Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 13 KR 486/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 119/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
ohne
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 18. März 2011 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Mammareduktionsplastik (Brustverkleinerungsoperation) und einer Bauchdeckenplastik (operative Straffung der Bauchdecke).
Die 1964 geborene und bei der Beklagten versicherte Klägerin unterzog sich im Oktober 2005 auf Kosten der Beklagten einer Magenbandoperation und verlor im Anschluss daran ca. 20 kg Körpergewicht. Am 21. April 2009 beantragte sie unter Beifügung einer ärztlichen Stellungnahme von Dr. QQ., Orthopäde, vom 29. Januar 2009 und Prof. Dr. WW. aus dem Klinikum B-Stadt, Klinik für Plastische, Ästhetische und Handchirurgie, vom 22. August 2008 die Kostenübernahme für eine Brustverkleinerungsoperation und eine operative Straffung der Bauchdecke. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass durch die Gewichtsabnahme ihr Busen erschlafft sei und nach unten ziehe, sodass sie unter einem starken Einschneiden der BH-Träger leide und starke Schmerzen in der Brustwirbelsäule habe. Speziell im Sommer leide sie durch das Schwitzen unter der herabhängenden Brust und der überlappenden Fettschürze unter Entzündungen. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung der Klägerin durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), Dr. EE. Diese kam im Rahmen ihres Gutachtens vom 16. Juni 2009 zu dem Ergebnis, dass ein Befund mit funktionellen Beeinträchtigungen, die einen Krankheitswert darstellten, bei der Klägerin nicht gegeben sei. Die auftretenden intertriginösen Hautveränderungen seien mit konservativen Behandlungsmaßnahmen therapierbar (konsequente Hygiene, Applikation von Wundheilsalben, Einlage von Gazestreifen). Bezüglich der Beschwerden des Bewegungsapparates sei weder medizinisch noch wissenschaftlich ein Kausalzusammenhang zwischen dem Gewicht der Brust und den Beschwerden des Stütz- und Bewegungsapparates gesichert. Auch durch die mäßig ausgeprägte Fettschürze bestehe keine funktionelle Beeinträchtigung. Mit Bescheid vom 26. Juni 2009 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für die geplanten Operationen ab. Den Widerspruch der Klägerin vom 19. Juli 2009, dem sie eine ärztliche Stellungnahme ihrer Hausärztin, Dr. RR., vom 31. Juli 2009 beifügte, wies die Beklagte nach erneuter Einschaltung des MDK (Gutachten Dr. TT. vom 26. August 2009) mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2009 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 2. Dezember 2009 Klage zum Sozialgericht Darmstadt erhoben und zur Begründung erneut darauf hingewiesen, dass der Umfang ihrer Brust und ihres Bauchdeckengewebes Krankheitswert habe. Sie leide unter Entzündungen, Rötungen, Nässe und Juckreiz im Bauchnabelbereich und unter der Brust. In der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule habe sie durch die "Zugkraft" der Brust Schmerzen und es lägen schmerzhafte Einschneidungen des BHs vor. Durch die umfangreiche (mobile) Brust und die Beugeübungen behindernde Fettschürze sei ihr eine sportliche Betätigung kaum möglich. Zudem sei durch die familiäre Vorbelastung und die Größe der Brust das Brustkrebsrisiko erhöht. Im Weiteren träten bei ihr durch das Hochdrücken der Fettschürze im Rahmen der normalen Bekleidung (Hosenbund) Magenschmerzen auf. Die orthopädischen Leiden seien durch Medikation, Rückenschule und Rehabilitationsmaßnahmen austherapiert. Die Hautbehandlung erfolge bei ihrer Hausärztin, zu der ein Vertrauensverhältnis bestehe. Bei ihr sei zudem eine Mitarbeiterin auf Naturheilverfahren spezialisiert, deren unterstützende Behandlung bislang im Rahmen des Möglichen zufriedenstellend gewesen sei. Zur Bestätigung ihres Vorbringens hat die Klägerin ein ärztliches Attest ihrer Hausärztin vom 19. Februar 2010 vorgelegt. Die Beklagte hat im Klageverfahren an ihrer Rechtsauffassung, dass eine Kostenübernahme für die Mammareduktionsplastik und die Bauchdeckenplastik nicht in Betracht komme, festgehalten Das Gericht hat Befundberichte bei Dr. RR. vom 25. Februar 2010, Dr. ZZ., Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, vom 25. Februar 2010, Dr. UU., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 4. März 2010 und Dr. QQ. vom 28. Mai 2010 eingeholt und den ärztlichen Entlassungsbericht aus dem Reha-Zentrum IO-Stadt vom 20. Februar 2008 beigezogen. Im Anschluss daran hat das Gericht ein orthopädisches Sachverständigengutachten bei Dr. OO. in Auftrag gegeben, welches dieser am 6. Dezember 2010 vorlegte. Dr. OO. kam im Rahmen seines Gutachtens zu dem Ergebnis, dass weder die Größe noch das Gewicht der Brust der Klägerin oder die Fettschürze zu Beschwerden oder funktionellen Einschränkungen führen würden.
