L 3 U 205/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 19 U 5013/94
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 205/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.03.1999 aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte den Unfall des Beigeladenen zu 1) vom 21.03.1992 zu entschädigen hat.
III. Die Beklagte hat dem Beigeladenen zu 1) die außergerichtlichen Kosten zu erstatten; im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

I.
Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, welcher Versicherungsträger für die Entschädigung des Unfalls des Beigeladenen zu 1) am 21.03.1992 zuständig ist.

Der am 1977 geborene Beigeladene zu 1) trug am 21.03.1992 Einladungsschreiben im Gebiet der Gemeinde G. aus. Auf einer regennassen Wiese rutschte er aus und zog sich eine Unterschenkelspiralfraktur zu. Am 22.05.1992 zeigte die Gemeinde G. diesen Unfall dem Kläger an. Dieser befragte die Gemeinde zu weiteren Einzelheiten. Sie gab an, im Gemeindegebiet sei eine Maßnahme der Dorferneuerung im Rahmen eines Flurbereinigungsverfahrens durchgeführt worden. Mit Beschluss vom 18.06.1991 bzw. 23.07.1991 sei eine Teilnehmergemeinschaft - nachfolgend TG - gegründet worden. Dem Vorstand habe neben anderen Personen der Landwirtschaftsrat a.D. R. S. angehört. Dieser habe der Kousine des Beigeladenen zu 1) den Auftrag erteilt, Einladungen zu verteilen. Der Beigeladene zu 1) habe auf Bitten seiner erkrankten Kousine den Auftrag übernommen. Die Einladungsschreiben wurden vorgelegt. Eingeladen wurde zu einer Teilnehmerversammlung am 24.03.1992 in einem Gasthaus am Ort. Die Gemeinde G. und die TG Flurbereinigung G. (Dorferneuerung) waren als Einladende genannt. Es war ein Dia-Vortrag des Architekten O. angekündigt, mit dem die TG und die an den Kosten beteiligte Gemeinde am 16.03.1992 einen Vertrag geschlossen hatten. Unter anderem enthielt dieser Vertrag die Verpflichtung des Architekten zur Öffentlichkeitsarbeit. Zudem sollte das Amt für Landwirtschaft und Bodenkultur Deggendorf Finanzierungsmöglichkeiten für Privatmaßnahmen nach den Dorferneuerungsrichtlinien erläutern.

Am 15.12.1992 wandte sich der Kläger erstmals an die Beklagte, weil er diese für den zur Entschädigung des Unfalls des Beigeladenen zu 1) zuständigen Versicherungsträger hielt. Die Beklagte vertrat dagegen die Auffassung, die Einladung habe sich an alle Gemeindebürger gerichtet, so dass die Veranstaltung Sache der Gemeinde gewesen sei. Bei der Beklagten seien im Rahmen eines Flurbereinigungsverfahrens nur solche Personen versichert, die direkt im Auftrag des Flurbereinigungsamtes tätig würden. Mit Bescheid vom 24.02.1993 zahlte der Kläger an den Beigeladenen zu 1) eine Gesamtvergütung für die Zeit vom 22.03.1992 bis 21.03.1993 in Höhe von 3.512,80 DM. Der Kläger und die Beklagte hielten ihre unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der Zuständigkeit aufrecht.

