L 13 R 251/11

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 549/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 251/11
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 12. November 2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1970 geborene Kläger hat nach seinen eigenen Angaben von August 1985 bis August 1988 eine Ausbildung zum Raumausstatter absolviert, diese jedoch nicht erfolgreich abgeschlossen. Ab September 1988 war er als Produktionsmitarbeiter, Versandarbeiter und Lagerist versicherungspflichtig beschäftigt, seit Mai 2008 ist der Kläger arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.

Der Kläger begehrte mit Antrag vom 30. Januar 2009 Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Zur Begründung verwies er auf Knorpelschäden im linken Knie und Kreuzbeschwerden. Die Beklagte zog ein sozialmedizinisches Gutachten des MDK Bayern vom 15. Januar 2009 bei, in dem eine Arbeitsunfähigkeit auf Zeit bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit festgestellt wurde. Diesen Feststellungen lagen als Diagnosen eine schwere depressive Episode sowie eine bipolare affektive Störung zu Grunde.

Die Beklagte holte ein Gutachten von Dr. P. vom 5. März 2009 ein. Dieser diagnostizierte beim Kläger eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit ängstlichen, selbstunsicheren, dependenten und rigiden Zügen, lumbale Kreuzschmerzen, Knieschmerzen links bei bekanntem Knorpelschaden der Kniescheibe, eine arterielle Hypertonie, einen Reizmagen sowie eine Hyperurikämie. Der Kläger sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeits-markt sechs Stunden und mehr mittelschwere Tätigkeiten zu verrichten. Der Antrag wurde daraufhin mit angefochtenem Bescheid vom 18. März 2009 abgelehnt.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, seine gesundheitlichen Einbußen seien nicht angemessen berücksichtigt worden. Der Widerspruch wurde daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2009 zurückgewiesen.

Zur Begründung der hiergegen zum Sozialgericht Landshut (SG) erhobenen Klage hat der Kläger den Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und eine ärztliche Bescheinigung der medizinischen Einrichtungen des Bezirks O. GmbH vorgelegt, wonach es dem Kläger aus psychiatrischer Sicht nicht mehr möglich sei, seinen jetzigen Beruf als Lagerist und Versandmitarbeiter auszuüben.

Das SG hat Befundberichte des Orthopäden Dr. R., des Allgemeinmediziners Dr. C., der Diplom-Psychologin M., medizinische Unterlagen der A. Betriebskrankenkasse sowie die Schwerbehindertenakten beim Versorgungsamt Landshut beigezogen und zunächst gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beweis erhoben durch ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. Dr. W ...

Dr. Dr. W. hat in seinem Terminsgutachten vom 13. November 2009 einen Verdacht auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit überwiegend ängstlich-selbstunsicheren Zügen und neurasthenischer Selbstwahrnehmung und wirbelsäulenabhängige Beschwerden ohne Nervenwurzelreizerscheinungen festgestellt. Der Kläger könne noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Umstellungs- und Wegefähigkeit seien nicht eingeschränkt.

Nach Beiziehung weiterer orthopädischer Befundberichte von Dr. R. hat das SG auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG ein nervenärztliches Gutachten von Dr. D. vom 18. Juni 2010 eingeholt. Dieser hat beim Kläger eine ängstlich vermeidende Persönlichkeitsstörung von erheblichem Krankheitswert sowie eine soziale Phobie festgestellt. Der Kläger könne seit Mai 2008 nur noch unter drei Stunden täglich Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten.

Nachdem sich die Beklagte nicht den Ausführungen von Dr. D. angeschlossen hatte, hat das SG eine ergänzende Stellungnahme von Dr. Dr. W. zum Gutachten von Dr. D. vom 8. Oktober 2010 eingeholt. Hierin hält der Sachverständige an seiner Leistungseinschätzung fest. Der Kläger hat daraufhin Stellungnahmen der behandelnden Ärzte Dr. R., Dr. D. (Medizinische Einrichtungen des Bezirks O. GmbH) und Dr. E. übersandt, in denen der medizinischen Leistungseinschätzung von Dr. D. beigetreten wird.

Mit Urteil vom 12. November 2010 hat das SG die Klage unter Berufung auf das Gutachten von Dr. Dr. W. abgewiesen. Die Leistungseinschätzung von Dr. D. sei nicht überzeugend. Sie beruhe ausschließlich auf subjektiven Angaben des Klägers. Die therapeutischen Möglichkeiten seien noch in keinster Weise ausgeschöpft.

