Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
25
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 25 KR 279/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 313/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 6/11 R
Datum
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für eine ambulante transarterielle Chemoperfusion.
Der Kläger ist der Ehemann und Rechtsnachfolger der 1927 geborenen und 2008 verstorbenen Dr. X. C. (im Folgenden: Versicherte). Die Versicherte war als Bezieherin einer Regelaltersrente der Deutschen Rentenversicherung Bund bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Sie litt an einem hepatisch, pulmonal und lymphatisch metastasierten Darmkrebs (Sigmakarzinom). Im Juli 2003 erfolgte die Operation der Primärerkrankung, eine adjuvante Chemotherapie wurde wegen Nebenwirkungen von der Versicherten abgebrochen. Im September 2004 kam es zu einem Rezidiv mit Lebermetastasen. Die daraufhin aufgenommene Chemotherapie mit dem FOLFOX-4 Protokoll wurde bei Verdacht auf Oxaliplatin-Allergie abgebrochen. Nachdem bei Kontrolluntersuchungen im Mai und Juni 2005 ein hepatischer und lymphatischer Progress der Erkrankung festgestellt worden war, leitete das Krankenhaus UU. in A-Stadt am Main am 16. Juni 2005 eine Chemotherapie mit CPT-11 (Irinotecan) plus 5 Fluorouracil und Calciumfolinat ein, die jedoch nicht mehr durchgeführt wurde. Der Grund hierfür wird von dem Krankenhaus und der Versicherten unterschiedlich angegeben.
Der Hausarzt der Versicherten, Dr. L, stellte am 17. Juni 2005 einen Überweisungsschein zur Chemoembolisation in der Universitätsklinik A-Stadt aus. Dort wurde die Versicherte nach einer Untersuchung am 17. Juni 2005 im Zentrum der Radiologie - Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie - von Prof. Dr. V aufgrund privatärztlicher Behandlungsverträge am 21. Juni 2005, 18. Juli 2005, 24. August 2005 und 13. September 2005 mit transarterieller Chemoperfusion sowie nach Angaben von Prof. V mit anschließender Laserinduzierte Thermotherapie (LITT) ambulant behandelt. Die transarterielle Chemoperfusion ist eine lokale Chemotherapie, bei der mittels Angiographie größere Organabschnitte über die versorgenden Arterien dargestellt mit einem konzentrierten Medikament über 30 bis 60 Minuten durchflutet werden. Die Kosten der Behandlung wurden der Versicherten privat in Rechnung gestellt und von ihr bezahlt. Prof. Dr. V ist von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen zur Durchführung besonderer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden auf Überweisung durch Vertragsärzte, eingeschränkt auf Patienten mit nachgewiesenen Metastasen oder anderen malignen Tumoren der Leber und thorakalen raumfordernden Prozessen der Lunge sowie histologisch/zytologisch gesicherten malignen Tumoren im Gesichts- und Halsbereich ermächtigt.
Die von der Versicherten am 20. Juni 2005 beantragte Kostenübernahme lehnte die Beklagte mit Bescheid (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) vom 23. August 2005 mit der Begründung ab, dass Prof. Dr. V kein Vertragsarzt sei.
Auf den Widerspruch der Versicherten vom 1. September 2005 hob die Beklagte mit Bescheid vom 22. September 2005 ihren Bescheid vom 23. August 2005 auf und lehnte eine Kostenerstattung, auch für die am 18. Juli 2005, 24. August 2005 und 13. September 2005 durchgeführten Chemoperfusionen, erneut ab. Die Chemoperfusion sei keine vertragliche Leistung und könne somit nur privat abgerechnet werden. Hierüber sei die Versicherte von Prof. Dr. V aufgeklärt worden und habe entsprechende Wahlerklärungen unterschrieben.
Hiergegen legte die Versicherte am 17. Oktober 2005 Widerspruch ein und machte geltend, ihr Hausarzt habe sie am 17. Juni 2005 an das Universitätsklinikum A-Stadt zur Chemoembolisation überwiesen. Prof. Dr. V rechne grundsätzlich nur mit den Patienten direkt ab. Bei der durchgeführten Behandlung handele es sich um keine Wahlleistung. Prof. Dr. V entscheide nach dem gesundheitlichen Status des Patienten, ob eine Chemoembolisation oder eine Chemoperfusion durchgeführt wird. Dabei handele es sich nur um einen behandlungstechnischen Unterschied.
Die Beklagte holte eine sozialmedizinische Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Hessen (MDK) vom 3. November 2005 sowie eine Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vom 16. Dezember 2005 ein. Der MDK gelangte zu der Beurteilung, dass die Chemoembolisation eine Kassenleistung sei, während es sich bei der Chemoperfusion um eine experimentelle Behandlung handele. Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen teilte mit, dass Prof. Dr. V im Rahmen seines Ermächtigungskataloges die Chemoembolisation nach der Gebührenordnungsnummer 34286 Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM) 2000 plus zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechnen könne. Dagegen sei die Chemoperfusionsbehandlung nach den Leitlinien der Tumorbehandlung nicht als etablierte Behandlung angesehen.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Versicherten mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2006 zurück. Zur Begründung ihrer Entscheidung führte sie im Wesentlichen aus, dass eine Kostenübernahme nicht möglich sei, da der Gemeinsame Bundesausschuss die ambulante transarterielle Chemoperfusion nicht als vertragsärztliche Leistung anerkannt habe. Der MDK habe bestätigt, dass die Behandlungsmethode als experimentelles Verfahren anzusehen sei. Bisher lägen keine wissenschaftlichen Studien vor, die den medizinischen Nutzen dieser Therapie belegen. Auch die Kassenärztliche Vereinigung Hessen habe mitgeteilt, die Chemoperfusion sei nach den Leitlinien der Tumorbehandlung bis heute nicht als etablierte Behandlung anzusehen. Prof. Dr. V habe die nicht als Kassenleistung anerkannte Chemoperfusion zutreffend als Privatleistung erbracht und der Versicherten in Rechnung gestellt.
Am 22. März 2006 hat die Versicherte beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, die Chemoperfusion sei notwendig und erfolgreich gewesen. Eine Alternative hierzu habe nicht bestanden. Dr. B vom Krankenhaus UU. habe am 17. Juni 2005 die Behandlung abgebrochen. Auch sei die Behandlungsmethode des Krankenhauses UU. nicht geeignet gewesen, denn sie habe das dramatische Wachstum der größeren Lebermetastase nicht verhindern können.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 22. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. März 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten der ambulanten Behandlung seiner Ehefrau Dr. X C. mit Chemoperfusion bei Prof. Dr. V zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung aus den Gründen des Widerspruchsbescheids für zutreffend. Sie bestreitet, dass es zur Chemoperfusion keine schulmedizinischen Behandlungsalternativen mehr gegeben habe und beruft sich insoweit auf ein sozialmedizinisches Gutachten des MDK vom 21. Februar 2007. Darin führt die Fachärztin für Innere Medizin/Sozialmedizin Dr. H aus, dass die Voraussetzungen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 nicht vorlägen. Eine Chemotherapie wäre möglich gewesen und sei bereits eingeleitet worden. Eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung habe damit zur Verfügung gestanden. Des Weiteren hat die Beklagte vorgetragen, dass ein Erstattungsanspruch nach § 13 Absatz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) auch deshalb ausscheide, weil die Versicherte die Entscheidung der Kasse nicht abgewartet habe.
Das Gericht hat im Rahmen seiner Ermittlungen Befundberichte des Prof. Dr. V vom 7. Juli 2006 und der Prof. Dr. B., der des Krankenhauses UU. in A-Stadt vom 21. Dezember 2006 mit ergänzender Stellungnahme von 14. März 2007 eingeholt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Beteiligtenvorbringens wird auf dem Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Sie ist jedoch sachlich nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Versicherte nicht in ihren Rechten, denn die Versicherte hatte keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Behandlung mit Chemoperfusion.
Die von der Versicherten in Anspruch genommene Behandlungsmethode Chemoperfusion ist vom Leistungskatalog des SGB V in der ambulanten Versorgung nicht umfasst. Versicherte haben daher im Regelfall keinen Anspruch auf Kostenerstattung gegen ihre Krankenkasse, wenn sie sich diese Leistung zunächst auf eigene Kosten selbst beschaffen.
Rechtsgrundlage für die Erstattung der Kosten der durchgeführten Behandlungen mittels Chemoperfusion ist § 13 Absatz 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V. Hiernach dürfen Versicherte Kostenerstattung nur in Anspruch nehmen, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, soweit die Leistung notwendig war.
Die Beklagte hat die streitbefangene Chemoperfusion als Sachleistung nicht zu Unrecht verweigert, so dass die Versicherte gezwungen gewesen wäre, sich eine notwendige Leistung selbst zu beschaffen. Der Kostenerstattungsanspruch besteht unhabhängig von der Eilbedürftigkeit nur für Behandlungen, die ihrer Art nach von den gesetzlichen Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistungen zu erbringen sind. Vorliegend ist eine Kostenerstattung ausgeschlossen, weil die Chemoperfusion ihrer Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne der §§ 11, 27, 2 und 12 SGB V nicht entspricht und damit nicht Gegenstand der Leistungspflicht der Krankenkasse ist.
Nach § 27 Absatz 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, die nach Satz 2 Ziffer 1 auch die ärztliche Behandlung einschließt. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt allerdings den sich aus § 2 Absatz 1 und § 12 Absatz 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die notwendig, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Die Krankenkassen sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie nach eigener Einschätzung des Versicherten oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Die Feststellung, dass eine ambulante vertragsärztliche Behandlung dem geforderten Versorgungsstandart entspricht, obliegt nach dem Gesetz nicht dem behandelnden Arzt oder der einzelnen Krankenkasse und von dem Sonderfall eines "Systemversagens" abgesehen auch nicht den Gerichten, sondern dem Gemeinsamen Bundesausschuss (früher Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen). Dies ergibt sich aus § 135 Absatz 1 SGB V in Verbindung mit den Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinien). Danach dürfen neue Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen u. a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Methoden nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung (§ 135 Absatz 1 Nr. 1 SGB V) sowie über die notwendige Qualifikation der Ärzte, die aparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der Methoden zu sichern (§ 135 Absatz 1 Nr. 2 SGB V), abgegeben hat. Dadurch wird nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG - (Urteil vom 05.07.1995 - 1 RK 6/95; Urteile vom 16.09.1997 - 1 RK 28/95 - SozR 3 - 2500 § 135 Nr. 4, 1 RK 17/95, 1 RK 30/95, 1 RK 32/95, 1 RK 14/96; Urteil vom 28.03.2000 - B 1 KR 11/98 R - SozR 3 - 2500 § 135 Nr. 14 = BSGE 56, 54 – 66; Urteil vom 19.02.2002 - B 1 KR 16/00R - SozR 3 – 2500 § 92 Nr. 12; Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 18/01 R - SozR 4 – 2500 § 135 Nr. 1; Urteil vom 4. April 2006 - B 1 KR 7/05 R - SozR 4-2500 § 31 Nr. 4 - Tomudex; Urteil vom 7. November 2006 - B 1 KR 24/06 R – SozR 4 – 2500 § 27 Nr. 12 – Laserinduzierte Interstitielle Thermotherapie) der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten Leistungen verbindlich festgelegt.
Unter Zugrundelegung dieser, auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - SozR 4-2500 § 27 Nr. 5) Rahmenbedingungen ergibt sich für die Chemoperfusion folgendes:
Bei der Chemoperfusion handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode im Sinne vom § 92 Absatz 2 SGB V in Verbindung mit § 135 SGB V. Dabei ist das Merkmal "neu" ein krankenversicherungsrechtlich auszufüllender Rechtsbegriff. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 26. September 2006 - B 1 KR 3/06 R – SozR 4 – 2500 § 27 Nr. 10) ist eine ärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmethode "neu", wenn sie zum Zeitpunkt der Behandlung nicht als abrechnungsfähige Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM) aufgeführt wird. Der EBM vom 1. April 2005 enthielt die Chemoperfusion nicht; sie wurde auch nicht in die Nachfolgefassung vom 1. Januar 2008 aufgenommen.
Eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Chemoperfusion lag zum Zeitpunkt der Behandlung der Versicherten nicht vor und ist auch später nicht abgegeben worden. Mangels Empfehlung seitens des Gemeinsamen Bundesausschusses in den einschlägigen Richtlinien durfte die von der Versicherten selbst beschaffte Behandlung von der Beklagten als Sachleistung nicht gewährt werden; daran scheitert auch ein Kostenerstattungsanspruch.
Einen Anspruch auf Kostenerstattung kann der Kläger auch nicht aus dem Gesichtspunkt eines sogenannten "Systemversagens" herleiten. Ein Kostenerstattungsanspruch kann ausnahmsweise dann gegeben sein, wenn die fehlende Anerkennung der neuen Methode auf einem Mangel des gesetzlichen Leistungssystems beruht. Ist die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode darauf zurückzuführen, dass das Verfahren vor dem Gemeinsamen Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wird, kann ein Kostenerstattungsanspruch des Versicherten ausnahmsweise in Betracht kommen. Das präventive Verbot in § 135 Absatz 1 SGB V dient allein der Qualitätssicherung; nur soweit es dieser Zweck erfordert, ist der Ausschluss ungeprüfter und nicht anerkannter Heilmethoden aus der vertragsärztlichen Versorgung gerechtfertigt. Wird dagegen die Einleitung oder die Durchführung des Verfahrens willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen blockiert oder verzögert und kann deshalb eine für die Behandlung benötigte neue Therapie nicht eingesetzt werden, widerspricht das dem Auftrag des Gesetzes. Eine sich daraus ergebende Versorgungslücke muss zugunsten des Versicherten mit Hilfe des § 13 Absatz 3 SGB V geschlossen werden (BSG, Urteil vom 28.03.2000 - B 1 KR 11/98 R - SozR 3-2500 § 135 Nr. 14). Nur im Fall einer derartigen Untätigkeit des Gemeinsamen Bundesausschusses ist für das Vorliegen einer Versorgungslücke zu prüfen, ob sich "die Wirksamkeit der neuen Behandlungsmethode aufgrund wissenschaftlich geführter Statistiken in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen nachweisen lässt und gegen die Qualität der Methode keine durchgreifenden Bedenken bestehen" (BSG, Urteil vom 16.09.1997 - 1 RK 28/95 - SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 = BSGE 81, 54).
In Anwendung dieser Grundsätze kann vorliegend von einer Versorgungslücke hinsichtlich der Chemoperfusion nicht ausgegangen werden. Die fehlende Aussage zur Chemoperfusion in den BUB-Richtlinien ist nicht Folge eines Systemmangels. Maßgebend ist insoweit die Sachlage zum Zeitpunkt der Behandlung. Zu diesem Zeitpunkt ist nichts dafür ersichtlich, dass vom Bundesausschuss trotz Erfüllung der für die Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen eine Entscheidung willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen unterlassen oder unterblieben ist. Einem Systemmangel in dem vorbezeichneten Sinne steht zwar nicht schon entgegen, dass der für eine Einleitung des Verfahrens erforderliche Antrag (vgl. § 135 Absatz 1 SGB V) nicht vorlag und damit schon die formellen Voraussetzungen für eine Tätigkeit des Bundesausschusses nicht gegeben waren. Ein Systemmangel besteht nämlich auch dann, wenn eindeutige sachliche Anhaltspunkte vorliegen, die eine erstmalige Überprüfung einer neuen Behandlungsmethode gebieten und trotz Kenntnis dieser Umstände von keinem der antragsberechtigten Beteiligten ein Prüfverfahren eingeleitet wird. Die Kammer hat jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Antragstellung bis zur Behandlung der Versicherten im Jahr 2005 hintertrieben, verhindert oder in einer den Krankenkassen oder dem Bundesausschuss sonst zurechenbaren Weise unzulässig verzögert worden sein könnte. Die Behandlung mit Chemoperfusion war und ist in der wissenschaftlichen Literatur umstritten. Die Kammer hat auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Ausschuss Unterlagen vorlagen, die erkennen lassen würden, dass es sich bei der streitbefangenen Behandlung um eine medizinische Methode handelt, die die gesetzlich für die vertragsärztliche Versorgung vorgegebenen Kriterien eines nachgewiesenen diagnostischen oder therapeutischen Nutzens, der medizinischen Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit erfüllen würde.
Zusammenfassend bleibt somit festzuhalten, dass Qualität und Wirksamkeit der Chemoperfusion noch nicht dem für die gesetzliche Krankenversicherung in § 2 Absatz 1 Satz 3 SGB V geforderten allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Das Gesetz verbietet es, die Erprobung neuer Methoden und die medizinische Forschung zu den Versicherungsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu zählen (BSG, Urteil vom 16. September 1997 – 1 RK 28/95 – SozR 3 – 2500 § 135 Nr. 4 = BSGE 81, 54, 57).
Das Klagebegehren ist auch nicht aus den Grundrechten der Versicherten nach Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) und gemäß Artikel 2 Absatz 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot begründet. Denn die verfassungskonforme Auslegung auf Grund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98 - BVerfGE 115, 25 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 = NZS 2006, 84 = NJW 2006, 891 = MedR 2006, 164 - immunbiologische Therapie) derjenigen Normen des SGB V, die einem verfassungsrechtlich begründeten Anspruch auf Krankenbehandlung entgegenstehen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 7/05 R - SozR 4-2500 § 31 Nr. 4 RdNr. 23 - Tomudex; zuletzt BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 12/06 R – RdNr. 16 - Idebenone) führt zu keinem anderen Ergebnis. Die grundrechtsorientierte Auslegung hat zur Folge, dass die generelle Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 12 Absatz 1 SGB V) einer Therapie ausnahmsweise bejaht werden muss, obwohl der Gemeinsame Bundesausschuss zu dieser Behandlungsmethode noch keine Empfehlung ausgesprochen hat und deshalb an sich diese Therapie von der Versorgung ausgeschlossen ist. Die verfassungskonforme Auslegung setzt aber voraus, dass (1) eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende (vgl. BSG, Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 7/05 R - SozR 4-2500 § 31 Nr. 4 RdNr. 21 und 30 mwN - Tomudex) oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/04 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 7 RdNr. 31 - D-Ribose), (2) eine allgemein anerkannte, medizinischem Standart entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht und (3) mit der gewählten Behandlungsmethode eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Entwicklung auf den Krankheitsverlauf besteht. Damit letzteres angenommen werden kann, müssen Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass die Behandlungsmethode für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen werden kann. Davon kann ausgegangen werden, wenn entweder die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III veröffentlicht sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder Erkenntnisse veröffentlich sind, die über Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund deren in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht.
Diese Voraussetzungen sind unabhängig von der Frage, ob bei der Versicherten eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung vorlag, nicht gegeben. Die Annahme eines Systemsversagens setzt voraus, dass eine notwendige Behandlung der Erkrankung des Versicherten nicht zur Verfügung stand. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt, da nach den übereinstimmenden Angaben des UU. Krankenhauses, des Prof. Dr. V. und des MDK als alternative Behandlung eine systemische Chemotherapie in Betracht gekommen wäre.
Frau Prof. Dr. J. führt in ihren Befundberichten vom 21. Dezember 2006 und 14. März 2007 aus, bei der Versicherten wäre als Standart eine Therapie nach FOLFOX-4 Schema bzw. bei vermuteter Oxaliplatin-Allergie die Zweitlinientherapie mit CPT-11 +5-FU +CF durchzuführen gewesen, die am 16. Juni 2005 bei progredienter Erkrankung auch eingeleitet worden wäre. Bei Metastasierung in mehreren Organen sei die Chemoperfusion nicht als zweckmäßige Behandlung einzustufen. In diesem Fall stelle die systemische Chemotherapie mit diversen zugelassenen Medikamenten die zweckmäßigere Behandlung dar. Die Versicherte sei nach der ersten Gabe einer neu begonnenen Chemotherapie - Linie aus der Behandlung mit der Empfehlung entlassen worden, sich am 24. Juni 2005 zur zweiten Gabe vorzustellen. Die Versicherte sei jedoch zur weiteren Behandlung nicht mehr erschienen. Soweit der Kläger demgegenüber einwendet, das Krankenhaus UU. habe am 17. Juni 2005 bei unbefriedigender Funktion der Medikamentenpumpe die systemische Chemotherapie mit der Begründung abgebrochen, "für eine Operation sei es bereits zu spät, da könne man nichts mehr machen", ist dies nicht nachvollziehbar, weil die Chemotherapie erst am Tag zuvor eingeleitet worden war, eine nicht voll funktionsfähige Medikamentenpumpe hätte ausgetauscht werden können und eine Operation nicht geplant war. Auch Prof. Dr. V hat in seinem Befundbericht vom 7. Juli 2006 angegeben, dass im konkreten Krankheitsfall der Versicherten mit der systemischen Chemotherapie eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standart entsprechende Behandlung zur Verfügung gestanden habe. Die Fachärztin für Innere Medizin/Sozialmedizin Dr. H gelangt in dem sozialmedizinischen Gutachten des MDK vom 21. Februar 2007 ebenfalls zu der Beurteilung, dass bezüglich der Erkrankung der Versicherten eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standart entsprechende Behandlung zur Verfügung gestanden habe. Eine Chemotherapie sei möglich gewesen. Die gewählten Substanzen Irinotecan, 5-Fluorouacil und Calciumfolinat seien zur Behandlung des kolorektalen Karzinoms zugelassen. Alternativ komme noch die Behandlung mit dem monoklonalen Antikörper Bevacizumab (Avastin) mit 5-FU und Folinsäure infrage.
Schließlich ist die dritte Voraussetzung, das heißt ob auf Grund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit der Behandlung ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) zu erzielen ist, für die Behandlung der Erkrankung der Versicherten mit Chemoperfusion nicht erfüllt. Dies steht zur Überzeugung der Kammer auf Grund der eingeholten Befundberichte fest. So führt Frau Prof. Dr. J. aus, derzeit lägen nur limitierte publizierte Daten zur Chemoperfusion der Leber mit verschiedenen Medikamenten bei Metastasierung durch kolorektale Carzinome vor. Generell sei davon auszugehen, dass die zur Verfügung stehenden Daten für einen standardmäßigen Einsatz nicht ausreichen. In der medizinischen Fachdiskussion habe die Chemoperfusion keine breite Resonanz gefunden. Diese Beurteilung wird letztlich auch von Prof. Dr. V bestätigt, der in seinem Befundbericht vom 7. Juli 2006 bekundet, die Behandlung der Leber-NPL mit Chemoperfusion habe in medizinischen Fachkreisen zu einer "beginnenden" Diskussion geführt und werde an Zentren in YN. und XY. begonnen. Über die Wirksamkeit einer Behandlungsmethode, die in den einschlägigen medizinischen Fachkreisen erst am Anfang der Diskussion steht, besteht jedenfalls dort noch kein Konsens. Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen hatte bereits in ihrer Auskunft vom 16. Dezember 2005 darauf hingewiesen, dass die Chemoperfusionsbehandlung nach den Leitlinien der Tumorbehandlung nicht als etablierte Behandlung angesehen sei.
Da der Kläger aus den vorstehend dargelegten Gründen keinen Kostenerstattungsanspruch für die Behandlung seiner Ehefrau mit Chemoperfusion hat, musste die Klage erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für eine ambulante transarterielle Chemoperfusion.
Der Kläger ist der Ehemann und Rechtsnachfolger der 1927 geborenen und 2008 verstorbenen Dr. X. C. (im Folgenden: Versicherte). Die Versicherte war als Bezieherin einer Regelaltersrente der Deutschen Rentenversicherung Bund bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Sie litt an einem hepatisch, pulmonal und lymphatisch metastasierten Darmkrebs (Sigmakarzinom). Im Juli 2003 erfolgte die Operation der Primärerkrankung, eine adjuvante Chemotherapie wurde wegen Nebenwirkungen von der Versicherten abgebrochen. Im September 2004 kam es zu einem Rezidiv mit Lebermetastasen. Die daraufhin aufgenommene Chemotherapie mit dem FOLFOX-4 Protokoll wurde bei Verdacht auf Oxaliplatin-Allergie abgebrochen. Nachdem bei Kontrolluntersuchungen im Mai und Juni 2005 ein hepatischer und lymphatischer Progress der Erkrankung festgestellt worden war, leitete das Krankenhaus UU. in A-Stadt am Main am 16. Juni 2005 eine Chemotherapie mit CPT-11 (Irinotecan) plus 5 Fluorouracil und Calciumfolinat ein, die jedoch nicht mehr durchgeführt wurde. Der Grund hierfür wird von dem Krankenhaus und der Versicherten unterschiedlich angegeben.
Der Hausarzt der Versicherten, Dr. L, stellte am 17. Juni 2005 einen Überweisungsschein zur Chemoembolisation in der Universitätsklinik A-Stadt aus. Dort wurde die Versicherte nach einer Untersuchung am 17. Juni 2005 im Zentrum der Radiologie - Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie - von Prof. Dr. V aufgrund privatärztlicher Behandlungsverträge am 21. Juni 2005, 18. Juli 2005, 24. August 2005 und 13. September 2005 mit transarterieller Chemoperfusion sowie nach Angaben von Prof. V mit anschließender Laserinduzierte Thermotherapie (LITT) ambulant behandelt. Die transarterielle Chemoperfusion ist eine lokale Chemotherapie, bei der mittels Angiographie größere Organabschnitte über die versorgenden Arterien dargestellt mit einem konzentrierten Medikament über 30 bis 60 Minuten durchflutet werden. Die Kosten der Behandlung wurden der Versicherten privat in Rechnung gestellt und von ihr bezahlt. Prof. Dr. V ist von der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen zur Durchführung besonderer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden auf Überweisung durch Vertragsärzte, eingeschränkt auf Patienten mit nachgewiesenen Metastasen oder anderen malignen Tumoren der Leber und thorakalen raumfordernden Prozessen der Lunge sowie histologisch/zytologisch gesicherten malignen Tumoren im Gesichts- und Halsbereich ermächtigt.
Die von der Versicherten am 20. Juni 2005 beantragte Kostenübernahme lehnte die Beklagte mit Bescheid (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) vom 23. August 2005 mit der Begründung ab, dass Prof. Dr. V kein Vertragsarzt sei.
Auf den Widerspruch der Versicherten vom 1. September 2005 hob die Beklagte mit Bescheid vom 22. September 2005 ihren Bescheid vom 23. August 2005 auf und lehnte eine Kostenerstattung, auch für die am 18. Juli 2005, 24. August 2005 und 13. September 2005 durchgeführten Chemoperfusionen, erneut ab. Die Chemoperfusion sei keine vertragliche Leistung und könne somit nur privat abgerechnet werden. Hierüber sei die Versicherte von Prof. Dr. V aufgeklärt worden und habe entsprechende Wahlerklärungen unterschrieben.
Hiergegen legte die Versicherte am 17. Oktober 2005 Widerspruch ein und machte geltend, ihr Hausarzt habe sie am 17. Juni 2005 an das Universitätsklinikum A-Stadt zur Chemoembolisation überwiesen. Prof. Dr. V rechne grundsätzlich nur mit den Patienten direkt ab. Bei der durchgeführten Behandlung handele es sich um keine Wahlleistung. Prof. Dr. V entscheide nach dem gesundheitlichen Status des Patienten, ob eine Chemoembolisation oder eine Chemoperfusion durchgeführt wird. Dabei handele es sich nur um einen behandlungstechnischen Unterschied.
Die Beklagte holte eine sozialmedizinische Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Hessen (MDK) vom 3. November 2005 sowie eine Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vom 16. Dezember 2005 ein. Der MDK gelangte zu der Beurteilung, dass die Chemoembolisation eine Kassenleistung sei, während es sich bei der Chemoperfusion um eine experimentelle Behandlung handele. Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen teilte mit, dass Prof. Dr. V im Rahmen seines Ermächtigungskataloges die Chemoembolisation nach der Gebührenordnungsnummer 34286 Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM) 2000 plus zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechnen könne. Dagegen sei die Chemoperfusionsbehandlung nach den Leitlinien der Tumorbehandlung nicht als etablierte Behandlung angesehen.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Versicherten mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2006 zurück. Zur Begründung ihrer Entscheidung führte sie im Wesentlichen aus, dass eine Kostenübernahme nicht möglich sei, da der Gemeinsame Bundesausschuss die ambulante transarterielle Chemoperfusion nicht als vertragsärztliche Leistung anerkannt habe. Der MDK habe bestätigt, dass die Behandlungsmethode als experimentelles Verfahren anzusehen sei. Bisher lägen keine wissenschaftlichen Studien vor, die den medizinischen Nutzen dieser Therapie belegen. Auch die Kassenärztliche Vereinigung Hessen habe mitgeteilt, die Chemoperfusion sei nach den Leitlinien der Tumorbehandlung bis heute nicht als etablierte Behandlung anzusehen. Prof. Dr. V habe die nicht als Kassenleistung anerkannte Chemoperfusion zutreffend als Privatleistung erbracht und der Versicherten in Rechnung gestellt.
Am 22. März 2006 hat die Versicherte beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, die Chemoperfusion sei notwendig und erfolgreich gewesen. Eine Alternative hierzu habe nicht bestanden. Dr. B vom Krankenhaus UU. habe am 17. Juni 2005 die Behandlung abgebrochen. Auch sei die Behandlungsmethode des Krankenhauses UU. nicht geeignet gewesen, denn sie habe das dramatische Wachstum der größeren Lebermetastase nicht verhindern können.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 22. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. März 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten der ambulanten Behandlung seiner Ehefrau Dr. X C. mit Chemoperfusion bei Prof. Dr. V zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung aus den Gründen des Widerspruchsbescheids für zutreffend. Sie bestreitet, dass es zur Chemoperfusion keine schulmedizinischen Behandlungsalternativen mehr gegeben habe und beruft sich insoweit auf ein sozialmedizinisches Gutachten des MDK vom 21. Februar 2007. Darin führt die Fachärztin für Innere Medizin/Sozialmedizin Dr. H aus, dass die Voraussetzungen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 nicht vorlägen. Eine Chemotherapie wäre möglich gewesen und sei bereits eingeleitet worden. Eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung habe damit zur Verfügung gestanden. Des Weiteren hat die Beklagte vorgetragen, dass ein Erstattungsanspruch nach § 13 Absatz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) auch deshalb ausscheide, weil die Versicherte die Entscheidung der Kasse nicht abgewartet habe.
Das Gericht hat im Rahmen seiner Ermittlungen Befundberichte des Prof. Dr. V vom 7. Juli 2006 und der Prof. Dr. B., der des Krankenhauses UU. in A-Stadt vom 21. Dezember 2006 mit ergänzender Stellungnahme von 14. März 2007 eingeholt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Beteiligtenvorbringens wird auf dem Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Sie ist jedoch sachlich nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Versicherte nicht in ihren Rechten, denn die Versicherte hatte keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Behandlung mit Chemoperfusion.
Die von der Versicherten in Anspruch genommene Behandlungsmethode Chemoperfusion ist vom Leistungskatalog des SGB V in der ambulanten Versorgung nicht umfasst. Versicherte haben daher im Regelfall keinen Anspruch auf Kostenerstattung gegen ihre Krankenkasse, wenn sie sich diese Leistung zunächst auf eigene Kosten selbst beschaffen.
Rechtsgrundlage für die Erstattung der Kosten der durchgeführten Behandlungen mittels Chemoperfusion ist § 13 Absatz 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V. Hiernach dürfen Versicherte Kostenerstattung nur in Anspruch nehmen, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, soweit die Leistung notwendig war.
Die Beklagte hat die streitbefangene Chemoperfusion als Sachleistung nicht zu Unrecht verweigert, so dass die Versicherte gezwungen gewesen wäre, sich eine notwendige Leistung selbst zu beschaffen. Der Kostenerstattungsanspruch besteht unhabhängig von der Eilbedürftigkeit nur für Behandlungen, die ihrer Art nach von den gesetzlichen Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistungen zu erbringen sind. Vorliegend ist eine Kostenerstattung ausgeschlossen, weil die Chemoperfusion ihrer Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne der §§ 11, 27, 2 und 12 SGB V nicht entspricht und damit nicht Gegenstand der Leistungspflicht der Krankenkasse ist.
Nach § 27 Absatz 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, die nach Satz 2 Ziffer 1 auch die ärztliche Behandlung einschließt. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt allerdings den sich aus § 2 Absatz 1 und § 12 Absatz 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die notwendig, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Die Krankenkassen sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie nach eigener Einschätzung des Versicherten oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Die Feststellung, dass eine ambulante vertragsärztliche Behandlung dem geforderten Versorgungsstandart entspricht, obliegt nach dem Gesetz nicht dem behandelnden Arzt oder der einzelnen Krankenkasse und von dem Sonderfall eines "Systemversagens" abgesehen auch nicht den Gerichten, sondern dem Gemeinsamen Bundesausschuss (früher Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen). Dies ergibt sich aus § 135 Absatz 1 SGB V in Verbindung mit den Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinien). Danach dürfen neue Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen u. a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Methoden nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung (§ 135 Absatz 1 Nr. 1 SGB V) sowie über die notwendige Qualifikation der Ärzte, die aparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der Methoden zu sichern (§ 135 Absatz 1 Nr. 2 SGB V), abgegeben hat. Dadurch wird nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG - (Urteil vom 05.07.1995 - 1 RK 6/95; Urteile vom 16.09.1997 - 1 RK 28/95 - SozR 3 - 2500 § 135 Nr. 4, 1 RK 17/95, 1 RK 30/95, 1 RK 32/95, 1 RK 14/96; Urteil vom 28.03.2000 - B 1 KR 11/98 R - SozR 3 - 2500 § 135 Nr. 14 = BSGE 56, 54 – 66; Urteil vom 19.02.2002 - B 1 KR 16/00R - SozR 3 – 2500 § 92 Nr. 12; Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 18/01 R - SozR 4 – 2500 § 135 Nr. 1; Urteil vom 4. April 2006 - B 1 KR 7/05 R - SozR 4-2500 § 31 Nr. 4 - Tomudex; Urteil vom 7. November 2006 - B 1 KR 24/06 R – SozR 4 – 2500 § 27 Nr. 12 – Laserinduzierte Interstitielle Thermotherapie) der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten Leistungen verbindlich festgelegt.
Unter Zugrundelegung dieser, auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - SozR 4-2500 § 27 Nr. 5) Rahmenbedingungen ergibt sich für die Chemoperfusion folgendes:
Bei der Chemoperfusion handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode im Sinne vom § 92 Absatz 2 SGB V in Verbindung mit § 135 SGB V. Dabei ist das Merkmal "neu" ein krankenversicherungsrechtlich auszufüllender Rechtsbegriff. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 26. September 2006 - B 1 KR 3/06 R – SozR 4 – 2500 § 27 Nr. 10) ist eine ärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmethode "neu", wenn sie zum Zeitpunkt der Behandlung nicht als abrechnungsfähige Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM) aufgeführt wird. Der EBM vom 1. April 2005 enthielt die Chemoperfusion nicht; sie wurde auch nicht in die Nachfolgefassung vom 1. Januar 2008 aufgenommen.
Eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Chemoperfusion lag zum Zeitpunkt der Behandlung der Versicherten nicht vor und ist auch später nicht abgegeben worden. Mangels Empfehlung seitens des Gemeinsamen Bundesausschusses in den einschlägigen Richtlinien durfte die von der Versicherten selbst beschaffte Behandlung von der Beklagten als Sachleistung nicht gewährt werden; daran scheitert auch ein Kostenerstattungsanspruch.
Einen Anspruch auf Kostenerstattung kann der Kläger auch nicht aus dem Gesichtspunkt eines sogenannten "Systemversagens" herleiten. Ein Kostenerstattungsanspruch kann ausnahmsweise dann gegeben sein, wenn die fehlende Anerkennung der neuen Methode auf einem Mangel des gesetzlichen Leistungssystems beruht. Ist die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode darauf zurückzuführen, dass das Verfahren vor dem Gemeinsamen Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wird, kann ein Kostenerstattungsanspruch des Versicherten ausnahmsweise in Betracht kommen. Das präventive Verbot in § 135 Absatz 1 SGB V dient allein der Qualitätssicherung; nur soweit es dieser Zweck erfordert, ist der Ausschluss ungeprüfter und nicht anerkannter Heilmethoden aus der vertragsärztlichen Versorgung gerechtfertigt. Wird dagegen die Einleitung oder die Durchführung des Verfahrens willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen blockiert oder verzögert und kann deshalb eine für die Behandlung benötigte neue Therapie nicht eingesetzt werden, widerspricht das dem Auftrag des Gesetzes. Eine sich daraus ergebende Versorgungslücke muss zugunsten des Versicherten mit Hilfe des § 13 Absatz 3 SGB V geschlossen werden (BSG, Urteil vom 28.03.2000 - B 1 KR 11/98 R - SozR 3-2500 § 135 Nr. 14). Nur im Fall einer derartigen Untätigkeit des Gemeinsamen Bundesausschusses ist für das Vorliegen einer Versorgungslücke zu prüfen, ob sich "die Wirksamkeit der neuen Behandlungsmethode aufgrund wissenschaftlich geführter Statistiken in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen nachweisen lässt und gegen die Qualität der Methode keine durchgreifenden Bedenken bestehen" (BSG, Urteil vom 16.09.1997 - 1 RK 28/95 - SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 = BSGE 81, 54).
In Anwendung dieser Grundsätze kann vorliegend von einer Versorgungslücke hinsichtlich der Chemoperfusion nicht ausgegangen werden. Die fehlende Aussage zur Chemoperfusion in den BUB-Richtlinien ist nicht Folge eines Systemmangels. Maßgebend ist insoweit die Sachlage zum Zeitpunkt der Behandlung. Zu diesem Zeitpunkt ist nichts dafür ersichtlich, dass vom Bundesausschuss trotz Erfüllung der für die Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen eine Entscheidung willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen unterlassen oder unterblieben ist. Einem Systemmangel in dem vorbezeichneten Sinne steht zwar nicht schon entgegen, dass der für eine Einleitung des Verfahrens erforderliche Antrag (vgl. § 135 Absatz 1 SGB V) nicht vorlag und damit schon die formellen Voraussetzungen für eine Tätigkeit des Bundesausschusses nicht gegeben waren. Ein Systemmangel besteht nämlich auch dann, wenn eindeutige sachliche Anhaltspunkte vorliegen, die eine erstmalige Überprüfung einer neuen Behandlungsmethode gebieten und trotz Kenntnis dieser Umstände von keinem der antragsberechtigten Beteiligten ein Prüfverfahren eingeleitet wird. Die Kammer hat jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Antragstellung bis zur Behandlung der Versicherten im Jahr 2005 hintertrieben, verhindert oder in einer den Krankenkassen oder dem Bundesausschuss sonst zurechenbaren Weise unzulässig verzögert worden sein könnte. Die Behandlung mit Chemoperfusion war und ist in der wissenschaftlichen Literatur umstritten. Die Kammer hat auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Ausschuss Unterlagen vorlagen, die erkennen lassen würden, dass es sich bei der streitbefangenen Behandlung um eine medizinische Methode handelt, die die gesetzlich für die vertragsärztliche Versorgung vorgegebenen Kriterien eines nachgewiesenen diagnostischen oder therapeutischen Nutzens, der medizinischen Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit erfüllen würde.
Zusammenfassend bleibt somit festzuhalten, dass Qualität und Wirksamkeit der Chemoperfusion noch nicht dem für die gesetzliche Krankenversicherung in § 2 Absatz 1 Satz 3 SGB V geforderten allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Das Gesetz verbietet es, die Erprobung neuer Methoden und die medizinische Forschung zu den Versicherungsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu zählen (BSG, Urteil vom 16. September 1997 – 1 RK 28/95 – SozR 3 – 2500 § 135 Nr. 4 = BSGE 81, 54, 57).
Das Klagebegehren ist auch nicht aus den Grundrechten der Versicherten nach Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) und gemäß Artikel 2 Absatz 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot begründet. Denn die verfassungskonforme Auslegung auf Grund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98 - BVerfGE 115, 25 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 = NZS 2006, 84 = NJW 2006, 891 = MedR 2006, 164 - immunbiologische Therapie) derjenigen Normen des SGB V, die einem verfassungsrechtlich begründeten Anspruch auf Krankenbehandlung entgegenstehen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 7/05 R - SozR 4-2500 § 31 Nr. 4 RdNr. 23 - Tomudex; zuletzt BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 12/06 R – RdNr. 16 - Idebenone) führt zu keinem anderen Ergebnis. Die grundrechtsorientierte Auslegung hat zur Folge, dass die generelle Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 12 Absatz 1 SGB V) einer Therapie ausnahmsweise bejaht werden muss, obwohl der Gemeinsame Bundesausschuss zu dieser Behandlungsmethode noch keine Empfehlung ausgesprochen hat und deshalb an sich diese Therapie von der Versorgung ausgeschlossen ist. Die verfassungskonforme Auslegung setzt aber voraus, dass (1) eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende (vgl. BSG, Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 7/05 R - SozR 4-2500 § 31 Nr. 4 RdNr. 21 und 30 mwN - Tomudex) oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/04 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 7 RdNr. 31 - D-Ribose), (2) eine allgemein anerkannte, medizinischem Standart entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht und (3) mit der gewählten Behandlungsmethode eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Entwicklung auf den Krankheitsverlauf besteht. Damit letzteres angenommen werden kann, müssen Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass die Behandlungsmethode für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen werden kann. Davon kann ausgegangen werden, wenn entweder die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III veröffentlicht sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder Erkenntnisse veröffentlich sind, die über Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund deren in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht.
Diese Voraussetzungen sind unabhängig von der Frage, ob bei der Versicherten eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung vorlag, nicht gegeben. Die Annahme eines Systemsversagens setzt voraus, dass eine notwendige Behandlung der Erkrankung des Versicherten nicht zur Verfügung stand. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt, da nach den übereinstimmenden Angaben des UU. Krankenhauses, des Prof. Dr. V. und des MDK als alternative Behandlung eine systemische Chemotherapie in Betracht gekommen wäre.
Frau Prof. Dr. J. führt in ihren Befundberichten vom 21. Dezember 2006 und 14. März 2007 aus, bei der Versicherten wäre als Standart eine Therapie nach FOLFOX-4 Schema bzw. bei vermuteter Oxaliplatin-Allergie die Zweitlinientherapie mit CPT-11 +5-FU +CF durchzuführen gewesen, die am 16. Juni 2005 bei progredienter Erkrankung auch eingeleitet worden wäre. Bei Metastasierung in mehreren Organen sei die Chemoperfusion nicht als zweckmäßige Behandlung einzustufen. In diesem Fall stelle die systemische Chemotherapie mit diversen zugelassenen Medikamenten die zweckmäßigere Behandlung dar. Die Versicherte sei nach der ersten Gabe einer neu begonnenen Chemotherapie - Linie aus der Behandlung mit der Empfehlung entlassen worden, sich am 24. Juni 2005 zur zweiten Gabe vorzustellen. Die Versicherte sei jedoch zur weiteren Behandlung nicht mehr erschienen. Soweit der Kläger demgegenüber einwendet, das Krankenhaus UU. habe am 17. Juni 2005 bei unbefriedigender Funktion der Medikamentenpumpe die systemische Chemotherapie mit der Begründung abgebrochen, "für eine Operation sei es bereits zu spät, da könne man nichts mehr machen", ist dies nicht nachvollziehbar, weil die Chemotherapie erst am Tag zuvor eingeleitet worden war, eine nicht voll funktionsfähige Medikamentenpumpe hätte ausgetauscht werden können und eine Operation nicht geplant war. Auch Prof. Dr. V hat in seinem Befundbericht vom 7. Juli 2006 angegeben, dass im konkreten Krankheitsfall der Versicherten mit der systemischen Chemotherapie eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standart entsprechende Behandlung zur Verfügung gestanden habe. Die Fachärztin für Innere Medizin/Sozialmedizin Dr. H gelangt in dem sozialmedizinischen Gutachten des MDK vom 21. Februar 2007 ebenfalls zu der Beurteilung, dass bezüglich der Erkrankung der Versicherten eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standart entsprechende Behandlung zur Verfügung gestanden habe. Eine Chemotherapie sei möglich gewesen. Die gewählten Substanzen Irinotecan, 5-Fluorouacil und Calciumfolinat seien zur Behandlung des kolorektalen Karzinoms zugelassen. Alternativ komme noch die Behandlung mit dem monoklonalen Antikörper Bevacizumab (Avastin) mit 5-FU und Folinsäure infrage.
Schließlich ist die dritte Voraussetzung, das heißt ob auf Grund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit der Behandlung ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) zu erzielen ist, für die Behandlung der Erkrankung der Versicherten mit Chemoperfusion nicht erfüllt. Dies steht zur Überzeugung der Kammer auf Grund der eingeholten Befundberichte fest. So führt Frau Prof. Dr. J. aus, derzeit lägen nur limitierte publizierte Daten zur Chemoperfusion der Leber mit verschiedenen Medikamenten bei Metastasierung durch kolorektale Carzinome vor. Generell sei davon auszugehen, dass die zur Verfügung stehenden Daten für einen standardmäßigen Einsatz nicht ausreichen. In der medizinischen Fachdiskussion habe die Chemoperfusion keine breite Resonanz gefunden. Diese Beurteilung wird letztlich auch von Prof. Dr. V bestätigt, der in seinem Befundbericht vom 7. Juli 2006 bekundet, die Behandlung der Leber-NPL mit Chemoperfusion habe in medizinischen Fachkreisen zu einer "beginnenden" Diskussion geführt und werde an Zentren in YN. und XY. begonnen. Über die Wirksamkeit einer Behandlungsmethode, die in den einschlägigen medizinischen Fachkreisen erst am Anfang der Diskussion steht, besteht jedenfalls dort noch kein Konsens. Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen hatte bereits in ihrer Auskunft vom 16. Dezember 2005 darauf hingewiesen, dass die Chemoperfusionsbehandlung nach den Leitlinien der Tumorbehandlung nicht als etablierte Behandlung angesehen sei.
Da der Kläger aus den vorstehend dargelegten Gründen keinen Kostenerstattungsanspruch für die Behandlung seiner Ehefrau mit Chemoperfusion hat, musste die Klage erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
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