Mit Urteil vom 18. März 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Weder die Durchführung der Brustverkleinerung noch die operative Straffung der Bauchdecke stellten eine notwendige Krankenbehandlung im Sinne des § 27 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) dar. Bezüglich der Brust liege keine Erkrankung vor, was auch die behandelnde Gynäkologin Dr. ZZ. im Rahmen ihres Befundberichtes bestätigt habe. Von einer entstellenden Wirkung könne bei einer BH-Größe 95 D - einer üblichen Konfektionsgröße - zudem nicht ausgegangen werden. Weder Dr. OO. noch die MDK Gutachterin Dr. EE. hätten im Weiteren im Rahmen ihrer Begutachtungen Hautentzündung objektivieren können, obwohl diese in der warmen Jahreszeit stattgefunden hätten. Eine fachärztliche Behandlung der Klägerin liege diesbezüglich auch nicht vor. Zudem seien konservative Behandlungsmöglichkeiten wegen Hautveränderungen zumutbar. Die von der Klägerin geschilderten Schmerzen im gesamten Schulter-, Nacken- und Rückenbereich seien den nachvollziehbaren Ausführungen des Gutachters Dr. OO. zufolge im Rahmen der Begutachtung nicht plausibel zu machen gewesen.
Gegen das der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 28. März 2011 zugestellte Urteil hat diese am 19. April 2011 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung weist sie darauf hin, dass ihre Hausärztin, Dr. RR., mehrfach das regelmäßige Verabreichen von Dermatologika und das Bestehen von schweren Hautleiden dokumentiert habe. Zur Bestätigung ihres Vorbringens hat die Klägerin eine Fotodokumentation vom 2. Juni 2011 und ein ärztliches Attest vom 16. Juni 2011 vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 18. März 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2009 zu verurteilen, die Kosten für eine Mammareduktionsplastik und eine Bauchdeckenplastik zu übernehmen,
hilfsweise,
ein Gutachten nach § 109 SGG von Prof. Dr. PP. einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Ergänzend weist sie darauf hin, dass als Argument für eine Operation die ggf. bestehenden erschwerten Bedingungen der Brustuntersuchung im Rahmen der Krebsvorsorge bei großen Brüsten nicht nachvollziehbar sei. Auch nach einer Operation von kleineren Brüsten und nachfolgenden Vernarbungen bestünden erschwerte Bedingungen bei der Vorsorgeuntersuchung. Handlungsalternativen seien in Form von dermatologischen und orthopädischen Mitbehandlungen bei Bedarf, einer weiterer Gewichtsreduktion, einer physikalischen Therapie und einer aktiven Wirbelsäulengymnastik gegeben. Nach wie vor bestünden bei der Klägerin keine Funktionseinschränkungen oder Hautveränderungen. Zur Bestätigung ihres Vorbringens hat die Beklagte u.a. ein sozialmedizinisches Gutachten des MDK, Dr. ÜÜ., vom 4. September 2012 vorgelegt.
Auf den Erörterungstermin vom 30. Mai 2011 hat der Senat auf den Antrag der Klägerin ein plastisch-chirurgisches Sachverständigengutachten gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Dr. C. eingeholt, welches dieser am 4. Mai 2012 vorlegte. Dr. C. kommt im Rahmen seines Gutachtens vom 28. März 2012 zu dem Ergebnis, dass für den jetzigen Zustand der Klägerin auch in sozio-ökonomischer Hinsicht eine operative Therapie im Rahmen einer Mammareduktionsplastik und einer Fettschürzenresektion die einzige Maßnahme sei, die in Frage komme. Zu dem von der Beklagten vorgelegten MDK- Gutachten vom 4. September 2012 hat der Senat bei Dr. C. eine ergänzende Stellungnahme eingeholt, die dieser am 19. November 2012 vorgelegt hat.
Am 27. März 2013 hat die Klägerin auf den Hinweis des Senats vom 4. März 2013, dass nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen unter Berücksichtigung der Stellungnahme des MDK vom 4. September 2012 zu dem plastisch-chirurgischen Gutachten von Dr. C. vom 28. März 2012 dieses von dem Senat in weiten Teilen nicht nachvollzogen werden könne und die Einholung eines lungenfachärztlichen Zusatzgutachtens nicht beabsichtigt sei, einen weiteren Antrag nach § 109 SGG auf Einholung eines Gutachtens bei Prof. Dr. PP., Facharzt für Urologie und Chirurgie, Professor für Chirurgie an der Universität C Stadt und Chefarzt der Chirurgie des Krankenhauses CL. in C-Stadt, gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat weder Anspruch auf eine Mammareduktionsplastik noch auf eine Bauchdeckenplastik.
Die Beklagte hat die Leistungen nicht zu Unrecht abgelehnt.
Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung setzt nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V eine Krankheit voraus. Damit wird ein regelwidriger, vom Leitbild eines gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, welcher der ärztlichen Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht. Dabei kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert im Rechtssinne zu; die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes hat diese Grundvoraussetzungen für die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht vielmehr dahingehend präzisiert, dass eine Krankheit nur vorliegt, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 3/08 R; Urteil vom 28. Februar 2008, B 1 KR 19/07 R - juris -).
Im Bereich der Brüste und der Fettschürze der Klägerin liegt ein regelwidriger Körperzustand im Sinne der vorbezeichneten Grundsätze nicht vor. Zwar sind die behandelnden Ärzte der Klägerin in ihren ärztlichen Stellungnahmen bzw. Attesten davon ausgegangen, dass die Brüste der Klägerin vergrößert sind und eine Ptosis vorliegt. Gleichfalls ist eine Fettschürze im Bauchbereich der Klägerin u.a. durch die Fotodokumentation und Befundung von Dr. OO. im Rahmen seines Sachverständigengutachtens vom 2. Dezember 2010 objektiviert. Übermäßig vergrößerte herabhängende Brüste stellen aber für sich genommen keinen krankhaften Befund dar (Bundessozialgericht, a.a.O.; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 25. März 2010, L 5 KR 118/08; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Februar 2010, L 11 KR 4761/09; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen; Urteil vom 21. September 2011, L 11 KR 33/09 - juris -). Gleiches gilt für eine bestehende Fettschürze (Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 15. September 2004, L 9 KR 56/03; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16. November 2006, L 4 KR 60/04 - juris -).
Funktionsmängel im Sinne von Hautirritationen(-veränderungen), die im Erscheinungsbild der Haut mit nachhaltigen Strukturveränderungen als Folge einer persistierenden Entzündung (erodierte Bereiche) einhergehen, sind weder von der insoweit behandelnden Hausärztin Dr. RR. noch bei den Begutachtungen durch Dr. OO., Dr. C. oder durch den MDK beschrieben worden. Die von der Klägerin durch eine Fotodokumentation objektivierten Hautreizungen im Unterbrustbereich treten nach ihren eigenen und auch den Angaben ihrer behandelnden Hausärztin nicht ständig und unbehandelbar auf. In solchen, eine Behandlung erfordernden Fällen, ist aber nach den für den Senat nachvollziehbaren Ausführungen der MDK-Gutachten vom 16. Juni 2009 und vom 4. September 2012 die Durchführung einer fachdermatologischen Behandlung (zunächst) vorrangig, um einen etwaigen krankhaften Hautbefund wieder zu normalisieren.
Die Operationen sind zudem nicht zur Behandlung der von der Klägerin beklagten Wirbelsäulen- und Schulter-Arm-Beschwerden notwendig. Fraglich ist insoweit bereits, ob und inwieweit es wissenschaftlich-statistisch belegte Erkenntnisse zum Ursachenzusammenhang zwischen orthopädischen Gesundheitsstörungen und der Brustgröße gibt (verneinend: Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Dezember 2008, L 5 KR 2638/07; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. September 2010, L 16 (5) KR 142/08; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. August 2008, L 1 KR 7/07, m.w.N. - juris -). Letztlich kann die Problematik eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Brustgröße und orthopädischen Gesundheitsstörungen jedoch dahinstehen. Die Operationen erfolgen vorliegend nur zur mittelbaren Bekämpfung der auf orthopädischem Gebiet bestehenden Beschwerden. Zwar können grundsätzlich auch solche Maßnahmen notwendig sein, wenn sie gezielt der Krankheitsbekämpfung dienen. Eine solche mittelbare Behandlung bedarf jedoch einer besonderen Rechtfertigung, indem eine Abwägung zwischen dem voraussichtlichen medizinischen Nutzen und möglichen gesundheitlichen Schäden erfolgen muss. Wird dabei – wie hier – in funktionell intakte Organe eingegriffen, sind besonders hohe Anforderungen zu stellen, wobei Art und Schwere der Erkrankung, das Risiko und der eventuelle Nutzen der Therapie gegeneinander abzuwägen sind (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Februar 2003, B 1 KR 1/02 R). Zu fordern ist in jedem Fall eine schwerwiegende Erkrankung der Wirbelsäule und die erfolglose Ausschöpfung aller konservativen orthopädischen Behandlungsmaßnahmen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Nach Dr. OO. ließen sich bei der Untersuchung der Klägerin am 2. September 2010 weder an der Hals- noch im Bereich von Brust- oder Lendenwirbelsäule segmentale funktionelle Einschränkungen oder Bewegungsbeeinträchtigungen nachweisen. Neuroorthopädische Unregelmäßigkeiten an den oberen oder unteren Gliedmaßen oder Einschränkungen der Beweglichkeit durch die Fettschürze der Klägerin waren nicht zu erkennen. Dies ist für den Senat aufgrund der von Dr. OO. erhobenen Befunde (u.a.: altersentsprechend uneingeschränkte und schmerzfreie Beweglichkeit des Halses für alle Richtungen, FBA beim Vornüberneigen mit gestreckten Kniegelenken 0 cm, Ott`sches Maß 30/32 cm, Schober-Index: 10/16 cm - jeweils reguläre Entfaltbarkeit an Brust- und Lendenwirbelsäule -) und der Fotodokumentation nachvollziehbar. Belastbare Befunddokumentationen, die eine anderweitige Diagnose rechtfertigen könnten, liegen insoweit weder von Dr. QQ. noch von Dr. C. vor, der nach seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23. Oktober 2012 gar keine Untersuchung der Wirbelsäule der Klägerin durchführte.
