Ärzte für Humangenetik eingruppiert. Diese Fachgruppe umfasste in den streitgegenständlichen Quartalen insgesamt 7 Ärzte. Die Klägerin verfügt zudem über die Genehmigung zur Abrechnung von Laborleistungen nach Kapitel 32.3 EBM 2000plus. Ihre Honorarentwicklung stellt sich seit dem Jahr 2000 wie folgt dar:
Quartal/Jahr Honorar EK + PK
I/1999 223.331,22 EUR
II/1999 162.287,38 EUR
III/1999 178.131,21 EUR
IV/1999 249.871,23 EUR
I/2000 201.010,61 EUR
II/2000 185.115,87 EUR
III/2000 201.420,96 EUR
IV/2000 205.465,71 EUR
I/2001 197.447,38 EUR
II/2001 185.939,37 EUR
III/2001 195.999,84 EUR
IV/2001 208.921,87 EUR
I/2002 213.087,42 EUR
II/2002 199.674,78 EUR
III/2002 185.154,18 EUR
IV/2002 195.069,94 EUR
I/2003 238.022,94 EUR
II/2003 231.633,97 EUR
III/2003 173.483,17 EUR
IV/2003 194.027,73 EUR
I/2004 228.656,66 EUR
II/2004 216.835,79 EUR
III/2004 226.576,79 EUR
IV/2004 235.756,25 EUR
I/2005 156.656,59 EUR
II/2005 173.965,61 EUR
III/2005 273.320,19 EUR
IV/2005 262.011,36 EUR
I/2006 290.430,48 EUR
II/2006 144.023,53 EUR
III/2006 147.331,02 EUR
IV/2006 162.922,51 EUR
I/2007 208.339,92 EUR
II/2007 152.118,90 EUR
III/2007 229.901,95 EUR
IV/2007 235.786,58 EUR
I/2008 135.379,11 EUR
II/2008 144.190,51 EUR
III/2008 120.498,85 EUR
IV/2008 122.383,96 EUR
I/2009 188.803,73 EUR
I/2009 160.647,76 EUR
III/2009 177.102,45 EUR
IV/2009 159.774,92 EUR
I/2010 192.871,78 EUR
II/2010 173.127,43 EUR
III/2010 117.103,93 EUR
IV/2010 158.555,66 EUR
Die Klägerin beantragte am 23.06.2006 eine Sonderregelung im Rahmen der Fallzahlabhängigen Quotierung des Regelleistungsvolumens sowie der +/- 5% Ausgleichsregelung für die Quartale II/05 bis I/07. Gleiches beantragte sie am 29.06.2007 für die Quartale II/07 bis IV/07. Sie wies insbesondere auf einen besonderen Sicherstellungsauftrag hin. Die Klägerin trug vor, dass ihr Leistungsspektrum 40 verschiedene molekulargenetische Erkrankungen umfassen würde. Davon würden ausschließlich von ihr und Frau Dr. S., einer weiteren niedergelassenen Humangenetikerin, folgende molekulargenetische Leistungen erbracht:
1. Mukoviszidose, insbesondere die Mukoviszidose-Komplettsequenzierung und die Mutationssuche bei türkischen Probanden. Die Leistungen würden nach den Ziffern 11320, 11321, 11322, 11230 und 41020 EBM 2000 plus mit einem Gesamtpunktwert von 175.250 Punkten im Bereich der CF Komplettsequenzierung abgerechnet werden.
2. Adrenogenitales Syndrom (AGS) – Die Leistungen würden nach den Ziffern 11320, 11321, 11322, 11130 und 41020 EBM 2000 plus mit einem Punktwert von insgesamt 68.145 Punkten abgerechnet.
3. DANN-Analyse beim familiären Mittelmeerfieber (FMF), insbesondere die Komplettsequenzierung. Auch hier wäre eine Abrechnung über die Ziffern 11320, 11321, 11322, 11230 und 41020 EBM 2000 plus erfolgt mit einem Punktwert von insgesamt 74.060 Punkten.
Darüber hinaus obläge ihr und Frau Dr. S. der Sicherstellungsauftrag im Bereich des Morbus Tay-Sachs, Morbus Gaucher, Martin-Bell-Syndrom, Duchenne-Muskeldystrophie, Sichelzellanämie, Riley-Day-Syndrom, Noonan-Syndrom, Porphyrie und Shox-Gens. In ganz Hessen würde neben ihr und Frau Dr. S. kein weiterer Humangenetiker diese genetischen Untersuchungen zur Feststellungen der entsprechenden Diagnosen erbringen, so dass ihr insoweit ein Sicherstellungsauftrag obliege. Ferner habe das Institut für Humangenetik am Klinikum der J.-Universität A-Stadt seine Leistungen eingeschränkt und erbringe seit über einem Jahr keine molekulargenetischen Leistungen mehr. Das Chromosomenlabor würde jetzt ebenfalls geschlossen, so dass hier eine weitere Zunahme der Zuweisungen erfolgen werde. Es bestünden derzeit keine Verweisungsmöglichkeiten. Auch die Institute für Humangenetik der bisherigen Unikliniken ZO. und ZQ. seien in ihrem Leistungsangebot eingeschränkt und würden die genannten Untersuchungen nicht anbieten. Die einzelnen EBM Leistungsziffern, die seinerzeit vom Bewertungsausschuss unter Berücksichtigung des hohen Laborkostenanteils ermittelt worden seien, würden in den dargestellten Punktwerten die praxisbezogenen Regelleistungsvolumenfallpunktzahlen der Gruppe um ein Vielfaches überschreiten. Bei der Durchführung einer molekulargenetischen Untersuchung kämen i. d. R. mehrere Ziffern mehrfach nebeneinander zur Anwendung. Die molekulargenetischen Leistungen, die sie erbringen würde, könnten durch die vorgegebenen Punktwerte im Rahmen des Regelleistungsvolumens nicht annähernd kostendeckend erbracht werden. Die Vergütung der Chromosomenanalyse nach alter Ziffer 32850 habe beispielsweise bei 199,10 Euro gelegen und liege nun nach Ziffer 11310 bei nur noch 141,58 Euro nach dem aktuellen Punktwert. Viele Leistungen könnten nur mittels eines DNA-Sequenzierungsgerätes erbracht werden. Dieses würde in Apparategemeinschaft zwischen ihr und Frau Dr. S./Frau Dr. T. in B-Stadt genutzt. Die übrigen Humangenetiker seien mangels apparativer Ausstattungen nicht in der Lage, diese molekulargenetischen Leistungen zu erbringen. Dies sei auch aus den Abrechnungsunterlagen ersichtlich. Die Durchführung der Leistungen erfolge nur bei entsprechendem klinischen Verdacht und ausschließlich auf Überweisung. Der Punktwert, der dem Regelleistungsvolumen unterliegenden Leistungen sei deutlich niedriger als die Festvergütung der Laborleistungen gemäß den Leistungsziffern des Kapitels 32 EBM 2000plus. Insgesamt seien ihre privaten finanziellen Mittel ausgeschöpft und es drohe Insolvenz. Außerdem sei in anderen KV-Bezirken das Problem frühzeitig erkannt worden und es seien entsprechende Sonderregelungen getroffen worden, so in XY. und Z.
Mit Bescheiden vom 18.06.2007 und 22.11.2007 entsprach die Beklagte teilweise den Anträgen. Den Anträgen auf Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen wurde insoweit entsprochen, als dass die für das praxisbezogene regelleistungsvolumenrelevanten spezifischen RLV-Fallpunktzahlen für die Humangenetiker für die Quartale II/06 bis I/07 um das 4,5-fache und für die Quartale II/07 bis IV/07 um das 8-fache erhöht wurden. Dem Antrag auf Sonderregelung zur Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV wurde insoweit entsprochen, als dass auf die Durchführung der Ausgleichsregelung für die Quartale II/06 bis I/07 verzichtet wurde. Im Übrigen wurden die Anträge abgelehnt. Zur Begründung ihrer Entscheidungen führte die Beklagte aus: Eine Beschwer liege hinsichtlich der fallzahlabhängigen Quotierung nach Ziffer 5.2 HVV nicht vor, da alle abgerechneten Fälle mit einer Quote von 100% in die Berechnung der Gesamthonorarforderung eingeflossen seien. Für das Quartal I/07 könne diesbezüglich keine Aussage getroffen werden. Die Honorarsituation in Bezug auf das Regelleistungsvolumen stelle sich wie folgt dar:
Quartale Praxisbezogenes RLV Abgerechnetes Honorarvolumen Überschreitung
II/2005 522.202,8 Punkte 173.120,0 Punkte keine
III/2005 602.834,2 Punkte 169.540,0 Punkte keine
IV/2005 620.282,4 Punkte 219.965,0 Punkte keine
I/2006 663.180,0 Punkte 347.635,0 Punkte keine
II/2006 629.787,2 Punkte 2.593.125,0 Punkte 1.963.337,8 Punkte
III/2006 674.381,4 Punkte 2.917.960,0 Punkte 2.243,578,6 Punkte
IV/2006 660.557,3 Punkte 3.646.465,0 Punkte 2.985.907,7 Punkte
Eine Analyse der Honorarabrechnung für die Quartale II/06 bis IV/06 habe ergeben, dass die zuvor aus dem Kapitel 32 EBM 2000plus abgerechneten Leistungen der Chromosomenanalyse (Ziffern 32850 bis 32857 EBM 2000plus) bedingt durch die Änderung des EBM 2000plus zum 01.04.2006 nach dem Kapitel 11 EBM 2000plus (Ziffern 11310 bis 11322 EBM 2000plus) hätten abgerechnet werden müssen. Die Laborleistungen nach den Ziffern 32850 bis 32857 EBM 2000plus seien aus dem Kapitel 32 zum 01.04.2006 gestrichen worden. Diese Leistungen hätten nur noch nach dem Kapitel 11.3 berechnet werden können, unterlägen jedoch damit dem Regelleistungsvolumen. Diese Änderungen hätten zur Folge, dass die Honorarforderung im ambulant-kurativen Sektor, der dem Regelleistungsvolumen unterliege, bei der Klägerin massiv angestiegen sei und es somit erstmalig ab dem Quartal II/06 zur Überschreitung des praxisbezogenen Regelleistungsvolumens gekommen sei. Diese Problematik habe sich insbesondere im Bereich der Chromosomenanalysen ausgewirkt. Insoweit erschienen die für die Arzt-/Fachgruppe der Humangenetiker gültigen RLV-Fallpunktzahlen im Falle der Klägerin als nicht repräsentativ für das Leistungsspektrum der Praxis. Ergänzend dazu habe eine Prüfung der Versorgungssituation ergeben, dass hessenweit neben der klägerischen Praxis weitere 4 Humangenetiker niedergelassen seien. Diese Praxen befänden sich überwiegend in einem Umkreis von mehr als 50 km zur Praxis der Klägerin. Unter Berücksichtigung dieser gesamten Sachlage erscheine daher eine Sonderregelung für das praxisbezogene Regelleistungsvolumen für die Quartale II/06 bis I/07 gerechtfertigt. In diesem Zusammenhang durchgeführte vergleichsweise Berechnungen hätten ergeben, dass eine Erhöhung der altersgruppenspezifischen RLV-Fallpunktzahlen für Humangenetiker um das ca. 4,5 fache zu einem adäquaten Ausgleich für die vorgenannten Änderungen in den Abrechnungsbedingungen führen könnten. Dem entsprechend würde die Honorarforderung angepasst. Hinsichtlich der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV sei festzustellen, dass gemäß Beschluss des Vorstandes der Beklagten die Ausgleichsregelung auf die Leistungen des budgetierten Teils der Gesamtvergütung anzuwenden sei. Im Zuge dessen sei für die Fachgruppe der Humangenetiker eine Bereinigung der Ausgangsdaten um die Leistungen der Molekular- und Zytogenetik sofern diese aktuell als Laborleistungen nach den Ziffern 32850 bis 32857 EBM 2000plus abgerechnet worden seien – erfolgt. Insoweit seien die in den Quartalen II/05 bis I/06 abgerechneten diesbezüglichen Leistungen nicht mit in den für die Ermittlung des Gesamtreferenzfallwertes zugrundeliegenden Honoraranspruch eingeflossen. Dem gegenüber seien die nunmehr ersatzweise nach den Ziffern 11310 bis 11322 EBM 2000plus abgerechneten Leistungen in dem Honoraranspruch des jeweiligen aktuellen Fallwertes für die Quartale II/06 bis I/07 enthalten. Im Ergebnis finde damit ein Vergleich zwischen unterschiedlichen Honoraransprüchen statt. Dieser Umstand habe sich auf die Honorarsituation betreffend die Ausgleichsregelung wie folgt ausgewirkt:
Aktuelles Quartal Referenzfallwert Aktueller Fallwert Korrekturbetrag
II/2005 103,5413 EUR 77,9094 EUR + 6.795,78 EUR
III/2005 79,4072 EUR 55,1518 EUR + 16.994,24 EUR
IV/2005 104,7582 EUR 33,1624 EUR + 25.964,46 EUR
I/2006 83,3530 EUR 434,1801 EUR + 21,87 EUR
II/2006 139,2568 EUR 249,3321 EUR - 42.353,35 EUR
III/2006 99,6393 EUR 167,5339 EUR - 12.271,14 EUR
IV/2006 99,5676 EUR 235,1688 EUR - 13.366,87 EUR
Die Anwendung der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV sei zwar korrekt umgesetzt worden, dies habe jedoch für die Praxis der Klägerin ab dem Quartal II/06 zu einem erheblichen Honorarverlust geführt. In diesem Zusammenhang dürfe nicht übersehen werden, dass die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV nur unter der Maßgabe gleicher Rahmenbedingungen – sowohl praxisspezifisch als auch allgemein – durchgeführt werden solle. Dementsprechend erscheine die Anwendung der Ausgleichsregelung im vorliegenden Fall als nicht sachgerecht. Daher werde sie in den Quartalen II/06 bis I/07 ausgesetzt. Für die Quartale II/07 bis IV/07 sei weiterhin von einem Sicherstellungsproblem auszugehen. Daher sei auch für diese Quartale eine Sonderregelung zu erteilen.
Gegen die Bescheide legte die Klägerin am 31.08.2007 bzw. 06.12.2007 Widerspruch ein. Zur Begründung ihrer Widersprüche führte die Klägerin aus, dass mit einer Erhöhung der Fallpunktzahlen für humangenetische Leistungen der besonderen Situation nicht ausreichend Rechnung getragen worden sei. Die dargestellten molekulargenetischen Leistungen könnten mit den vorgegebenen Fallpunktzahlen offensichtlich nicht wirtschaftlich erbracht werden. Es gehe um angeforderte Untersuchungen schwerkranker Kinder, deren Behandlung ohne die entsprechende Diagnostik nicht eingeleitet oder fortgeführt werden könne. In diesem Zusammenhang verwies die Klägerin erneut auf den Sicherstellungsauftrag der KV Hessen.
Die Beklagte gab den Widersprüchen mit Widerspruchsbescheiden vom 28.11.2007 und 19.11.2008 teilweise statt. Hinsichtlich der Quartale IV/06 und I/07 wurden die relevanten altersspezifischen RLV-Fallpunktzahlen der Humangenetiker für das Quartal IV/06 auf das 6-fache und für das Quartal I/07 auf das 8-fache erhöht. Im Übrigen wurden die Widersprüche zurückgewiesen.
Es ergaben sich die folgenden Korrekturbeträge:
II/06 43.866,61 Euro
III/06 51.157,69 Euro
IV/06 43.999,24 Euro
II/07 48.501,03 Euro
In den Quartalen I/07, III/07 und IV/07 wurden die Neuberechnungen bereits im Rahmen der Erstellung der Honorarunterlagen berücksichtigt.
Zur Begründung ihrer Widerspruchsbescheide führte die Beklagte aus, dass im Bereich der fallzahlabhängigen Quotierung keine Beschwer vorliege. Nach der Neuberechnung anhand der 4,5-fachen Erhöhung der RLV-Fallpunktzahlen sei auch eine Überschreitung des Regelleistungsvolumens in den Quartalen II/06 und III/06 nicht mehr vorhanden. Das angeforderte Honorarvolumen sei vollständig anerkannt worden. Eine Neuberechnung habe ergeben, dass für die Quartale IV/06 und I/07 eine weitere Erhöhung zu erfolgen habe, nämlich für das Quartal IV/06 auf das 6-fache und für das Quartal I/07 auf das 8 fache. Damit entfalle eine Beschwer im Rahmen des Regelleistungsvolumens. Im Rahmen der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV liege durch die Aussetzung der Ausgleichsregelung ebenfalls keine Beschwer mehr vor. Hinsichtlich der Quartale III/07 und IV/07 sei ebenfalls eine Erhöhung der RLV-Fallpunktzahlen auf das 8-fache gerechtfertigt. Es verbliebe bei einer Überschreitung des praxisbezogenen Regelleistungsvolumens von 5,5% im Quartal II/07 und 2,4% im Quartal III/07. Hierbei handele es sich um keine signifikante Überschreitung des Regelleistungsvolumens. Eine weitere Sonderregelung sei deshalb nicht möglich.
Gegen diese Widerspruchsbescheide richten sich die Klagen vom 27.12.2007 und 23.12.2008. Das Gericht hat die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung im Termin zur mündlichen Verhandlung verbunden. Die Klägerin hat ihre Klage hinsichtlich der Quartale II/05 bis I/06 zurückgenommen.
Die Klägerin begründet ihre Klage zunächst damit, dass durch die Überführung der molekulargenetischen Leistungen aus dem Kapitel 32 EBM 2000plus in das Kapitel 11 zu erheblichen Einbußen geführt habe. Zwar sei eine Umrechnung der ehemaligen Europauschalen des Kapitels 32 unter Zugrundelegung eines festen Punktwerts von 5,11 Cent erfolgt, tatsächlich habe aber die Vergütung dieser Leistungen im Rahmen des Regelleistungsvolumens weit unter 5,11 Cent gelegen. Dies ergebe sich bereits aus der Tatsache, dass der obere Punktwert in den streitgegenständlichen Quartalen zwischen 3,5 und 3,8 Cent geschwankt habe. Dies habe die Beklagte im Rahmen einer Sonderregelung zu berücksichtigen, in dem alle im Bereich des Kapitels 11 abgerechneten Leistungen zu einem festen Punktwert von 5,11 Cent vergütet würden. Die Beklagte sei bei der Ermittlung der Anteile der einzelnen Honorargruppen oder Honoraruntergruppen an der Gesamtvergütung im Falle der Klägerin fehlerhaft vorgegangen. Der Anteil an der Gesamtvergütung werde für die einzelnen Honorargruppen auf Basis des geltenden Honorarvertrages anhand der Verteilungsergebnisse im entsprechenden Quartal 2005 ermittelt. Dabei habe die Beklagte fehlerhaft außer Acht gelassen, dass bei der Berechnung des Regelleistungsvolumens Ziffern des Kapitels 32 nunmehr hätten berücksichtigt werden müssen, dies sei jedoch nicht geschehen. Die Klägerin weist zudem erneut darauf hin, dass sich ihr Leistungsspektrum wesentlich von den anderen Humangenetikern unterscheide. Insbesondere sei hinsichtlich der Diagnosen zu differenzieren. Aufgrund der identischen Abrechnungsziffern entstehe möglicherweise der Eindruck, dass gleichartige Leistungen auch von den anderen Fachkollegen erbracht würden. Tatsächlich handele es sich aber um verschiedene Leistungen, die in keiner Weise vergleichbar seien. Sie stelle teilweise sogar bundesweit einen besonderen Versorgungsbedarf sicher. Die Klägerin legt eine Übersicht vor, aus der sich die Untersuchungsmöglichkeiten für spezifische Diagnosen in der Bundesrepublik Deutschland ergeben. Sie sei im humangenetischem Bereich nahezu ausschließlich auf Zuweisung tätig und habe insoweit keine Steuerungsmöglichkeit in Bezug auf ihre Leistungserbringung und ihr Abrechnungsverhalten. Die von der Beklagten vorgenommene Anhebung der RLV-Fallpunktzahlen reiche nicht aus, um diesem besonderen Versorgungsauftrag Rechnung zu tragen. Trotz nahezu identischen Fallzahlen, gleicher Leistungsfrequenz im Rahmen der humangenetischen Leistungen und entsprechendem Leistungsbild in allen Quartalen, habe die Überführung der Laborleistungen in das Kapitel 11 einen nicht zu verkraftenden Honorarrückgang nach sich gezogen. Dies gelte insbesondere deshalb, weil die Praxiskosten unverändert geblieben seien. Mit den ausgezahlten Honoraren könnten gerade die Laborkosten beglichen werden. Alle weiteren Praxiskosten seien durch die Honorare nicht mehr gedeckt. Die Kosten des Labors hätten im Jahr 2006 insgesamt 1.359.493,33 Euro betragen, darauf entfielen alleine 886.689,36 Euro auf Lohnkosten. Für Miete und Nebenkosten seien 93.342,00 Euro in Ansatz zu bringen. Auf Laborfremdarbeiten, die vergeben werden müssten, entfielen 80.121,35 Euro, auf Kurierfahrten 17.000,00 Euro, auf Wartungskosten für Hard- und Software 23.374,82 Euro, auf Instandhaltung 12.300,00 Euro. Der Rest sei für Bürokosten, Steuer , Beratungskosten und Betriebsbedarf verwendet worden. Der Laborbetrieb benötige monatlich 113.291,11 Euro ohne die Kosten der medizinischen Leitung und der Investitionsrücklagen. Das Labor verfüge über 8 spezialisierte Diplombiologen, davon seien 3 zusätzlich ausgebildete Fachhumangenetiker. Darüber hinaus sei die Streichung des Abschnitts 32.3.13 nicht durch den Bewertungsausschuss erfolgt, sondern gehe auf einen Beschluss der Vertragspartner des Bundesmantelvertrages in der 78. Sitzung vom 16.12.2005 auf der Grundlage von § 1 Abs. 2 BMV-Ä zurück. Diese Streichung sei nicht zulässig und damit rechtsunwirksam. Nach § 87 SGB V sei es Aufgabe des Bewertungsausschusses, die Leistungen zu definieren. Hierbei handele es sich nach der Rechtsprechung um ein eigenständiges Gremium. Dementsprechend sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass Interpretationsbeschlüsse von Unterausschüssen nur unverbindlich seien. Die Regelungskompetenz der Vertragspartner in Gebührenfragen sei nach den Bestimmungen in § 87 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 SGB V den von der KBV bzw. den Verbänden der Krankenkassen bestellten Vertretern im Vertragsorgan Bewertungsausschuss vorbehalten oder werde ggf. nach § 87 Abs. 4 und 5 SGB V vom Erweiterten Bewertungsausschuss wahrgenommen. Eine Subdelegation dieser Entscheidungsbefugnisse auf andere Repräsentanten der Vertragspartner mit nicht näher bestimmter Legitimation sei nicht vorgesehen. Auch die zwischenzeitlich eingeführte verstärkte staatliche Aufsicht über alle Entscheidungen des Bewertungsausschusses schließe es aus, die dem Vertragsorgan selbst zukommende Befugnis zur Präzisierung und ggf. zur Klarstellung seiner Regelung auf eine untergeordnete Ebene zu verlagern.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 18.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2007 sowie den Bescheid vom 22.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, dass eine weitergehende Sonderregelung im Rahmen des Regelleistungsvolumens für die meisten der streitgegenständlichen Quartale nicht zu weiteren Nachvergütungsbeträgen führen würde, da das von der Klägerin angeforderte Honorarvolumen insoweit bereits vollständig anerkannt worden sei. Dass die Klägerin weniger Honorar erwirtschaftete, sei nicht alleine auf den Umstand zurückzuführen, dass sie auf die Abrechnung der Laborleistungen des Kapitels 11 beschränkt gewesen sei, denn die zunächst im Kapitel 32 EBM 2000plus vorgesehenen Leistungen hätten im Kapitel 11 eine gleiche Wertigkeit aufgewiesen. Dies werde deutlich, wenn man als Umrechnungsfaktor den kalkulatorischen Punktwert von 5,11 Cent heranziehe.
EBM 2000 plus Kapitel 32 EBM 2000 plus Stand Kapitel 11
32850 199,10 EUR 11310 3.895,0 Pkt.
32851 227,30 EUR 11311 4.445,0 Pkt.
32852 64,20 EUR 11312 1.255,0 Pkt.
32855 39,90 EUR 11320 780,0 Pkt.
32856 32,00 EUR 11321 625,0 Pkt.
32857 143,70 EUR 11322 2.810,0 Pkt.
Lediglich entfallen sei die Privilegierung der extrabudgetären Vergütung. Vor dem Quartal II/05 hätten Humangenetiker keine Möglichkeit gehabt, Leistungen aus dem Laborkapitel O abzurechnen. Die entsprechenden für die Humangenetiker anrechenbaren Leistungen seien in der Honorargruppe 2 zugeordnet gewesen und damit dem Regelleistungsvolumen/Individualbudget unterworfen gewesen. Im Zuge der Bestückung der Honorargruppe B.2.32 ab dem Quartal II/05 seien die Laborhonoraranteile der Humangenetiker somit eingeflossen und auch darin belassen worden. Soweit die Klägerin eine unzureichende Honorierung geltend mache und hier insbesondere einen unzureichenden Punktwert, so sei dies ausschließlich Gegenstand des Verfahrens gegen den Honorarbescheid und im vorliegenden Verfahren nicht überprüfungsfähig. Die Beklagte habe die Vorgaben des Bewertungsausschusses bzw. der Partner des Bundesmantelvertrages umgesetzt und könne nicht verpflichtet werden, die in Streit stehenden Leistungen extrabudgetär zu vergüten, da sie sich damit diesen höherrangigen Bestimmungen widersetzen würde.
Im Übrigen sei die Klägerin hinsichtlich des Honorarbescheides für das Quartal II/07 durch die Umsetzung der BSG Rechtsprechung neu beschieden worden, eine Nachvergütung habe sich hieraus nicht ergeben.
Das Gericht hat die Akte zum Aktenzeichen S 12 KA 453/07 ER Frau Dr. S .../. KV Hessen zum Verfahren beigezogen und das Verfahren gemeinsam mit Verfahren betreffend die Klägerin hinsichtlich der Quartale IV/01 bis II/02, Az.: S 11 KA 464-466/09 sowie hinsichtlich der Quartale I/09 und II/09, Az.: S 11 KA 414 und 415/09, verhandelt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie sämtlicher Prozessakten verwiesen, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Psychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Klage ist auch begründet. Der Bescheid vom 18.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2007 sowie der Bescheid vom 22.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2008 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat einen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
Nach der Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und den Verbänden der Krankenkassen zur Honorarverteilung für die Quartale 2/2005 bis 4/2005, bekannt gemacht als Anlage 2 zum Landesrundschreiben/Bekanntmachung vom 10.11.2005 (HVV), der insoweit bis zum Quartal I/07 fortgeführt wurde, sind nach Ziffer 6.3 praxisindividuelle Regelleistungsvolumen zu bilden, da die Klägerin zu den entsprechenden Arztgruppen gehört. Die Regelung gilt für die Quartale II-IV/07 nach dem Honorarverteilungsvertrag gemäß § 85 Abs. 4 Satz 1 SGB V für den Zeitraum vom 01.04.2007 bis 31.12.2007 in der Fassung der Entscheidung des Landesschiedsamts für die vertragsärztliche Versorgung in Hessen vom 1. November 2007 als § 5 Abs. 3 HVV fort. Die Beklagte hat aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 18.08.2010 – B 6 KA 27/09 R) zwischenzeitlich eine Ergänzungsvereinbarung vom 15.09.2011 zu den Honorarverteilungsverträgen im Zeitraum 01.04.2005 bis 31.12.2008, veröffentlicht in info.doc Nr. 5, Oktober 2011, geschlossen, in der sie den HVV geändert hat.
Der Vorstand der KV Hessen ist ermächtigt, aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung praxisbezogenen Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen vorzunehmen.
Nach § 85 Abs. 4 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung v. 20.12.1988, BGBl. I S. 2477 in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) v. 14.11.2003, BGBl. I S. 2190 mit Gültigkeit ab 01.01.2005 (SGB V), verteilt die Kassenärztliche Vereinigung die Gesamtvergütungen an die Vertragsärzte; in der vertragsärztlichen Versorgung verteilt sie die Gesamtvergütungen getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung (§ 73) (§ 85 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Sie wendet dabei ab dem 1. Juli 2004 den mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen erstmalig bis zum 30. April 2004 gemeinsam und einheitlich zu vereinbarenden Verteilungsmaßstab an; für die Vergütung der im ersten und zweiten Quartal 2004 erbrachten vertragsärztlichen Leistungen wird der am 31. Dezember 2003 geltende Honorarverteilungsmaßstab angewandt (§ 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Bei der Verteilung der Gesamtvergütungen sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zu Grunde zu legen; dabei ist jeweils für die von den Krankenkassen einer Kassenart gezahlten Vergütungsbeträge ein Punktwert in gleicher Höhe zu Grunde zu legen (§ 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V). Im Verteilungsmaßstab sind Regelungen zur Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen der Psychotherapeuten, der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und psychotherapie, der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, der Fachärzte für Nervenheilkunde, der Fachärzte für psychotherapeutische Medizin sowie der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte zu treffen, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten (§ 85 Abs. 4 Satz 4 SGB V). Der Verteilungsmaßstab hat sicherzustellen, dass die Gesamtvergütungen gleichmäßig auf das gesamte Jahr verteilt werden (§ 85 Abs. 4 Satz 5 SGB V). Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes vorzusehen (§ 85 Abs. 4 Satz 6 SGB V). Insbesondere sind arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina) (§ 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V). Für den Fall der Überschreitung der Grenzwerte ist vorzusehen, dass die den Grenzwert überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten vergütet wird (§ 85 Abs. 4 Satz 8 SGB V). Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung (§ 85 Abs. 4 Satz 9 SGB V). Die vom Bewertungsausschuss nach Absatz 4a Satz 1 getroffenen Regelungen sind Bestandteil der Vereinbarungen nach Satz 2 (§ 85 Abs. 4 Satz 10 SGB V). Dabei bestimmt nach § 85 Abs. 4a Satz 1 SGB V der Bewertungsausschuss Kriterien zur Verteilung der Gesamtvergütungen nach § 85 Abs. 4 SGB V, insbesondere zur Festlegung der Vergütungsanteile für die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung sowie für deren Anpassung an solche Veränderungen der vertragsärztlichen Versorgung, die bei der Bestimmung der Anteile der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung an der Gesamtvergütung zu beachten sind; er bestimmt ferner, erstmalig bis zum 29. Februar 2004, den Inhalt der nach § 85 Abs. 4 Satz 4, 6, 7 und 8 SGB V zu treffenden Regelungen.
Der Bewertungsausschuss ist seinen Regelungsverpflichtungen nach § 85 Abs. 4a SGB V u. a. durch den Beschluss in seiner 93. Sitzung am 29. Oktober 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2005 (Deutsches Ärzteblatt 101, Ausgabe 46 vom 12.11.2004, Seite A-3129 = B-2649 = C-2525) (im Folgenden: BRLV) nachgekommen. Darin bestimmt er, dass Regelleistungsvolumina gemäß § 85 Abs. 4 SGB V arztgruppenspezifische Grenzwerte sind, bis zu denen die von einer Arztpraxis oder einem medizinischen Versorgungszentrum (Arzt-Abrechnungsnummer) im jeweiligen Kalendervierteljahr (Quartal) erbrachten ärztlichen Leistungen mit einem von den Vertragspartnern des Honorarverteilungsvertrages (ggf. jeweils) vereinbarten, festen Punktwert (Regelleistungspunktwert) zu vergüten sind. Für den Fall der Überschreitung der Regelleistungsvolumen ist vorzusehen, dass die das Regelleistungsvolumen überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten (Restpunktwerten) zu vergüten ist (III.2.1 BRLV). Für die Arztpraxis oder das medizinische Versorgungszentrum, die bzw. das mit mindestens einer der in Anlage 1 genannten Arztgruppen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, sind im Honorarverteilungsvertrag nachfolgende Regelleistungsvolumina zu vereinbaren, für die dieser Beschluss die Inhalte der Regelungen vorgibt (III.3.1 Abs. 1 BRLV). Die in 4. aufgeführten Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen unterliegen nicht den Regelleistungsvolumina (III.3.1 Abs. 4 BRLV). Dies gilt nach Nr. 4.2 auch für die Labor-Grundpauschale nach Nr. 12225 sowie Leistungen und vertraglich vereinbarte Kosten für laboratoriumsmedizinische Untersuchungen des Kapitels 32.
Die Kammer sieht in diesen Bestimmungen eine verbindliche Vorgabe des Bewertungsausschusses, die von niemand anderem, als dem Bewertungsausschuss selber, geändert werden kann. Diese Vorgaben des Bewertungsausschusses haben sich auch bis einschließlich zum Quartal I/06 im EBM widergespiegelt. Dort waren die Laborleistungen im Kapitel 32 separat aufgeführt. Die in Kapitel 32 des EBM 2000plus unter Ziffer 32.2.13 aufgeführten zyto- und molekulargenetischen Leistungen wurden dann mit Wirkung zum Quartal II/06 durch die Partner des Bundesmantelvertrages in der 78. Sitzung am 16.12.2005 gestrichen. Da die gestrichenen Leistungen inhaltsgleich in Kapitel 11.3 des EBM abgebildet waren, wurden entsprechend qualifizierte Ärzte, die bisher im Kapitel 32 abgerechnet hatten, auf das Kapitel 11 verwiesen, mit der Folge, dass die Leistungen damit dem Regelleistungsvolumen unterfielen. Bei der Klägerin hat diese Streichung zu einem Honorareinbruch ab dem Quartal II/06 geführt, der von der Beklagten im Rahmen der Regelungssystematik des HVV nicht aufzufangen war. Die Streichung der unter Ziffer 32.2.13 aufgeführten zyto- und molekulargenetischen Leistungen durch die Partner des Bundesmantelvertrages war jedoch rechtswidrig. Die Partner des Bundesmantelvertrages sind nicht berechtigt, Vorgaben des Bewertungsausschusses zu konterkarieren, indem dessen Vorgaben vertraglich abgeändert werden. Der Bewertungsausschuss ist nach den gesetzlichen Vorgaben in § 87 SGB V ausdrücklich allein und ausschließlich zur Beschlussfassung über den EBM befugt. Nur er verfügt über die gesetzliche Legitimation zur Rechtsetzung in diesem Bereich. Er allein unterliegt einer besonderen Aufsicht durch das Bundesministerium der Gesundheit. Diese Aufsichtspflichten würden umgangen, wenn andere Gremien Entscheidungen im Bereich des gesetzlichen Auftrags des Bewertungsausschusses treffen dürften. Sofern übergangsweise in der Praxis – entgegen der ausdrücklichen gesetzgeberischen Wertung – vertragliche Vereinbarungen zwischen den Partnern des Bundesmantelvertrages zur Änderung/Ergänzung geregelt werden, kann diese Praxis nur in äußersten Ausnahmefällen zugelassen werden (so auch Engelhard, in: Hauck, SGB V, § 87 Rn. 52). Ein solcher Ausnahmefall liegt vorliegend jedoch gerade nicht vor, weil die von der Änderung betroffenen Regelungen sehr weitreichend sind und sich komplett in Widerspruch zu der Systematik der Regelleistungsvolumina und den Vorgaben des Bewertungsausschusses setzen. In seinem BRLV hat der Bewertungsausschuss ein System der Berechnung der Regelleistungsvolumina entwickelt, das eine dezidierte Trennung von Leistungen innerhalb und außerhalb der Regelleistungsvolumina vorsieht. Entsprechend diesen Vorgaben sind die Fallpunktzahlen der Arztgruppen zu ermitteln und die Regelleistungsvolumina zu berechnen. In dieser ausdifferenzierten Systematik führt eine Übertragung von bisher außerhalb des Regelleistungsvolumens vergüteten Leistungen in das Regelleistungsvolumen hinein zwangsläufig zu Verwerfungen in dem betroffenen Arztgruppentopf. Die mit den Regelleistungsvolumina angestrebte Kalkulationssicherheit für die betroffenen Ärzte wird mit einer Vereinbarung, wie sie die Partner des Bundesmantelvertrages getroffen haben, ad absurdum geführt. Es handelt sich insoweit nicht um eine kleine Korrektur des EBM am Rande, sondern um einen erheblichen Eingriff in eine ausgefeilte Systematik des BRLV. Dass dies die Klägerin besonders getroffen hat, liegt an ihrem Leistungsspektrum, das zu einem erheblichen Anteil aus zyto- und molekulargenetischen Untersuchungen besteht, zum anderen aber auch an der extrem kleinen Honorargruppe. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass Sie für die streitgegenständlichen Quartale den Sicherstellungsauftrag der Klägerin anerkannt hat und im Rahmen der höherrangigen Vorgaben und im Rahmen ihres Honorarverteilungsvertrages eine weitgehende, in den Quartalen II/06 bis I/07 und IV/07 auch weitestgehende Sonderregelung zugunsten der Klägerin getroffen hat. Mit dieser Sonderregelung konnten die Honorarverwerfungen, die die Klägerin aufgrund der rechtswidrigen Beschlussfassung der Partner des Bundesmantelvertrages erlitten hat, nicht aufgefangen werden. Selbst im Falle der kompletten Vergütung der angeforderten Leistungen im Rahmen des Regelleistungsvolumens verbleibt es bei einer Vergütung nach floatenden Punktwerten. Dies entspricht nicht der bisherigen extrabudgetären Vergütung, die dem besonders hohen Kostenanteil bei Laborleistungen Rechnung getragen hat. Dies wird die Beklagte bei einer Neubescheidung berücksichtigen müssen. Darüber hinaus hat die Beklagte aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für die streitgegenständlichen Quartale eine Neuberechnung der Regelleistungsvolumina – auch der Klägerin – nachzuholen. Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass der HVV ab dem Quartal II/05 insoweit rechtswidrig ist, als bestimmte Leistungen entgegen den Vorgaben des Bewertungsausschusses im BRLV in die jeweiligen Regelleistungsvolumina einbezogen wurden. Die Ausgleichsregelung in Ziff. 7.5 HVV ist rechtswidrig, soweit diese Honorarminderungen vorsah (vgl. BSG, Urt. v. 18.08.2010 B 6 KA 27/09 R). Alle Honorarbescheide sind rechtswidrig, weil die Beklagte in unzulässiger Weise entgegen der Vorgaben des Bewertungsausschusses Leistungen in das Regelleistungsvolumen einbezogen hat. Aufgrund der rechtswidrigen Einbeziehung der Leistungen in das Regelleistungsvolumen sind auch die Fallpunktzahlen des Regelleistungsvolumens fehlerhaft berechnet worden. Die Beklagte hat insofern eine korrigierte Berechnung vorzunehmen. Die insoweit von der Beklagten geschlossene Ergänzungsvereinbarung vom 15.09.2011 berücksichtigt dies jedoch nicht in Gänze. Die Beklagte hat darüber hinaus noch die bisherigen Regelleistungsvolumina anzupassen. Die Leistungen nach Ziff. 4.1 BRLV sind bei der Bemessung der Regelleistungsvolumina nicht zu berücksichtigen. Dies folgt eindeutig aus den Vorgaben des Bewertungsausschusses und der bisherigen sozialgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. SG Marburg, Urteil vom 16.11.2011, Az.: S 12 KA 446/07). Die Nichtbeachtung dieser Vorgaben des Bewertungsausschusses führt zur Rechtswidrigkeit und damit Nichtigkeit der bisher vereinbarten Regelleistungsvolumina. Von daher müssen die Regelleistungsvolumina neu vereinbart werden. Auch dies hat die Beklagte nachzuholen.
Nach alledem musste die Klage Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 VwGO und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
2) Die Beklagte trägt die Gerichtskosten sowie die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Sonderregelung im Rahmen des Regelleistungsvolumens für die Quartale I/06 bis IV/07.
Die Klägerin ist seit dem 28.06.1994 als Fachärztin für Kinderheilkunde und seit dem 29.09.1998 zusätzlich als Fachärztin für Humangenetik zugelassen. Sie führt seit dem 02.01.1995 eine Einzelpraxis und nimmt seit dem 01.10.1998 an der hausärztlichen Versorgung teil. Sie verfügt seit dem 25.09.2001 über eine sog. Doppelzulassung und ist in die Honorar(unter-)gruppe der Ärzte für Humangenetik eingruppiert. Diese Fachgruppe umfasste in den streitgegenständlichen Quartalen insgesamt 7 Ärzte. Die Klägerin verfügt zudem über die Genehmigung zur Abrechnung von Laborleistungen nach Kapitel 32.3 EBM 2000plus. Ihre Honorarentwicklung stellt sich seit dem Jahr 2000 wie folgt dar:
Quartal/Jahr Honorar EK + PK
I/1999 223.331,22 EUR
II/1999 162.287,38 EUR
III/1999 178.131,21 EUR
IV/1999 249.871,23 EUR
I/2000 201.010,61 EUR
II/2000 185.115,87 EUR
III/2000 201.420,96 EUR
IV/2000 205.465,71 EUR
I/2001 197.447,38 EUR
II/2001 185.939,37 EUR
III/2001 195.999,84 EUR
IV/2001 208.921,87 EUR
I/2002 213.087,42 EUR
II/2002 199.674,78 EUR
III/2002 185.154,18 EUR
IV/2002 195.069,94 EUR
I/2003 238.022,94 EUR
II/2003 231.633,97 EUR
III/2003 173.483,17 EUR
IV/2003 194.027,73 EUR
I/2004 228.656,66 EUR
II/2004 216.835,79 EUR
III/2004 226.576,79 EUR
IV/2004 235.756,25 EUR
I/2005 156.656,59 EUR
II/2005 173.965,61 EUR
III/2005 273.320,19 EUR
IV/2005 262.011,36 EUR
I/2006 290.430,48 EUR
II/2006 144.023,53 EUR
III/2006 147.331,02 EUR
IV/2006 162.922,51 EUR
I/2007 208.339,92 EUR
II/2007 152.118,90 EUR
III/2007 229.901,95 EUR
IV/2007 235.786,58 EUR
I/2008 135.379,11 EUR
II/2008 144.190,51 EUR
III/2008 120.498,85 EUR
IV/2008 122.383,96 EUR
I/2009 188.803,73 EUR
I/2009 160.647,76 EUR
III/2009 177.102,45 EUR
IV/2009 159.774,92 EUR
I/2010 192.871,78 EUR
II/2010 173.127,43 EUR
III/2010 117.103,93 EUR
IV/2010 158.555,66 EUR
Die Klägerin beantragte am 23.06.2006 eine Sonderregelung im Rahmen der Fallzahlabhängigen Quotierung des Regelleistungsvolumens sowie der +/- 5% Ausgleichsregelung für die Quartale II/05 bis I/07. Gleiches beantragte sie am 29.06.2007 für die Quartale II/07 bis IV/07. Sie wies insbesondere auf einen besonderen Sicherstellungsauftrag hin. Die Klägerin trug vor, dass ihr Leistungsspektrum 40 verschiedene molekulargenetische Erkrankungen umfassen würde. Davon würden ausschließlich von ihr und Frau Dr. S., einer weiteren niedergelassenen Humangenetikerin, folgende molekulargenetische Leistungen erbracht:
1. Mukoviszidose, insbesondere die Mukoviszidose-Komplettsequenzierung und die Mutationssuche bei türkischen Probanden. Die Leistungen würden nach den Ziffern 11320, 11321, 11322, 11230 und 41020 EBM 2000 plus mit einem Gesamtpunktwert von 175.250 Punkten im Bereich der CF Komplettsequenzierung abgerechnet werden.
2. Adrenogenitales Syndrom (AGS) – Die Leistungen würden nach den Ziffern 11320, 11321, 11322, 11130 und 41020 EBM 2000 plus mit einem Punktwert von insgesamt 68.145 Punkten abgerechnet.
3. DANN-Analyse beim familiären Mittelmeerfieber (FMF), insbesondere die Komplettsequenzierung. Auch hier wäre eine Abrechnung über die Ziffern 11320, 11321, 11322, 11230 und 41020 EBM 2000 plus erfolgt mit einem Punktwert von insgesamt 74.060 Punkten.
Darüber hinaus obläge ihr und Frau Dr. S. der Sicherstellungsauftrag im Bereich des Morbus Tay-Sachs, Morbus Gaucher, Martin-Bell-Syndrom, Duchenne-Muskeldystrophie, Sichelzellanämie, Riley-Day-Syndrom, Noonan-Syndrom, Porphyrie und Shox-Gens. In ganz Hessen würde neben ihr und Frau Dr. S. kein weiterer Humangenetiker diese genetischen Untersuchungen zur Feststellungen der entsprechenden Diagnosen erbringen, so dass ihr insoweit ein Sicherstellungsauftrag obliege. Ferner habe das Institut für Humangenetik am Klinikum der J.-Universität A-Stadt seine Leistungen eingeschränkt und erbringe seit über einem Jahr keine molekulargenetischen Leistungen mehr. Das Chromosomenlabor würde jetzt ebenfalls geschlossen, so dass hier eine weitere Zunahme der Zuweisungen erfolgen werde. Es bestünden derzeit keine Verweisungsmöglichkeiten. Auch die Institute für Humangenetik der bisherigen Unikliniken ZO. und ZQ. seien in ihrem Leistungsangebot eingeschränkt und würden die genannten Untersuchungen nicht anbieten. Die einzelnen EBM Leistungsziffern, die seinerzeit vom Bewertungsausschuss unter Berücksichtigung des hohen Laborkostenanteils ermittelt worden seien, würden in den dargestellten Punktwerten die praxisbezogenen Regelleistungsvolumenfallpunktzahlen der Gruppe um ein Vielfaches überschreiten. Bei der Durchführung einer molekulargenetischen Untersuchung kämen i. d. R. mehrere Ziffern mehrfach nebeneinander zur Anwendung. Die molekulargenetischen Leistungen, die sie erbringen würde, könnten durch die vorgegebenen Punktwerte im Rahmen des Regelleistungsvolumens nicht annähernd kostendeckend erbracht werden. Die Vergütung der Chromosomenanalyse nach alter Ziffer 32850 habe beispielsweise bei 199,10 Euro gelegen und liege nun nach Ziffer 11310 bei nur noch 141,58 Euro nach dem aktuellen Punktwert. Viele Leistungen könnten nur mittels eines DNA-Sequenzierungsgerätes erbracht werden. Dieses würde in Apparategemeinschaft zwischen ihr und Frau Dr. S./Frau Dr. T. in B-Stadt genutzt. Die übrigen Humangenetiker seien mangels apparativer Ausstattungen nicht in der Lage, diese molekulargenetischen Leistungen zu erbringen. Dies sei auch aus den Abrechnungsunterlagen ersichtlich. Die Durchführung der Leistungen erfolge nur bei entsprechendem klinischen Verdacht und ausschließlich auf Überweisung. Der Punktwert, der dem Regelleistungsvolumen unterliegenden Leistungen sei deutlich niedriger als die Festvergütung der Laborleistungen gemäß den Leistungsziffern des Kapitels 32 EBM 2000plus. Insgesamt seien ihre privaten finanziellen Mittel ausgeschöpft und es drohe Insolvenz. Außerdem sei in anderen KV-Bezirken das Problem frühzeitig erkannt worden und es seien entsprechende Sonderregelungen getroffen worden, so in XY. und Z.