Mit der hiergegen zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegten Berufung hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Es lägen ausgeprägte Störungen auf psychischem Gebiet vor. Dr. D. habe seine Leistungseinschätzung aus einer gründlichen Analyse des derzeitigen Zustandes, vor allem des familiären Abhängigkeitsverhältnisses und aus verhaltenstherapeutischen Beobachtungen abgeleitet. Er habe nach objektiven Maßstäben dargelegt, dass der Kläger infolge der festgestellten Regressionstendenz und der ausgeprägten Ängste nicht in der Lage sei, sich in einem Arbeitsprozess mit einiger zeitlicher Intensität zurechtzufinden.

Der Senat hat Befundberichte des Neurologen Dr. E., des Allgemeinarztes Dr. C. und der medizinischen Einrichtungen des Bezirks O. GmbH eingeholt und gemäß § 106 SGG Beweis erhoben durch ein nervenärztliches Gutachten von Dr. B. vom 11. Januar 2012. Dr. B. hat beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:
1. Angststörung mit phobischer Prägung, Soziophobie
2. Dysthymia wechselnder Ausprägung auf der Grundlage einer
3. narzisstischen Persönlichkeitsstörung mit hochgradiger Selbstunsicherheit, einem äußerst fragilen Selbstwertempfinden und einer hochgradigen Dependenz.

Der Kläger sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mittelschwere Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen im Freien und in geschlossenen Räumen vollschichtig auszuüben. Tätigkeiten unter Zeitdruck, in einem hektischen Arbeitsumfeld sowie Nachtschichttätigkeiten sollten dem Kläger nicht zugemutet werden. Die Umstellungsfähigkeit des Klägers sei nicht grundsätzlich eingeschränkt. Die Durchführung stationärer Heilmaßnahmen sei sinnvoll.

In seiner Stellungnahme hierzu hat der Kläger ausgeführt, dass die behandelnde Ärztin Dr. D. (Medizinische Einrichtungen des Bezirks O. GmbH) der Auffassung sei, die ambulante Behandlung sei die einzig geeignete Form der Behandlung. Eine nennenswerte Erwerbsfähigkeit liege jedoch nicht vor. Das Gutachten von Dr. B. erfasse zwar die Persönlichkeitsstrukturen und den gesundheitlichen Zustand des Klägers zutreffend, erkenne aber nicht, dass dieser nicht zu einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit in einem zeitlich relevanten Ausmaß in der Lage sei. Auch seine Mutter könne bestätigen, dass er nicht in der Lage sei, Tätigkeiten im Haushalt, die einen gewissen Aufwand erfordern, für eine längere Zeit durchzuhalten. Auch einfach strukturierte Tätigkeiten wie das Rasenmähen müsse er spätestens nach 1 Stunde aufgeben, weil er dann kraft- und antriebslos sei. Zum Beweis hierfür wurde die Mutter als Zeugin benannt. Das einzig realistische Gutachten sei das von Dr. D ... Ein weiteres Kurzattest von Dr. D. wurde vorgelegt, wonach der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht erwerbsfähig sei.

Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 12. November 2010 und des Bescheids der Beklagten vom 18. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Mai 2009 zu verurteilen, dem Kläger antragsgemäß Rente wegen Erwerbsminderung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Akten des SG sowie der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.



Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 18. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Mai 2009 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI oder Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI zu. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß §§ 43 Abs. 1, 240 Abs. 1, 2 SGB VI scheidet von vornherein aus, da der Kläger nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist.

Gemäß § 43 Abs. 1, 2 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs bzw. drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem SG und dem LSG steht für den erkennenden Senat fest, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers zwar qualitativ hinsichtlich der Art und Schwere der noch möglichen Tätigkeiten gemindert ist, ohne dass die qualitativen Leistungseinschränkungen jedoch einen rentenerheblichen Umfang angenommen hätten. Eine quantitative Leistungseinschränkung liegt nicht vor. Der Kläger kann noch 6 Stunden täglich und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte und mittelschwere Arbeiten verrichten.

