Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 222/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 153/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zum Nachweis der Einwirkungen bei der Herstellung von Zytostatika im Labor einer Krankenhausapotheke als Voraussetzung der Anerkennung einer obstruktiven Atemwegserkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 4301 bzw. Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV.
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. Mai 2009 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Anerkennung einer obstruktiven Atemwegserkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4301 (durch allergisierende Stoffe verursacht) bzw. Nr. 4302 (durch toxisch wirkende Stoffe verursacht) der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Die 1962 geborene Klägerin ist ausgebildete Pharmazeutisch-Technische Assistentin (PTA). Sie arbeitete als PTA vom 1. Juli 1995 bis zum 30. September 2002 im JC. Krankenhaus in A-Stadt in der Krankenhausapotheke. Seit dem 1. Oktober 2002 ist sie am Klinikum der Q.Universität in A-Stadt im Bereich Onkologie beschäftigt. Während ihrer Tätigkeit am JC.-Krankenhaus A-Stadt war die Klägerin mit der Herstellung von Zytostatika-Anwendungen betraut; während ihrer Tätigkeit am Universitätsklinikum A Stadt hatte sie bis Anfang April 2006 Umgang mit gebrauchsfertigen Zytostatika-Infusionen sowie mit Zytostatika-Tabletten.
Durch den behandelnden Arzt Dr. QQ. erfolgte im Juni 2006 eine Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit, wobei der Arzt als Berufskrankheit "Zytostatikalunge" und als Krankheitserscheinungen "Husten seit 4 Jahren" angab.
Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der Deutschen Angestelltenkrankenkasse sowie einen Arztbrief des behandelnden Lungenfacharztes Dr. WW. vom 16. August 2004 bei, der bei der Klägerin nur die Diagnose "Bronchitis" festgestellt hatte und den Nachweis einer bronchialen Hyperreagibilität ausschloss.
Zur Ermittlung der arbeitstechnischen Voraussetzungen beauftragte die Beklagte den Technischen Aufsichtsdienst (TAD). Dieser stellte durch die Aufsichtsperson Herrn EE. unter Zugrundelegung der Auskünfte des aktuellen Arbeitgebers der Klägerin (Universitätsklinikum A-Stadt) vom 30. August 2006 und vom 12. September 2006, nach telefonischen Befragungen u. a. der Klägerin, ihres behandelnden Pulmologen Dr. QQ., der Pflegedienstleitung Onkologie des Universitätsklinikums, Frau RR., der Gruppenleitung Knochenmarktransplantation (KMT) des Universitätsklinikums, Herrn TT., und der Chefapothekerin des JC.-Krankenhauses KQ. fest, während der Tätigkeit der Klägerin im JC.-Krankenhaus sei bei der Zubereitung von gebrauchsfertigen Zytostatika an einer Zytostatika-Werkbank dem Hautkontakt die größte Bedeutung zugekommen. Die Inhalation von Stäuben, Dämpfen und Aerosolen hätte die geringste Rolle gespielt. Durch die Verwendung von Systemen mit Druckentlastung sowie in Anbetracht der Tatsache, dass die Arbeiten an einer geeigneten Werkbank ausgeführt wurden, sei nicht mit einer inhalativen Aufnahme zur rechnen. Während der Tätigkeit der Klägerin in der KMT-Abteilung des Universitätsklinikums habe es bei dem Anbringen des Infusionsbestecks an die Infusionsbeutel zu Spritzern und auslaufender Lösung kommen können. Aufgrund des geringen Dampfdrucks und der geringen Verdampfungsgeschwindigkeit der Zytsotatika sei eine Gefährung durch den Eintrag der Zytostatika in die Luft auszuschließen. Eine Aerosolbildung sei hierbei zudem nicht zu erwarten.
Mit Bescheid vom 17. April 2007 lehnte die Beklagte einen Anspruch der Klägerin auf Entschädigungsleistungen wegen ihrer Atemwegsbeschwerden als Berufskrankheit ab. Nach der Untersuchung des TAD würden schon die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht vorliegen.
Mit ihrem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, eine Aufnahme freigesetzter Zytostatika könne über die Atemwege oder über die Haut erfolgen. Sie habe in Bereichen gearbeitet, in denen die empfohlenen Schutzvorkehrungen nicht eingehalten worden seien. Die bisherigen Ermittlungen durch den TAD seien unzureichend, da eine Inaugenscheinnahme der Arbeitsplätze vor Ort nicht erfolgt sei.
Die Beklagte holte eine fachärztliche Stellungnahme des Facharztes für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. ZZ. vom 11. Februar 2008 ein, der unter Bezugnahme auf den Arztbrief des Dr. WW. vom 16. August 2004 das Vorliegen einer obstruktiven Atemwegserkrankung ausschloss. Eine Vor-Ort-Begehung des TAD zusammen mit der Klägerin bei ihren Arbeitgebern kam mangels Mitwirkung der Klägerin nicht zustande.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Unabhängig davon, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien, könne die Anerkennung der geltend gemachten Berufskrankheit wegen fehlender medizinischer Voraussetzungen nicht erfolgen.
Mit ihrer am 26. September 2008 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Sozialgericht) erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, eine obstruktive Atemwegserkrankung und damit eine Listenerkrankung nach Nr. 4301 bzw. Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV liege bei ihr vor. Dies habe Prof. Dr. UU., Leiter Schwerpunkt Pneumologie der OL.Universität I Stadt, in seinem Arztbrief an Dr. OO. vom 17. März 2008 festgestellt. Die Ausführungen des TAD zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen seien nur formelhaft und ließen einen konkreten Bezug zum Einzelfall nicht erkennen.
Mit Gerichtsbescheid vom 6. Mai 2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen ausgeführt, es fehle schon an den medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach den Nrn. 4301 und 4302, da eine obstruktive Atemwegserkrankung nicht vorliege, wie sich aus dem Arztbrief des behandelnden Arztes Dr. QQ. vom 16. August 2004 ergebe. Darüber hinaus fehle es an dem notwendigen Nachweis der Einwirkungen. Das Gericht habe keinen Anlass, an der Richtigkeit der diesbezüglichen Feststellungen des TAD zu zweifeln.
Gegen den ihr am 5. Juni 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 6. Juli 2009 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt und ihr Begehren auf Anerkennung einer Berufskrankheit weiter verfolgt. Während ihrer Tätigkeit am JC.-Krankenhaus in A-Stadt sei man noch am Anfang gewesen, d. h. man habe die Gefahren bei der Aufbereitung von Zytostatika noch gar nicht erkannt. Sie habe seinerzeit an Sicherheitswerkbänken gearbeitet, die aus ihrer heutigen Sicht noch provisorisch und zum Schutz nicht ausreichend gewesen seien. Es sei daher davon auszugehen, dass sie durch Inhalation von freigesetzten Zytostatika in der Raumluft kontaminiert worden sei. Zudem sei es während ihrer Tätigkeit im JC.-Krankenhaus zu Zwischenfällen bzw. Unfällen gekommen, bei denen sie Verunreinigungen von Zytostatika habe beseitigen müssen bzw. mit beschädigten Infusionsbeuteln in Kontakt gekommen sei. Ihre Kritik an den Sicherheitsvorkehrungen würde sich nur auf ihre Arbeitsbedingungen während ihrer Tätigkeit am JC.-Krankenhaus beziehen. Bei ihrer späteren Arbeit im Universitätsklinikum habe sie dagegen weniger Kontakt mit Zytostatika gehabt und auch einen anderen Umgang als im JC.-Krankenhaus.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. Mai 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17. April 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2008 zu verurteilen, bei ihr eine Berufskrankheit nach Nr. 4301 bzw. Nr. 4302 anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung auch nach den weiteren Ermittlungen im Berufungsverfahren für zutreffend. Eine Kontamination der Klägerin insbesondere durch eine Aerosolbelastung mit Zytostatika (Belastung und Aufnahme durch die Raumluft) sei nicht im Vollbeweis bewiesen. Sie hat zum Verfahren das Merkblatt "Zytostatika im Gesundheitsdienst", herausgegeben von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), Ausgabe 2008, und das Merkblatt der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (bgw) "Zytostatika im Gesundheitsdienst", Stand Juli 2009 eingereicht.
