S 4 AS 4832/09

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 4 AS 4832/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid des Beklagten vom 10.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.09.2009 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Auskunftsverpflichtung durch den Beklagten.

Der am ... 1973 geborene Kläger ist der Vater des am ... 1999 geborenen Dolf Müller, mit dem er nicht in einem Haushalt lebt. Gegenüber dem Jugendamt der Stadt H. erkannte er am 10.06.1999 die Vaterschaft an und verpflichtete sich zur Unterhaltszahlung. Der Beklagte gewährt dem Kind, das in einer Bedarfsgemeinschaft mit dessen Mutter lebt, Leistungen nach dem SGB II, wobei er eine Unterhaltszahlung des Klägers in Höhe von 164,00 EUR monatlich berücksichtigt.

Mit Schreiben vom 10.07.2009 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass das Kind Leistungen beziehe und somit der Unterhalts- und der Auskunftsanspruch übergehen. Ferner bestehe eine Auskunftsverpflichtung nach § 60 SGB II hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Um prüfen zu können, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Zahlung von Unterhaltsbeiträgen möglich sei, müsse der Kläger einen anliegenden Fragebogen sorgfältig ausfüllen und sämtliche Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse mit entsprechenden Nachweisen belegen. Den unterschriebenen Fragebogen solle er mit den erforderlichen Nachweisen zurücksenden. Da eine unterhaltsrechtliche Berechnung unter anderem davon abhängig sei, wie vielen Personen er gegenüber zum Unterhalt verpflichtet sei, sei in diesem Zusammenhang auch das Einkommen des nicht getrennt lebenden Ehepartners bzw. Lebenspartners nachzuweisen. Im Falle einer Weigerung zur Auskunftserteilung bestehe die Möglichkeit, dass andere Träger um Auskunft ersucht würden. Ferner seien verwaltungsrechtliche Zwangsmaßnahmen einzuleiten.

Gegen das Auskunftsersuchen erhob der Kläger am 23.07.2009 Widerspruch und führte aus, dass der Beklagte dies nicht mittels Bescheid geltend machen könne. Ein Auskunftsanspruch dem Grunde nach werde nicht bestritten, die Rechtswidrigkeit ergebe sich hier jedoch aus der Konkretisierung, da Informationen und Daten erfragt würden, zu denen seitens des Beklagten keine Berechtigung bestehe. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03.09.2009 mit der Begründung zurück, dass die öffentlich-rechtliche Auskunftsverpflichtung nach § 60 Abs. 2 SGB II durch Verwaltungsakt geltend zu machen sei. Ohne die angeforderten Auskünfte und Nachweise könne keine Prüfung der Ansprüche aus dem Forderungsübergang erfolgen.

Mit der am 05.10.2009 zum Sozialgericht Halle erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und trägt ergänzend vor, dass es dem Beklagten an einer Rechtsgrundlage dafür fehle, von ihm mittels Verwaltungsakt Auskünfte und Unterlagen zu anderen Personen sowie zu den einzelnen erfragten Belastungen zu erlangen. Bei einer Vielzahl der geforderten Angaben bestehe keine Verpflichtung zur Auskunftserteilung. Der Verwaltungsakt sei daher insgesamt aufzuheben.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 10.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.09.2009 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren und führt ergänzend aus, dass der Kläger jedenfalls zur Auskunft zu seinen eigenen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen verpflichtet sei.

Das Gericht hat von dem Beklagten einen Vordruck zu dem Auskunftsersuchen beigezogen. Der Kläger hat hierzu erklärt, dass ihm ein solcher Vordruck zugegangen sei. Wegen des Inhalts des Vordrucks wird auf Blatt 41 bis 43 der Gerichtsakte verwiesen.

Die Verwaltungsakte des Beklagten hat vorgelegen und ist Gegenstand des Verfahrens gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 10.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.09.2009 ist rechtswidrig und beschwert den Kläger im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn er ist dem Beklagten nicht in dem geforderten Umfang zur Auskunft verpflichtet.

Rechtsgrundlage des vom Beklagten geltend gemachten Auskunftsverlangens ist hier § 60 Abs. 2 SGB II, das durch einen Verwaltungsakt festgesetzt wird. Das Schreiben des Beklagten vom 10.07.2009 enthält darüber hinaus das zivilrechtliche Auskunftsverlangen nach § 33 SGB II. Dies ist jedoch nicht Gegenstand des Rechtsstreites, da der Beklagte dieses Auskunftsverlangen auf dem Zivilrechtsweg durchsetzen müsste.