Die Größe der Brüste und die Fettschürze bewirken auch nicht eine äußere Entstellung, die den Bedarf nach einer Mammareduktionsplastik und einer Bauchdeckenplastik begründen könnte. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anomalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier und Betroffenheit hervorruft und damit zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist. Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein, sodass sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" diese bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Rechtsordnung im Interesse der Eingliederung behinderter Menschen fordert, dass Nichtbehinderte ihre Wahrnehmung von Behinderung korrigieren müssen (Bundessozialgericht, a.a.O.). Hierfür bestehen vorliegend weder Anhaltspunkte noch liegt ein entsprechender Vortrag der Klägerin vor. An dieser Einschätzung kann nach der Auffassung des Senats die von Dr. OO. erstellte Bilddokumentation im unbekleideten Zustand keine Änderung herbeiführen. Maßgeblich für die Frage der Entstellung ist insoweit der bekleidete Zustand in alltäglichen Situationen.
Die psychische Belastung der Klägerin rechtfertigt zudem keinen operativen Eingriff auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes, der sich der Senat anschließt, können psychische Leiden, bis hin zu suizidalen Gedanken, einen Anspruch auf eine Operation zur Brustreduktion nicht begründen (Bundessozialgericht, a.a.O.). Dies gilt entsprechend für eine Bauchdeckenplastik.
Die lediglich abstrakt bestehende Gefahr einer Brustkrebserkrankung kann zudem nicht den Eingriff in ein intaktes Organ rechtfertigen.
Vor diesem Hintergrund ist das Gutachten von Dr. C. für den Senat nicht nachvollziehbar.
Der Senat sah keine Veranlassung, von Amts wegen eine lungenfachärztliche Zusatzbegutachtung in Auftrag zu geben. Die von Dr. C. abseits seines Fachgebietes diagnostizierte verminderte Lungenfunktion der Klägerin mit verminderter inspiratorischer Atemexkursion ist von ihm selbst befundmäßig nicht belegt, von der Klägerin nie beklagt worden und in keinen medizinischen Befunddokumentationen über die Klägerin objektiviert. Insoweit folgt der Senat den überzeugenden Ausführungen des MDK-Gutachtens vom 4. September 2012. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23. Oktober 2012 spricht Dr. C. selbst lediglich von einer hypothetischen Fallkonstellation - "Falls eine inspiratorische Atemexkursion in (der spirometrischen Lungenuntersuchung) festgestellt wird, kann diese auch auf die sehr große Brust zurückgeführt werden" -.
Der Antrag der Klägerin vom 27. April 2013, ein weiteres Gutachten gem. § 109 SGG bei Prof. Dr. PP. einzuholen, war abzulehnen. Insoweit liegt ein wiederholender Antrag vor. Die Klägerin hat bereits ein chirurgisches Gutachten nach § 109 SGG bei Dr. C. veranlasst. Prof. Dr. PP. ist Chefarzt der Chirurgie des Krankenhauses CL. in C-Stadt. Bei gleicher Fachrichtung (sogar bei verwandten Fachrichtungen, wie z. B. Chirurgie und Orthopädie) besteht grundsätzlich kein Grund, ein weiteres Gutachten einzuholen; das Antragsrecht nach § 109 SGG ist verbraucht (vgl.: Keller in: Meyer-Ladewig/Leitherer, SGG, Kommentar, 10. Auflage 2012, § 109 Rdnr. 10b; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Auflage 2011, III Rdnr. 79 ff, 94). Besondere Umstände dafür, dem Antrag zu folgen, sind im vorliegenden Fall nicht darin zu erkennen, dass, wie von der Klägerin vorgetragen, Dr. C. ihre Beeinträchtigungen auf psychologischem und dermatologischem Gebiet nicht bewertet und die Einschränkung der Lungenfunktion ausdrücklich offen gelassen habe. Ein weiteres Gutachten kann zum einen nicht begehrt werden, wenn der Antragsteller nach Vorlage des Gutachtens der Auffassung ist, dass der von ihm benannte Sachverständige nicht über die erforderliche Sachkunde verfügt habe oder in Bezug auf das Beweisthema nicht kompetent gewesen sei. Insoweit trägt der Antragsteller das Risiko der Auswahl des Sachverständigen. Zudem liegen die von der Klägerin angeforderten Themen abseits des chirurgischen (und urologischen) Fachgebietes.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Mammareduktionsplastik (Brustverkleinerungsoperation) und einer Bauchdeckenplastik (operative Straffung der Bauchdecke).