Nach persönlicher Anhörung der Klägerin in einem Erörterungstermin am 8. Februar 2011 hat der Senat zur Ermittlung des medizinischen Sachverhaltes die Behandlungsunterlagen des behandelnden Internisten Dr. C. sowie der pneumologischen Ambulanz (Leiter Prof. Dr. UU.) der OL.Universität I-Stadt zum Verfahren beigezogen. Der beratende Arzt der Beklagten, der Facharzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. ZZ., hat nach Auswertung dieser Unterlagen in seiner Stellungnahme vom 2. Februar 2012 festgestellt, zur Ausbildung einer Lungenfibrose sei es insbesondere nach den ihm vorliegenden Computertomographie(CT)-Aufnahmen des Thorax vom 15. November 2007 und vom 18. April 2008 nicht gekommen. Eindeutig sei indes eine obstruktive Lungenerkrankung im Sinne einer COPD nach den Untersuchungsbefunden der Universitätsklinik I-Stadt nachgewiesen.
Zur Ermittlung der arbeitstechnischen Voraussetzungen hat der Senat über die Beklagte eine nochmalige Recherche durch den TAD vor Ort an dem früheren Arbeitsplatz der Klägerin in der Apotheke des JC.-Krankenhaus A-Stadt veranlasst. An den Ermittlungen vor Ort am 12. April 2011 haben die leitende Apothekerin Frau PP. sowie die Fachkraft für Arbeitssicherheit Herr ÜÜ. teilgenommen. Zudem sind Gespräche mit den von der Klägerin als Zeuginnen benannten ehemaligen Arbeitskolleginnen Frau G., Frau AK1., Frau AK2., Frau AK3. und Frau AK4. geführt worden. Die Klägerin hat an den Ermittlungen vor Ort nicht teilgenommen, da ihr ehemaliger Arbeitgeber, das JC. Krankenhaus, ihrer Einbeziehung und Anwesenheit vor Ort nicht zugestimmt hat.
Der TAD hat in seiner Stellungnahme 4. Mai 2011 durch die Aufsichtsperson Herrn H. im Wesentlichen festgestellt, während der Tätigkeit der Klägerin in der Apotheke des JC. Krankenhauses von 1995 bis 2000 sei die Herstellung von Zytostatika in einem umgewidmeten Büroraum erfolgt, der technisch belüftet worden sei. Gearbeitet worden sei an zwei "Sicherheitswerkbänken für mikrobiologische und biotechnologische Arbeiten" im Umluftbetrieb und damit nach den seinerzeit im Merkblatt des DGUV "Sichere Handhabung von Zytostatika" festgehaltenen Empfehlungen. Es habe nicht mehr geklärt werden können, ob die Abluft der Werkbänke bereits im damaligen Zeitraum direkt erfasst und sicher fortgeleitet wurde. Im Jahr 2000 sei der Raum erweitert, mit einer Schleuse am Zugang versehen und mit "Zytostatika-Werkbänken" entsprechend DIN 12980 ausgestattet worden, bei denen die Abluft direkt erfasst und fortgeleitet werde. Auch während der drei Monate des Umbaus sei die Zytostatikaherstellung in einem gesonderten Raum erfolgt. Entsprechend den Angaben der Klägerin habe ein Umgebungsmonitoring (Wischproben der Oberflächen) nicht stattgefunden. Dies sei in dem Zeitraum von 1995 bis 2002 aber auch aus gefahrstoffrechtlicher Sicht nicht verpflichtend gewesen und im Übrigen für eine nachträgliche Untersuchung und Bewertung der Exposition ungeeignet. Eine Standardmethode zur Feststellung von Zytostatika als Aerosole in der Raumluft sei nie entwickelt worden; es gebe bis heute keine anerkannten Arbeitsplatzgrenzwerte. Es sei daher weder aktuell möglich, geeignete Raumluftmessungen durchzuführen noch eine Belastung der Klägerin durch in die Raumluft verdampfte Zytostatika rückwirkend zu beurteilen. Entsprechend den Angaben der Klägerin sei seinerzeit kein Belastungsmonitoring durchgeführt worden. Solche Untersuchungen würden aber auch heute nicht empfohlen, da es nicht gelungen sei von den Ergebnissen solcher Untersuchungen auf ein Erkrankungsrisiko zu schließen. Die im Krankenhaus JC. im fraglichen Zeitraum 1995 bis 2002 zur Verfügung gestellte Schutzkleidung (Kittel, Handschuhe, OP-Mund-Nase-Schutz, Brille) sei entgegen der Auffassung der Klägerin nach der Gefahrstoffverordnung und Technischen Regel TRGS 525 aus dem Jahre 1998 ausreichend gewesen. Die Befragung der Zeuginnen habe zudem ergeben, dass es zu unbeabsichtigten Unfällen und einer Freisetzung des Medikamentes in der Apotheke nur sehr selten komme. Eine Zeugin habe sich aber daran erinnert, dass es während des Beschäftigungszeitraums der Klägerin einmal zum Verschütten des Zytostatikums Flourouracil gekommen sei; die Klägerin habe diese Kontamination beseitigt. Keine der von der Klägerin genannten und während der Ermittlungen am 12. April 2011 in der Apotheke des JC.-Krankenhauses befragten Zeuginnen habe über eigene Atemwegsbeschwerden geklagt.
In dem Erörterungstermin vom 2. Oktober 2012 hat der Senat die von der Klägerin benannten ehemaligen Kolleginnen aus der Apotheke des JC.-Krankenhauses E., G. und F. als Zeuginnen zu den Arbeitsbedingungen in den Jahren 1995 bis 2002 vernommen und die Aufsichtsperson des TAD H. zu den Arbeitsbedingungen und der Exposition der Klägerin am Arbeitsplatz im JC.-Krankenhaus als sachverständigen Zeugen angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 2. Oktober 2012 (Blatt 357 bis 364) verwiesen.
Aufgrund der Aussage der Zeugin E., die Klägerin habe sich einmal beim Aufziehen einer Spritze mit Zytostatika in den Finger gestochen, hat der Senat eine Stellungnahme von Prof. Dr. D., Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin des Universitätsklinikums D-Stadt und OY. GmbH, vom 29. Oktober 2012 zu der Frage eingeholt, ob die Einwirkung durch die Nadelstichverletzung geeignet sei, eine Atemwegserkrankung herbeizuführen. Der Sachverständige hat eine solche Eignung verneint und im Übrigen ausgeführt, bei Zytostatika handele es sich um alkylierende Substanzen mit einer potenziellen Krebsgefährdung. Inwieweit sich die Applikaton relevanter Mengen von Zytostatika auf die Atemwege chemisch-irritativ und toxisch auswirke, sei ihm von seiner langjährigen Tätigkeit als Stationsarzt in einer internistischen Klinik nicht bekannt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten (Band I – III) und die Verwaltungsakte verwiesen, die zum Verfahren beigezogen worden ist.
Entscheidungsgründe:
Mit Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das erstinstanzliche Urteil ist im Ergebnis zu Recht ergangen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung ihrer obstruktiven Atemwegserkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 4301 bzw. 4302 der Anlage 1 zur BKV.
Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 S. 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. In der Anlage 1 zur BKV sind unter Nr. 4301 durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen und unter Nr. 4302 durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als Berufskrankheiten bezeichnet.
Voraussetzung für die Feststellung jeder Erkrankung als Berufskrankheit ist, dass die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen sowie die Erkrankung, für die Entschädigungsleistungen beansprucht werden, im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen sind. Eine absolute Sicherheit ist bei der Feststellung des Sachverhalts nicht zu erzielen. Erforderlich ist aber eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, wonach kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen vorgenannter Tatbestandsmerkmale zweifelt (BSGE 6, 144; Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 118 Rdnr. 5 m.w.N.). Es muss ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass alle Umstände des Einzelfalles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (BSGE 45, 285, 287; 61, 127, 128).
