Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 122/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 73/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 14/15 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 17 Abs. 1 Satz 5 EKV-Z gibt keine Rechtsgrundlage für einen endgültigen Einbehalt ab. Im Übrigen bestehen erhebliche Zweifel, ob die Bundesmantelvertragsparteien überhaupt befugt sind, einen Forderungsuntergang hinsichtlich von Teilen der Gesamtvergütung zu vereinbaren.
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.322,67 EUR nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu zahlen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Einbehalt der Beklagten in Höhe von 5.322,67 Euro nach § 17 Abs. 1 Satz 5 EKV-Z, wonach Berichtigungsanträge, die nicht innerhalb von 6 Monaten bearbeitet worden sind, die Ersatzkasse zur Einbehaltung von 75 v. H. der mit den Berichtigungsanträgen geltend gemachten Forderungen berechtigen, und hierbei um die Frage, ob der Einbehalt vorläufig oder endgültig erfolgt.
Die Beklagte stellte mit Datum vom 15.10.2010, bei der Beklagten am 19.10.2010 eingegangen, einen Berichtigungsantrag für das Quartal I/10 im Umfang von 10.142,29 Euro für 265 Behandlungsfälle.
Die Klägerin teilte der Beklagten unter Datum vom 07.04.2011 mit, dass sie einen Teil des Antrags - 24 Behandlungsfälle - nicht anerkenne. Für die restlichen Fälle, in denen sie die Zahnärztinnen und Zahnärzte um Stellungnahme bitten müsse, komme sie auf die diesbezüglichen Beanstandungen unaufgefordert zurück. Mit weiterem Schreiben vom 07.04.2011 bat die Klägerin um Übersendung der zur Prüfung notwendigen Unterlagen (Heil- und Kostenpläne zur prothetischen Versorgung sowie der entsprechenden Parodontalstaten). Dem kam die Beklagte mit Schreiben vom 06.05.2011 nach; für einen Behandlungsfall zog sie den Antrag zurück.
Die Beklagte setzte der Klägerin unter Datum vom 19.04.2011 eine Frist zur Bearbeitung bis zum 03.05.2011.
Die Beklagte bat unter Datum vom 06.05.2011 um eine erneute Überprüfung der Entscheidung der Klägerin vom 07.04.2011 für vier Behandlungsfälle. Mit Bescheid vom 07.11.2011 erkannte die Klägerin die Beanstandung in einem Behandlungsfall an und lehnte für die übrigen drei Behandlungsfälle eine Berichtigung ab.
Die Beklagte behielt dann unter Datum vom 27.05.2011 unter Hinweis auf den Fristablauf in § 17 EKV-Z einen Betrag in Höhe von 6.894,05 Euro ein. Dies entsprach 75% der noch offenen Beanstandungssumme.
Die Klägerin teilte der Beklagten unter Datum vom 30.08.2011 mit, dass sie dem Berichtigungsantrag in Höhe von insgesamt 1.571,38 Euro stattgebe. Ferner bat sie um Überweisung des Differenzbetrages in Höhe der noch strittigen 5.322,67 Euro. Sie entschied die beantragte Beanstandung für jeden Behandlungsfall.
Die Beklagte vertrat in der Folgezeit die Auffassung, dass sie nach § 17 Abs. 1 EKV-Z berechtigt sei, den einbehaltenen Betrag endgültig zu behalten. Demgegenüber war die Klägerin der Auffassung, es handele sich lediglich um einen vorläufigen Einbehalt.