Die 1964 geborene und bei der Beklagten versicherte Klägerin unterzog sich im Oktober 2005 auf Kosten der Beklagten einer Magenbandoperation und verlor im Anschluss daran ca. 20 kg Körpergewicht. Am 21. April 2009 beantragte sie unter Beifügung einer ärztlichen Stellungnahme von Dr. QQ., Orthopäde, vom 29. Januar 2009 und Prof. Dr. WW. aus dem Klinikum B-Stadt, Klinik für Plastische, Ästhetische und Handchirurgie, vom 22. August 2008 die Kostenübernahme für eine Brustverkleinerungsoperation und eine operative Straffung der Bauchdecke. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass durch die Gewichtsabnahme ihr Busen erschlafft sei und nach unten ziehe, sodass sie unter einem starken Einschneiden der BH-Träger leide und starke Schmerzen in der Brustwirbelsäule habe. Speziell im Sommer leide sie durch das Schwitzen unter der herabhängenden Brust und der überlappenden Fettschürze unter Entzündungen. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung der Klägerin durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), Dr. EE. Diese kam im Rahmen ihres Gutachtens vom 16. Juni 2009 zu dem Ergebnis, dass ein Befund mit funktionellen Beeinträchtigungen, die einen Krankheitswert darstellten, bei der Klägerin nicht gegeben sei. Die auftretenden intertriginösen Hautveränderungen seien mit konservativen Behandlungsmaßnahmen therapierbar (konsequente Hygiene, Applikation von Wundheilsalben, Einlage von Gazestreifen). Bezüglich der Beschwerden des Bewegungsapparates sei weder medizinisch noch wissenschaftlich ein Kausalzusammenhang zwischen dem Gewicht der Brust und den Beschwerden des Stütz- und Bewegungsapparates gesichert. Auch durch die mäßig ausgeprägte Fettschürze bestehe keine funktionelle Beeinträchtigung. Mit Bescheid vom 26. Juni 2009 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für die geplanten Operationen ab. Den Widerspruch der Klägerin vom 19. Juli 2009, dem sie eine ärztliche Stellungnahme ihrer Hausärztin, Dr. RR., vom 31. Juli 2009 beifügte, wies die Beklagte nach erneuter Einschaltung des MDK (Gutachten Dr. TT. vom 26. August 2009) mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2009 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 2. Dezember 2009 Klage zum Sozialgericht Darmstadt erhoben und zur Begründung erneut darauf hingewiesen, dass der Umfang ihrer Brust und ihres Bauchdeckengewebes Krankheitswert habe. Sie leide unter Entzündungen, Rötungen, Nässe und Juckreiz im Bauchnabelbereich und unter der Brust. In der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule habe sie durch die "Zugkraft" der Brust Schmerzen und es lägen schmerzhafte Einschneidungen des BHs vor. Durch die umfangreiche (mobile) Brust und die Beugeübungen behindernde Fettschürze sei ihr eine sportliche Betätigung kaum möglich. Zudem sei durch die familiäre Vorbelastung und die Größe der Brust das Brustkrebsrisiko erhöht. Im Weiteren träten bei ihr durch das Hochdrücken der Fettschürze im Rahmen der normalen Bekleidung (Hosenbund) Magenschmerzen auf. Die orthopädischen Leiden seien durch Medikation, Rückenschule und Rehabilitationsmaßnahmen austherapiert. Die Hautbehandlung erfolge bei ihrer Hausärztin, zu der ein Vertrauensverhältnis bestehe. Bei ihr sei zudem eine Mitarbeiterin auf Naturheilverfahren spezialisiert, deren unterstützende Behandlung bislang im Rahmen des Möglichen zufriedenstellend gewesen sei. Zur Bestätigung ihres Vorbringens hat die Klägerin ein ärztliches Attest ihrer Hausärztin vom 19. Februar 2010 vorgelegt. Die Beklagte hat im Klageverfahren an ihrer Rechtsauffassung, dass eine Kostenübernahme für die Mammareduktionsplastik und die Bauchdeckenplastik nicht in Betracht komme, festgehalten Das Gericht hat Befundberichte bei Dr. RR. vom 25. Februar 2010, Dr. ZZ., Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, vom 25. Februar 2010, Dr. UU., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 4. März 2010 und Dr. QQ. vom 28. Mai 2010 eingeholt und den ärztlichen Entlassungsbericht aus dem Reha-Zentrum IO-Stadt vom 20. Februar 2008 beigezogen. Im Anschluss daran hat das Gericht ein orthopädisches Sachverständigengutachten bei Dr. OO. in Auftrag gegeben, welches dieser am 6. Dezember 2010 vorlegte. Dr. OO. kam im Rahmen seines Gutachtens zu dem Ergebnis, dass weder die Größe noch das Gewicht der Brust der Klägerin oder die Fettschürze zu Beschwerden oder funktionellen Einschränkungen führen würden.