Am 22.02.1994 hat der Kläger beim Sozialgericht München beantragt festzustellen, dass die Beklagte der für die Entschädigung des streitgegenständlichen Unfalls zuständige Versicherungsträger sei. Die Beteiligten haben ihre im Verwaltungsverfahren vertretenen Auffassungen wiederholt. Das Sozialgericht hat den Verletzten mit Beschluss vom 12.01.1999 beigeladen und ihn in der mündlichen Verhandlung am 26.03.1994 angehört. Er hat erklärt, die Einladungen seien an alle Haushalte im Gemeindegebiet verteilt worden. Ob Herr S. an ihn direkt mit der Bitte herangetreten sei, die Einladungen zu verteilen, sei ihm nicht erinnerlich. Seine Eltern hätten 1992 noch einen landwirtschaftlichen Betrieb gehabt. Mit Urteil vom 26.03.1999 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, die Veranstaltung vom 24.03.1992 habe der Planung des "Unternehmens" Dorferneuerung, allenfalls im weitesten Sinne auch seiner Durchführung gedient. Demnach habe der Beigeladene zu 1) auch für dieses Unternehmen gehandelt. Es lasse sich nicht begründen, der Beigeladene zu 1) habe ausschließlich oder überwiegend für die TG Einladungsschreiben verteilt. Ein Versicherungsschutz nach § 777 Nr. 4 RVO scheide aus. Der Beigeladene zu 1) habe bei seiner Tätigkeiten am Unfalltag keiner öffentlich-rechtlichen Leistungspflicht unterlegen. Ebenso scheide ein Versicherungsschutz im Rahmen des § 776 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 RVO aus, obwohl Flurbereinigungsverbände und Teilnehmergenossenschaften zu den darin erfaßten Unternehmen gehörten. Denn eine Betätigung im Rahmen dieser Unternehmen werde nur dann geschützt, wenn sie als Ganzes gesehen ausschließlich oder doch überwiegend der Sicherung, Überwachung und Vermarktung der Erzeugnisse der landwirtschaftlichen Unternehmen unmittelbar diene. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) sei entweder in gleicher Weise dem "Unternehmen" Gemeinde G. , nämlich als Zustellung der Einladung an alle Haushalte, oder sogar ausschließlich dem "Gesamtunternehmen" Dorferneuerung dienlich gewesen.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und vorgetragen, für die Unternehmereigenschaft der TG spreche die Überlegung, dass die Planung der Dorferneuerung und deren Ausführung der TG G. übertragen worden sei. Ihre Aufgabe sei es gewesen, die Verbindung mit den Teilnehmern zu pflegen. Damit habe sie eine eigene Verpflichtungen im Rahmen der Veranstaltung, zu der der Beigeladene zu 1) die Einladungsschreiben verteilt hatte, wahrgenommen. Zumindest sei der Beigeladene zu 1) überwiegend für die TG und nicht für die Gemeinde tätig geworden. Die Beklagte hat ihre Auffassung aufrechterhalten. Sie hat zudem vorgetragen, aus dem Flurbereinigungsbeschluß der Flurbereinigungsdirektion sei ersichtlich, dass die gesamte Bevölkerung der Gemeinde informiert werden sollte. Die geplante Maßnahme der Dorferneuerung sollte überwiegend dazu dienen, die Lebensqualität der gesamten Bevölkerung des Dorfes anzuheben. Das Aufgabenfeld der Flurbereinigungsverwaltung habe sich in den letzten Jahren gewandelt und beziehe sich nicht mehr überwiegend auf die Land- und Forstwirtschaft, sondern sei vorrangig von Aspekten des Umweltschutzes, der Dorferneuerung, der Landbereitstellung sowie von Ausgleichsmaßnahmen bei Bauvorhaben der öffentlichen Hand geprägt.

Der Senat hat Dipl.Ing.G. E. , Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten, Dipl.Ing.Dr.U. K. , Geschäftsführer des Landesverbandes für ländliche Entwicklung sowie Dipl.Ing.F. V. , Referent des Sekretariats des Bayerischen Bauernverbandes mit Zuständigkeit für die Themenbereiche Dorf- und Flurentwicklung als Zeugen einvernommen; auf die Sitzungsniederschrift vom 22.02.2001 wird gem. § 136 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - Bezug genommen. Er hat die Verwaltungsberufsgenossenschaft beigeladen, welche nach Ansicht der Beklagten eher als Unfallversicherungsträger in Betracht komme. Darüberhinaus hat der Senat eine schriftliche Auskunft der TG G. vom 20.04.01 und der Direktion für ländliche Entwicklung eingeholt. Danach ergibt sich, dass in dem noch nicht abgeschlossen Verfahren von den 330 betroffenen Besitzständen nur 11 Besitzstände von Haupt- oder Nebenerwerbslandwirten geführt werden. Die Beteiligten haben zudem den Flurbereinigungsbeschluß der Flurbereinigungsdirektion Landau vom 09.04.1991 sowie Auszüge aus dem Bayerischen Dorfentwicklungsprogramm einschließlich der Dorfentwicklungsrichtlinien vorgelegt.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.03.1999 aufzuheben und festzustellen, dass die Beklagte für die Entschädigung des Unfalls des Beigeladenen zu 1) am 21.03.1992 zuständig ist; hilfsweise diese Feststellung gegenüber der Beigeladenen zu 2) zu treffen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.03.1999 zurückzuweisen; hilfsweise den Hilfsantrag der Beigeladenen zu 2) zurückzuweisen.