Zur Anerkennung einer Berufskrankheit muss zudem ein doppelter ursächlicher Zusammenhang bejaht werden. Die gesundheitsgefährdende schädigende Einwirkung muss ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein (sog. haftungsbegründende Kausalität) und diese Einwirkung muss die als Berufskrankheit zur Anerkennung gestellte Krankheit verursacht haben (sog. haftungsausfüllende Kausalität – dazu: Schwerdtfeger in: Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII, Kommentar, Anm. 54 zu § 8 SGB VII). Als Beweismaßstab genügt für den Ursachenzusammenhang statt des Vollbeweises die Wahrscheinlichkeit, d. h., dass bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen müssen, dass die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben können (BSG in SozR Nr. 20 zu § 542 RVO a.F.). Der Ursachenzusammenhang ist jedoch nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSGE 60, 58, 59).
Nach den Ermittlungen im Berufungsverfahren zum medizinischen Sachverhalt ist von dem Vorliegen der hier maßgeblichen Listenerkrankung (obstruktive Atemwegserkrankung) zwar auszugehen, wie der Beratungsarzt Dr. ZZ. der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 2. Februar 2012 nach Auswertung der von dem Senat beigezogenen Befunde der Universitätsklinik I-Stadt überzeugend dargelegt hat. Indes sieht der Senat nur die Einwirkung durch eine Nadelstichverletzung beim Aufziehen einer Spritze mit Zytostatika während der Tätigkeit der Klägerin in der Apotheke des JC. Krankenhauses A-Stadt als bewiesen an, die die Zeugin E. bei ihrer Vernehmung im Termin am 2. Oktober 2012 glaubwürdig geschildert hat. Diese Einwirkung hat aber die als Berufskrankheit zur Anerkennung gestellte Krankheit nicht verursacht. Für die Feststellung, dass der Ursachenzusammenhang nicht wahrscheinlich ist, stützt sich der Senat auf die Stellungnahme von Prof. Dr. D. vom 29. Oktober 2012, in der der Arzt überzeugend ausgeführt hat, eine Nadelstichverletzung erscheine nicht geeignet, eine Atemwegserkrankung zu verursachen.
Weitere Einwirkungen durch allergisierende bzw. chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe an ihren Arbeitsplätzen im JC.-Krankenhaus A-Stadt und im Universitätsklinikum A-Stadt hat die Klägerin nicht im Vollbeweis bewiesen.
Einwirkungen durch Zytostatika, d. h. durch chemische zellschädigende Substanzen (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 260. Auflage) während der Tätigkeit der Klägerin in der KMT-Abteilung des Universitätsklinikums A-Stadt sind nach den Ausführungen des TAD (Herr EE.) in der Stellungnahme vom 20. Februar 2007 durch orale Aufnahme und durch Hautkontakt bei Nichtbenutzung der Schutzausrüstungen und bei Nichtbeachtung der Schutzstandards denkbar. Konkrete Einwirkungen werden während dieser Tätigkeit der Klägerin in der Stellungnahme nicht berichtet und auch von der Klägerin selbst nicht mehr behauptet. Vielmehr hat sie im Erörterungstermin am 8. Februar 2011 Einwirkungen durch fehlende Schutzvorkehrungen sowie auf Grund einer Kontamination nach Unfällen nur für die Zeit ihrer Tätigkeit in der Krankenhausapotheke im JC. Krankenhaus in den Jahren 1995 bis 2002 geltend macht.
Einwirkungen auf Grund fehlender Schutzmaßnahmen an dem Arbeitsplatz der Klägerin in der Krankenhausapotheke im JC.-Krankenhaus lassen sich zur Überzeugung des Senats nicht feststellen.
Hinsichtlich der Arbeitsbedingungen der Klägerin in der Krankenhausapotheke geht der Senat nach den übereinstimmenden und glaubhaften Angaben der Zeuginnen und damaligen Arbeitskolleginnen E. und G. in dem Termin am 2. Oktober 2012 sowie den Angaben des sachverständigen Zeugen H. (TAD) in dem schriftlichen Bericht nach Vor-Ort-Recherche vom 4. Mai 2011 und im Termin am 2. Oktober 2012 von Folgendem aus: Die Klägerin war mit vier weiteren Kolleginnen in der Krankenhausapotheke tätig und in den drei Bereichen Labor, Eigenherstellung und Ausgabe von Medikationen eingesetzt. Es gab in der Apotheke einen Vorraum und einen Laborraum, die durch eine Tür und später ab dem Jahr 2000 durch eine Schleuse getrennt waren. Im Vorraum wurden die administrativen Arbeiten verrichtet. Im Laborraum, in dem die Zytostatika zubereitet wurden, standen zwei Werkbänke sog. Laminar Flow, wobei nur eine in Gebrauch war. Die Mitarbeiterinnen der Krankenhausapotheke wurden in den drei Bereichen bzw. im Vorraum und Labor turnusmäßig eingesetzt. Eingesetzt waren dabei jeweils drei Mitarbeiterinnen gleichzeitig, davon war eine im Vorraum, dem sogenannten Weißbereich, d.h. nicht sterilen Bereich, mit der Versorgung der Stationen mit vorbereiteten Medikationen beschäftigt. Die beiden Mitarbeiterinnen im sterilen Bereich waren jeweils für Zureichung und Zubereitung der Zytostatika zuständig. Die Mitarbeiterin, die für die Zubereitung eingesetzt war, saß vor dem Laminar Flow, einem Gerät mit einer Glasscheibe, hinter der sich ein Luftvorhang befand. Die betreffende Mitarbeiterin war nur mit ihren Händen unterhalb der Scheibe in dem Gerät und bereitete dort Spritzen oder Ähnliches vor. Der Luftstrom hinter der Scheibe sorgte dafür, dass keine Keime von innen nach außen und von außen nach innen eintreten konnten. Die zweite Mitarbeiterin, die sich in dem sterilen Raum aufhielt, packte die angelieferten Medikamente aus und bereitete das Equipment für die Mitarbeiterin am Laminar Flow vor. Die beiden Mitarbeiterinnen im Labor trugen Schutzkleidung, d. h. Kittel mit Bündchenabschluss an den Armen, Handschuhe, die über die Bündchen reichten sowie Haube, Mund- und Nasenschutz. Die Werkbank, der Laminar Flow wurde einmal pro Woche von den Laborkräften gereinigt, wobei der kontaminierte Filter von den Mitarbeiterinnen nicht ausgetauscht wurde. Den Laborkräften standen bei der wöchentlichen Reinigung ebenso wie bei der Beseitigung unbeabsichtigter Verunreinigungen als zusätzliche Schutzkleidung Brillen mit Seitenschutz zur Verfügung. Ein Belastungsmonitoring (Blut- oder Urinprobe) wurde bei den Mitarbeiterinnen seinerzeit nicht durchgeführt.
Diese Bedingungen am konkreten Arbeitsplatz der Klägerin, insbesondere Werkbänke und Schutzkleidung sowie Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen, entsprachen den geforderten Schutzmaßnahmen. Der sachverständige Zeuge H. hat dies sowohl in seinem schriftlichen Bericht vom 4. Mai 2011 nach Recherche vor Ort als auch bei seiner Vernehmung durch den Senat am 2. Oktober 2012 überzeugend dargelegt unter Bezugnahme auf die Gefahrstoffverordnung und Technische Regel TRGS 525 "Umgang mit Gefahrstoffen in Einrichtungen der humanmedizinischen Versorgung" aus dem Jahre 1998 sowie das Merkblatt der DGUV "Zytostatika im Gesundheitsdienst", Ausgabe 2008, und das Merkblatt der bgw "Zytostatika im Gesundheitsdienst", Stand Juli 2009. Nach den Angaben des Zeugen ergibt sich aus den Prüfprotokollen der Sicherheitsbänke seit 1992, dass zwischen den bis zum Umbau im Jahr 2000 in der Krankenhausapotheke des JC.-Krankenhauses verwandten mikrobiologischen und biotechnologischen Werkbänken nach DIN 12950 Teil 10 und den heutigen Zytostatika-Werkbänken nach DIN 12980 keine großen Unterschiede bestehen. Die damals verwandten Werkbänke dienten ebenso wie die heutigen dazu, zu verhindern, dass Keime in das Gerät hineinkommen und Aerosole aus dem Geräte austreten. Nach der Aussage des sachverständigen Zeugen, an deren Richtigkeit der Senat keine Zweifel hat, sei eine "Fehlerquelle" hinsichtlich des Austretens von Aerosolen zwar durchaus der Eingriffsbereich der Werkbank. Dieser könne naturgemäß nicht zu 100 Prozent dicht sein, sei es aber doch zu etwa 99 Prozent. Die im Jahr 2000 am Arbeitsplatz installierte Schleuse zwischen sterilem und nicht sterilem Bereich dient nach den Angaben des Zeugen dem Produktschutz, ist mithin aus gefahrstoffrechtlicher Sicht nicht notwendig gewesen. Die von der Klägerin kritisierte Nichtdurchführung eines Belastungsmonitoring bei den Mitarbeiterinnen entspricht der TRGS 525 (5.8), in der solche arbeitsmedizinische Vorsorgemaßnahmen nicht empfohlen werden, da es nach den dazu durchgeführten Studien nicht gelungen ist, von den Ergebnissen der Belastungsuntersuchungen auf ein Erkrankungsrisiko zu schließen. Nach den Ausführungen des Zeugen H. in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 4. Mai 2011 kann dahinstehen, ob in dem fraglichen Zeitraum ein Umgebungsmonitoring durch Wischproben an den Werkbänken durchgeführt wurde, wozu die Apotheke des Krankenhauses aus gefahrstoffrechtlicher Sicht jedenfalls nicht verpflichtet war. Nach den Ausführungen des Zeugen dient ein solches Umgebungsmonitoring der Überwachung der Schutzmaßnahmen und kann Defizite bei der Umsetzung der notwendigen Sicherheitsmaßnahmen aufdecken. Für eine nachträgliche Untersuchung und Bewertung der Exposition ist die Methode ungeeignet.
Die Klägerin hat den Nachweis nicht erbracht, dass es bei ihr während ihrer Tätigkeit im JC.-Krankenhaus bei Arbeitsbedingungen, die grundsätzlich den Sicherheitsstandards entsprachen, konkret zu einer körperlichen Aufnahme von Zytostatika durch Inhalation, Hautkontakt oder auf oralem Wege gekommen ist.
Eine Kontamination durch Inhalation von Aerosolen in der Raumluft lässt sich nicht ermitteln. Nach den überzeugenden Angaben des Zeugen H. kann nicht mehr geklärt werden, ob die Abluft der bis zum Jahr 2000 verwendeten Werkbänke direkt erfasst und sicher fortgeleitet wurde. Die Mitarbeiter des JC.-Krankenhauses hätten dazu keine Angaben machen können, technische Unterlagen gäbe es diesbezüglich nicht. In den 90er Jahren sei es zudem erlaubt gewesen, die Abluft nicht gesondert zu entsorgen, sondern sie in die Raumluft zurückzuführen. Im Übrigen ist nach den Angaben des Zeugen H. eine Standardmethode zur Raumluftmessung bis heute nicht entwickelt worden und es gibt auch keinen anerkannten Arbeitsplatzgrenzwert, der für die Bewertung solcher Raumluftmessungen benötigt werde. Nach den Ausführungen des TAD (Herr EE.) in seinem Bericht im Verwaltungsverfahren vom 20. Februar 2007 ist eine Aufnahme von Zytostatika-Stäuben und Dämpfen über die Atemwege schon aufgrund des geringen Dampfdrucks und der geringen Verdampfungsgeschwindigkeit der Zytostatika nicht zu erwarten.
Die Klägerin hat durch die von ihr benannten und von dem Senat am 2. Oktober 2012 vernommenen Zeuginnen E. und G. nicht nachweisen können, dass es durch Zwischenfälle bzw. Unfallereignisse durch den Bruch von Flaschen mit dem Medikament zu einer Kontamination gekommen ist. Die Zeugin G., Arbeitskollegin der Klägerin in der Apotheke von 1995 bis 1996, kann sich an solche Unfälle gar nicht erinnern. Die Zeugin E. hat glaubhaft ausgesagt, sie könne sich nicht konkret daran erinnern, dass sie mit oder bei der Klägerin die Beseitigung einer Verunreinigung nach Bruch einer Flasche mit Zytostatika im Labor erlebt habe, gehe aber davon aus, dass jeder Mitarbeiterin im Labor wohl mal eine Flasche mit Zytostatika auf den Boden gefallen ist. Erinnern kann sie sich in den fünf Jahren ihrer Beschäftigung in der Apotheke des JC.-Krankenhauses (von 1996 bis 2001) aber nur an ein oder zwei Vorfälle. Zur Beseitigung der Verunreinigung hätte besondere Schutzkleidung (längerer Kittel, dickere Handschuhe) zur Verfügung gestanden. Schon das Ereignis – Beseitigung von Verunreinigung durch Flaschenbruch – ist damit allenfalls nur möglich, keineswegs ist eine Kontamination im Vollbeweis nachgewiesen. Dies gilt ebenso für den einmaligen Vorfall des Verschüttens und anschließenden Beseitigens des Zytostatikums Flourouracil durch die Klägerin, an das sich eine Zeugin bei der Recherche vor Ort durch den sachverständigen Zeugen Herrn H. erinnert. Auch diesbezüglich ist eine Kontamination der Klägerin z. B. auf Grund Nichttragens von Schutzkleidung nicht nachgewiesen.
Durch die Aussage der von der Klägerin benannten Zeugin F. ist der Nachweis der Kontamination beim Umgang mit beschädigten Infusionsbeuteln nicht erbracht. Die Zeugin, seinerzeit Krankenschwester auf einer onkologischen Station des JC. Krankenhauses, hat bei ihrer Vernehmung durch den Senat am 2. Oktober 2012 nur vom Hörensagen bestätigen können, dass auf der Station beschädigte, d. h. beim Befestigen des Infusionsbestecks durchstochene Infusionsbeutel in das Labor/die Krankenhausapotheke zurückgegeben wurden. Im Falle der Abgabe in das Labor war nach Aussage dieser Zeugin aber eine Dienstanweisung zu beachten, wonach der beschädigte Beutel besonders verpackt und gesichert wurde (Sicherung durch Verpacken in einen weiteren Beutel und Aufbewahrung in einer besonderen Box). Diese Verfahrensweise entspricht auch den Empfehlungen in der TRGS 525 (Stand: Mai 1998), 5.6 "Innerbetrieblicher Transport".
Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass selbst für den Fall, dass hier eine Kontamination durch Inhalation von Aerosolen oder bei Nichtbeachtung der Schutzstandards oral oder über die Haut nachgewiesen worden wäre, der Ursachenzusammenhang mit der Atemwegserkrankung, der von der Klägerin nach dem Maßstab der Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden müsste, sehr zweifelhaft ist. Nach der Aussage des sachverständigen Zeugen H. des TAD in dem Termin am 2. Oktober 2012 ist in der Wissenschaft nie diskutiert worden, ob sich eine Kontamination durch Inhalation von Aerosolen in der Raumluft allergisch, chemisch-irritativ oder toxisch auf die Atemwege auswirkt. Nach dem Merkblatt der DGUV "Zytostatika im Gesundheitsdienst", Ausgabe Juli 2008, auf das sich der sachverständige Zeuge bezogen hat und das dem Senat vorliegt, ist zwar untersucht worden, wie und wo Zytostatika ausdampfen können. Diskutiert wird dabei aber nur die Gefährdung im Hinblick auf Krebs, Erbgutveränderung und Fruchtschädigung. Übereinstimmend damit hat Prof. Dr. D. in seiner Stellungnahme vom 29. Oktober 2012 mitgeteilt, eine Einwirkung von Zytostatika auf die Atemwege sei ihm von seiner langjährigen Tätigkeit als Stationsarzt in einer internistischen Klinik nicht bekannt. Schließlich hat keine der in diesem Verfahren befragten Arbeitskolleginnen der Klägerin selbst über Atemwegsbeschwerden geklagt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Anerkennung einer obstruktiven Atemwegserkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4301 (durch allergisierende Stoffe verursacht) bzw. Nr. 4302 (durch toxisch wirkende Stoffe verursacht) der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Die 1962 geborene Klägerin ist ausgebildete Pharmazeutisch-Technische Assistentin (PTA). Sie arbeitete als PTA vom 1. Juli 1995 bis zum 30. September 2002 im JC. Krankenhaus in A-Stadt in der Krankenhausapotheke. Seit dem 1. Oktober 2002 ist sie am Klinikum der Q.Universität in A-Stadt im Bereich Onkologie beschäftigt. Während ihrer Tätigkeit am JC.-Krankenhaus A-Stadt war die Klägerin mit der Herstellung von Zytostatika-Anwendungen betraut; während ihrer Tätigkeit am Universitätsklinikum A Stadt hatte sie bis Anfang April 2006 Umgang mit gebrauchsfertigen Zytostatika-Infusionen sowie mit Zytostatika-Tabletten.