Am 09.03.2012 hat die Klägerin die Klage erhoben. Sie ist weiterhin der Auffassung, § 17 Abs.1 EKV-Z lasse nur einen vorläufigen Einbehalt zu. Dafür spreche die Staffelung und insbesondere auch die Art der Staffelung der einzubehaltenden Beträge. Es wäre zu erwarten gewesen, dass die Vorschrift eine steigende Abstaffelung vorsehe. Die Vorschrift würde der Vertragskasse eine gewisse Planungssicherheit geben und es solle eine möglichst zeitnahe Bearbeitung der Anträge durch sie garantiert werden. Deshalb erfolge zunächst ein Einbehalt von 75 %. Von einer Berichtigung sei auch der Vertragszahnarzt betroffen. Hier einseitig zugunsten der Vertragskasse von einem endgültigen Einbehalt auszugehen, weil ein Antrag nicht rechtzeitig bearbeitet worden sei, wäre wenig sachgerecht. Die Vertragskassen erhielten hierdurch auch die Möglichkeit, durch eine drastische Erhöhung der Berichtigungsanträge für einen Rückstau der durchzuführenden Überprüfungen zu sorgen. Die Beklagte habe auch im Verfahren zum Az: S 12 KA 1220/05 seinerzeit ein Anerkenntnis abgegeben. Faktisch habe sie seinerzeit anerkannt, dass der Einbehalt vorläufig erfolge. Hinsichtlich der 47 Behandlungsfälle sei die Beklagte nicht rechtzeitig ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen. Fraglich sei, ob die Bearbeitungsfrist nicht erst mit Einreichung der Unterlagen zu laufen beginne. Der Bescheid vom 07.11.2011 sei von der Beklagten nicht angefochten worden, die davon betroffenen Behandlungsfälle seien damit rechtskräftig beschieden worden. Die übrigen Behandlungsfälle (49 Behandlungsfälle + 192 Behandlungsfälle) habe sie mit Sammelberichtigungsbescheid vom 30.08.2011 abschließend bearbeitet.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.322,67 EUR nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist weiterhin der Auffassung, dass es sich bei dem Einbehalt nur um einen endgültigen Einbehalt handeln könne. "Einbehalt" bedeute etwas "zu behalten". Andernfalls hätten auch die Bundesmantelvertragsparteien eine Regelung hinsichtlich der Modalitäten der Rückzahlung getroffen und könne die Klägerin auch ihre Berichtigungsanträge sanktionslos hinauszögern. Die Staffelung diene gerade dazu, einen hohen Bearbeitungsdruck auf die Kassenzahnärztliche Vereinigung auszuüben. Sie habe im seinerzeitigen Verfahren lediglich die Forderung anerkannt, nicht aber den Rechtsstandpunkt der Klägerin.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Die Beigeladene zu 1) ist ebenfalls der Auffassung, es könne sich nur um einen Sicherheitseinbehalt in Form der Sicherheitsleistung durch Stundung einer Forderung handeln. Ein endgültiger Einbehalt hätte ausdrücklich geregelt werden müssen. Die Möglichkeit der Ersatzkasse, im Verhältnis zur Kassenzahnärztlichen Vereinigung im Rahmen der Abrechnungsprüfung einseitig Sanktionen auszusprechen, sei systemfremd. Die Ersatzkasse sei erst dann berechtigt, einen (Teil-)Betrag von der Gesamtvergütungsforderung abzusetzen, wenn hierüber eine verbindliche, sprich bestandskräftige Entscheidung herbeigeführt worden sei. Die Vorschrift sei auch mit Einführung des § 106a SGB V obsolet geworden. Nach dessen Abs. 5 seien auf Landesebene Vereinbarungen über die Durchführung der Abrechnungsprüfungen zu treffen. Auf Bundesebene könnten Richtlinien zur Prüfung vereinbart werden.
Der Beigeladene zu 2) teilt die Rechtsauffassung der Beklagten, dass der Einbehalt endgültig sei. Dafür spreche der Wortlaut. Andernfalls hätte in Anlehnung an § 273 BGB von einem Zurückbehaltungsrecht gesprochen werden müssen. Die Krankenkasse müsse einen Berichtigungsantrag innerhalb von 6 Monaten stellen. Insofern handele es sich bei der Frist für den Einbehalt um das Gegenstück. Die Vorschrift sei auch trotz Einführung des § 106a SGB V beibehalten worden.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 28.12.2012 die Beiladung ausgesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin aus den Kreisen der Vertragszahnärzte und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragszahnarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 5.322,67 EUR nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
Die Beklagte war nicht berechtigt, den strittigen Zahlungsbetrag in Höhe von 5.322,67 EUR als Teil der Gesamtvergütung endgültig einzubehalten. § 17 Abs. 1 Satz 5 EKV-Z gibt hierfür keine Rechtsgrundlage ab. Die Klägerin hat mit – inzwischen bestandskräftigem – Bescheid vom 30.08.2011 eine Berichtigung der Behandlungsfälle im Umfang des strittigen Honorarvolumens abgelehnt, so dass die Forderung auch fällig wurde.
§ 17 EKV-Z "Abrechnung der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen" bestimmt in Abs. 1 Folgendes:
"Die KZV überprüft die Abrechnungen der Vertragszahnärzte rechnerisch und gebührenordnungsmäßig und stellt sie richtig. Danach übersendet die KZV die Abrechnungen an die Ersatzkassen. Teilrechnungen und Vorbehaltsvermerke sind unzulässig. Berichtigungen von Fehlern bei der Anwendung des BEMA, von Rechenfehlern und sonstigen offenbaren Unrichtigkeiten sind binnen sechs Monaten nach Eingang der Rechnung bei der Ersatzkasse von dieser bei der KZV geltend zu machen. Berichtigungsanträge, die nicht innerhalb von sechs Monaten bearbeitet worden sind, berechtigen die Ersatzkasse zur Einbehaltung von 75 v. H. der mit den Berichtigungsanträgen geltend gemachten Forderungen. Berichtigungsanträge, die nicht innerhalb von weiteren zwölf Monaten bearbeitet worden sind, berechtigen die Ersatzkassen zur Einbehaltung von weiteren 25 v. H."
Die Beteiligten haben hinreichend die Argumente vorgetragen, die für einen nur vorläufigen, so die Klägerin und die Beigeladene zu 2), oder endgültigen, so die Beklagte und die Beigeladene zu 1), Einbehalt sprechen. Dem ist wenig hinzuzufügen. Dies bringt aber auch zum Ausdruck, dass eine eindeutige Regelung von den Bundesmantelvertragsparteien nicht getroffen wurde. Dies hält die Kammer aber für erforderlich, wenn der Einbehalt zum endgültigen Forderungsverlust nach Ablauf einer Frist führen soll. Die Kammer vermag nicht zu erkennen, dass der Forderungsverlust dem übereinstimmenden Vertragswillen der Bundesmantelvertragsparteien entspricht. Auch besteht offensichtlich keine entsprechende Vertragspraxis. Wenn eine Vertragspraxis bestehen sollte, dann bisher in der weise, dass ein Einbehalt nur vorläufig erfolgen kann. Eine abweichende Regelungen, was der Bundesmantelvertrag in § 17 Abs. 6 EKV-Z zulässt, haben die Gesamtvertragsparteien nicht getroffen.
Von daher brauchte die Kammer auch nicht der Frage nachzugehen, ob die Bundesmantelvertragsparteien überhaupt berechtigt wären, einen endgültigen Forderungsverlust zu vereinbaren. Bei der strittigen Forderung handelt es sich um einen Teil der Gesamtvergütung. Die Gesamtvergütung wird aber von den Gesamtvertragsparteien auf Landesebene geschlossen, also von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen und den Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen, und nicht von den hier beigeladenen Bundesmantelvertragsparteien. Die Bundesmantelvertragsparteien können nur den Bundesmantelvertrag mit dem "allgemeinen Inhalt der Gesamtverträge", zu dem aber Vergütungsfragen gerade nicht gehören, nicht schließen. Ein endgültiger Einbehallt führt aber zwangsläufig zur Kürzung der Gesamtvergütung, wofür es an einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage für die Bundesmantelvertragsparteien fehlen dürfte. Von daher bestehen erhebliche Zweifel, ob die Bundesmantelvertragsparteien nach vergangener und aktueller Rechtslage überhaupt befugt sind, einen Forderungsuntergang zu vereinbaren. Dies spricht im Übrigen auch dafür, dass sie eine solche Regelung bisher nicht getroffen haben und auch nicht treffen wollten.
Die Klägerin hat Anspruch auf Prozesszinsen gegen eine Krankenkasse nach Eintritt der Rechtshängigkeit einer Klage auf Zahlung fälliger Gesamtvergütungen. Die Zinshöhe folgt aus §§ 291 i. V. m. 288 Abs. 2 BGB (vgl. BSG, Urt. v. 28.09.2005 - B 6 KA 71/04 R - SozR 4-2500 § 83 Nr. 2 = BSGE 95, 141 = GesR 2006, 168 = MedR 2006, 226 = NZS 2006, 385 = Breith 2006, 542 = USK 2005-127, juris Rdnr. 38 ff.).
Nach allem war der Klage in vollem Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Die Beklagte hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu zahlen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Einbehalt der Beklagten in Höhe von 5.322,67 Euro nach § 17 Abs. 1 Satz 5 EKV-Z, wonach Berichtigungsanträge, die nicht innerhalb von 6 Monaten bearbeitet worden sind, die Ersatzkasse zur Einbehaltung von 75 v. H. der mit den Berichtigungsanträgen geltend gemachten Forderungen berechtigen, und hierbei um die Frage, ob der Einbehalt vorläufig oder endgültig erfolgt.
Die Beklagte stellte mit Datum vom 15.10.2010, bei der Beklagten am 19.10.2010 eingegangen, einen Berichtigungsantrag für das Quartal I/10 im Umfang von 10.142,29 Euro für 265 Behandlungsfälle.
Die Klägerin teilte der Beklagten unter Datum vom 07.04.2011 mit, dass sie einen Teil des Antrags - 24 Behandlungsfälle - nicht anerkenne. Für die restlichen Fälle, in denen sie die Zahnärztinnen und Zahnärzte um Stellungnahme bitten müsse, komme sie auf die diesbezüglichen Beanstandungen unaufgefordert zurück. Mit weiterem Schreiben vom 07.04.2011 bat die Klägerin um Übersendung der zur Prüfung notwendigen Unterlagen (Heil- und Kostenpläne zur prothetischen Versorgung sowie der entsprechenden Parodontalstaten). Dem kam die Beklagte mit Schreiben vom 06.05.2011 nach; für einen Behandlungsfall zog sie den Antrag zurück.
Die Beklagte setzte der Klägerin unter Datum vom 19.04.2011 eine Frist zur Bearbeitung bis zum 03.05.2011.
Die Beklagte bat unter Datum vom 06.05.2011 um eine erneute Überprüfung der Entscheidung der Klägerin vom 07.04.2011 für vier Behandlungsfälle. Mit Bescheid vom 07.11.2011 erkannte die Klägerin die Beanstandung in einem Behandlungsfall an und lehnte für die übrigen drei Behandlungsfälle eine Berichtigung ab.
Die Beklagte behielt dann unter Datum vom 27.05.2011 unter Hinweis auf den Fristablauf in § 17 EKV-Z einen Betrag in Höhe von 6.894,05 Euro ein. Dies entsprach 75% der noch offenen Beanstandungssumme.
Die Klägerin teilte der Beklagten unter Datum vom 30.08.2011 mit, dass sie dem Berichtigungsantrag in Höhe von insgesamt 1.571,38 Euro stattgebe. Ferner bat sie um Überweisung des Differenzbetrages in Höhe der noch strittigen 5.322,67 Euro. Sie entschied die beantragte Beanstandung für jeden Behandlungsfall.
Die Beklagte vertrat in der Folgezeit die Auffassung, dass sie nach § 17 Abs. 1 EKV-Z berechtigt sei, den einbehaltenen Betrag endgültig zu behalten. Demgegenüber war die Klägerin der Auffassung, es handele sich lediglich um einen vorläufigen Einbehalt.
Am 09.03.2012 hat die Klägerin die Klage erhoben. Sie ist weiterhin der Auffassung, § 17 Abs.1 EKV-Z lasse nur einen vorläufigen Einbehalt zu. Dafür spreche die Staffelung und insbesondere auch die Art der Staffelung der einzubehaltenden Beträge. Es wäre zu erwarten gewesen, dass die Vorschrift eine steigende Abstaffelung vorsehe. Die Vorschrift würde der Vertragskasse eine gewisse Planungssicherheit geben und es solle eine möglichst zeitnahe Bearbeitung der Anträge durch sie garantiert werden. Deshalb erfolge zunächst ein Einbehalt von 75 %. Von einer Berichtigung sei auch der Vertragszahnarzt betroffen. Hier einseitig zugunsten der Vertragskasse von einem endgültigen Einbehalt auszugehen, weil ein Antrag nicht rechtzeitig bearbeitet worden sei, wäre wenig sachgerecht. Die Vertragskassen erhielten hierdurch auch die Möglichkeit, durch eine drastische Erhöhung der Berichtigungsanträge für einen Rückstau der durchzuführenden Überprüfungen zu sorgen. Die Beklagte habe auch im Verfahren zum Az: S 12 KA 1220/05 seinerzeit ein Anerkenntnis abgegeben. Faktisch habe sie seinerzeit anerkannt, dass der Einbehalt vorläufig erfolge. Hinsichtlich der 47 Behandlungsfälle sei die Beklagte nicht rechtzeitig ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen. Fraglich sei, ob die Bearbeitungsfrist nicht erst mit Einreichung der Unterlagen zu laufen beginne. Der Bescheid vom 07.11.2011 sei von der Beklagten nicht angefochten worden, die davon betroffenen Behandlungsfälle seien damit rechtskräftig beschieden worden. Die übrigen Behandlungsfälle (49 Behandlungsfälle + 192 Behandlungsfälle) habe sie mit Sammelberichtigungsbescheid vom 30.08.2011 abschließend bearbeitet.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.322,67 EUR nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist weiterhin der Auffassung, dass es sich bei dem Einbehalt nur um einen endgültigen Einbehalt handeln könne. "Einbehalt" bedeute etwas "zu behalten". Andernfalls hätten auch die Bundesmantelvertragsparteien eine Regelung hinsichtlich der Modalitäten der Rückzahlung getroffen und könne die Klägerin auch ihre Berichtigungsanträge sanktionslos hinauszögern. Die Staffelung diene gerade dazu, einen hohen Bearbeitungsdruck auf die Kassenzahnärztliche Vereinigung auszuüben. Sie habe im seinerzeitigen Verfahren lediglich die Forderung anerkannt, nicht aber den Rechtsstandpunkt der Klägerin.