Die Beigeladene zu 2) beantragt, die Berufung zurückzuweisen; hilfsweise die Beklagte als zuständige Berufsgenossenschaft festzustellen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Akten des Klägers und der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz gem. § 136 Abs. 2 SGG Bezug genommen.

II.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG) und begründet.

Was die Zulässigkeit des Feststellungsantrags angeht, so ist dem Sozialgericht zuzustimmen. Danach haben die Beteiligten ein berechtigtes Interesse festzustellen, wer der zuständige und erstattungspflichtige Versicherungsträger für Entschädigungsleistungen aus Anlaß des Unfalls des Beigeladenen zu 1) am 31.03.1992 ist (§ 55 Abs. 1 Nr.2 SGG).

Zutreffend hat das Sozialgericht auch entschieden, dass die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung - RVO - anzuwenden sind, weil der Erstattungspflicht ein Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 zugrundeliegt (§ 212 SGB VII).

Die Beklagte ist der zur Entschädigung des vorgenannten Unfalls zuständige Versicherungsträger. Dies ergibt sich aus § 539 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 776 Abs. 1 Nr. 4 RVO. Danach erstreckt sich die landwirtschaftliche Unfallversicherung auf Unternehmen zum Schutz und zur Förderung der Landwirtschaft einschließlich der landwirtschaftlichen Selbstverwaltung und ihrer Verbände. Hingegen ist § 777 Nr. 4 RVO, wie vom Sozialgericht zutreffend dargelegt, nicht als Anspruchsgrundlage heranzuziehen. Denn darin wird - insoweit ist der Beklagten zuzustimmen - der Versicherungsschutz nur auf einen landwirtschaftlichen Unternehmer ausgedehnt, der als solcher, d.h. in eigener Regie, aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung, z. B. einer solchen nach dem Flurbereinigungsgesetz, tätig wird. Der aus den Akten und dem Vortrag der Beteiligten bekannte Sachverhalt gibt keinen Anlaß zur Vermutung, der Beigeladene zu 1) habe als landwirtschaftlicher Unternehmer oder als Familienmitglied eines landwirtschaftlichen Unternehmers, der im Flurbereinigungsverfahren zu einer Arbeitsleistung herangezogen worden wäre, beim Austeilen der Einladungszettel gehandelt.

Der Senat geht aufgrund des Akteninhalts davon aus, dass der Beigeladene zu 1) entweder direkt auf Ersuchen des Vorstandsmitglieds R. S. , der der TG als Pflanzmeister angehörte, die Einladungen verteilte, oder auf Bitten seiner Kousine, welche von S. herangezogen worden war. Damit hat er eine Tätigkeit übernommen, die ansonsten von einem Mitglied der TG (§ 18 Abs.1 Flurbereinigungsgestz -FlurbG -) hätte wahrgenommen werden müssen. Es kann dahinstehen, ob der Beigeladene zu 1) eine Entlohnung erhalten hat oder nicht. Denn soweit er unentgeltlich - ev. sogar ohne direkten Auftrag der TG - tätig geworden war, ist das Austeilen der Einladungsschreiben gem. § 539 Abs.2 i.V.m. § 539 Abs.1 Nr.1 RVO als versichert anzusehen.

Damit ist noch nicht die hier zentrale Frage entschieden, welcher Versicherungsträger für das Unternehmen TG G. zuständig ist. Unternehmer ist nach Auffassung des Senats allein die TG G ... Dies ist dem Wortlaut des Einladungsschreibens zu entnehmen. Eingeladen wird zu einer Veranstaltung mit der Bezeichnung "Teilnehmerversammlung" am 24.03.1992 in ein am Ort befindliches Gasthaus. Wenn es in dem Einladungsschreiben heißt, "die Gemeinde G. und die Teilnehmergemeinschaft laden ein", so wird die Teilnehmerversammlung nicht zu einer Veranstaltung, die vollständig oder überwiegend von der Gemeinde G. getragen wird. Denn der Vortragsabend ist vor dem Hintergrund des im FlurbG festgelegten Verfahrens zusehen. Die in verschiedenen Zusätzen enthaltene Erklärung, es werde eine Maßnahme der Dorferneuerung durchgeführt, läßt den Schluß zu, dass es sich um eine Maßnahme i.S. des in § 86 FlurbG angeführten vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens zur Dorferneuerung handelt. Auch hierfür gelten die §§ 18 und 22 FlurbG. Die erstgenannte Vorschrift umreißt die Aufgaben der TG. Diese entsteht gem. § 16 FlurbG mit dem Flurbereinigungsbeschluß der zuständigen Flurbereinigungsdirektion. Sie ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Nach § 4 FlurbG kann die obere Flurbereinigungsbehörde die Flurbereinigung anordnen und das Flurbereinigungsgebiet feststellen und zwar in Form eines Beschlusses. Dies ist im Beschluss der Flurbereinigungsdirektion Landau vom 09.04.1991 geschehen. Die Eigentümer der zum Flurbereinigungsgebiet gehörenden Grundstücke sind Hauptbeteiligte am Verfahren; die Gemeinden und andere sind Nebenbeteiligte (§ 10 Nr. 1 und 2 a FlurbG). Die erstgenannten bilden die TG gem. § 16 FlurbG. Die TG nimmt die gemeinschaftlichen Angelegenheiten der Teilnehmer wahr und hat neben anderen Aufgaben auch die zur Durchführung der Flurbereinigung erforderlichen Vorarbeiten zu erfüllen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 FlurbG). Nach dem aus den Akten bekannten Sachverhalt war das Flurbereinigungsverfahren der Dorferneuerung im Gemeindegebiet G. zum Zeitpunkt des hier streitigen Unfalls bereits soweit fortgeschritten, dass die TG mit Beschluss vom 18.06.1991 und 23.07.1991 gegründet war und ihre Aufgaben und Befugnisse im selben Beschluss festgelegt waren. Darüber hinaus war am 18.03.1992 ein Vertrag mit der Gemeinde hinsichtlich deren Kostenbeteiligung an der Ausführung gemeinschaftlicher und öffentlicher Anlagen und ein weiterer Vertrag zusammen mit der Gemeinde G. und einem Architekturbüro (Vertrag vom 16.03.1992) abgeschlossen gewesen. Unter anderem war der Architekt auch zur Öffentlichkeitsarbeit verpflichtet worden. Sein Dia-Vortrag über Baugestaltung war auch ein Beitrag der für den 24.03.1992 anberaumten Teilnehmerversammlung. Daneben war ein Vortrag des Amtes für Landwirtschaft und Bodenkultur Deggendorf zu Finanzierungsmöglichkeiten von privaten Maßnahmen nach den Dorferneuerungsrichtlinien angekündigt. Maßgebend für die hier zu beurteilende Rechtsfrage ist, dass es sich bei der Veranstaltung um die in § 22 FlurbG genannte Teilnehmerversammlung handelte, welcher im Flurbereinigungsverfahren wichtige Aufgaben zukommen. Dass die Gemeinde daneben ein eigenes - nicht nur finanzielles - Interesse zeigte und sogar als Mitinitiator genannt wird, macht die Veranstaltung nicht zu einer Aufgabe der Gemeinde. Denn nach den Vorschriften des Unfallversicherungsrechts kommt es bei der Frage, wer als Unternehmer gem. § 658 Abs. 2 Nr. 1 RVO anzusehen ist, darauf an, für wessen Rechnung das Unternehmen, der Betrieb, die Einrichtung oder die Tätigkeit geht. Diente die zum Unfall führende Handlung gleichzeitig mehreren Unternehmern, so ist, da es keine gleichzeitige Zuständigkeit mehrerer Versicherungsträger geben kann, danach zu entscheiden, welchem Unternehmen die unfallbringende Tätigkeit letztlich oder überwiegend diente (BSG Urteil vom 27.06.2000; B 2 U 23/99 R). Dass die Einberufung einer Teilnehmerversammlung wesentliche Aufgabe der TG G. war, wurde bereits dargelegt.

Zuständiger Versicherungsträger nicht nur für Flurbereinigungsverbände sondern auch für Teilnehmergemeinschaften ist die Beklagte (Lauterbach, Unfallversicherung, 3.Aufl. Anm. 17 Nr. 6 zu § 776 RVO). Dies gilt nach Auffassung des Senats auch für die hier als Unternehmer anzusehende TG G ... Maßgebende Vorschrift ist § 776 Abs. 1 Nr. 4 RVO. Danach umfaßt die landwirtschaftliche Unfallversicherung Unternehmen zum Schutz und zur Förderung der Landwirtschaft einschließlich der landwirtschaftlichen Selbstverwaltung und ihrer Verbände. Das Gesetz gibt keinen näheren Aufschluß dazu, was unter einem Unternehmen zum Schutz und zur Förderung der Landwirtschaft zu verstehen ist. Nicht einmal der Begriff "Landwirtschaft" ist näher definiert. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG - (Lauterbach a.a.O. § 776 Anm.5a mit weiteren Nachweisen) ist ein landwirtschaftliches Unternehmen der Inbegriff derjenigen wirtschaftlichen Tätigkeiten von nicht ganz kurzer Dauer, welche der Besitzer von Grundstücken zum Zwecke einer überwiegend planmäßigen Aufzucht von Bodengewächsen für eigene Rechnung aufwendet. Wichtigstes Merkmal ist dabei die Bodenbewirtschaftung. Allerdings ist diese grundlegende Definition einer ständigen Wandlung unterworfen. Während § 915 Abs.1 RVO i.d.F. vom 21.04.1937 lediglich "landwirtschaftliche Betriebe" als der Unfallversicherung unterliegend festhielt, erweiterte der Gesetzgeber kontinuierlich deren Zuständigkeit. Mit dem 5. Änderungsgesetz vom 17.02.1939 (RGBl.I S.267) wurde § 915 Abs.1c RVO eingefügt. In der amtlichen Begründung Nr.55 heißt es, da nach dem geltenden Recht vorübergehende Tätigkeiten, die von staatlichen oder berufsständischen Beauftragten zum Schutz oder zur Förderung der Erzeugung eines versicherten Betriebes ausgeübt würden, im allgemeinen nicht versichert seien, würden durch die neue Vorschrift des § 915 Abs. 1c RVO diese Tätigkeiten unter Versicherungsschutz gestellt. Dem Reichsarbeitminister war vorbehalten hierzu näheres zu bestimmen. Von diesem Recht machte dieser am 17.08.1940 Gebrauch (Amtl.Nachrichten - AN - 1940, S.312 ff). In der Nr. 1 wird der Umfang der versicherten Tätigkeit als solche beschrieben, welche der Sicherung, Überwachung oder Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung unmittelbar dienen. In der hierzu gegebenen ausführlichen Begründung wird ausgeführt, dass sich der Versicherungsschutz nicht nur auf die den landwirtschaftlichen "Erzeugnissen" dienende Schutz- und Fördertätigkeit beziehen solle, sondern allgemein auf die Tätigkeiten zugunsten der landwirtschaftlichen "Erzeugung". Nr.1 dieser Bestimmung sei allgemein gefaßt worden, weil die Verhältnisse des praktischen Lebens vielgestaltig seien, sich immer wieder änderten und deshalb eine auf die Dauer berechnete Aufzählung der versicherten Tatbestände im einzelnen nicht möglich sei. Es seien nur solche Tätigkeiten versichert, die den fachlichen (technischen), nicht kaufmännischen oder verwaltenden Teil, der Betriebe betreffe und welche ausschließlich oder wenigstens hauptsächlich landwirtschaftlichen Betrieben dienten, nicht aber solchen, die allgemein polizeilichen Charakter hätten. Es werden dann Beispiele solcher Tätigkeiten genannt. Unter der Nr.4 werden Tätigkeiten auf dem Gebiet der allgemeinen Wirtschaftsförderung näher beschrieben. U.a. wird die Verwaltung und Förderung landwirtschaftlicher Betriebe auf Grund behördlicher Anordnung angeführt.

Nach der Umstellung von der den jeweiligen Betrieb umfassenden Versicherung auf die Personenversicherung, d.h. auf die im Betrieb tätigen Personen, erhielt § 915 RVO in der Fassung des 6. Änderungsgesetzes in der Unfallversicherung vom 09.03.1942 u.a. die Ausdehnung auf Versicherte beim Reichsnährstand. Zudem wurde der vorgenanten Bestimmung des Reichsarbeitsministers folgend die Fördertätigkeit auf die land- oder forstwirtschaftliche Erzeugung anstatt wie bis dahin im Gesetz bezeichnet auf die Erzeugnisse erstreckt. Eine sachliche Änderung war damit nicht bezweckt worden. Mit der Neufassung durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz - UVNG - vom 30.04.1963 (BGBl.I S. 241) wurde § 915 RVO durch § 776 RVO ersetzt. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten dabei - hier nicht interessierende - Lohnunternehmen miterfaßt und der Katalog in Nr. 4 und Nr. 5 ergänzt werden. In Nr. 4 wurden nunmehr "Unternehmen zum Schutz und zur Förderung der Landwirtschaft" einschließlich der landwirtschaftlichen Selbstverwaltung und ihrer Verbände aufgeführt. Durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" vom 26.07.1988 (BGBl.I S.1053) wurde der Versicherungsschutz aus Gründen des Natur- und Umweltschutzes auf Pflegemaßnahmen stillgelegter Flächen ausgedehnt.

Dieser geschichtliche Abriß zeigt, dass die landwirtschaftliche Unfallversicherung einem gewissen Wandel unterliegt und die Begriffsdefinitionen, welche für eine Zuordnung des Unfallversicherungsschutzes erforderlich sind, vom Gesetzgeber wissentlich nicht genauer gestaltet worden sind. Damit ist letztendlich auf die vom Reichsarbeitsminister gegebenen Erläuterungen, welche weiterhin Geltung haben (Wannagat, SGB VII, § 123 Anm.29), zurückzugreifen. Zugleich ist die Erklärung des Reichsarbeitsministers, weshalb keine exakte Aufzählung der erfaßten landwirtschaftlichen Tätigkeiten möglich sei, mit aktuellem Inhalt auszufüllen ist. Abzustellen ist dabei auf die im Streit stehende Maßnahme, auf das Austeilen der Einladungen zur Teilnehmerversammlung TG G. und die Frage, ob diese Aktion ausschließlich oder hauptsächlich landwirtschaftlichen Betrieben diente. Die Beantwortung dieser Frage richtet sich vor allem nach dem Zweck, den die TG als das hier agierende Unternehmen verfolgt. Hierzu ist es notwendig näher zu beleuchten, welche Zielrichtung Dorferneuerungsmaßnahmen generell haben und welche die TG G. hatte bzw hat. Da die Dorferneuerungsmaßnahme im zu entscheidenden Fall nach dem FlurbG abgewickelt wurde und wird, liefert dieses Gesetz einen wichtigen Hinweis. § 1 FlurbG nennt die Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft und die Förderung der allgemeinen Landeskultur und der Landentwicklung als Ziel, zu dessen Erreichen ländlicher Grundbesitz neugeordnet werden kann. In § 86 Abs.1 Nr.1 FlurbG, einer Bestimmung, die ein vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren in bestimmten Fällen vorsieht, werden neben Maßnahmen der Landentwicklung, insbesondere Maßnahmen der Agrarstrukturverbesserung, der Siedlung u.a. auch die Dorferneuerung genannt. In den Dorferneuerungsrichtlinien (DorfR) zum Vollzug des Bayerischen Dorfentwicklungsprogramms (Bekanntm. des Bayer. Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 09.06.1993) wird eine angestrebte ländliche Entwicklung der Verbesserung der Lebens-, Wohn- und Arbeitsverhältnisse auf dem Lande, insbesondere der agrarstrukturellen Verhältnisse und städtebaulich unbefriedigenden Zustände als Förderzweck bezeichnet. Durch die Dorferneuerung sollen die Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft verbessert, der heimatliche Lebensraum der Landbewohner gestärkt, das Bewußtsein für die dörfliche Lebenskultur vertieft, der eigenständige Charakter ländlicher Siedlungen sowie die Kulturlandschaft erhalten und damit die Dörfer auf künftige Erfordenisse vorbereitet werden. Hinsichtlich der Zuwendungsvoraussetzungen wird dargelegt, dass ländlich strukturierte Gemeinden mit nicht mehr als 2.000 Einwohnern gefördert und solche Gemeinden vorrangig berücksichtigt werden sollen, die vom Strukturwandel in der Landwirtschaft in besonderer Weise betroffen sind.

Die vom Gesetz angestrebte Zwecksetzung läßt nicht ohne weiteres eine Zuordnung nach den hier maßgeblichen unfallversicherungsrechtlichen Kriterien zu. Es werden zwar Zwecke der landwirtschaftlichen Erzeugung genannt, jedoch daneben solche, die allgemein darauf ausgerichtet sind, ländliche Lebens- und Wohnstrukturen zu erhalten. Mit anderen Worten ausgedrückt soll den Menschen in ländlichen Bereichen Hilfen geboten werden, um sie davon abzuhalten, ihren bisherigen Lebensraum zu verlassen. Die Frage, ob die Maßnahme Dorferneuerung hauptsächlich der Landwirtschaftlichen Erzeugung dient, muß danach eher verneint werden. Gleichwohl hält der Senat die Beklagte für den zuständigen Versicherungsträger. Denn in Anlehnung an die Ausführungen des Reichsarbeitsministers vom 17.08.1940 ist den geänderten Bedingungen der heutigen Landwirtschaft Rechnung zu tragen. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass - so auch die Angaben der Zeugen E. und Dr.K. - die Anzahl der Landwirte im Hauptberuf erheblich gesunken ist und den noch verbliebenen Landwirten einschließlich den Nebenerwerbslandwirten Lebensbedingungen geschaffen werden müssen, um ein weiteres Abwandern zu verhindern. Die Auskunft der TG G. vom 20.04.2001, wonach von den am Verfahren beteiligten 330 Besitzständen nur 11 Besitzstände von Haupt- oder Nebenerwerbslandwirten geführt werden, spiegelt diese Gefahr wider. Denn ohne die Tätigkeit der Landwirte ist, selbst wenn man die Ernährung der Bevölkerung durch Einfuhrerzeugnisse für gesichert halten wollte, eine Kulturlandschaft nicht zu bewahren. Zum anderen ist für den Senat von Bedeutung, dass die Dorferneuerungsmaßnahme nach dem FlurbG durchgeführt wird und Flurbereinigungsteilnehmergemeinschaften (früher Teilnehmergenossenschaften) bereits nach der früheren Bestimmung des § 915 Abs. 1c RVO vom Versicherungsschutz der landwirtschaftlichen Unfallversicherung erfaßt wurden. Ein derartiger Wandel hinsichtlich der Ziele von Teilnehmergemeinschaften zur Dorferneuerung, dass ihre Zweckrichtung in keiner Weise mehr auf die Landwirtschaft ausgerichtet wäre, ist auch unter den vorgenannten Gesichtpunkten nicht zu erkennen. Vielmehr hält der Senat in Anbetracht der historischen Entwicklung und der damit verbundenen Ausdehnung der landwirtschaftlichen Unfallversicherung auf aktuelle Veränderungen eine weite Auslegung (so auch Wannagat, a.a.O. § 123 SGB VII Anm.22 mit weiteren Nachweisen) für geboten. Hinzukommt die Unsicherheit, die damit verbunden wäre, wollte man in jedem Einzelfall bei der Gründung einer TG klären, welche Ziele sie konkret verfolgt. Dies wäre mit aufwendigen Ermittlungen verbunden und ließe den Unfallversicherungsschutz auf unbestimmte Zeit ungeklärt. Zudem sind landwirtschaftliche Belange, wie oben ausgeführt, wenn auch nicht unmittelbar, so doch noch in erheblichem Maße betroffen. Im Interesse der Eindeutigkeit hält der Senat es für geboten, zumindest solche TG s der landwirtschaftlichen Unfallversicherung zu unterstellen, welche im Rahmen eines Verfahrens nach dem Flurbereinigungsverfahren abgewickelt werden. Der Senat gelangt daher zu der Feststellung, dass die Beklagte der für die Entschädigung des Beigeladenen zu 1) zuständige Versicherungsträger ist. Auf die Berufung des Klägers war das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.03.1999 aufzuheben und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die Folgen des Unfalls des Beigeladenen zu 1) vom 21.03.1992 Entschädigung zu leisten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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