L 5 R 280/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 3520/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 280/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30.11.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Erwerbsminderungsrente.

Die 1953 in M. geborene Klägerin ist im Jahr 1972 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Sie hat keine Berufsausbildung und war zuletzt als Reinigungskraft tätig. Im Jahr 2007 erlitt sie während eines Urlaubsaufenthaltes in B. einen Verkehrsunfall, bei dem sie sich eine Fraktur der Brustwirbelsäule zuzog. Seit dem 20.08.2007 ist sie arbeitsunfähig erkrankt.

In der Zeit vom 13.03.2008 bis zum 02.04.2008 befand sie sich zu einer stationären medizinischen Rehabilitation in der Reha-Klinik B ... Im Entlassungsbericht vom 14.04.2008 sind folgende Diagnosen genannt: 1. Verdacht auf somatisierte Depression mit Angststörung, entgleist. 2. Chronisches, unbeeinflussbares Schmerzsyndrom des Bewegungsapparates. 3. Chronisches Wirbelsäulensyndrom bei Wirbelsäulenfehlstatik, leichte bis mäßiggradi-ge degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule und Lendenwirbelsäule. 4. Gonalgien links bei mäßiggradiger Varusgonarthrose links und Innenmeniskopathie. 5. Schädlicher Gebrauch von Sedativa/Benzodiazepinanaloga. Die Klägerin sei sowohl für ihre letzte Tätigkeit als Reinigungskraft als auch für eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für mehr als sechs Stunden täglich leistungsfähig.

Am 30.09.2008 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte holte ein mehrfachärztliches Gutachten auf den Fachgebieten der Neurologie und Psychiatrie, Chirurgie und Orthopädie, sowie auf internistischem Fachgebiet ein.

Das nervenfachärztliche Zusatzgutachten wurde von Dr. Sch. am 12.02.2009 erstellt. In seinem Gutachten diagnostizierte Dr. Sch. eine Dysthymia mit Somatisierungstendenzen in regressiver Entwicklung. Im neurologischen Untersuchungsbefund hätten sich keine signifikant neurologischen Ausfälle gezeigt. Der psychopathologische Befund sei vereinbar mit einer Dysthymia. Es bestünden gewisse Somatisierungstendenzen. Die Klägerin zeige ein regressives Verhalten auch mit einem sekundären Krankheitsgewinn. Es habe sich keine signifikante Antriebsminderung oder gar psychomotorische Hemmung gezeigt. Für eine posttraumatische Belastungsstörung hätten sich keine Hinweise ergeben. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht könne die Klägerin leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten in verschiedenen Arbeitshaltungen in Tagesschicht oder Früh-/Spätschicht verrichten. Nachtschichtarbeit sei nicht leidensgerecht.

Das chirurgisch-orthopädische Zusatzgutachten wurde von Dr. Sch. aufgrund seiner ambulanten Untersuchung der Klägerin am 12.02.2009 erstellt. In seinem Gutachten gelangte Dr. Sch. zu den Diagnosen: 1. Hohlrunder Rücken, 2. in geringer Deformierung abgeheilte Frakturen des 11. und 12. Brustwirbelkörpers, 3. leichte degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule, 4. Gonarthrose links, 5. Osteoporose. Diesen Befunden nach könne die Klägerin schwere körperliche Arbeiten, in längeren Zwangshaltungen des Kopfes und Rumpfes, mit Stauchungen und Vibrationen der Wirbelsäule, mit Steigen auf Gerüsten und hohe Leitern, mit Heben und Tragen von Lasten, die etwa 12 kg überschreiten, sowie mit überwiegenden und längeren Steh- und besonders Gehbelastungen nicht mehr ausführen. Dagegen bestünden keine gesundheitlichen Bedenken gegen leichte und teilweise mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, die überwiegend im Sitzen oder in wechselnden Körperhaltungen ausgeführt werden könnten. Eine Tätigkeit als Reinemachefrau sei dagegen nur noch unter drei Stunden ausführbar. Die Wegefähigkeit sei unter Einschränkung auf etwa 1200 m gegeben.

In seinem abschließenden Gutachten vom 09.03.2009 gelangte der Internist L. unter Zugrundelegung der Zusatzgutachten auf nervenfachärztlichem sowie orthopädischem Fachgebiet zu folgenden Diagnosen: 1. Dysthymie mit Somatisierungstendenzen und regressiver Entwicklung 2. Belastungsminderung der Rumpfwirbelsäule durch Osteoporose, Rundrückenbildung bei abgelaufenen Frakturen des 11. und 12. Brustwirbelkörpers 3. Bekannte Schwachsichtigkeit auf dem linken Auge 4. Angabe einer hochgradigen Hörminderung, unauffällige Kommunikation im Gespräch 5. Degeneratives Lendenwirbelsäulensyndrom ohne neurologische Ausfälle Auf internistischem Gebiet habe die Klägerin keine Vorerkrankungen aufzuweisen und biete bei der klinischen Untersuchung einen ordentlichen Gesamtzustand, ein mäßiges Körperübergewicht und eine im wesentlichen unauffällige Organuntersuchung. Zusammenfassend seien die angegebenen Klagen nicht in voller Höhe zu objektivieren gewesen. Weder für sich genommen noch zusammenfassend sei eine quantitative Leistungsminderung zu begründen. Sie könne leichte bis beginnend mittelschwere Arbeiten über sechsstündig verrichten ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule, ohne häufiges Bücken, Knien, Hocken, Klettern oder Steigen, ohne übertriebene Ansprüche auf Konzentration und Verantwortung, ohne Zeitdruck und ohne Nachtschicht. Die frühere Tätigkeit als Putzfrau sei aus orthopädischer Sicht nicht mehr zumutbar.

Mit Bescheid vom 18.03.2009 wurde der Rentenantrag abgelehnt. Der hiergegen am 02.04.2009 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 04.08.2009 zurückgewiesen.

Am 13.08.2009 erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Karlsruhe. Zur Begründung machte sie geltend, die Agentur für Arbeit N. habe in einer sozialmedizinischen Stellungnahme festgestellt, dass sie für länger als sechs Monate täglich weniger als drei Stunden leistungsfähig sei. Mit Bescheid vom 29.08.2008 sei überdies ein Grad der Behinderung von 50 seit dem 01.08.2007 festgestellt worden. Aufgrund ihres Alters sei der Arbeitsmarkt als verschlossen anzusehen. Im Übrigen würden schwere spezifische Leistungseinschränkungen vorliegen.

Das Sozialgericht befragte die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen. Der Neurologe und Psychiater Dr. P. gab in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 06.03.2010 unter anderem an, die Klägerin leide an einer Dysthymia nach Tranquilizer Missbrauch. Die Klägerin habe ihre Beschwerden mit markanter, Schmerz ausstrahlender Mimik demonstriert und nicht ohne Dramatik vorgejammert. Sie könne auch leichte Tätigkeiten nur noch für unter drei Stunden arbeitstäglich ausüben. Auf psychologischem Fachgebiet wurde der behandelnde Psychologe A. angehört. Er teilte in seiner Stellungnahme vom 15.03.2010 mit, die Klägerin leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung (F 43.1), einer Panikstörung (F41.0) und einer mittelgradigen depressiven Episode mit somatischem Syndrom (F 32.11). Im Grunde handele es sich um eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung mit Gefahr einer psychischen Dekompensation. Sie sei nur noch unter drei Stunden arbeitstäglich leistungsfähig.

Der behandelnde Hals-, Nasen-, Ohrenarzt Dr. O. gab in seiner Stellungnahme vom 08.03.2010 als Diagnosen chron. Tinnitus aurium, Innenohrschwerhörigkeit sowie Taubheit links an. Die Klägerin habe nur ein funktionierendes Ohr rechts mit einem Hörverlust von ca. 30 dB. Ob eine stressbelastende Tätigkeit zur weiteren Hörverschlechterung bzw. zu einem verstärkten Tinnitus aurium rechts führen könne, sollte ggf. mit neuropsychologischen Gutachten geklärt werden. Schließlich wurde der Hausarzt der Klägerin Dr. H. angehört (sachverständige Zeugenaussage vom 26.03.2010). Er teilte mit, bei der Klägerin bestünden multiple somatoforme Störungen und eine posttraumatische Belastungsreaktion nach einem Autounfall mit BWK-12-Fraktur. In diesem Bereich scheine ein chronisch unbeeinflussbares Schmerzsyndrom des Bewegungsapparates im Bereich der Brustwirbelsäule zu bestehen. Darüber hinaus habe sich eine somatisierte Depression mit Angststörungen entwickelt. Eine deutliche Besserung bzw. Veränderung sei in den letzten Monaten/Jahren nicht zu erkennen gewesen. Aufgrund der Beschwerden an der Brustwirbelsäule sei eine Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden täglich gegeben. Im Vordergrund stehe aber die psychiatrische Erkrankung. Eine daraus resultierende Leistungseinschränkung sei gutachterlich festzustellen.

In der Zeit vom 31.03.2010 bis zum 27.05.2010 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung im ZfP des Klinikums N ... Im Entlassbericht vom 09.06.2010 wird als Diagnose eine schwere depressive Episode und eine undifferenzierte Somatisierungsstörung angegeben. Auslösend für die bestehende depressive Symptomatik sowie die massive Schmerzsymptomatik mit Ängsten sei eine Summierung verschiedener Belastungsfaktoren im sozialen Umfeld. Insbesondere wurde über einen massiven Ehekonflikt berichtet. Aufgrund der durchgeführten Behandlung habe sich die psychiatrische Problematik befriedigend zurückgebildet, Belastungserprobungen im häuslichen Rahmen seien zunehmend erfolgreich verlaufen. Eine ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Weiterbehandlung wurde empfohlen.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts holte das Sozialgericht von Amts wegen ein Gutachten bei Dr. N. auf dem Fachgebiet der Neurologie und Psychiatrie ein. In seinem Gutachten vom 20.08.2010 diagnostizierte Dr. N. 1. Mittelgradige depressive Episode im F 33.1 Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung mit Somatisierung 2. Dysthymia F 34.1 3. BWK-Fraktur 10/11 2007 S 22.00 4. Visusminderung links H 53.8 5. Hörminderung links H 91.9 Aktuell liege zwar eine stärker ausgeprägte depressive Störung mit Somatisierung vor, zudem werde auch ein Vermeidungsverhalten beschrieben, das aber nicht durchgehend vorhanden sei, wenn man den Entlassungsbericht der Klinik N. berücksichtige, in dem eine Besserung beschrieben werde. Insofern sei auch von einer teilweisen Überwindbarkeit der Beschwerden auszugehen, wenn man die eher bewusstseinsnahen Verdeutlichungstendenzen berücksichtige. Vor diesem Hintergrund ließen sich quantitative Leistungsbeschränkungen nicht plausibel begründen. Leichte körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis zehn Kilogramm in abwechslungsreicher und vorwiegend sitzender Körperhaltung unter Vermeidung der oben genannten qualitativen Einschränkungen seien sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zumutbar, etwa Zureich-, Abnehm- Sortier- oder Etikettierungsarbeiten ohne Zeitdruck und Stressbelastung. Die Tätigkeit einer Reinigungskraft entspreche nicht dem positiven Leistungsbild, da die Klägerin durch die körperlichen Schmerzen doch stärker eingeschränkt sei.

Mit Urteil vom 30.11.2010 wies das Sozialgericht die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI. Es bestehe auch kein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit im Sinne von § 240 SGB VI. Gestützt auf das von Amts wegen eingeholte neurologisch-psychiatrische Gutachten von Dr. N. vom 20.08.2010 stellte das Sozialgericht fest, dass die Klägerin weder teilweise erwerbsgemindert und noch voll erwerbsgemindert sei, da sie unter Beachtung qualitativer Einschränkungen, in der Lage sei, leichte Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Das Sozialgericht machte sich die Feststellungen des Gutachters zu eigen. Bei der Klägerin stehe im Vordergrund zum einen ein anhaltendes Schmerzerleben und ein depressives Syndrom, das nach Angaben der Klägerin seit 2007 aus einem Unfall resultiere. Das depressive Syndrom sei dabei durch Störungen der Affektivität, des Antriebs, des Denkens und der Kommunikation sowie des Vegetativums gekennzeichnet, wobei nach ICD-10 Kriterien eine mittelgradige depressive Episode bestehe. Diese bilde sich durchgängig im Rahmen der psychischen Befunderhebung ab, wobei die Klägerin sehr antriebsarm, depressiv herab gestimmt und resignativ gewirkt habe. Neben der depressiven Störung habe sich zudem ein chronisches Schmerzsyndrom entwickelt, das primär von der Brustwirbelkörperfraktur ihren Ausgang genommen habe, mittlerweile chronifiziert sei und im Zusammenhang mit der depressiven Störung stehe. So sei nach den AWMF Leitlinien für die Begutachtung von Patienten mit chronischen Schmerzen von einer Komorbidität auszugehen. Die körperlichen Beschwerden würden im Rahmen der mittlerweile chronifizierten Depression verstärkt wahrgenommen. Insgesamt hätten sich deutliche Hinweise ergeben, dass hier auch vornehmlich reaktive Elemente im Rahmen eines erheblichen Ehekonfliktes vorliegen würden. Dabei komme es nach Auffassung des Gutachters sowohl zu einer bewussten Verdeutlichungstendenz, es wirkten aber auch unbewusste Elemente im Sinne einer neurotischen Konfliktverarbeitung mit. Hinweise auf eine posttraumatische Belastungsstörung seien nicht festzustellen gewesen, da wesentliche Kriterien für eine solche Störung nach ICD-10 und DSM-IV Kriterien fehlten. Quantitative Leistungsbeschränkungen ließen sich nicht plausibel begründen. Die Klägerin sei in der Lage, leichte körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis 10 kg in abwechslungsreicher und vorwiegend sitzender Körperhaltung noch täglich sechs Stunden und mehr auszuüben. Es sei davon auszugehen, dass die aktuell vorliegende stärker ausgeprägte depressive Episode nicht durchgängig vorhanden sei und therapeutischen Maßnahmen zugänglich sei, sodass das Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten nicht quantitativ eingeschränkt sei, zumal es der Klägerin auch gelinge, Hausarbeiten zu verrichten, Enkelkinder zu beaufsichtigen und sie zudem ausreichend mobil sei. Dr. N. habe sich in seinem Gutachten ausführlich mit der Lebens- und Leidensgeschichte der Klägerin auseinandergesetzt, und ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen in seinem Gutachten gewürdigt. Dr. N. habe sich in seinem Gutachten auch mit den Leistungsbeurteilungen vorhergehender Gutachter und sachverständigen Zeugen auseinandergesetzt. Die sachverständigen Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte der Klägerin begründeten keine andere Entscheidung. Wenn der Neurologe und Psychiater Dr. P. ausführe, dass die Klägerin allenfalls drei Stunden täglich leistungsfähig sei, widerspreche dies seiner Befunderhebung, derzufolge die Klägerin psychisch bewusstseinsklar und allseits voll orientiert gewesen sei. Der Denkablauf, die Wahrnehmung und Mnestik seien nicht nennenswert gestört. Die Klägerin verhalte sich streckenweise infantil, ziehe sich durch Verniedlichungsmanöver aus der erwartenden Verantwortung, wohl nicht ohne Charme. Sie sei fröhlich, kontaktfreudig, scheinbar unbeschwert. Insoweit sei die Leistungseinschätzung durch Dr. P. nicht nachzuvollziehen. Soweit der behandelnde Psychologe A. am 15.03.20 10 ausführe, die Klägerin könne keine drei Stunden täglich einer Beschäftigung nachgehen, könne dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Dr. N. habe die Voraussetzungen für das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung als nicht gegeben angenommen. Das Vorliegen einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung ziehe nach Angaben von Dr. N. keine quantitative Leistungseinbuße nach sich. Auch die sachverständige Zeugenaussage des behandelnden Hausarztes Dr. H. führe zu keiner anderen Entscheidung. In seiner Aussage vom 26.03.2010 habe dieser ausgeführt, dass zur Feststellung der beruflichen Belastbarkeit ein psychiatrisches Gutachten eingeholt werden müsse. Hinsichtlich der Beschwerden der Brustwirbelsäule, bedingt durch die BWK-12 Fraktur, sowie durch die bekannte Osteoporose und die veränderte Wirbelsäulenstatik nach dem vorausgegangenen Unfall sei eine leichte Tätigkeit für sechs Stunden täglich möglich. Die Klägerin habe mangels Berufsschutzes auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, da sie der Gruppe der ungelernten Arbeitnehmer zuzuordnen sei.

Gegen das ihren Bevollmächtigten am 20.12.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.01.2011 Berufung einlegen lassen. Zur Begründung lässt sie ausführen, das Sozialgericht sei dem Gutachten von Dr. N. zu Unrecht gefolgt. Dies ergebe sich schon daraus, dass sie sich in der Zeit vom 26.01.2011 bis zum 01.03.2011 erneut in stationäre psychiatrische Behandlung ins Klinikum N. habe begeben müssen. Auch Dr. P. bestätige nach wie vor, dass von einer aufgehobenen Leistungsfähigkeit im geregelten Erwerbsleben auszugehen sei. Ihr sei zwischenzeitlich ein GdB von 100 mit den Merkzeichen B und G zuerkannt worden. Dies spreche dafür, dass sie in öffentlichen Verkehrsmitteln Begleitung benötige und deshalb entgegen der Auffassung von Dr. N. erheblich in der Wegefähigkeit eingeschränkt sei.

Die Klägerin hat einen fachärztlichen Befundbericht von Dr. P. 20.01.2011 vorgelegt, der mit seiner Stellungnahme als sachverständiger Zeuge vom 06.03.2010 weitgehend wortgleich ist.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30.11.2010 und den Bescheid der Beklagten vom 18.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.08.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.09.2008 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat befragte die behandelnden Hausärzte der Klägerin, Dres. H., erneut als sachverständige Zeugen. Sie haben am 22.06.2011 unter Angabe der Behandlungsdaten mitgeteilt, dass sich die Klägerin weiterhin bei ihnen in laufender Behandlung befinde. Neue Befunde seien nach dem 26.03.2010 nicht festgestellt worden, der Gesundheitszustand der Klägerin habe sich seitdem nicht verändert.

Der Senat hat ferner den Entlassbericht des ZfP C., Klinikum N. vom 29.11.2011 über den stationären Aufenthalt der Klägerin in der Zeit vom 26.01.2011 bis zum 01.03.2011 beigezogen. Darin wurde berichtet, dass die Klägerin mit depressiven Symptomen und einer Schmerzstörungssymptomatik bei bekannter rezidivierender depressiver Störung auf dem Hintergrund von Belastungen durch die körperlichen Erkrankungen und chronischen familiären Konfliktsituation mit dem Ehemann zur stationären Aufnahme gekommen sei. Sie habe berichtet, derzeit wieder mit ihrem Ehemann zusammen zu sein, von dem sie sich zuvor für zwei Monate getrennt habe. Im Verlaufe der Behandlung habe sich nur eine langsame Verbesserung der Symptomatik erreichen lassen, es werde vermutet, dass der große Wunsch der Klägerin, Rente zu erhalten, sie blockiert habe. Nachdem sich die psychiatrische Symptomatik befriedigend zurück gebildet habe und eine Reihe von Belastungserprobungen im häuslichen Rahmen gegen Ende der Behandlung zunehmend problemloser verlaufen seien, habe die Klägerin wunschgemäß nach Hause entlassen werden können.

Dr. H. vom sozialmedizinischen Dienst der Beklagten hat am 12.01.2012 Stellung genommen. Er vertritt die Auffassung, dass sich aus den vorgelegten Berichten von Dr. P., Dres. H. und des ZfP C. keine neuen Aspekte für die Bewertung des Leistungsvermögens ergeben hätten, die nicht bereits vom Gutachter Dr. N. berücksichtigt worden seien. Nach kurzzeitiger Trennung vom Ehepartner lebe die Klägerin offensichtlich wieder nach Versöhnung bei diesem, nach zweimaliger Rentenantragsablehnung bestünden offenbar zwischenzeitlich finanzielle Schwierigkeiten. Auch unter Berücksichtigung der persönlichen und familiären Verhältnisse der Klägerin seien aber keine Gründe für eine abweichende Leistungsbeurteilung erkennbar.

Im Erörterungstermin am 02.05.2012 hat die Berichterstatterin die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Senat die Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz -SGG- zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, und dass diese Vorgehensweise beabsichtigt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die beigezogenen Akten des Schwerbehindertenverfahrens des LRA C. sowie auf die Gerichtsakten des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

II.

Der Senat weist die Berufung der Klägerin durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG zurück, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die gemäß §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihr Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Sie hat darauf keinen Anspruch.

Das Sozialgericht hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften (§§ 43, 240 SGB VI) das Rentenbegehren der Klägerin zu beurteilen ist, und weshalb ihr Rente nicht zusteht. Die Klägerin kann Berufsunfähigkeitsrente nach § 240 SGB VI schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil ihr in ihrem Beruf als ungelernte Reinigungskraft Berufsschutz nicht zusteht. Eine Erwerbsminderung liegt bei ihr nicht vor (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Er teilt die Auffassung des Sozialgerichts, dass die Klägerin noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten kann.

Im Hinblick auf den Vortrag im Berufungsverfahren und die vom Senat durchgeführten Ermittlungen ist ergänzend auszuführen, dass sich hinsichtlich der im Vordergrund stehenden psychischen Beschwerden keine für die Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin relevante Verschlechterung seit der Begutachtung durch Dr. N. im August 2010 feststellen lässt. Die Bewertung des Leistungsvermögens durch Dr. N., die für die Entscheidung des Sozialgerichts maßgeblich war, hat daher auch im Berufungsverfahren uneingeschränkte Gültigkeit. Dr. N. hatte eine mittelgradige depressive Episode im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung mit Somatisierung diagnostiziert. Diese Diagnose wird in dem Kurzbrief des ZfP C. über den stationären Aufenthalt im Januar/Februar 2011 vom 01.03.2011, den die Klägerin mit der Berufungsbegründung vorgelegt hat, bestätigt. Zwar ist in dem zuletzt vorgelegten Bericht des ZfP vom 29.11.2011 über denselben stationären Aufenthalt als Diagnose eine rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig schwerer Episode genannt. Diese Abweichung beruht aber ganz offensichtlich auf der Entwicklung der Erkrankung im Verlaufe der Behandlung, die dahingehend beschrieben wird, dass sich die psychiatrische Symptomatik befriedigend zurückgebildet habe. Die depressive Erkrankung der Klägerin erweist sich somit als behandelbar, da selbst die schwere Episode unter angemessener Behandlung therapierbar war. Eine überdauernde Leistungsminderung ergibt sich aus der vom ZfP genannten Diagnose einer gegenwärtig schweren Episode daher nicht. Der Therapieerfolg hat sich vielmehr sogar eingestellt, obwohl die behandelnden Ärzte dort von einer Blockierung der Klägerin durch den Rentenwunsch ausgegangen sind. Auch der vorangegangene stationäre Aufenthalt im ZfP C. in der Zeit vom 31.03.2010 bis 27.05.2010 hatte auf der Grundlage der Diagnose einer schweren depressiven Episode zu einer Beschwerdebesserung geführt, so dass Dr. N. bei Würdigung des Behandlungsverlaufs und -erfolgs zu der Einschätzung gelangt war, dass von einer teilweisen Überwindbarkeit der Beschwerden auszugehen sei, insbesondere wenn man die bewusstseinsnahen Verdeutlichungstendenzen berücksichtige.

Dass die Klägerin insoweit zu einem Beschwerdevortrag mit Verdeutlichungstendenz neigt, hat sich schon früher im Verfahren herausgestellt. So hat bereits Dr. Sch. bei seiner Begutachtung im Februar 2009 eine durchgehende Begehrenstendenz festgestellt mit einem appellativen, aber auch jammerigen und klagsamen Beschwerdevortrag. Die Schilderung eines fragmentierten Tagesablaufes habe nicht authentisch gewirkt. Bei Dr. N. hat die Klägerin gegen Ende der Untersuchung einen präkollaptischen Zustand demonstriert, bei dem sie allerdings nicht das Bewusstsein verloren hat, sondern noch dazu in der Lage war, eine Liege aufzusuchen. Anhand dieses Vorfalls ging Dr. N. von einer Beschwerdeverdeutlichungstendenz aus. Hierfür spricht auch, dass die Klägerin Dr. N. gegenüber berichtet hat, in dem zweiwöchigen Urlaub häufig zusammengebrochen und gestürzt, einmal auch ins Krankenhaus gekommen zu sein, während die Tochter in der fremdanamnestischen Befragung angegeben hat, während des Urlaubs seien keine Notfälle aufgetreten. Die Beschwerdeverdeutlichung wird hieran für den Senat unmittelbar nachvollziehbar.

Nicht zuletzt hat auch der behandelnde Psychiater Dr. P. bereits in einem Arztbrief vom 27.02.2008 einen klagsamen, mit markanter, schmerzausstrahlender Mimik demonstrierenden Beschwerdevortrag der Klägerin beschrieben, alle Beschwerden seien nicht ohne Dramatik vorgejammert worden. Die Klägerin habe befürchtet, ein baldiges Ende stehe bevor. Dr. P. gelangte aufgrund der in diesem Arztbrief genannten Befunde zu der Diagnose einer Dysthymia. Wenn die Klägerin sich in der Berufungsbegründung nunmehr erneut auf einen fachärztlichen Befundbericht von Dr. P. beruft, so fällt auf, dass der nunmehr vorgelegte Bericht, der auf den 20.01.2011 datiert, hinsichtlich der anamnestischen Angaben sowie des neurologischen und des psychischen Untersuchungsbefundes wortgleich mit dem Arztbrief vom 27.02.2008 und der sachverständigen Zeugenaussage vor dem Sozialgericht vom 06.03.2010 ist. Hinzugekommen ist in der sachverständigen Zeugenaussage die Diagnose einer somatisierten Depression mit Angststörung, die angesichts der identischen Befunde nur schwer nachzuvollziehen ist. Die in der sachverständigen Zeugenaussage angegebene Einschätzung eines aufgehobenen Leistungsvermögens ist durch die gutachterlichen Feststellungen von Dr. N. widerlegt. Wenn Dr. P. daran auch in seiner Stellungnahme vom 20.01.2011 noch festhält, ist dies wenig aussagekräftig, da er keinerlei neue Befundtatsachen benennt, sondern vielmehr seine Untersuchungsbefunde aus dem Jahr 2008 wortgleich wiederholt. Die Leistungsbewertung durch Dr. N. ist dadurch nicht in Frage gestellt.

Auch aus der sachverständigen Zeugenauskunft der Hausärzte Dres H. ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin. Eine Veränderung ihres Gesundheitszustandes seit März 2010 wurde in der Mitteilung vom 22.06.2011 ausdrücklich verneint. Die Klägerin war dort durchgehend in Behandlung gewesen.

Letztlich ist eine Veränderung des Gesundheitszustandes mit Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Klägerin auch nicht durch die zwischenzeitlich zuerkannte Schwerbehinderteneigenschaft eines GdB von 100 nachgewiesen. Aus den beigezogenen Akten des Landratsamtes C. ergibt sich nicht, dass für die Bewertung des GdB andere Befundtatsachen herangezogen worden sind, die nicht auch im Rentenverfahren ausgewertet worden sind. Insbesondere hinsichtlich der von Dr. N. im August 2008 festgestellten Wegefähigkeit der Klägerin ist nicht ersichtlich, dass sich in der Folgezeit maßgebliche Einschränkungen ergeben hätten, die nunmehr eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten. Allein die Vergabe der Merkzeichen G und B durch das Versorgungsamt begründet keine Zweifel an der Wegefähigkeit der Klägerin, solange nicht erkennbar ist, dass diese Bewertung auf neuen Befunden beruhen könnte, die bei der Beurteilung der Wegefähigkeit durch Dr. N. noch nicht berücksichtigt worden waren.

Es bestanden für den Senat daher keinerlei Anhaltspunkte für die Durchführung weiterer Ermittlungen von Amts wegen.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, die Berufung der Klägerin bleibt erfolglos.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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