Mit Bescheiden vom 18.06.2007 und 22.11.2007 entsprach die Beklagte teilweise den Anträgen. Den Anträgen auf Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen wurde insoweit entsprochen, als dass die für das praxisbezogene regelleistungsvolumenrelevanten spezifischen RLV-Fallpunktzahlen für die Humangenetiker für die Quartale II/06 bis I/07 um das 4,5-fache und für die Quartale II/07 bis IV/07 um das 8-fache erhöht wurden. Dem Antrag auf Sonderregelung zur Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV wurde insoweit entsprochen, als dass auf die Durchführung der Ausgleichsregelung für die Quartale II/06 bis I/07 verzichtet wurde. Im Übrigen wurden die Anträge abgelehnt. Zur Begründung ihrer Entscheidungen führte die Beklagte aus: Eine Beschwer liege hinsichtlich der fallzahlabhängigen Quotierung nach Ziffer 5.2 HVV nicht vor, da alle abgerechneten Fälle mit einer Quote von 100% in die Berechnung der Gesamthonorarforderung eingeflossen seien. Für das Quartal I/07 könne diesbezüglich keine Aussage getroffen werden. Die Honorarsituation in Bezug auf das Regelleistungsvolumen stelle sich wie folgt dar:
Quartale Praxisbezogenes RLV Abgerechnetes Honorarvolumen Überschreitung
II/2005 522.202,8 Punkte 173.120,0 Punkte keine
III/2005 602.834,2 Punkte 169.540,0 Punkte keine
IV/2005 620.282,4 Punkte 219.965,0 Punkte keine
I/2006 663.180,0 Punkte 347.635,0 Punkte keine
II/2006 629.787,2 Punkte 2.593.125,0 Punkte 1.963.337,8 Punkte
III/2006 674.381,4 Punkte 2.917.960,0 Punkte 2.243,578,6 Punkte
IV/2006 660.557,3 Punkte 3.646.465,0 Punkte 2.985.907,7 Punkte
Eine Analyse der Honorarabrechnung für die Quartale II/06 bis IV/06 habe ergeben, dass die zuvor aus dem Kapitel 32 EBM 2000plus abgerechneten Leistungen der Chromosomenanalyse (Ziffern 32850 bis 32857 EBM 2000plus) bedingt durch die Änderung des EBM 2000plus zum 01.04.2006 nach dem Kapitel 11 EBM 2000plus (Ziffern 11310 bis 11322 EBM 2000plus) hätten abgerechnet werden müssen. Die Laborleistungen nach den Ziffern 32850 bis 32857 EBM 2000plus seien aus dem Kapitel 32 zum 01.04.2006 gestrichen worden. Diese Leistungen hätten nur noch nach dem Kapitel 11.3 berechnet werden können, unterlägen jedoch damit dem Regelleistungsvolumen. Diese Änderungen hätten zur Folge, dass die Honorarforderung im ambulant-kurativen Sektor, der dem Regelleistungsvolumen unterliege, bei der Klägerin massiv angestiegen sei und es somit erstmalig ab dem Quartal II/06 zur Überschreitung des praxisbezogenen Regelleistungsvolumens gekommen sei. Diese Problematik habe sich insbesondere im Bereich der Chromosomenanalysen ausgewirkt. Insoweit erschienen die für die Arzt-/Fachgruppe der Humangenetiker gültigen RLV-Fallpunktzahlen im Falle der Klägerin als nicht repräsentativ für das Leistungsspektrum der Praxis. Ergänzend dazu habe eine Prüfung der Versorgungssituation ergeben, dass hessenweit neben der klägerischen Praxis weitere 4 Humangenetiker niedergelassen seien. Diese Praxen befänden sich überwiegend in einem Umkreis von mehr als 50 km zur Praxis der Klägerin. Unter Berücksichtigung dieser gesamten Sachlage erscheine daher eine Sonderregelung für das praxisbezogene Regelleistungsvolumen für die Quartale II/06 bis I/07 gerechtfertigt. In diesem Zusammenhang durchgeführte vergleichsweise Berechnungen hätten ergeben, dass eine Erhöhung der altersgruppenspezifischen RLV-Fallpunktzahlen für Humangenetiker um das ca. 4,5 fache zu einem adäquaten Ausgleich für die vorgenannten Änderungen in den Abrechnungsbedingungen führen könnten. Dem entsprechend würde die Honorarforderung angepasst. Hinsichtlich der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV sei festzustellen, dass gemäß Beschluss des Vorstandes der Beklagten die Ausgleichsregelung auf die Leistungen des budgetierten Teils der Gesamtvergütung anzuwenden sei. Im Zuge dessen sei für die Fachgruppe der Humangenetiker eine Bereinigung der Ausgangsdaten um die Leistungen der Molekular- und Zytogenetik sofern diese aktuell als Laborleistungen nach den Ziffern 32850 bis 32857 EBM 2000plus abgerechnet worden seien – erfolgt. Insoweit seien die in den Quartalen II/05 bis I/06 abgerechneten diesbezüglichen Leistungen nicht mit in den für die Ermittlung des Gesamtreferenzfallwertes zugrundeliegenden Honoraranspruch eingeflossen. Dem gegenüber seien die nunmehr ersatzweise nach den Ziffern 11310 bis 11322 EBM 2000plus abgerechneten Leistungen in dem Honoraranspruch des jeweiligen aktuellen Fallwertes für die Quartale II/06 bis I/07 enthalten. Im Ergebnis finde damit ein Vergleich zwischen unterschiedlichen Honoraransprüchen statt. Dieser Umstand habe sich auf die Honorarsituation betreffend die Ausgleichsregelung wie folgt ausgewirkt:
Aktuelles Quartal Referenzfallwert Aktueller Fallwert Korrekturbetrag
II/2005 103,5413 EUR 77,9094 EUR + 6.795,78 EUR
III/2005 79,4072 EUR 55,1518 EUR + 16.994,24 EUR
IV/2005 104,7582 EUR 33,1624 EUR + 25.964,46 EUR
I/2006 83,3530 EUR 434,1801 EUR + 21,87 EUR
II/2006 139,2568 EUR 249,3321 EUR - 42.353,35 EUR
III/2006 99,6393 EUR 167,5339 EUR - 12.271,14 EUR
IV/2006 99,5676 EUR 235,1688 EUR - 13.366,87 EUR
Die Anwendung der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV sei zwar korrekt umgesetzt worden, dies habe jedoch für die Praxis der Klägerin ab dem Quartal II/06 zu einem erheblichen Honorarverlust geführt. In diesem Zusammenhang dürfe nicht übersehen werden, dass die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV nur unter der Maßgabe gleicher Rahmenbedingungen – sowohl praxisspezifisch als auch allgemein – durchgeführt werden solle. Dementsprechend erscheine die Anwendung der Ausgleichsregelung im vorliegenden Fall als nicht sachgerecht. Daher werde sie in den Quartalen II/06 bis I/07 ausgesetzt. Für die Quartale II/07 bis IV/07 sei weiterhin von einem Sicherstellungsproblem auszugehen. Daher sei auch für diese Quartale eine Sonderregelung zu erteilen.
Gegen die Bescheide legte die Klägerin am 31.08.2007 bzw. 06.12.2007 Widerspruch ein. Zur Begründung ihrer Widersprüche führte die Klägerin aus, dass mit einer Erhöhung der Fallpunktzahlen für humangenetische Leistungen der besonderen Situation nicht ausreichend Rechnung getragen worden sei. Die dargestellten molekulargenetischen Leistungen könnten mit den vorgegebenen Fallpunktzahlen offensichtlich nicht wirtschaftlich erbracht werden. Es gehe um angeforderte Untersuchungen schwerkranker Kinder, deren Behandlung ohne die entsprechende Diagnostik nicht eingeleitet oder fortgeführt werden könne. In diesem Zusammenhang verwies die Klägerin erneut auf den Sicherstellungsauftrag der KV Hessen.
Die Beklagte gab den Widersprüchen mit Widerspruchsbescheiden vom 28.11.2007 und 19.11.2008 teilweise statt. Hinsichtlich der Quartale IV/06 und I/07 wurden die relevanten altersspezifischen RLV-Fallpunktzahlen der Humangenetiker für das Quartal IV/06 auf das 6-fache und für das Quartal I/07 auf das 8-fache erhöht. Im Übrigen wurden die Widersprüche zurückgewiesen.
Es ergaben sich die folgenden Korrekturbeträge:
II/06 43.866,61 Euro
III/06 51.157,69 Euro
IV/06 43.999,24 Euro
II/07 48.501,03 Euro
In den Quartalen I/07, III/07 und IV/07 wurden die Neuberechnungen bereits im Rahmen der Erstellung der Honorarunterlagen berücksichtigt.
Zur Begründung ihrer Widerspruchsbescheide führte die Beklagte aus, dass im Bereich der fallzahlabhängigen Quotierung keine Beschwer vorliege. Nach der Neuberechnung anhand der 4,5-fachen Erhöhung der RLV-Fallpunktzahlen sei auch eine Überschreitung des Regelleistungsvolumens in den Quartalen II/06 und III/06 nicht mehr vorhanden. Das angeforderte Honorarvolumen sei vollständig anerkannt worden. Eine Neuberechnung habe ergeben, dass für die Quartale IV/06 und I/07 eine weitere Erhöhung zu erfolgen habe, nämlich für das Quartal IV/06 auf das 6-fache und für das Quartal I/07 auf das 8 fache. Damit entfalle eine Beschwer im Rahmen des Regelleistungsvolumens. Im Rahmen der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV liege durch die Aussetzung der Ausgleichsregelung ebenfalls keine Beschwer mehr vor. Hinsichtlich der Quartale III/07 und IV/07 sei ebenfalls eine Erhöhung der RLV-Fallpunktzahlen auf das 8-fache gerechtfertigt. Es verbliebe bei einer Überschreitung des praxisbezogenen Regelleistungsvolumens von 5,5% im Quartal II/07 und 2,4% im Quartal III/07. Hierbei handele es sich um keine signifikante Überschreitung des Regelleistungsvolumens. Eine weitere Sonderregelung sei deshalb nicht möglich.
Gegen diese Widerspruchsbescheide richten sich die Klagen vom 27.12.2007 und 23.12.2008. Das Gericht hat die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung im Termin zur mündlichen Verhandlung verbunden. Die Klägerin hat ihre Klage hinsichtlich der Quartale II/05 bis I/06 zurückgenommen.
Die Klägerin begründet ihre Klage zunächst damit, dass durch die Überführung der molekulargenetischen Leistungen aus dem Kapitel 32 EBM 2000plus in das Kapitel 11 zu erheblichen Einbußen geführt habe. Zwar sei eine Umrechnung der ehemaligen Europauschalen des Kapitels 32 unter Zugrundelegung eines festen Punktwerts von 5,11 Cent erfolgt, tatsächlich habe aber die Vergütung dieser Leistungen im Rahmen des Regelleistungsvolumens weit unter 5,11 Cent gelegen. Dies ergebe sich bereits aus der Tatsache, dass der obere Punktwert in den streitgegenständlichen Quartalen zwischen 3,5 und 3,8 Cent geschwankt habe. Dies habe die Beklagte im Rahmen einer Sonderregelung zu berücksichtigen, in dem alle im Bereich des Kapitels 11 abgerechneten Leistungen zu einem festen Punktwert von 5,11 Cent vergütet würden. Die Beklagte sei bei der Ermittlung der Anteile der einzelnen Honorargruppen oder Honoraruntergruppen an der Gesamtvergütung im Falle der Klägerin fehlerhaft vorgegangen. Der Anteil an der Gesamtvergütung werde für die einzelnen Honorargruppen auf Basis des geltenden Honorarvertrages anhand der Verteilungsergebnisse im entsprechenden Quartal 2005 ermittelt. Dabei habe die Beklagte fehlerhaft außer Acht gelassen, dass bei der Berechnung des Regelleistungsvolumens Ziffern des Kapitels 32 nunmehr hätten berücksichtigt werden müssen, dies sei jedoch nicht geschehen. Die Klägerin weist zudem erneut darauf hin, dass sich ihr Leistungsspektrum wesentlich von den anderen Humangenetikern unterscheide. Insbesondere sei hinsichtlich der Diagnosen zu differenzieren. Aufgrund der identischen Abrechnungsziffern entstehe möglicherweise der Eindruck, dass gleichartige Leistungen auch von den anderen Fachkollegen erbracht würden. Tatsächlich handele es sich aber um verschiedene Leistungen, die in keiner Weise vergleichbar seien. Sie stelle teilweise sogar bundesweit einen besonderen Versorgungsbedarf sicher. Die Klägerin legt eine Übersicht vor, aus der sich die Untersuchungsmöglichkeiten für spezifische Diagnosen in der Bundesrepublik Deutschland ergeben. Sie sei im humangenetischem Bereich nahezu ausschließlich auf Zuweisung tätig und habe insoweit keine Steuerungsmöglichkeit in Bezug auf ihre Leistungserbringung und ihr Abrechnungsverhalten. Die von der Beklagten vorgenommene Anhebung der RLV-Fallpunktzahlen reiche nicht aus, um diesem besonderen Versorgungsauftrag Rechnung zu tragen. Trotz nahezu identischen Fallzahlen, gleicher Leistungsfrequenz im Rahmen der humangenetischen Leistungen und entsprechendem Leistungsbild in allen Quartalen, habe die Überführung der Laborleistungen in das Kapitel 11 einen nicht zu verkraftenden Honorarrückgang nach sich gezogen. Dies gelte insbesondere deshalb, weil die Praxiskosten unverändert geblieben seien. Mit den ausgezahlten Honoraren könnten gerade die Laborkosten beglichen werden. Alle weiteren Praxiskosten seien durch die Honorare nicht mehr gedeckt. Die Kosten des Labors hätten im Jahr 2006 insgesamt 1.359.493,33 Euro betragen, darauf entfielen alleine 886.689,36 Euro auf Lohnkosten. Für Miete und Nebenkosten seien 93.342,00 Euro in Ansatz zu bringen. Auf Laborfremdarbeiten, die vergeben werden müssten, entfielen 80.121,35 Euro, auf Kurierfahrten 17.000,00 Euro, auf Wartungskosten für Hard- und Software 23.374,82 Euro, auf Instandhaltung 12.300,00 Euro. Der Rest sei für Bürokosten, Steuer , Beratungskosten und Betriebsbedarf verwendet worden. Der Laborbetrieb benötige monatlich 113.291,11 Euro ohne die Kosten der medizinischen Leitung und der Investitionsrücklagen. Das Labor verfüge über 8 spezialisierte Diplombiologen, davon seien 3 zusätzlich ausgebildete Fachhumangenetiker. Darüber hinaus sei die Streichung des Abschnitts 32.3.13 nicht durch den Bewertungsausschuss erfolgt, sondern gehe auf einen Beschluss der Vertragspartner des Bundesmantelvertrages in der 78. Sitzung vom 16.12.2005 auf der Grundlage von § 1 Abs. 2 BMV-Ä zurück. Diese Streichung sei nicht zulässig und damit rechtsunwirksam. Nach § 87 SGB V sei es Aufgabe des Bewertungsausschusses, die Leistungen zu definieren. Hierbei handele es sich nach der Rechtsprechung um ein eigenständiges Gremium. Dementsprechend sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass Interpretationsbeschlüsse von Unterausschüssen nur unverbindlich seien. Die Regelungskompetenz der Vertragspartner in Gebührenfragen sei nach den Bestimmungen in § 87 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 SGB V den von der KBV bzw. den Verbänden der Krankenkassen bestellten Vertretern im Vertragsorgan Bewertungsausschuss vorbehalten oder werde ggf. nach § 87 Abs. 4 und 5 SGB V vom Erweiterten Bewertungsausschuss wahrgenommen. Eine Subdelegation dieser Entscheidungsbefugnisse auf andere Repräsentanten der Vertragspartner mit nicht näher bestimmter Legitimation sei nicht vorgesehen. Auch die zwischenzeitlich eingeführte verstärkte staatliche Aufsicht über alle Entscheidungen des Bewertungsausschusses schließe es aus, die dem Vertragsorgan selbst zukommende Befugnis zur Präzisierung und ggf. zur Klarstellung seiner Regelung auf eine untergeordnete Ebene zu verlagern.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 18.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2007 sowie den Bescheid vom 22.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, dass eine weitergehende Sonderregelung im Rahmen des Regelleistungsvolumens für die meisten der streitgegenständlichen Quartale nicht zu weiteren Nachvergütungsbeträgen führen würde, da das von der Klägerin angeforderte Honorarvolumen insoweit bereits vollständig anerkannt worden sei. Dass die Klägerin weniger Honorar erwirtschaftete, sei nicht alleine auf den Umstand zurückzuführen, dass sie auf die Abrechnung der Laborleistungen des Kapitels 11 beschränkt gewesen sei, denn die zunächst im Kapitel 32 EBM 2000plus vorgesehenen Leistungen hätten im Kapitel 11 eine gleiche Wertigkeit aufgewiesen. Dies werde deutlich, wenn man als Umrechnungsfaktor den kalkulatorischen Punktwert von 5,11 Cent heranziehe.
EBM 2000 plus Kapitel 32 EBM 2000 plus Stand Kapitel 11
32850 199,10 EUR 11310 3.895,0 Pkt.
32851 227,30 EUR 11311 4.445,0 Pkt.
32852 64,20 EUR 11312 1.255,0 Pkt.
32855 39,90 EUR 11320 780,0 Pkt.
32856 32,00 EUR 11321 625,0 Pkt.
32857 143,70 EUR 11322 2.810,0 Pkt.
Lediglich entfallen sei die Privilegierung der extrabudgetären Vergütung. Vor dem Quartal II/05 hätten Humangenetiker keine Möglichkeit gehabt, Leistungen aus dem Laborkapitel O abzurechnen. Die entsprechenden für die Humangenetiker anrechenbaren Leistungen seien in der Honorargruppe 2 zugeordnet gewesen und damit dem Regelleistungsvolumen/Individualbudget unterworfen gewesen. Im Zuge der Bestückung der Honorargruppe B.2.32 ab dem Quartal II/05 seien die Laborhonoraranteile der Humangenetiker somit eingeflossen und auch darin belassen worden. Soweit die Klägerin eine unzureichende Honorierung geltend mache und hier insbesondere einen unzureichenden Punktwert, so sei dies ausschließlich Gegenstand des Verfahrens gegen den Honorarbescheid und im vorliegenden Verfahren nicht überprüfungsfähig. Die Beklagte habe die Vorgaben des Bewertungsausschusses bzw. der Partner des Bundesmantelvertrages umgesetzt und könne nicht verpflichtet werden, die in Streit stehenden Leistungen extrabudgetär zu vergüten, da sie sich damit diesen höherrangigen Bestimmungen widersetzen würde.
Im Übrigen sei die Klägerin hinsichtlich des Honorarbescheides für das Quartal II/07 durch die Umsetzung der BSG Rechtsprechung neu beschieden worden, eine Nachvergütung habe sich hieraus nicht ergeben.
Das Gericht hat die Akte zum Aktenzeichen S 12 KA 453/07 ER Frau Dr. S .../. KV Hessen zum Verfahren beigezogen und das Verfahren gemeinsam mit Verfahren betreffend die Klägerin hinsichtlich der Quartale IV/01 bis II/02, Az.: S 11 KA 464-466/09 sowie hinsichtlich der Quartale I/09 und II/09, Az.: S 11 KA 414 und 415/09, verhandelt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie sämtlicher Prozessakten verwiesen, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Psychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Klage ist auch begründet. Der Bescheid vom 18.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2007 sowie der Bescheid vom 22.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2008 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat einen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
Nach der Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und den Verbänden der Krankenkassen zur Honorarverteilung für die Quartale 2/2005 bis 4/2005, bekannt gemacht als Anlage 2 zum Landesrundschreiben/Bekanntmachung vom 10.11.2005 (HVV), der insoweit bis zum Quartal I/07 fortgeführt wurde, sind nach Ziffer 6.3 praxisindividuelle Regelleistungsvolumen zu bilden, da die Klägerin zu den entsprechenden Arztgruppen gehört. Die Regelung gilt für die Quartale II-IV/07 nach dem Honorarverteilungsvertrag gemäß § 85 Abs. 4 Satz 1 SGB V für den Zeitraum vom 01.04.2007 bis 31.12.2007 in der Fassung der Entscheidung des Landesschiedsamts für die vertragsärztliche Versorgung in Hessen vom 1. November 2007 als § 5 Abs. 3 HVV fort. Die Beklagte hat aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 18.08.2010 – B 6 KA 27/09 R) zwischenzeitlich eine Ergänzungsvereinbarung vom 15.09.2011 zu den Honorarverteilungsverträgen im Zeitraum 01.04.2005 bis 31.12.2008, veröffentlicht in info.doc Nr. 5, Oktober 2011, geschlossen, in der sie den HVV geändert hat.
Der Vorstand der KV Hessen ist ermächtigt, aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung praxisbezogenen Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen vorzunehmen.
Nach § 85 Abs. 4 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung v. 20.12.1988, BGBl. I S. 2477 in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) v. 14.11.2003, BGBl. I S. 2190 mit Gültigkeit ab 01.01.2005 (SGB V), verteilt die Kassenärztliche Vereinigung die Gesamtvergütungen an die Vertragsärzte; in der vertragsärztlichen Versorgung verteilt sie die Gesamtvergütungen getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung (§ 73) (§ 85 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Sie wendet dabei ab dem 1. Juli 2004 den mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen erstmalig bis zum 30. April 2004 gemeinsam und einheitlich zu vereinbarenden Verteilungsmaßstab an; für die Vergütung der im ersten und zweiten Quartal 2004 erbrachten vertragsärztlichen Leistungen wird der am 31. Dezember 2003 geltende Honorarverteilungsmaßstab angewandt (§ 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Bei der Verteilung der Gesamtvergütungen sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zu Grunde zu legen; dabei ist jeweils für die von den Krankenkassen einer Kassenart gezahlten Vergütungsbeträge ein Punktwert in gleicher Höhe zu Grunde zu legen (§ 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V). Im Verteilungsmaßstab sind Regelungen zur Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen der Psychotherapeuten, der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und psychotherapie, der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, der Fachärzte für Nervenheilkunde, der Fachärzte für psychotherapeutische Medizin sowie der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte zu treffen, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleisten (§ 85 Abs. 4 Satz 4 SGB V). Der Verteilungsmaßstab hat sicherzustellen, dass die Gesamtvergütungen gleichmäßig auf das gesamte Jahr verteilt werden (§ 85 Abs. 4 Satz 5 SGB V). Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes vorzusehen (§ 85 Abs. 4 Satz 6 SGB V). Insbesondere sind arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina) (§ 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V). Für den Fall der Überschreitung der Grenzwerte ist vorzusehen, dass die den Grenzwert überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten vergütet wird (§ 85 Abs. 4 Satz 8 SGB V). Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung haben keine aufschiebende Wirkung (§ 85 Abs. 4 Satz 9 SGB V). Die vom Bewertungsausschuss nach Absatz 4a Satz 1 getroffenen Regelungen sind Bestandteil der Vereinbarungen nach Satz 2 (§ 85 Abs. 4 Satz 10 SGB V). Dabei bestimmt nach § 85 Abs. 4a Satz 1 SGB V der Bewertungsausschuss Kriterien zur Verteilung der Gesamtvergütungen nach § 85 Abs. 4 SGB V, insbesondere zur Festlegung der Vergütungsanteile für die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung sowie für deren Anpassung an solche Veränderungen der vertragsärztlichen Versorgung, die bei der Bestimmung der Anteile der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung an der Gesamtvergütung zu beachten sind; er bestimmt ferner, erstmalig bis zum 29. Februar 2004, den Inhalt der nach § 85 Abs. 4 Satz 4, 6, 7 und 8 SGB V zu treffenden Regelungen.
Der Bewertungsausschuss ist seinen Regelungsverpflichtungen nach § 85 Abs. 4a SGB V u. a. durch den Beschluss in seiner 93. Sitzung am 29. Oktober 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2005 (Deutsches Ärzteblatt 101, Ausgabe 46 vom 12.11.2004, Seite A-3129 = B-2649 = C-2525) (im Folgenden: BRLV) nachgekommen. Darin bestimmt er, dass Regelleistungsvolumina gemäß § 85 Abs. 4 SGB V arztgruppenspezifische Grenzwerte sind, bis zu denen die von einer Arztpraxis oder einem medizinischen Versorgungszentrum (Arzt-Abrechnungsnummer) im jeweiligen Kalendervierteljahr (Quartal) erbrachten ärztlichen Leistungen mit einem von den Vertragspartnern des Honorarverteilungsvertrages (ggf. jeweils) vereinbarten, festen Punktwert (Regelleistungspunktwert) zu vergüten sind. Für den Fall der Überschreitung der Regelleistungsvolumen ist vorzusehen, dass die das Regelleistungsvolumen überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten (Restpunktwerten) zu vergüten ist (III.2.1 BRLV). Für die Arztpraxis oder das medizinische Versorgungszentrum, die bzw. das mit mindestens einer der in Anlage 1 genannten Arztgruppen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, sind im Honorarverteilungsvertrag nachfolgende Regelleistungsvolumina zu vereinbaren, für die dieser Beschluss die Inhalte der Regelungen vorgibt (III.3.1 Abs. 1 BRLV). Die in 4. aufgeführten Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen unterliegen nicht den Regelleistungsvolumina (III.3.1 Abs. 4 BRLV). Dies gilt nach Nr. 4.2 auch für die Labor-Grundpauschale nach Nr. 12225 sowie Leistungen und vertraglich vereinbarte Kosten für laboratoriumsmedizinische Untersuchungen des Kapitels 32.
Die Kammer sieht in diesen Bestimmungen eine verbindliche Vorgabe des Bewertungsausschusses, die von niemand anderem, als dem Bewertungsausschuss selber, geändert werden kann. Diese Vorgaben des Bewertungsausschusses haben sich auch bis einschließlich zum Quartal I/06 im EBM widergespiegelt. Dort waren die Laborleistungen im Kapitel 32 separat aufgeführt. Die in Kapitel 32 des EBM 2000plus unter Ziffer 32.2.13 aufgeführten zyto- und molekulargenetischen Leistungen wurden dann mit Wirkung zum Quartal II/06 durch die Partner des Bundesmantelvertrages in der 78. Sitzung am 16.12.2005 gestrichen. Da die gestrichenen Leistungen inhaltsgleich in Kapitel 11.3 des EBM abgebildet waren, wurden entsprechend qualifizierte Ärzte, die bisher im Kapitel 32 abgerechnet hatten, auf das Kapitel 11 verwiesen, mit der Folge, dass die Leistungen damit dem Regelleistungsvolumen unterfielen. Bei der Klägerin hat diese Streichung zu einem Honorareinbruch ab dem Quartal II/06 geführt, der von der Beklagten im Rahmen der Regelungssystematik des HVV nicht aufzufangen war. Die Streichung der unter Ziffer 32.2.13 aufgeführten zyto- und molekulargenetischen Leistungen durch die Partner des Bundesmantelvertrages war jedoch rechtswidrig. Die Partner des Bundesmantelvertrages sind nicht berechtigt, Vorgaben des Bewertungsausschusses zu konterkarieren, indem dessen Vorgaben vertraglich abgeändert werden. Der Bewertungsausschuss ist nach den gesetzlichen Vorgaben in § 87 SGB V ausdrücklich allein und ausschließlich zur Beschlussfassung über den EBM befugt. Nur er verfügt über die gesetzliche Legitimation zur Rechtsetzung in diesem Bereich. Er allein unterliegt einer besonderen Aufsicht durch das Bundesministerium der Gesundheit. Diese Aufsichtspflichten würden umgangen, wenn andere Gremien Entscheidungen im Bereich des gesetzlichen Auftrags des Bewertungsausschusses treffen dürften. Sofern übergangsweise in der Praxis – entgegen der ausdrücklichen gesetzgeberischen Wertung – vertragliche Vereinbarungen zwischen den Partnern des Bundesmantelvertrages zur Änderung/Ergänzung geregelt werden, kann diese Praxis nur in äußersten Ausnahmefällen zugelassen werden (so auch Engelhard, in: Hauck, SGB V, § 87 Rn. 52). Ein solcher Ausnahmefall liegt vorliegend jedoch gerade nicht vor, weil die von der Änderung betroffenen Regelungen sehr weitreichend sind und sich komplett in Widerspruch zu der Systematik der Regelleistungsvolumina und den Vorgaben des Bewertungsausschusses setzen. In seinem BRLV hat der Bewertungsausschuss ein System der Berechnung der Regelleistungsvolumina entwickelt, das eine dezidierte Trennung von Leistungen innerhalb und außerhalb der Regelleistungsvolumina vorsieht. Entsprechend diesen Vorgaben sind die Fallpunktzahlen der Arztgruppen zu ermitteln und die Regelleistungsvolumina zu berechnen. In dieser ausdifferenzierten Systematik führt eine Übertragung von bisher außerhalb des Regelleistungsvolumens vergüteten Leistungen in das Regelleistungsvolumen hinein zwangsläufig zu Verwerfungen in dem betroffenen Arztgruppentopf. Die mit den Regelleistungsvolumina angestrebte Kalkulationssicherheit für die betroffenen Ärzte wird mit einer Vereinbarung, wie sie die Partner des Bundesmantelvertrages getroffen haben, ad absurdum geführt. Es handelt sich insoweit nicht um eine kleine Korrektur des EBM am Rande, sondern um einen erheblichen Eingriff in eine ausgefeilte Systematik des BRLV. Dass dies die Klägerin besonders getroffen hat, liegt an ihrem Leistungsspektrum, das zu einem erheblichen Anteil aus zyto- und molekulargenetischen Untersuchungen besteht, zum anderen aber auch an der extrem kleinen Honorargruppe. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass Sie für die streitgegenständlichen Quartale den Sicherstellungsauftrag der Klägerin anerkannt hat und im Rahmen der höherrangigen Vorgaben und im Rahmen ihres Honorarverteilungsvertrages eine weitgehende, in den Quartalen II/06 bis I/07 und IV/07 auch weitestgehende Sonderregelung zugunsten der Klägerin getroffen hat. Mit dieser Sonderregelung konnten die Honorarverwerfungen, die die Klägerin aufgrund der rechtswidrigen Beschlussfassung der Partner des Bundesmantelvertrages erlitten hat, nicht aufgefangen werden. Selbst im Falle der kompletten Vergütung der angeforderten Leistungen im Rahmen des Regelleistungsvolumens verbleibt es bei einer Vergütung nach floatenden Punktwerten. Dies entspricht nicht der bisherigen extrabudgetären Vergütung, die dem besonders hohen Kostenanteil bei Laborleistungen Rechnung getragen hat. Dies wird die Beklagte bei einer Neubescheidung berücksichtigen müssen. Darüber hinaus hat die Beklagte aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für die streitgegenständlichen Quartale eine Neuberechnung der Regelleistungsvolumina – auch der Klägerin – nachzuholen. Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass der HVV ab dem Quartal II/05 insoweit rechtswidrig ist, als bestimmte Leistungen entgegen den Vorgaben des Bewertungsausschusses im BRLV in die jeweiligen Regelleistungsvolumina einbezogen wurden. Die Ausgleichsregelung in Ziff. 7.5 HVV ist rechtswidrig, soweit diese Honorarminderungen vorsah (vgl. BSG, Urt. v. 18.08.2010 B 6 KA 27/09 R). Alle Honorarbescheide sind rechtswidrig, weil die Beklagte in unzulässiger Weise entgegen der Vorgaben des Bewertungsausschusses Leistungen in das Regelleistungsvolumen einbezogen hat. Aufgrund der rechtswidrigen Einbeziehung der Leistungen in das Regelleistungsvolumen sind auch die Fallpunktzahlen des Regelleistungsvolumens fehlerhaft berechnet worden. Die Beklagte hat insofern eine korrigierte Berechnung vorzunehmen. Die insoweit von der Beklagten geschlossene Ergänzungsvereinbarung vom 15.09.2011 berücksichtigt dies jedoch nicht in Gänze. Die Beklagte hat darüber hinaus noch die bisherigen Regelleistungsvolumina anzupassen. Die Leistungen nach Ziff. 4.1 BRLV sind bei der Bemessung der Regelleistungsvolumina nicht zu berücksichtigen. Dies folgt eindeutig aus den Vorgaben des Bewertungsausschusses und der bisherigen sozialgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. SG Marburg, Urteil vom 16.11.2011, Az.: S 12 KA 446/07). Die Nichtbeachtung dieser Vorgaben des Bewertungsausschusses führt zur Rechtswidrigkeit und damit Nichtigkeit der bisher vereinbarten Regelleistungsvolumina. Von daher müssen die Regelleistungsvolumina neu vereinbart werden. Auch dies hat die Beklagte nachzuholen.
Nach alledem musste die Klage Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 VwGO und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Rechtskraft
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