Nach § 60 Abs. 2 SGB II hat derjenige, der einem Antragsteller oder Leistungsbezieher nach dem SGB II zu Leistungen verpflichtet ist, die geeignet sind, Leistungen nach dem SGB II auszuschließen oder zu mindern, auf Verlangen hierüber sowie über damit in Zusammenhang stehendes Einkommen oder Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach dem SGB II erforderlich ist. Der Kläger ist gegenüber seinem Kind, das von dem Beklagten Leistungen nach dem SGB II bezieht, zur Unterhaltszahlung verpflichtet. Diese Unterhaltszahlungen mindern die entsprechenden Leistungsansprüche des Kindes gegenüber dem Beklagten, so dass eine öffentlich-rechtliche eine Auskunftsverpflichtung des Klägers gegenüber dem Beklagten besteht.

Diese Auskunftsverpflichtung wird auch nicht durch § 60 Abs. 1 SGB II ausgeschlossen, denn Sinn und Zweck der Auskunftserteilung nach § 60 Abs. 2 SGB II ist es gerade, den genauen Umfang der Leistungsansprüche zu ermitteln, die die Bedürftigkeit der Leistungsbezieher beeinflussen. § 60 Abs. 1 SGB II bezieht sich auf tatsächlich gezahlte Leistungen, wohingegen § 60 Abs. 2 SGB II auf die Ermittlung geschuldeter Leistungen gerichtet ist (vgl. Schoch in Münder, SGB II, 4. Auflage, § 60 Rdnr. 20). Die tatsächliche Unterhaltszahlung schließt daher nicht den Auskunftsanspruch des Beklagten aus, da mit der Auskunft seitens des Klägers geprüft werden soll, in welchem Umfang tatsächlich der Leistungsanspruch des Kindes gegenüber dem Beklagten beeinflusst werden kann. Würde die tatsächliche Unterhaltszahlung des Klägers den Auskunftsanspruch des Beklagten ausschließen, könnte er zu Lasten des Beklagten eine Unterhaltsvereinbarung mit seinem Kind abschließen, die zu einer nicht gerechtfertigten Leistungshöhe nach dem SGB II führen könnte. § 60 Abs. 2 SGB II will daher sicherstellen, dass eine an den tatsächlichen Verhältnissen orientierte Feststellung der möglichen Unterhaltsansprüche der Leistungsbezieher ermittelt werden kann.

Die in den dem Bescheid vom 10.07.2009 beigefügten Fragebogen genannten Angaben sind teilweise nach § 60 Abs. 2 S. 1 SGB II zur Durchführung der Aufgaben nach dem SGB II erforderlich. Dies gilt zunächst für die Angaben zu den Einkünften des Klägers, da diese die Grundlage der Feststellung seiner Leistungsfähigkeit im Sinne des Unterhaltsrechts darstellen. Die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit wird ferner durch berücksichtigungsfähige Belastungen bestimmt, die die Unterhaltsverpflichtung entsprechend mindern. Hierzu gehören zum Beispiel Werbungskosten, Versicherungsbeiträge oder auch die Kosten der Unterkunft. In diesem Sinne entsprach es der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu dem Auskunftsverlangen nach § 116 BSHG, dass der Auskunftsverpflichtete hierzu Angaben machen muss (vgl. Urteil vom 17.06.1993, Aktenzeichen 5 C 43/90 – Juris).

Nicht von der Rechtsgrunde in § 60 Abs. 2 SGB II gedeckt ist das Auskunftsverlangen des Beklagten hinsichtlich der Angaben zu einem eventuellen Ehegatten oder Lebenspartner, denn diese Person ist in § 60 Abs. 2 S. 1 SGB II nicht genannt. Die Auskunftsverpflichtung nach dieser Vorschrift bezieht sich ausdrücklich nur auf diejenige Person, die einem Leistungsbezieher bzw. Antragsteller seinerseits zu Leistungen verpflichtet ist. Dadurch, dass der Kläger seinem Kind zum Unterhalt verpflichtet ist, erwächst keine Auskunftsverpflichtung seinerseits hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu anderen Personen, mit denen er eventuell zusammenlebt oder diesen zur Unterhaltszahlung verpflichtet sein könnte. Auch aus § 1605 BGB ergibt sich keine derartige Verpflichtung des Klägers, da ein eventueller Ehegatte oder Lebenspartner von ihm nicht mit seinem Sohn in gerader Linie verwandt ist. Die zivilrechtliche Auskunftspflicht erstreckt sich nach dem Wortlaut von § 1605 Abs. 1 BGB eben auch nur auf den Kläger selber als unterhaltsverpflichtete Person.

Dem Auskunftsverlangen des Beklagten, wie er es konkret gegenüber dem Kläger geltend gemacht hat, fehlt es ferner an einer Ermächtigung zur Verpflichtung des Ehegatten bzw. Lebenspartners zur Unterschriftsleistung. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass zu diesem Personenkreis keine Angaben gemacht werden müssen. Umso weniger ist dieser Personenkreis verpflichtet, irgendwelche Angaben mit einer Unterschrift zu bestätigen.

Mit dem Beklagten ist das Gericht der Ansicht, dass der Kläger Auskunft zu seinen finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnissen machen muss, da sich diese Verpflichtung aus § 60 Abs. 2 SGB II ergibt. Der Bescheid des Beklagten vom 10.07.2009 ist dennoch insgesamt rechtswidrig und aufzuheben, da die bereits dargestellte Teilrechtswidrigkeit den gesamten Verwaltungsakt erfasst. Bei dieser Frage ist von der Wertung des § 40 Abs. 4 SGB X auszugehen (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.06.1993, 5 C 43/90, - Juris; Urteil des Bundessozialgerichts vom 26.10.1989, 9 RV 7/89, SozR 3100 § 81 c Nr. 1). Der Bescheid vom 10.07.2009 sollte nämlich den Kläger verpflichten, das Einkommen eines nicht getrennt lebenden Ehepartners bzw. Lebenspartners nachzuweisen. Ferner ergibt sich für ihn aus dem konkreten Fragebogen der Eindruck, dass sämtliche Angaben gemacht und mit seiner Unterschrift sowie der Unterschrift der weiteren Person (Ehegatte bzw. Lebenspartner) bestätigt werden müssen. In der Zusammenschau von Bescheid und Fragebogen entsteht ferner der Eindruck, dass zu sämtlichen Angaben Unterlagen vorgelegt werden müssen, da ansonsten Zwangsmittel eingeleitet werden. Der Teil des Fragebogens, für den rechtlich keine Auskunftsverpflichtung des Klägers besteht, ist auch nicht so unbedeutend, unabhängig davon, ob dies für den Kläger überhaupt erkennbar wäre, dass von einer zu vernachlässigenden Größe gesprochen werden könnte. Aus der Sicht des Klägers stellt sich das Verlangen des Beklagten als die Geltendmachung eines einheitlichen Auskunftsanspruches dar, ohne dass für ihn erkennbar wäre, für welche konkreten Angaben tatsächlich eine Verpflichtung besteht und für welche nicht. Damit erfasst die Teilrechtswidrigkeit des Bescheides vom 10.07.2009 den gesamten Bescheid, so dass dieser insgesamt aufzuheben ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO. Der Kläger gehört nicht zum Personenkreis des § 183 SGG, da er das Verfahren nicht als Versicherter oder Leistungsempfänger betreibt.

Der Streitwert war nach § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,00 EUR festzusetzen, da der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwertes keinen genügenden Anhaltspunkt bietet. Eine Festsetzung auf die Hälfte dieses "Regelstreitwertes" ist nach Ansicht des Gerichts nicht gerechtfertigt, da es sich um ein eigenständiges Auskunftsverfahren handelt, das nur mittelbar der Vorbereitung eines möglichen weiteren Verfahrens dient. Das Auskunftsverlangen nach § 60 Abs. 2 SGB II dient dem Beklagten dazu, eine mögliche Reduzierung des Hilfebedarfes seiner Leistungsbezieher rechnerisch ermitteln zu können, ohne dass damit direkt eine höhere Unterhaltszahlung durch den Kläger verbunden wäre. Aus der Erteilung der Auskunft nach § 60 Abs. 2 SGB II folgt nämlich nicht unmittelbar eine Verpflichtung zur Zahlung eines geänderten Unterhaltsbetrages, so dass der Gedanke der unmittelbaren Auswirkung auf ein Folgeverfahren hier nicht zur Anwendung zu bringen ist. Daher ist es gerechtfertigt, von dem "Regelstreitwert" in Höhe von 5.000,00 EUR auszugehen.
Rechtskraft
Aus
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