Durch den behandelnden Arzt Dr. QQ. erfolgte im Juni 2006 eine Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit, wobei der Arzt als Berufskrankheit "Zytostatikalunge" und als Krankheitserscheinungen "Husten seit 4 Jahren" angab.
Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der Deutschen Angestelltenkrankenkasse sowie einen Arztbrief des behandelnden Lungenfacharztes Dr. WW. vom 16. August 2004 bei, der bei der Klägerin nur die Diagnose "Bronchitis" festgestellt hatte und den Nachweis einer bronchialen Hyperreagibilität ausschloss.
Zur Ermittlung der arbeitstechnischen Voraussetzungen beauftragte die Beklagte den Technischen Aufsichtsdienst (TAD). Dieser stellte durch die Aufsichtsperson Herrn EE. unter Zugrundelegung der Auskünfte des aktuellen Arbeitgebers der Klägerin (Universitätsklinikum A-Stadt) vom 30. August 2006 und vom 12. September 2006, nach telefonischen Befragungen u. a. der Klägerin, ihres behandelnden Pulmologen Dr. QQ., der Pflegedienstleitung Onkologie des Universitätsklinikums, Frau RR., der Gruppenleitung Knochenmarktransplantation (KMT) des Universitätsklinikums, Herrn TT., und der Chefapothekerin des JC.-Krankenhauses KQ. fest, während der Tätigkeit der Klägerin im JC.-Krankenhaus sei bei der Zubereitung von gebrauchsfertigen Zytostatika an einer Zytostatika-Werkbank dem Hautkontakt die größte Bedeutung zugekommen. Die Inhalation von Stäuben, Dämpfen und Aerosolen hätte die geringste Rolle gespielt. Durch die Verwendung von Systemen mit Druckentlastung sowie in Anbetracht der Tatsache, dass die Arbeiten an einer geeigneten Werkbank ausgeführt wurden, sei nicht mit einer inhalativen Aufnahme zur rechnen. Während der Tätigkeit der Klägerin in der KMT-Abteilung des Universitätsklinikums habe es bei dem Anbringen des Infusionsbestecks an die Infusionsbeutel zu Spritzern und auslaufender Lösung kommen können. Aufgrund des geringen Dampfdrucks und der geringen Verdampfungsgeschwindigkeit der Zytsotatika sei eine Gefährung durch den Eintrag der Zytostatika in die Luft auszuschließen. Eine Aerosolbildung sei hierbei zudem nicht zu erwarten.
Mit Bescheid vom 17. April 2007 lehnte die Beklagte einen Anspruch der Klägerin auf Entschädigungsleistungen wegen ihrer Atemwegsbeschwerden als Berufskrankheit ab. Nach der Untersuchung des TAD würden schon die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht vorliegen.
Mit ihrem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, eine Aufnahme freigesetzter Zytostatika könne über die Atemwege oder über die Haut erfolgen. Sie habe in Bereichen gearbeitet, in denen die empfohlenen Schutzvorkehrungen nicht eingehalten worden seien. Die bisherigen Ermittlungen durch den TAD seien unzureichend, da eine Inaugenscheinnahme der Arbeitsplätze vor Ort nicht erfolgt sei.
Die Beklagte holte eine fachärztliche Stellungnahme des Facharztes für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. ZZ. vom 11. Februar 2008 ein, der unter Bezugnahme auf den Arztbrief des Dr. WW. vom 16. August 2004 das Vorliegen einer obstruktiven Atemwegserkrankung ausschloss. Eine Vor-Ort-Begehung des TAD zusammen mit der Klägerin bei ihren Arbeitgebern kam mangels Mitwirkung der Klägerin nicht zustande.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Unabhängig davon, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien, könne die Anerkennung der geltend gemachten Berufskrankheit wegen fehlender medizinischer Voraussetzungen nicht erfolgen.
Mit ihrer am 26. September 2008 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Sozialgericht) erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, eine obstruktive Atemwegserkrankung und damit eine Listenerkrankung nach Nr. 4301 bzw. Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV liege bei ihr vor. Dies habe Prof. Dr. UU., Leiter Schwerpunkt Pneumologie der OL.Universität I Stadt, in seinem Arztbrief an Dr. OO. vom 17. März 2008 festgestellt. Die Ausführungen des TAD zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen seien nur formelhaft und ließen einen konkreten Bezug zum Einzelfall nicht erkennen.
Mit Gerichtsbescheid vom 6. Mai 2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen ausgeführt, es fehle schon an den medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach den Nrn. 4301 und 4302, da eine obstruktive Atemwegserkrankung nicht vorliege, wie sich aus dem Arztbrief des behandelnden Arztes Dr. QQ. vom 16. August 2004 ergebe. Darüber hinaus fehle es an dem notwendigen Nachweis der Einwirkungen. Das Gericht habe keinen Anlass, an der Richtigkeit der diesbezüglichen Feststellungen des TAD zu zweifeln.
Gegen den ihr am 5. Juni 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 6. Juli 2009 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt und ihr Begehren auf Anerkennung einer Berufskrankheit weiter verfolgt. Während ihrer Tätigkeit am JC.-Krankenhaus in A-Stadt sei man noch am Anfang gewesen, d. h. man habe die Gefahren bei der Aufbereitung von Zytostatika noch gar nicht erkannt. Sie habe seinerzeit an Sicherheitswerkbänken gearbeitet, die aus ihrer heutigen Sicht noch provisorisch und zum Schutz nicht ausreichend gewesen seien. Es sei daher davon auszugehen, dass sie durch Inhalation von freigesetzten Zytostatika in der Raumluft kontaminiert worden sei. Zudem sei es während ihrer Tätigkeit im JC.-Krankenhaus zu Zwischenfällen bzw. Unfällen gekommen, bei denen sie Verunreinigungen von Zytostatika habe beseitigen müssen bzw. mit beschädigten Infusionsbeuteln in Kontakt gekommen sei. Ihre Kritik an den Sicherheitsvorkehrungen würde sich nur auf ihre Arbeitsbedingungen während ihrer Tätigkeit am JC.-Krankenhaus beziehen. Bei ihrer späteren Arbeit im Universitätsklinikum habe sie dagegen weniger Kontakt mit Zytostatika gehabt und auch einen anderen Umgang als im JC.-Krankenhaus.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. Mai 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17. April 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2008 zu verurteilen, bei ihr eine Berufskrankheit nach Nr. 4301 bzw. Nr. 4302 anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung auch nach den weiteren Ermittlungen im Berufungsverfahren für zutreffend. Eine Kontamination der Klägerin insbesondere durch eine Aerosolbelastung mit Zytostatika (Belastung und Aufnahme durch die Raumluft) sei nicht im Vollbeweis bewiesen. Sie hat zum Verfahren das Merkblatt "Zytostatika im Gesundheitsdienst", herausgegeben von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), Ausgabe 2008, und das Merkblatt der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (bgw) "Zytostatika im Gesundheitsdienst", Stand Juli 2009 eingereicht.
Nach persönlicher Anhörung der Klägerin in einem Erörterungstermin am 8. Februar 2011 hat der Senat zur Ermittlung des medizinischen Sachverhaltes die Behandlungsunterlagen des behandelnden Internisten Dr. C. sowie der pneumologischen Ambulanz (Leiter Prof. Dr. UU.) der OL.Universität I-Stadt zum Verfahren beigezogen. Der beratende Arzt der Beklagten, der Facharzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. ZZ., hat nach Auswertung dieser Unterlagen in seiner Stellungnahme vom 2. Februar 2012 festgestellt, zur Ausbildung einer Lungenfibrose sei es insbesondere nach den ihm vorliegenden Computertomographie(CT)-Aufnahmen des Thorax vom 15. November 2007 und vom 18. April 2008 nicht gekommen. Eindeutig sei indes eine obstruktive Lungenerkrankung im Sinne einer COPD nach den Untersuchungsbefunden der Universitätsklinik I-Stadt nachgewiesen.
Zur Ermittlung der arbeitstechnischen Voraussetzungen hat der Senat über die Beklagte eine nochmalige Recherche durch den TAD vor Ort an dem früheren Arbeitsplatz der Klägerin in der Apotheke des JC.-Krankenhaus A-Stadt veranlasst. An den Ermittlungen vor Ort am 12. April 2011 haben die leitende Apothekerin Frau PP. sowie die Fachkraft für Arbeitssicherheit Herr ÜÜ. teilgenommen. Zudem sind Gespräche mit den von der Klägerin als Zeuginnen benannten ehemaligen Arbeitskolleginnen Frau G., Frau AK1., Frau AK2., Frau AK3. und Frau AK4. geführt worden. Die Klägerin hat an den Ermittlungen vor Ort nicht teilgenommen, da ihr ehemaliger Arbeitgeber, das JC. Krankenhaus, ihrer Einbeziehung und Anwesenheit vor Ort nicht zugestimmt hat.
Der TAD hat in seiner Stellungnahme 4. Mai 2011 durch die Aufsichtsperson Herrn H. im Wesentlichen festgestellt, während der Tätigkeit der Klägerin in der Apotheke des JC. Krankenhauses von 1995 bis 2000 sei die Herstellung von Zytostatika in einem umgewidmeten Büroraum erfolgt, der technisch belüftet worden sei. Gearbeitet worden sei an zwei "Sicherheitswerkbänken für mikrobiologische und biotechnologische Arbeiten" im Umluftbetrieb und damit nach den seinerzeit im Merkblatt des DGUV "Sichere Handhabung von Zytostatika" festgehaltenen Empfehlungen. Es habe nicht mehr geklärt werden können, ob die Abluft der Werkbänke bereits im damaligen Zeitraum direkt erfasst und sicher fortgeleitet wurde. Im Jahr 2000 sei der Raum erweitert, mit einer Schleuse am Zugang versehen und mit "Zytostatika-Werkbänken" entsprechend DIN 12980 ausgestattet worden, bei denen die Abluft direkt erfasst und fortgeleitet werde. Auch während der drei Monate des Umbaus sei die Zytostatikaherstellung in einem gesonderten Raum erfolgt. Entsprechend den Angaben der Klägerin habe ein Umgebungsmonitoring (Wischproben der Oberflächen) nicht stattgefunden. Dies sei in dem Zeitraum von 1995 bis 2002 aber auch aus gefahrstoffrechtlicher Sicht nicht verpflichtend gewesen und im Übrigen für eine nachträgliche Untersuchung und Bewertung der Exposition ungeeignet. Eine Standardmethode zur Feststellung von Zytostatika als Aerosole in der Raumluft sei nie entwickelt worden; es gebe bis heute keine anerkannten Arbeitsplatzgrenzwerte. Es sei daher weder aktuell möglich, geeignete Raumluftmessungen durchzuführen noch eine Belastung der Klägerin durch in die Raumluft verdampfte Zytostatika rückwirkend zu beurteilen. Entsprechend den Angaben der Klägerin sei seinerzeit kein Belastungsmonitoring durchgeführt worden. Solche Untersuchungen würden aber auch heute nicht empfohlen, da es nicht gelungen sei von den Ergebnissen solcher Untersuchungen auf ein Erkrankungsrisiko zu schließen. Die im Krankenhaus JC. im fraglichen Zeitraum 1995 bis 2002 zur Verfügung gestellte Schutzkleidung (Kittel, Handschuhe, OP-Mund-Nase-Schutz, Brille) sei entgegen der Auffassung der Klägerin nach der Gefahrstoffverordnung und Technischen Regel TRGS 525 aus dem Jahre 1998 ausreichend gewesen. Die Befragung der Zeuginnen habe zudem ergeben, dass es zu unbeabsichtigten Unfällen und einer Freisetzung des Medikamentes in der Apotheke nur sehr selten komme. Eine Zeugin habe sich aber daran erinnert, dass es während des Beschäftigungszeitraums der Klägerin einmal zum Verschütten des Zytostatikums Flourouracil gekommen sei; die Klägerin habe diese Kontamination beseitigt. Keine der von der Klägerin genannten und während der Ermittlungen am 12. April 2011 in der Apotheke des JC.-Krankenhauses befragten Zeuginnen habe über eigene Atemwegsbeschwerden geklagt.
In dem Erörterungstermin vom 2. Oktober 2012 hat der Senat die von der Klägerin benannten ehemaligen Kolleginnen aus der Apotheke des JC.-Krankenhauses E., G. und F. als Zeuginnen zu den Arbeitsbedingungen in den Jahren 1995 bis 2002 vernommen und die Aufsichtsperson des TAD H. zu den Arbeitsbedingungen und der Exposition der Klägerin am Arbeitsplatz im JC.-Krankenhaus als sachverständigen Zeugen angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 2. Oktober 2012 (Blatt 357 bis 364) verwiesen.
Aufgrund der Aussage der Zeugin E., die Klägerin habe sich einmal beim Aufziehen einer Spritze mit Zytostatika in den Finger gestochen, hat der Senat eine Stellungnahme von Prof. Dr. D., Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin des Universitätsklinikums D-Stadt und OY. GmbH, vom 29. Oktober 2012 zu der Frage eingeholt, ob die Einwirkung durch die Nadelstichverletzung geeignet sei, eine Atemwegserkrankung herbeizuführen. Der Sachverständige hat eine solche Eignung verneint und im Übrigen ausgeführt, bei Zytostatika handele es sich um alkylierende Substanzen mit einer potenziellen Krebsgefährdung. Inwieweit sich die Applikaton relevanter Mengen von Zytostatika auf die Atemwege chemisch-irritativ und toxisch auswirke, sei ihm von seiner langjährigen Tätigkeit als Stationsarzt in einer internistischen Klinik nicht bekannt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten (Band I – III) und die Verwaltungsakte verwiesen, die zum Verfahren beigezogen worden ist.
Entscheidungsgründe:
Mit Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das erstinstanzliche Urteil ist im Ergebnis zu Recht ergangen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung ihrer obstruktiven Atemwegserkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 4301 bzw. 4302 der Anlage 1 zur BKV.
Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 S. 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. In der Anlage 1 zur BKV sind unter Nr. 4301 durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen und unter Nr. 4302 durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als Berufskrankheiten bezeichnet.
Voraussetzung für die Feststellung jeder Erkrankung als Berufskrankheit ist, dass die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen sowie die Erkrankung, für die Entschädigungsleistungen beansprucht werden, im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen sind. Eine absolute Sicherheit ist bei der Feststellung des Sachverhalts nicht zu erzielen. Erforderlich ist aber eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, wonach kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen vorgenannter Tatbestandsmerkmale zweifelt (BSGE 6, 144; Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 118 Rdnr. 5 m.w.N.). Es muss ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass alle Umstände des Einzelfalles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (BSGE 45, 285, 287; 61, 127, 128).
Zur Anerkennung einer Berufskrankheit muss zudem ein doppelter ursächlicher Zusammenhang bejaht werden. Die gesundheitsgefährdende schädigende Einwirkung muss ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein (sog. haftungsbegründende Kausalität) und diese Einwirkung muss die als Berufskrankheit zur Anerkennung gestellte Krankheit verursacht haben (sog. haftungsausfüllende Kausalität – dazu: Schwerdtfeger in: Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII, Kommentar, Anm. 54 zu § 8 SGB VII). Als Beweismaßstab genügt für den Ursachenzusammenhang statt des Vollbeweises die Wahrscheinlichkeit, d. h., dass bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen müssen, dass die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben können (BSG in SozR Nr. 20 zu § 542 RVO a.F.). Der Ursachenzusammenhang ist jedoch nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSGE 60, 58, 59).
Nach den Ermittlungen im Berufungsverfahren zum medizinischen Sachverhalt ist von dem Vorliegen der hier maßgeblichen Listenerkrankung (obstruktive Atemwegserkrankung) zwar auszugehen, wie der Beratungsarzt Dr. ZZ. der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 2. Februar 2012 nach Auswertung der von dem Senat beigezogenen Befunde der Universitätsklinik I-Stadt überzeugend dargelegt hat. Indes sieht der Senat nur die Einwirkung durch eine Nadelstichverletzung beim Aufziehen einer Spritze mit Zytostatika während der Tätigkeit der Klägerin in der Apotheke des JC. Krankenhauses A-Stadt als bewiesen an, die die Zeugin E. bei ihrer Vernehmung im Termin am 2. Oktober 2012 glaubwürdig geschildert hat. Diese Einwirkung hat aber die als Berufskrankheit zur Anerkennung gestellte Krankheit nicht verursacht. Für die Feststellung, dass der Ursachenzusammenhang nicht wahrscheinlich ist, stützt sich der Senat auf die Stellungnahme von Prof. Dr. D. vom 29. Oktober 2012, in der der Arzt überzeugend ausgeführt hat, eine Nadelstichverletzung erscheine nicht geeignet, eine Atemwegserkrankung zu verursachen.
Weitere Einwirkungen durch allergisierende bzw. chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe an ihren Arbeitsplätzen im JC.-Krankenhaus A-Stadt und im Universitätsklinikum A-Stadt hat die Klägerin nicht im Vollbeweis bewiesen.
Einwirkungen durch Zytostatika, d. h. durch chemische zellschädigende Substanzen (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 260. Auflage) während der Tätigkeit der Klägerin in der KMT-Abteilung des Universitätsklinikums A-Stadt sind nach den Ausführungen des TAD (Herr EE.) in der Stellungnahme vom 20. Februar 2007 durch orale Aufnahme und durch Hautkontakt bei Nichtbenutzung der Schutzausrüstungen und bei Nichtbeachtung der Schutzstandards denkbar. Konkrete Einwirkungen werden während dieser Tätigkeit der Klägerin in der Stellungnahme nicht berichtet und auch von der Klägerin selbst nicht mehr behauptet. Vielmehr hat sie im Erörterungstermin am 8. Februar 2011 Einwirkungen durch fehlende Schutzvorkehrungen sowie auf Grund einer Kontamination nach Unfällen nur für die Zeit ihrer Tätigkeit in der Krankenhausapotheke im JC. Krankenhaus in den Jahren 1995 bis 2002 geltend macht.
Einwirkungen auf Grund fehlender Schutzmaßnahmen an dem Arbeitsplatz der Klägerin in der Krankenhausapotheke im JC.-Krankenhaus lassen sich zur Überzeugung des Senats nicht feststellen.
Hinsichtlich der Arbeitsbedingungen der Klägerin in der Krankenhausapotheke geht der Senat nach den übereinstimmenden und glaubhaften Angaben der Zeuginnen und damaligen Arbeitskolleginnen E. und G. in dem Termin am 2. Oktober 2012 sowie den Angaben des sachverständigen Zeugen H. (TAD) in dem schriftlichen Bericht nach Vor-Ort-Recherche vom 4. Mai 2011 und im Termin am 2. Oktober 2012 von Folgendem aus: Die Klägerin war mit vier weiteren Kolleginnen in der Krankenhausapotheke tätig und in den drei Bereichen Labor, Eigenherstellung und Ausgabe von Medikationen eingesetzt. Es gab in der Apotheke einen Vorraum und einen Laborraum, die durch eine Tür und später ab dem Jahr 2000 durch eine Schleuse getrennt waren. Im Vorraum wurden die administrativen Arbeiten verrichtet. Im Laborraum, in dem die Zytostatika zubereitet wurden, standen zwei Werkbänke sog. Laminar Flow, wobei nur eine in Gebrauch war. Die Mitarbeiterinnen der Krankenhausapotheke wurden in den drei Bereichen bzw. im Vorraum und Labor turnusmäßig eingesetzt. Eingesetzt waren dabei jeweils drei Mitarbeiterinnen gleichzeitig, davon war eine im Vorraum, dem sogenannten Weißbereich, d.h. nicht sterilen Bereich, mit der Versorgung der Stationen mit vorbereiteten Medikationen beschäftigt. Die beiden Mitarbeiterinnen im sterilen Bereich waren jeweils für Zureichung und Zubereitung der Zytostatika zuständig. Die Mitarbeiterin, die für die Zubereitung eingesetzt war, saß vor dem Laminar Flow, einem Gerät mit einer Glasscheibe, hinter der sich ein Luftvorhang befand. Die betreffende Mitarbeiterin war nur mit ihren Händen unterhalb der Scheibe in dem Gerät und bereitete dort Spritzen oder Ähnliches vor. Der Luftstrom hinter der Scheibe sorgte dafür, dass keine Keime von innen nach außen und von außen nach innen eintreten konnten. Die zweite Mitarbeiterin, die sich in dem sterilen Raum aufhielt, packte die angelieferten Medikamente aus und bereitete das Equipment für die Mitarbeiterin am Laminar Flow vor. Die beiden Mitarbeiterinnen im Labor trugen Schutzkleidung, d. h. Kittel mit Bündchenabschluss an den Armen, Handschuhe, die über die Bündchen reichten sowie Haube, Mund- und Nasenschutz. Die Werkbank, der Laminar Flow wurde einmal pro Woche von den Laborkräften gereinigt, wobei der kontaminierte Filter von den Mitarbeiterinnen nicht ausgetauscht wurde. Den Laborkräften standen bei der wöchentlichen Reinigung ebenso wie bei der Beseitigung unbeabsichtigter Verunreinigungen als zusätzliche Schutzkleidung Brillen mit Seitenschutz zur Verfügung. Ein Belastungsmonitoring (Blut- oder Urinprobe) wurde bei den Mitarbeiterinnen seinerzeit nicht durchgeführt.
Diese Bedingungen am konkreten Arbeitsplatz der Klägerin, insbesondere Werkbänke und Schutzkleidung sowie Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen, entsprachen den geforderten Schutzmaßnahmen. Der sachverständige Zeuge H. hat dies sowohl in seinem schriftlichen Bericht vom 4. Mai 2011 nach Recherche vor Ort als auch bei seiner Vernehmung durch den Senat am 2. Oktober 2012 überzeugend dargelegt unter Bezugnahme auf die Gefahrstoffverordnung und Technische Regel TRGS 525 "Umgang mit Gefahrstoffen in Einrichtungen der humanmedizinischen Versorgung" aus dem Jahre 1998 sowie das Merkblatt der DGUV "Zytostatika im Gesundheitsdienst", Ausgabe 2008, und das Merkblatt der bgw "Zytostatika im Gesundheitsdienst", Stand Juli 2009. Nach den Angaben des Zeugen ergibt sich aus den Prüfprotokollen der Sicherheitsbänke seit 1992, dass zwischen den bis zum Umbau im Jahr 2000 in der Krankenhausapotheke des JC.-Krankenhauses verwandten mikrobiologischen und biotechnologischen Werkbänken nach DIN 12950 Teil 10 und den heutigen Zytostatika-Werkbänken nach DIN 12980 keine großen Unterschiede bestehen. Die damals verwandten Werkbänke dienten ebenso wie die heutigen dazu, zu verhindern, dass Keime in das Gerät hineinkommen und Aerosole aus dem Geräte austreten. Nach der Aussage des sachverständigen Zeugen, an deren Richtigkeit der Senat keine Zweifel hat, sei eine "Fehlerquelle" hinsichtlich des Austretens von Aerosolen zwar durchaus der Eingriffsbereich der Werkbank. Dieser könne naturgemäß nicht zu 100 Prozent dicht sein, sei es aber doch zu etwa 99 Prozent. Die im Jahr 2000 am Arbeitsplatz installierte Schleuse zwischen sterilem und nicht sterilem Bereich dient nach den Angaben des Zeugen dem Produktschutz, ist mithin aus gefahrstoffrechtlicher Sicht nicht notwendig gewesen. Die von der Klägerin kritisierte Nichtdurchführung eines Belastungsmonitoring bei den Mitarbeiterinnen entspricht der TRGS 525 (5.8), in der solche arbeitsmedizinische Vorsorgemaßnahmen nicht empfohlen werden, da es nach den dazu durchgeführten Studien nicht gelungen ist, von den Ergebnissen der Belastungsuntersuchungen auf ein Erkrankungsrisiko zu schließen. Nach den Ausführungen des Zeugen H. in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 4. Mai 2011 kann dahinstehen, ob in dem fraglichen Zeitraum ein Umgebungsmonitoring durch Wischproben an den Werkbänken durchgeführt wurde, wozu die Apotheke des Krankenhauses aus gefahrstoffrechtlicher Sicht jedenfalls nicht verpflichtet war. Nach den Ausführungen des Zeugen dient ein solches Umgebungsmonitoring der Überwachung der Schutzmaßnahmen und kann Defizite bei der Umsetzung der notwendigen Sicherheitsmaßnahmen aufdecken. Für eine nachträgliche Untersuchung und Bewertung der Exposition ist die Methode ungeeignet.
Die Klägerin hat den Nachweis nicht erbracht, dass es bei ihr während ihrer Tätigkeit im JC.-Krankenhaus bei Arbeitsbedingungen, die grundsätzlich den Sicherheitsstandards entsprachen, konkret zu einer körperlichen Aufnahme von Zytostatika durch Inhalation, Hautkontakt oder auf oralem Wege gekommen ist.
Eine Kontamination durch Inhalation von Aerosolen in der Raumluft lässt sich nicht ermitteln. Nach den überzeugenden Angaben des Zeugen H. kann nicht mehr geklärt werden, ob die Abluft der bis zum Jahr 2000 verwendeten Werkbänke direkt erfasst und sicher fortgeleitet wurde. Die Mitarbeiter des JC.-Krankenhauses hätten dazu keine Angaben machen können, technische Unterlagen gäbe es diesbezüglich nicht. In den 90er Jahren sei es zudem erlaubt gewesen, die Abluft nicht gesondert zu entsorgen, sondern sie in die Raumluft zurückzuführen. Im Übrigen ist nach den Angaben des Zeugen H. eine Standardmethode zur Raumluftmessung bis heute nicht entwickelt worden und es gibt auch keinen anerkannten Arbeitsplatzgrenzwert, der für die Bewertung solcher Raumluftmessungen benötigt werde. Nach den Ausführungen des TAD (Herr EE.) in seinem Bericht im Verwaltungsverfahren vom 20. Februar 2007 ist eine Aufnahme von Zytostatika-Stäuben und Dämpfen über die Atemwege schon aufgrund des geringen Dampfdrucks und der geringen Verdampfungsgeschwindigkeit der Zytostatika nicht zu erwarten.
Die Klägerin hat durch die von ihr benannten und von dem Senat am 2. Oktober 2012 vernommenen Zeuginnen E. und G. nicht nachweisen können, dass es durch Zwischenfälle bzw. Unfallereignisse durch den Bruch von Flaschen mit dem Medikament zu einer Kontamination gekommen ist. Die Zeugin G., Arbeitskollegin der Klägerin in der Apotheke von 1995 bis 1996, kann sich an solche Unfälle gar nicht erinnern. Die Zeugin E. hat glaubhaft ausgesagt, sie könne sich nicht konkret daran erinnern, dass sie mit oder bei der Klägerin die Beseitigung einer Verunreinigung nach Bruch einer Flasche mit Zytostatika im Labor erlebt habe, gehe aber davon aus, dass jeder Mitarbeiterin im Labor wohl mal eine Flasche mit Zytostatika auf den Boden gefallen ist. Erinnern kann sie sich in den fünf Jahren ihrer Beschäftigung in der Apotheke des JC.-Krankenhauses (von 1996 bis 2001) aber nur an ein oder zwei Vorfälle. Zur Beseitigung der Verunreinigung hätte besondere Schutzkleidung (längerer Kittel, dickere Handschuhe) zur Verfügung gestanden. Schon das Ereignis – Beseitigung von Verunreinigung durch Flaschenbruch – ist damit allenfalls nur möglich, keineswegs ist eine Kontamination im Vollbeweis nachgewiesen. Dies gilt ebenso für den einmaligen Vorfall des Verschüttens und anschließenden Beseitigens des Zytostatikums Flourouracil durch die Klägerin, an das sich eine Zeugin bei der Recherche vor Ort durch den sachverständigen Zeugen Herrn H. erinnert. Auch diesbezüglich ist eine Kontamination der Klägerin z. B. auf Grund Nichttragens von Schutzkleidung nicht nachgewiesen.
Durch die Aussage der von der Klägerin benannten Zeugin F. ist der Nachweis der Kontamination beim Umgang mit beschädigten Infusionsbeuteln nicht erbracht. Die Zeugin, seinerzeit Krankenschwester auf einer onkologischen Station des JC. Krankenhauses, hat bei ihrer Vernehmung durch den Senat am 2. Oktober 2012 nur vom Hörensagen bestätigen können, dass auf der Station beschädigte, d. h. beim Befestigen des Infusionsbestecks durchstochene Infusionsbeutel in das Labor/die Krankenhausapotheke zurückgegeben wurden. Im Falle der Abgabe in das Labor war nach Aussage dieser Zeugin aber eine Dienstanweisung zu beachten, wonach der beschädigte Beutel besonders verpackt und gesichert wurde (Sicherung durch Verpacken in einen weiteren Beutel und Aufbewahrung in einer besonderen Box). Diese Verfahrensweise entspricht auch den Empfehlungen in der TRGS 525 (Stand: Mai 1998), 5.6 "Innerbetrieblicher Transport".
Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass selbst für den Fall, dass hier eine Kontamination durch Inhalation von Aerosolen oder bei Nichtbeachtung der Schutzstandards oral oder über die Haut nachgewiesen worden wäre, der Ursachenzusammenhang mit der Atemwegserkrankung, der von der Klägerin nach dem Maßstab der Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden müsste, sehr zweifelhaft ist. Nach der Aussage des sachverständigen Zeugen H. des TAD in dem Termin am 2. Oktober 2012 ist in der Wissenschaft nie diskutiert worden, ob sich eine Kontamination durch Inhalation von Aerosolen in der Raumluft allergisch, chemisch-irritativ oder toxisch auf die Atemwege auswirkt. Nach dem Merkblatt der DGUV "Zytostatika im Gesundheitsdienst", Ausgabe Juli 2008, auf das sich der sachverständige Zeuge bezogen hat und das dem Senat vorliegt, ist zwar untersucht worden, wie und wo Zytostatika ausdampfen können. Diskutiert wird dabei aber nur die Gefährdung im Hinblick auf Krebs, Erbgutveränderung und Fruchtschädigung. Übereinstimmend damit hat Prof. Dr. D. in seiner Stellungnahme vom 29. Oktober 2012 mitgeteilt, eine Einwirkung von Zytostatika auf die Atemwege sei ihm von seiner langjährigen Tätigkeit als Stationsarzt in einer internistischen Klinik nicht bekannt. Schließlich hat keine der in diesem Verfahren befragten Arbeitskolleginnen der Klägerin selbst über Atemwegsbeschwerden geklagt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
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