Mit Urteil vom 18. März 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Weder die Durchführung der Brustverkleinerung noch die operative Straffung der Bauchdecke stellten eine notwendige Krankenbehandlung im Sinne des § 27 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) dar. Bezüglich der Brust liege keine Erkrankung vor, was auch die behandelnde Gynäkologin Dr. ZZ. im Rahmen ihres Befundberichtes bestätigt habe. Von einer entstellenden Wirkung könne bei einer BH-Größe 95 D - einer üblichen Konfektionsgröße - zudem nicht ausgegangen werden. Weder Dr. OO. noch die MDK Gutachterin Dr. EE. hätten im Weiteren im Rahmen ihrer Begutachtungen Hautentzündung objektivieren können, obwohl diese in der warmen Jahreszeit stattgefunden hätten. Eine fachärztliche Behandlung der Klägerin liege diesbezüglich auch nicht vor. Zudem seien konservative Behandlungsmöglichkeiten wegen Hautveränderungen zumutbar. Die von der Klägerin geschilderten Schmerzen im gesamten Schulter-, Nacken- und Rückenbereich seien den nachvollziehbaren Ausführungen des Gutachters Dr. OO. zufolge im Rahmen der Begutachtung nicht plausibel zu machen gewesen.
Gegen das der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 28. März 2011 zugestellte Urteil hat diese am 19. April 2011 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung weist sie darauf hin, dass ihre Hausärztin, Dr. RR., mehrfach das regelmäßige Verabreichen von Dermatologika und das Bestehen von schweren Hautleiden dokumentiert habe. Zur Bestätigung ihres Vorbringens hat die Klägerin eine Fotodokumentation vom 2. Juni 2011 und ein ärztliches Attest vom 16. Juni 2011 vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 18. März 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2009 zu verurteilen, die Kosten für eine Mammareduktionsplastik und eine Bauchdeckenplastik zu übernehmen,
hilfsweise,
ein Gutachten nach § 109 SGG von Prof. Dr. PP. einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Ergänzend weist sie darauf hin, dass als Argument für eine Operation die ggf. bestehenden erschwerten Bedingungen der Brustuntersuchung im Rahmen der Krebsvorsorge bei großen Brüsten nicht nachvollziehbar sei. Auch nach einer Operation von kleineren Brüsten und nachfolgenden Vernarbungen bestünden erschwerte Bedingungen bei der Vorsorgeuntersuchung. Handlungsalternativen seien in Form von dermatologischen und orthopädischen Mitbehandlungen bei Bedarf, einer weiterer Gewichtsreduktion, einer physikalischen Therapie und einer aktiven Wirbelsäulengymnastik gegeben. Nach wie vor bestünden bei der Klägerin keine Funktionseinschränkungen oder Hautveränderungen. Zur Bestätigung ihres Vorbringens hat die Beklagte u.a. ein sozialmedizinisches Gutachten des MDK, Dr. ÜÜ., vom 4. September 2012 vorgelegt.
Auf den Erörterungstermin vom 30. Mai 2011 hat der Senat auf den Antrag der Klägerin ein plastisch-chirurgisches Sachverständigengutachten gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Dr. C. eingeholt, welches dieser am 4. Mai 2012 vorlegte. Dr. C. kommt im Rahmen seines Gutachtens vom 28. März 2012 zu dem Ergebnis, dass für den jetzigen Zustand der Klägerin auch in sozio-ökonomischer Hinsicht eine operative Therapie im Rahmen einer Mammareduktionsplastik und einer Fettschürzenresektion die einzige Maßnahme sei, die in Frage komme. Zu dem von der Beklagten vorgelegten MDK- Gutachten vom 4. September 2012 hat der Senat bei Dr. C. eine ergänzende Stellungnahme eingeholt, die dieser am 19. November 2012 vorgelegt hat.
Am 27. März 2013 hat die Klägerin auf den Hinweis des Senats vom 4. März 2013, dass nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen unter Berücksichtigung der Stellungnahme des MDK vom 4. September 2012 zu dem plastisch-chirurgischen Gutachten von Dr. C. vom 28. März 2012 dieses von dem Senat in weiten Teilen nicht nachvollzogen werden könne und die Einholung eines lungenfachärztlichen Zusatzgutachtens nicht beabsichtigt sei, einen weiteren Antrag nach § 109 SGG auf Einholung eines Gutachtens bei Prof. Dr. PP., Facharzt für Urologie und Chirurgie, Professor für Chirurgie an der Universität C Stadt und Chefarzt der Chirurgie des Krankenhauses CL. in C-Stadt, gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat weder Anspruch auf eine Mammareduktionsplastik noch auf eine Bauchdeckenplastik.
Die Beklagte hat die Leistungen nicht zu Unrecht abgelehnt.
Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung setzt nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V eine Krankheit voraus. Damit wird ein regelwidriger, vom Leitbild eines gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, welcher der ärztlichen Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht. Dabei kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert im Rechtssinne zu; die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes hat diese Grundvoraussetzungen für die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht vielmehr dahingehend präzisiert, dass eine Krankheit nur vorliegt, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 3/08 R; Urteil vom 28. Februar 2008, B 1 KR 19/07 R - juris -).
Im Bereich der Brüste und der Fettschürze der Klägerin liegt ein regelwidriger Körperzustand im Sinne der vorbezeichneten Grundsätze nicht vor. Zwar sind die behandelnden Ärzte der Klägerin in ihren ärztlichen Stellungnahmen bzw. Attesten davon ausgegangen, dass die Brüste der Klägerin vergrößert sind und eine Ptosis vorliegt. Gleichfalls ist eine Fettschürze im Bauchbereich der Klägerin u.a. durch die Fotodokumentation und Befundung von Dr. OO. im Rahmen seines Sachverständigengutachtens vom 2. Dezember 2010 objektiviert. Übermäßig vergrößerte herabhängende Brüste stellen aber für sich genommen keinen krankhaften Befund dar (Bundessozialgericht, a.a.O.; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 25. März 2010, L 5 KR 118/08; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Februar 2010, L 11 KR 4761/09; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen; Urteil vom 21. September 2011, L 11 KR 33/09 - juris -). Gleiches gilt für eine bestehende Fettschürze (Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 15. September 2004, L 9 KR 56/03; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16. November 2006, L 4 KR 60/04 - juris -).
Funktionsmängel im Sinne von Hautirritationen(-veränderungen), die im Erscheinungsbild der Haut mit nachhaltigen Strukturveränderungen als Folge einer persistierenden Entzündung (erodierte Bereiche) einhergehen, sind weder von der insoweit behandelnden Hausärztin Dr. RR. noch bei den Begutachtungen durch Dr. OO., Dr. C. oder durch den MDK beschrieben worden. Die von der Klägerin durch eine Fotodokumentation objektivierten Hautreizungen im Unterbrustbereich treten nach ihren eigenen und auch den Angaben ihrer behandelnden Hausärztin nicht ständig und unbehandelbar auf. In solchen, eine Behandlung erfordernden Fällen, ist aber nach den für den Senat nachvollziehbaren Ausführungen der MDK-Gutachten vom 16. Juni 2009 und vom 4. September 2012 die Durchführung einer fachdermatologischen Behandlung (zunächst) vorrangig, um einen etwaigen krankhaften Hautbefund wieder zu normalisieren.
Die Operationen sind zudem nicht zur Behandlung der von der Klägerin beklagten Wirbelsäulen- und Schulter-Arm-Beschwerden notwendig. Fraglich ist insoweit bereits, ob und inwieweit es wissenschaftlich-statistisch belegte Erkenntnisse zum Ursachenzusammenhang zwischen orthopädischen Gesundheitsstörungen und der Brustgröße gibt (verneinend: Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Dezember 2008, L 5 KR 2638/07; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. September 2010, L 16 (5) KR 142/08; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. August 2008, L 1 KR 7/07, m.w.N. - juris -). Letztlich kann die Problematik eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Brustgröße und orthopädischen Gesundheitsstörungen jedoch dahinstehen. Die Operationen erfolgen vorliegend nur zur mittelbaren Bekämpfung der auf orthopädischem Gebiet bestehenden Beschwerden. Zwar können grundsätzlich auch solche Maßnahmen notwendig sein, wenn sie gezielt der Krankheitsbekämpfung dienen. Eine solche mittelbare Behandlung bedarf jedoch einer besonderen Rechtfertigung, indem eine Abwägung zwischen dem voraussichtlichen medizinischen Nutzen und möglichen gesundheitlichen Schäden erfolgen muss. Wird dabei – wie hier – in funktionell intakte Organe eingegriffen, sind besonders hohe Anforderungen zu stellen, wobei Art und Schwere der Erkrankung, das Risiko und der eventuelle Nutzen der Therapie gegeneinander abzuwägen sind (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Februar 2003, B 1 KR 1/02 R). Zu fordern ist in jedem Fall eine schwerwiegende Erkrankung der Wirbelsäule und die erfolglose Ausschöpfung aller konservativen orthopädischen Behandlungsmaßnahmen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Nach Dr. OO. ließen sich bei der Untersuchung der Klägerin am 2. September 2010 weder an der Hals- noch im Bereich von Brust- oder Lendenwirbelsäule segmentale funktionelle Einschränkungen oder Bewegungsbeeinträchtigungen nachweisen. Neuroorthopädische Unregelmäßigkeiten an den oberen oder unteren Gliedmaßen oder Einschränkungen der Beweglichkeit durch die Fettschürze der Klägerin waren nicht zu erkennen. Dies ist für den Senat aufgrund der von Dr. OO. erhobenen Befunde (u.a.: altersentsprechend uneingeschränkte und schmerzfreie Beweglichkeit des Halses für alle Richtungen, FBA beim Vornüberneigen mit gestreckten Kniegelenken 0 cm, Ott`sches Maß 30/32 cm, Schober-Index: 10/16 cm - jeweils reguläre Entfaltbarkeit an Brust- und Lendenwirbelsäule -) und der Fotodokumentation nachvollziehbar. Belastbare Befunddokumentationen, die eine anderweitige Diagnose rechtfertigen könnten, liegen insoweit weder von Dr. QQ. noch von Dr. C. vor, der nach seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23. Oktober 2012 gar keine Untersuchung der Wirbelsäule der Klägerin durchführte.
Die Größe der Brüste und die Fettschürze bewirken auch nicht eine äußere Entstellung, die den Bedarf nach einer Mammareduktionsplastik und einer Bauchdeckenplastik begründen könnte. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anomalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier und Betroffenheit hervorruft und damit zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist. Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein, sodass sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" diese bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Rechtsordnung im Interesse der Eingliederung behinderter Menschen fordert, dass Nichtbehinderte ihre Wahrnehmung von Behinderung korrigieren müssen (Bundessozialgericht, a.a.O.). Hierfür bestehen vorliegend weder Anhaltspunkte noch liegt ein entsprechender Vortrag der Klägerin vor. An dieser Einschätzung kann nach der Auffassung des Senats die von Dr. OO. erstellte Bilddokumentation im unbekleideten Zustand keine Änderung herbeiführen. Maßgeblich für die Frage der Entstellung ist insoweit der bekleidete Zustand in alltäglichen Situationen.
Die psychische Belastung der Klägerin rechtfertigt zudem keinen operativen Eingriff auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes, der sich der Senat anschließt, können psychische Leiden, bis hin zu suizidalen Gedanken, einen Anspruch auf eine Operation zur Brustreduktion nicht begründen (Bundessozialgericht, a.a.O.). Dies gilt entsprechend für eine Bauchdeckenplastik.
Die lediglich abstrakt bestehende Gefahr einer Brustkrebserkrankung kann zudem nicht den Eingriff in ein intaktes Organ rechtfertigen.
Vor diesem Hintergrund ist das Gutachten von Dr. C. für den Senat nicht nachvollziehbar.
Der Senat sah keine Veranlassung, von Amts wegen eine lungenfachärztliche Zusatzbegutachtung in Auftrag zu geben. Die von Dr. C. abseits seines Fachgebietes diagnostizierte verminderte Lungenfunktion der Klägerin mit verminderter inspiratorischer Atemexkursion ist von ihm selbst befundmäßig nicht belegt, von der Klägerin nie beklagt worden und in keinen medizinischen Befunddokumentationen über die Klägerin objektiviert. Insoweit folgt der Senat den überzeugenden Ausführungen des MDK-Gutachtens vom 4. September 2012. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23. Oktober 2012 spricht Dr. C. selbst lediglich von einer hypothetischen Fallkonstellation - "Falls eine inspiratorische Atemexkursion in (der spirometrischen Lungenuntersuchung) festgestellt wird, kann diese auch auf die sehr große Brust zurückgeführt werden" -.
Der Antrag der Klägerin vom 27. April 2013, ein weiteres Gutachten gem. § 109 SGG bei Prof. Dr. PP. einzuholen, war abzulehnen. Insoweit liegt ein wiederholender Antrag vor. Die Klägerin hat bereits ein chirurgisches Gutachten nach § 109 SGG bei Dr. C. veranlasst. Prof. Dr. PP. ist Chefarzt der Chirurgie des Krankenhauses CL. in C-Stadt. Bei gleicher Fachrichtung (sogar bei verwandten Fachrichtungen, wie z. B. Chirurgie und Orthopädie) besteht grundsätzlich kein Grund, ein weiteres Gutachten einzuholen; das Antragsrecht nach § 109 SGG ist verbraucht (vgl.: Keller in: Meyer-Ladewig/Leitherer, SGG, Kommentar, 10. Auflage 2012, § 109 Rdnr. 10b; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Auflage 2011, III Rdnr. 79 ff, 94). Besondere Umstände dafür, dem Antrag zu folgen, sind im vorliegenden Fall nicht darin zu erkennen, dass, wie von der Klägerin vorgetragen, Dr. C. ihre Beeinträchtigungen auf psychologischem und dermatologischem Gebiet nicht bewertet und die Einschränkung der Lungenfunktion ausdrücklich offen gelassen habe. Ein weiteres Gutachten kann zum einen nicht begehrt werden, wenn der Antragsteller nach Vorlage des Gutachtens der Auffassung ist, dass der von ihm benannte Sachverständige nicht über die erforderliche Sachkunde verfügt habe oder in Bezug auf das Beweisthema nicht kompetent gewesen sei. Insoweit trägt der Antragsteller das Risiko der Auswahl des Sachverständigen. Zudem liegen die von der Klägerin angeforderten Themen abseits des chirurgischen (und urologischen) Fachgebietes.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved