L 3 U 321/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 372/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 321/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 10.07.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

I.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist zum einen streitig, ob die Beklagte dem Kläger wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 24.06.1998 Verletztenrente und zum anderen, ob sie ihm berufsfördernde Maßnahmen zu gewähren hat.

Der am 1967 geborene Kläger war als Dachdeckergeselle am 24.06.1998 beim Wegtragen von Dachziegeln ausgerutscht und auf den rechten Ellenbogen gefallen. Der noch am Unfalltag in Anspruch genommene Chirurg Dr.P. (Durchgangsarztbericht vom 25.06.1998) stellte eine erhebliche Weichteilschwellung über der Streckseite des rechten Ellenbogen mit leichter Fluktuation und schmerzbedingter Bewegungseinschränkung am Ellenbogengelenk fest. Darüber hinaus bestehe ein leichtes Pelzigkeitsgefühl an der ulnaren Handkante. Eine Weichteilschwellung zeigte sich auch am rechten Brustkorb. Röntgenologisch konnte eine knöcherne Verletzung ausgeschlossen werden. Die Diagnose lautete daher: Ellenbogenprellungen rechts mit bursitis oleocrani; Thoraxprellung rechts. Eine in der Röntgenpraxis Dr.M. am 18.08.1998 durchgeführte Magnetresonanztomographie - MRT - zeigte einen deutlichen Gelenkserguß bei Arthrose im Humeroradialgelenk; traumatische Läsionen fanden sich nicht. Die unfallbedingte Behandlung war nach Auskunft von Dr.P. am 09.08.1998 abgeschlossen. In der Folgezeit stellte sich der Kläger im Klinikum W. wegen fortbestehender Schmerzen vor. Er gab an, bei längerem Halten von schweren Gegenständen die Hand nicht mehr bewegen zu können. Untersuchungen fanden dort am 16.09.1998 und am 08.01.1999 statt. Der Neurologe Dr.G. untersuchte den Kläger am 3.02.1999. Ein peripheres Engpasssyndrom im Sinne eines Karpaltunnelsyndroms konnte dabei ausgeschlossen werden. Spätere MRT s der Halswirbelsäule und des rechten Ellenbogengelenks vom 01.03.1999 und 08.02.1999 brachten keine weiteren Aufschlüsse. In der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Murnau wurde am 14.05.1999 eine Arthroskopie durchgeführt. Dabei bestätigte sich die kernspintomographische Diagnose einer Arthrose im rechten Ellenbogengelenk.

Am 23.06.1999 stellte der Kläger beim Arbeitsamt Weiden einen Antrag auf berufliche Rehabilitationsmaßnahmen, welcher von dort zuständigkeitshalber an die Beklagte weitergeleitet wurde.

Mit Bescheid vom 14.08.1999 lehnte die Beklagte Verletztenrente ab, da das Ereignis vom 24.06.1998 über die 26. Woche hinaus keine Folgen zurückgelassen habe. Sie stützte sich auf ein Gutachten von Prof.Dr.B. vom 20.05.1999. Dieser führte aus, die Arthrose, welche sich bereits zwei Monate nach dem Unfall kernspintomographisch habe nachweisen lassen, könne nicht vom Unfall herrühren. Sie müsse schon vorher bestanden haben. Der Unfall habe lediglich zu einer Prellung des Ellenbogengelenks geführt, welche bis spätestens 22.07.1998 ausgeheilt war. Auf den Widerspruch nahm Prof.Dr.B. am 09.09.1999 zu den Einwendungen des Klägers Stellung. Er führte aus, die Knorpelschäden seien nicht Unfallfolge. Daraufhin wies die Beklagte am 26.10.1999 den Widerspruch zurück. Mit Bescheid vom 16.11.1999 lehnte sie die Gewährung berufsfördernder Maßnahmen ab. Denn die Unfallfolgen hätten den Kläger nicht daran hindert, seine letzte Tätigkeit weiterhin auf Dauer wettbewerbsfähig auszuüben. Der dagegen erhobene Widerspruch blieb ebenfalls erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 25.01.2000).

Gegen die vorgenannten ablehnenden Bescheide hat der Kläger beim Sozialgericht Regensburg jeweils Klagen erhoben (S 5 U 372/99 und S 5 U 30/00). Das Sozialgericht hat die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und ein Gutachten von Prof.Dr.A. , Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie eingeholt. Dieser hat am 13.10.2000 dargelegt, der Unfall habe zwar nicht zu einer rentenberechtigenden MdE geführt, jedoch seien eine Arthrose im Ellenbogenbereich und das inzwischen erfolgreich operierte Sulcus-Ulnaris-Syndrom Unfallfolge. Dem hat die Beklagte unter Bezug auf Stellungnahmen ihres Beratungsarztes Dr.E. vom 08.11.2000 und von Prof.Dr.B. vom 24.11.200 widersprochen. Seine frühere Auffassung hat Prof.A. in einer ergänzenden Stellungnahme vom 22.02.2001 revidiert. Die Argumentation der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Murnau hat er insofern für richtig gehalten, als die Arthrose im Radioulnargelenk unfallunabhängig vorbestanden habe. Jedoch resultiere das jetzige Beschwerdebild aus einer Verschlimmerung durch den Unfall. Eine rentenberechtigende MdE werde dadurch allerdings nicht erreicht.

Mit Urteil vom 10.07.2001 hat das Sozialgericht die beiden Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen auf das revidierte Gutachten von Prof.Dr.A. gestützt. Soweit der Sachverständige dem Unfall einen verschlimmernden Anteil an dem Engpasssyndrom beigemessen hat, ist es dem nicht gefolgt. Es hat insoweit die Ausführungen von Prof.Dr.B. und Dr.E. für überzeugender gehalten und im Übrigen daraufhingewiesen, dass sich auch nach der Auffassung von Prof.Dr.A. kein Anspruch auf Verletztenrente und auf berufsfördernde Leistungen ergebe.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt: bei dem Unfall sei es nicht nur zu einer Ellenbogenprellung rechts, sondern zusätzlich zu einem Knorpelschaden gekommen. Dieser habe später eine Arthrose ausgelöst. Es bestehe ein Dauerschmerz, der bis in die rechte Hand ausstrahle. Bei Belastung trete eine spontane Kraftlosigkeit der rechten Hand ein, mit der Folge, dass ihm Gegenstände aus der Hand gleiten würden. Er könne daher seinen Beruf als Dachdecker nicht weiter ausüben. Derzeit sei er als Wachmann beschäftigt. Es sei ein fachärztliches Gutachten einzuholen. Hierbei bestehe seine Bereitschaft, im Rahmen dieser Begutachtung das Ellenbogengelenk operativ eröffnen zu lassen, falls dies der Aufklärung diene. Auf Antrag des Klägers (§ 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) hat der Senat von Prof.Dr.R. , H. ein Gutachten angefordert. Dieser hat am 05.03.2002 die Auffassung vertreten, es seien keine Unfallfolgen über die 6. bis 8. Woche nach dem Unfall zurückgeblieben. Im Wesentlichen hat er sich der Meinung von Prof.Dr.B. angeschlossen. Der Kläger hat ein von ihm an Prof.Dr.R. gerichtetes Schreiben vorgelegt, in dem er sich über das negative und teure Gutachten beschwerte. Ferner hat er mitgeteilt, er wolle weiter kämpfen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 10.07.2001 und des Bescheids vom 14.08.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.10.1999 sowie des Bescheids vom 16.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.01.2000 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen seines Unfalls vom 24.06.1998 Verletztenrente sowie berufsfördernde Maßnahmen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 10.07.2001 zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gem. § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten (Az.:U5098058330) sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet. Der Senat konnte im Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Verletztenrente wegen der Folgen seines Unfalls vom 24.06.1998 noch ein Anspruch auf berufsfördernde Leistungen zu. Die Voraussetzungen der §§ 8, 56 SGG sowie der §§ 26, 35 SGB VII sind nicht erfüllt. Zum einen wird die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht in rentenberechtigendem Ausmaß durch die Unfallfolgen gemindert; zum anderen hindern die Unfallfolgen den Kläger nicht, seinen bisherigen Beruf des Dachdeckers weiter auszuüben. Dies hat das Sozialgericht bereits eingehend dargestellt. Auf die dortigen Ausführungen in den Entscheidungsgründen nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 153 Abs. 2 SGG Bezug.

Danach steht auch zur Überzeugung des Senats fest, dass es infolge des Unfalls lediglich zu einer Ellenbogenprellung mit einer Schleimbeutelentzündung im Ellenbogenbereich gekommen ist. Diese Verletzungen waren bis spätestens 07.08.1998 ausgeheilt. Hinsichtlich dieses Zeitpunkts macht sich der Senat die Ausführungen von Prof.Dr.R. zu eigen, der eine Heilungsphase von 6 bis 8 Wochen für angemessen hält. Dass die Beklagte davon ausgegangen ist, die Arbeitsfähigkeit sei ab dem 22.07.1998 wieder hergestellt gewesen, führt zu keiner anderen Entscheidung gegegenüber dem Kläger, dem auch darüberhinaus Verletztengeld bzw. Krankengeld gezahlt worden ist. Über einen etwaigen Erstattungsanspruch der Beklagten gegenüber der zuständigen Krankenkasse war nicht zu entscheiden.

Die in der Zeit nach dem Unfall in Erscheinung getretenen Gesundheitsstörungen, wie ein Engpasssyndrom und eine Arthrose im rechten Ellenbogengelenk stehen nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der Unfallverletzung. Hinsichtlich der Arthrose sind sich sämtliche im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gehörten medizinischen Sachverständigen einig, dass insoweit ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Unfall ausgeschlossen ist. Das wesentliche Argument, welches gegen eine Unfallverursachung spricht, besteht darin, dass auf den Röntgen- bzw. Kernspinaufnahmen vom 25.06.1998 und 18.08.1998 zwar beginnende Verschleißschäden aber keine Anzeichen einer frischen Knorpel- oder Knochenschädigung zu erkennen waren. Auch die später bis zur Begutachtung durch Prof.Dr.R. am 08.04.2002 erstellten Röntgenbilder weisen im Vergleich zu den Verhältnissen des linken Ellenbogengelenks allenfalls auf beginnende arthrotische Veränderungen hin. Dass die somit schon im Unfallzeitpunkt bestandene Arthrose dem Kläger keine auffälligen Beschwerden bereitet hatte, ist mit den medizinischen Erkenntnissen gut vereinbar. Denn Arthrosen lassen sich nicht selten lange vor einer klinischen Symptomatik im Röntgenbild erkennen. Der Senat stützt sich insoweit auf die Ausführungen von Prof.Dr.B. , die er im Urkundsbeweis verwerten kann, sowie auf die Meinung von Prof.Dr.R ... Im Übrigen steht das Gutachten von Prof.Dr.A. insoweit nicht entgegen. Denn Prof.Dr.A. schloss sich in seiner späteren Stellungnahme vom 22.02.2001 der Auffassung von Prof.Dr.B. an.

Dass das - inzwischen operierte - Engpasssyndrom nicht in einer kausalen Beziehung zum Unfall steht, hat das Sozialgericht bereits eingehend erläutert. Der Senat schließt sich der Argumentation an, zumal die von ihm durchgeführte Beweiserhebnung, nämlich das Gutachten von Prof.Dr.R. , dies bestätigt. Von weiteren Ausführungen sieht der Senat insoweit ab.

Damit steht fest, dass von dem Unfall vom 24.06.1998 keine gravierenden Folgen zurückgeblieben sind. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers wird durch Unfallfolgen über die 26.Woche nach dem Unfall nicht um wenigstens 20 vH gemindert. Ein Anspruch auf Verletztenrente gem. § 56 SGB VII ist nicht zu begründen. Ebensowenig hat der Kläger gegenüber der Beklagten Anspruch auf berufsfördernde Leistungen - bzw. auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gem. der ab dem 01.07.2001 geltenden Fassung der §§ 26 Abs. 2 Nr. 2, 35 SGB VII -. Denn er ist nicht durch Unfallfolgen daran gehindert, seinen bisherigen Beruf des Dachdeckers wettbewerbsfähig ausüben zu können. Seine Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 10.07.2001 war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Gründe gem. § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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