Beim Kläger stehen die Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Fachgebiet im Vordergrund. Bei der Untersuchung durch Dr. Dr. W. ergab die neurologische Prüfung keine wesentlichen Auffälligkeiten. Das Reflexverhalten war mittellebhaft, die Motorik an den oberen und unteren Extremitäten unauffällig, sensible Defizite lagen nicht vor. Beim Kläger zeigten sich ein Schulter- und Beckengeradstand. An der Wirbelsäule lagen kein kausaler Druckschmerz und kein Vorschub über den Iliosakralgelenken vor. In psychischer Hinsicht war der Kläger formal völlig geordnet. Die Stimmung war unfroh, aber auslenkbar. Die Psychomotorik war gänzlich unauffällig. Ein schmerzgebundenes Vermeidungsverhalten konnte der Sachverständige nicht feststellen. Im Vordergrund stand eine neurasthenische Selbstwahrnehmung im Sinne einer angegebenen vollständigen Unbelastbarkeit und einer erheblichen Selbstunsicherheit. Dr. Dr. W. hat daraus auch für den Senat überzeugend abgeleitet, dass eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens des Klägers für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei dieser Befundlage nicht zu begründen ist.

Auch bei der Untersuchung durch Dr. D. ergab die neurologische Untersuchung keine Auffälligkeiten. Insbesondere war das Gangbild des Klägers flüssig ohne Schmerzhinken. Die Muskeleigenreflexe waren seitengleich mittellebhaft auslösbar bei ungestörter Sensibilität. Das Zeichen nach Laségue war beidseits negativ. Hinweise für radikuläre Reizerscheinungen oder Ausfälle zeigten sich nicht.

In psychischer Hinsicht war der Kläger auch hier wach, bewusstseinsklar und allseits orientiert. Der Intelligenzquotient lag im durchschnittlichen Bereich. Die Stimmungslage wurde als gedrückt beschrieben, die Affektmodulation zeigte sich demgegenüber als nur unwesentlich beeinträchtigt. Die affektive Auslenkbarkeit war nicht eingeschränkt, der Kläger trug mit Elan und dynamisch vor. Depressive Verstimmungen ließen sich nur eingeschränkt feststellen. Hinweise für maniforme oder manische Zustände gibt es nach den Feststellungen von Dr. D. ebenfalls nicht. Die Annahme einer bipolaren Störung sei daher nicht gerechtfertigt. Dr. D. hat bei seiner Leistungsbeurteilung vielmehr das von ihm diagnostizierte sozial-phobische und ängstlich-abhängige Syndrom in den Vordergrund gerückt. Der Kläger zeige ängstlich, selbstunsichere Züge, Insuffizienzgefühle mit deutlichem Rückzug und Regression. Es bestehe offensichtlich eine deutliche Dependenz zur Mutter, von der er praktisch in allen Bereichen versorgt werde. Die massive Selbstunsicherheit stehe einem Anpassungs- und Umstellungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erheblich im Wege. Aufgrund dieser schweren Persönlichkeitsstörung und der damit verbundenen Ängste könne der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht wieder Fuß fassen. Daraus resultiere ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich.

Dieser Leistungsbeurteilung hat bereits Dr. Dr. W. in seiner ergänzenden Stellungnahme überzeugend widersprochen und darauf hingewiesen, dass die behaupteten Leistungseinschränkungen ausschließlich auf den subjektiven Angaben des Klägers beruhten und darüber hinaus die therapeutischen Möglichkeiten in keiner Weise ausgeschöpft seien.

Diese Einschätzung von Dr. Dr. W. wurde von Dr. B. eindrucksvoll bestätigt. Dr. B. stellte fest, dass der Kläger bei seiner Untersuchung in einem guten Allgemeinzustand bei einem überreichen Ernährungszustand war. Das Gangbild des Klägers war ungestört, allenfalls aufgrund des massiven Übergewichts etwas schwerfällig. Die Beugefähigkeit der Wirbelsäule des Klägers ist nach den Feststellungen von Dr. B. gut ausgeprägt. Das An- und Auskleiden gelangen dem Kläger zügig, die Funktionsgriffe (Nacken- und Schürzengriff) mühelos. Muskeltonus, Motorik und Reflexverhalten waren auch bei der Untersuchung durch Dr. B. unauffällig, die Koordination und Sensibilität ungestört. In psychischer Hinsicht war der Kläger bewusstseinsklar und orientiert, im Kontakt freundlich und zugewandt. Innerlich wirkte er etwas angespannt und psychomotorisch etwas unruhig. Während der gesamten Untersuchungszeit war er in einer ausgeglichenen Grundstimmung. Affektive Schwingungsfähigkeit, Antrieb, Reagibilität, Kognition und Gedächtnisleistungen waren ungestört. Das Abstraktionsvermögen war gut ausgeprägt. Auch Dr. B. konnte keine Indizien für eine bipolare Störung finden. Eine depressive Verstimmung im engeren Sinne konnte er ebenfalls nicht objektivieren, sondern nur eine ausgeprägte Ängstlichkeit vor dem Hintergrund einer hochgradig narzisstisch gestörten, dependenten Primärpersönlichkeit. Die beim Kläger vorliegende Asthenie komme in seiner Vorstellung zum Ausdruck, bereits durch geringste Anforderungen an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit zu gelangen. Seine soziale Phobie zeige sich etwa dadurch, dass er trotz seines vorgerückten Alters niemals sein Elternhaus für längere Zeit verlassen habe und seine außerordentlichen Ängste in Bezug auf einen Kontakt zum anderen Geschlecht.

Dr. B. hat ferner darauf hingewiesen, dass der Kläger noch einen relativ ausgefüllten Tagesablauf auch mit sozialen Kontakten zu verschiedenen Freundeskreisen aufweise. Der Kläger zeigt eine gewisse Mobilität, macht Spaziergänge, benutzt sein Auto für diverse Erledigungen (Einkäufe, Arztbesuche). Er ist auch noch in der Lage, die seelischen Hemmungen, die der Aufnahme einer Arbeitstätigkeit entgegenstehen, unter Anspannung aller verfügbaren Mittel des Willens aus eigener Kraft bzw. unter ärztlicher Mithilfe zu überwinden. Aus dieser Befundlage hat der Sachverständige Dr. B. für den Senat nachvollziehbar abgeleitet, dass eine quantitative Einschränkung der Leistungsfähigkeit nicht begründbar ist.

Die hiergegen erhobenen Einwendungen des Klägers im Schreiben vom 1. März 2012 können den Senat nicht überzeugen. Die Feststellungen von Dr. B. in Bezug auf die Persönlichkeitsstruktur und den gesundheitlichen Zustand des Klägers werden hierin nicht in Frage gestellt, sondern vielmehr nur die gutachterliche Bewertung, dass hieraus keine Erwerbsminderung resultiere. Wieso der Kläger angesichts der von Dr. B. ausführlich dargelegten Befundlage aber nicht mehr in der Lage sein soll, mindestens sechs Stunden täglich Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten, lässt sich dieser Stellungnahme nicht entnehmen. Dies gilt gleichermaßen auch für das beigefügte Kurzattest der behandelnden Neurologin und Psychiaterin Dr. D. von den Medizinischen Einrichtungen des Bezirks O. GmbH. Auch hier wird nur ohne weitere Begründung behauptet, der Kläger sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht erwerbsfähig.

Der Kläger ist nach der Überzeugung des Senats damit noch in der Lage, mindestens sechs Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte und sogar mittelschwere Arbeiten zu verrichten. Zu einer weiteren Beweiserhebung über das Leistungsvermögen des Klägers in Form der Einvernahme der Mutter des Klägers als Zeugin fühlt sich der Senat nicht gedrängt. Die unter Beweis gestellte Behauptung, Tätigkeiten im Haushalt nicht lange durchhalten zu können, wurde vom Kläger bereits bei Dr. B. vorgetragen und von diesem in seinem Gutachten gewürdigt.

Trotz dieses festgestellten Leistungsvermögens des Klägers von sechs Stunden und mehr für leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wäre ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung dann gegeben, wenn bei ihm eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegen würde und dem Kläger keine Tätigkeit benannt werden könnte, die er trotz der qualitativen Leistungseinschränkungen noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Angesichts eines Leistungsvermögens noch für mittelschwere Arbeiten, die im Gehen, Stehen und Sitzen vollschichtig verrichtet werden können und nur einer geringen Anzahl von gewöhnlichen qualitativen Leistungseinschränkungen, scheidet die Annahme einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen sicher aus.

Damit hat der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) beruht auf der Erwägung, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.

Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved