L 8 SF 239/12 AB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
8
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SF 239/12 AB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Befangenheitsantrag des Klägers vom 25.12.2011 gegen Richterin Z. vom Sozialgericht ... wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Mit Schriftsatz vom 25.12.2011 stellte der Kläger unter Ziffer 3 den Antrag auf Ablehnung der Vorsitzenden (Richterin Z.) wegen Inkompetenz. Zur Begründung machte er geltend, die Vorsitzende scheine nicht nur durch die nicht erfolgte ordnungsgemäße Ladung nicht in der Lage zu sein, die Verhandlungsführung in dieser Rechtssache entsprechend den gesetzlichen Vorschriften zu führen, sie sei auch nicht in der Lage, eine ordnungsgemäße Ladung ihm zukommen zu lassen. Des Weiteren habe sie bis zum jetzigen Datum über seine Beschwerde vom "20.09.2011" auf die Verfügung auch 3 Monate später noch immer nicht entschieden. Ebenfalls sei bezüglich der mit Schreiben vom 25.08. und 29.08.2011 an die Beklagte und das Gericht mitgeteilten Verschlimmerungen bisher seitens der Vorsitzenden nichts unternommen worden, um die Beklagte zur Stellungnahme zur geltend gemachten Verschlimmerung der Schilddrüsenerkrankung mit Morbus Basedow aufzufordern. Die Vorsitzende weise für ihn den Eindruck auf, dass diese nicht in der Lage sei, den Fortgang des Verfahrens sach- und gesetzeskonform abzuarbeiten. Insbesondere durch die Nichtbearbeitung seiner Beschwerde sei der Eindruck nicht von der Hand zu weisen, dass die Vorsitzende einseitig die Prozessführung zugunsten der beklagten Partei führe. Aus diesem Gesamteindruck, weitere Einzelpunkte könnten gerne noch explizit nachgereicht werden, sei die Verhandlung an einen anderen Richter zu übertragen.

In der dienstlichen Äußerung von Richterin Z. ist hierzu ausgeführt, über die als Beschwerde bezeichnete Mitteilung des Klägers im Schreiben vom 28.09.2011 sei bislang nicht entschieden worden. Eine Entscheidung sei nicht ergangen, da der Kläger mit der Beschwerde die Anordnung der Einholung eines Gutachtens angreife. Diese prozessleitende Verfügung sei gemäß § 172 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht mit der Beschwerde angreifbar, um das Verfahren nicht zu hemmen. Eben dies habe sie dem Kläger im Erörterungstermin am 15.12.2011 persönlich erklären wollen, um weitere Missverständnisse zu vermeiden. Im Hinblick auf den klägerischen Hinweis auf das "Entgleiten der Schilddrüsenwerte" im Schriftsatz vom 25.08.2011 und die damit aus Sicht des Klägers verbundene Verschlechterung seines Gesundheitszustandes habe sie es für zweckmäßig gehalten, zunächst den Gutachtensauftrag auszuführen, da sich die Akten überwiegend beim Gutachter befunden hätten. Auch aus diesem Grunde habe sie eine Erörterung des Sachverhalts als geboten angesehen und deshalb den entsprechenden Termin für den 15.12.2011 anberaumt. Die Ladung des Klägers zu dem Erörterungstermin sei am 07.11.2011 abgesandt worden. Die Ladung sei mit einfacher Post erfolgt, was gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 SGG zulässig sei. Da eine Rücksendung, beispielsweise wegen Unzustellbarkeit, durch den Zusteller nicht erfolgt sei, habe sie davon ausgehen können, dass die Ladung den Kläger erreicht habe. Da ihr Vorgehen stets von sachlichen Gründen getragen worden sei und der Verfahrensbeschleunigung gedient habe, halte sie sich nicht für befangen.

II.

Der Ablehnungsantrag des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Senat ist für die Entscheidung über das am 27.12.2011 beim SG eingegangene Ablehnungsgesuch des Klägers vom 25.12.2011 -noch - zuständig. Dem steht nicht entgegen, dass § 60 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - durch Art. 8 Ziffer 4 b) des Vierten Gesetz zur Änderung des Vierten Buches des Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011 (BGBl I 3057) mit Wirkung zum 01.01.2012 (Art. 23) aufgehoben wurde und ab diesem Zeitpunkt die Sozialgerichte zur Entscheidung zuständig sind (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 27.01.2012 - L 8 SF 100/12 AB -).

Nach § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit von einem Prozessbeteiligten abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 60 Rdnr. 7). Dies ist dann der Fall, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus nach vernünftigen Erwägungen Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Richters haben kann; es muss ein objektiver vernünftiger Grund vorliegen, der geeignet ist, den Antragsteller von seinem Standpunkt aus befürchten zu lassen, der abgelehnte Richter werde nicht unparteiisch sachlich entscheiden (vgl. Meyer-Ladewig a.a.O. m.w.N.). Allein die unrichtige Anwendung von Verfahrens- oder materiellem Recht ist mithin kein für die Richterablehnung ausreichender Grund, denn diese ist grundsätzlich kein geeignetes Mittel, sich gegen für unrichtig gehaltenes prozessuales Vorgehen oder für unzutreffend angesehene Rechtsauffassungen eines Richters zu wehren, es sei denn, die mögliche Fehlerhaftigkeit beruhte auf einer unsachlichen Einstellung des Richters oder Willkür (vgl. BVerfG NVwZ 2009, 581; Bundesarbeitsgericht NZA 1993, 238; BFH NVwZ 1998, 663, 664). Danach ist eine Besorgnis der Befangenheit nur dann begründet, wenn das prozessuale Vorgehen eines Richters einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage entbehrt und sich so sehr von dem normalerweise geübten Verfahren entfernt, dass sich für den betroffenen Beteiligten der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung aufdrängt. Ein Verfahrensfehler des Gerichts vermag für sich allein noch nicht die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Allerdings kann eine Häufung prozessualer Fehler stets zum Nachteil einer Partei auch bei einem besonnenen und vernünftigen Beteiligten den Eindruck einer unsachlichen Einstellung oder willkürlichen Verhaltens des Richters erwecken. Eine sachliche Meinungsäußerung über die Aussichten der Klage oder die Rechtslage rechtfertigt keine Besorgnis der Befangenheit (Bundesverwaltungsgericht NJW 79, 1316). Nicht ausreichend ist auch die Äußerung einer unrichtigen Rechtsauffassung, soweit sie nicht auf unsachlicher Einstellung des Richters oder auf Willkür beruht (vgl. Meyer-Ladewig aaO, Rdnr. 8g, 8j). Die Richterablehnung ist rechtsmissbräuchlich, wenn sie nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt und z.B. nur dazu dient, für unliebsam gehaltene Richter auszuschalten (Meyer-Ladewig a.a.O. Rdnr. 10c); denn es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass durch die Stattgabe des Ablehnungsgesuchs ein anderer als der gesetzlich vorgesehene Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG)) ohne oder sogar gegen den Willen des anderen Beteiligten zur Entscheidung berufen wird.

Auf der Grundlage dieser Beurteilungskriterien vermag der Senat eine begründete Besorgnis der Befangenheit bei Richterin Z. nicht zu erkennen. Soweit der Kläger geltend macht, die Vorsitzende scheine nicht nur durch die nicht erfolgte ordnungsgemäße Ladung nicht in der Lage zu sein, die Verhandlungsführung in dieser Sache entsprechend den gesetzlichen Vorschriften zu führen, sondern sie sei auch nicht in der Lage, ihm eine ordnungsgemäße Ladung zukommen zu lassen, ist dieser Vorwurf des Klägers nicht berechtigt. Wie sich aus der SG-Akte ergibt, ist mit gerichtlicher Verfügung vom 07.11.2011 Termin zur Erörterung des Sachverhalts bestimmt worden auf den 15.12.2011. Das persönliche Erscheinen des Klägers ist angeordnet worden und auf die Folgen unentschuldigten Ausbleibens ist durch Übersendung eines Merkblattes hingewiesen worden. Die Ladung ist am 07.11.2011 gefertigt und am 07.11.2011 abgesandt worden, wie sich dies aus dem in der Akte befindlichen urkundlichen Vermerk ergibt. Ob die Ladung durch die Post ordnungsgemäß befördert und ordnungsgemäß in den Briefkasten des Klägers gelegt worden ist, steht nicht in der Macht des Gerichts. Aus dem Umstand, dass der Kläger nach seinen Angaben eine Ladung zum Termin vom 15.12.2011 nicht erhalten hat, kann daher nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, die Richterin sei nicht in der Lage, dem Kläger eine ordnungsgemäße Ladung zukommen zu lassen.

Soweit der Kläger geltend macht, Richterin Z. habe bis zum heutigen Datum über seine Beschwerde vom 20.09.2011 noch immer nicht entschieden, ist festzustellen, dass sich in der SG-Akte ein Schreiben des Klägers weder mit dem Datum vom 20.09.2011 befindet noch ein Schreiben mit einem anderen Datums, das am 20.09.2011 beim SG eingegangen ist, vorliegt. Aufgrund dessen kann nicht festgestellt werden, welches Vorbringen der Kläger mit seiner "Beschwerde" meint. Sollte der Kläger möglicherweise sein Schreiben vom 28.09.2011 meinen, mit dem er allerdings nicht "Beschwerde", sondern "Widerspruch" eingelegt hat - worauf er zuletzt auch abgestellt hat -, ist darauf hinzuweisen, dass ein "Widerspruch" lediglich als Parteivorbringen zu behandeln ist und dagegen gemäß § 172 Abs. 2 SGG prozessleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Vertagungsbeschlüsse, Fristbestimmungen, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen nicht mit der Beschwerde angefochten werden können. Selbst wenn der "Widerspruch" als Beschwerde auszulegen ist, ist eine fehlerhafte und schon gar keine unvertretbar willkürliche Verfahrensleitung der Richterin zu erkennen. Die Nichtvorlage der - unzulässigen - Beschwerde an das Beschwerdegericht ist aus guten Gründen zunächst unterblieben, denn dieser erörterungsbedürftige Verfahrenskomplex sollte Gegenstand der Erörterung im anberaumten Termin vom 15.12.2011 sein, wie sich dem Verfahrensgang aus der Akte und der dienstlichen Erklärung der Richterin entnehmen lässt. War die Eingabe vom 28.09.2011 tatsächlich nur Parteivorbringen (Widerspruch), wie der Kläger im Schreiben vom 25.01.2012 jetzt darlegt, war von vornherein keine andere Verfahrensweise als die praktizierte angebracht.

Soweit der Kläger schließlich geltend macht, mit Schreiben vom 25.08. und 29.08.2011 an die Beklagte und das Gericht habe er Verschlimmerungen mitgeteilt, wozu die Vorsitzende bislang nichts unternommen habe, weist der Senat darauf hin, dass mit gerichtlicher Verfügung vom 13.09.2011 die Einholung eines Gutachtens vom SG beschlossen worden war. Aufgrund dessen ist es sachgerecht, dass zunächst das Ergebnis einer Beweisaufnahme abgewartet wird und dass danach der Beklagte unter Beifügung der Beklagtenakten Gelegenheit zur Stellungnahme erhält.

Die Anhörung zu einer möglichen Verhängung von Ordnungsgeld lässt ebenso wenig eine Befangenheit der Richterin erkennen. Zum Zeitpunkt der von ihr eingeleiteten Anhörung waren der Richterin keine konkreten Hinderungsgründe des Klägers für sein Nichterscheinen zum Termin bekannt. Ihr Vorgehen hat der Prozessordnung entsprochen.

Nach alledem liegen keinerlei Gründe vor, die geeignet wären, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit von Richterin Z. vom SG ... zu rechtfertigen, wobei der Senat auch den Schriftsatz des Klägers vom 25.01.2012 berücksichtigt hat.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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