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Die Beigeladene zu 1) ist ebenfalls der Auffassung, es könne sich nur um einen Sicherheitseinbehalt in Form der Sicherheitsleistung durch Stundung einer Forderung handeln. Ein endgültiger Einbehalt hätte ausdrücklich geregelt werden müssen. Die Möglichkeit der Ersatzkasse, im Verhältnis zur Kassenzahnärztlichen Vereinigung im Rahmen der Abrechnungsprüfung einseitig Sanktionen auszusprechen, sei systemfremd. Die Ersatzkasse sei erst dann berechtigt, einen (Teil-)Betrag von der Gesamtvergütungsforderung abzusetzen, wenn hierüber eine verbindliche, sprich bestandskräftige Entscheidung herbeigeführt worden sei. Die Vorschrift sei auch mit Einführung des § 106a SGB V obsolet geworden. Nach dessen Abs. 5 seien auf Landesebene Vereinbarungen über die Durchführung der Abrechnungsprüfungen zu treffen. Auf Bundesebene könnten Richtlinien zur Prüfung vereinbart werden.
Der Beigeladene zu 2) teilt die Rechtsauffassung der Beklagten, dass der Einbehalt endgültig sei. Dafür spreche der Wortlaut. Andernfalls hätte in Anlehnung an § 273 BGB von einem Zurückbehaltungsrecht gesprochen werden müssen. Die Krankenkasse müsse einen Berichtigungsantrag innerhalb von 6 Monaten stellen. Insofern handele es sich bei der Frist für den Einbehalt um das Gegenstück. Die Vorschrift sei auch trotz Einführung des § 106a SGB V beibehalten worden.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 28.12.2012 die Beiladung ausgesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin aus den Kreisen der Vertragszahnärzte und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragszahnarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 5.322,67 EUR nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
Die Beklagte war nicht berechtigt, den strittigen Zahlungsbetrag in Höhe von 5.322,67 EUR als Teil der Gesamtvergütung endgültig einzubehalten. § 17 Abs. 1 Satz 5 EKV-Z gibt hierfür keine Rechtsgrundlage ab. Die Klägerin hat mit – inzwischen bestandskräftigem – Bescheid vom 30.08.2011 eine Berichtigung der Behandlungsfälle im Umfang des strittigen Honorarvolumens abgelehnt, so dass die Forderung auch fällig wurde.
§ 17 EKV-Z "Abrechnung der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen" bestimmt in Abs. 1 Folgendes:
"Die KZV überprüft die Abrechnungen der Vertragszahnärzte rechnerisch und gebührenordnungsmäßig und stellt sie richtig. Danach übersendet die KZV die Abrechnungen an die Ersatzkassen. Teilrechnungen und Vorbehaltsvermerke sind unzulässig. Berichtigungen von Fehlern bei der Anwendung des BEMA, von Rechenfehlern und sonstigen offenbaren Unrichtigkeiten sind binnen sechs Monaten nach Eingang der Rechnung bei der Ersatzkasse von dieser bei der KZV geltend zu machen. Berichtigungsanträge, die nicht innerhalb von sechs Monaten bearbeitet worden sind, berechtigen die Ersatzkasse zur Einbehaltung von 75 v. H. der mit den Berichtigungsanträgen geltend gemachten Forderungen. Berichtigungsanträge, die nicht innerhalb von weiteren zwölf Monaten bearbeitet worden sind, berechtigen die Ersatzkassen zur Einbehaltung von weiteren 25 v. H."
Die Beteiligten haben hinreichend die Argumente vorgetragen, die für einen nur vorläufigen, so die Klägerin und die Beigeladene zu 2), oder endgültigen, so die Beklagte und die Beigeladene zu 1), Einbehalt sprechen. Dem ist wenig hinzuzufügen. Dies bringt aber auch zum Ausdruck, dass eine eindeutige Regelung von den Bundesmantelvertragsparteien nicht getroffen wurde. Dies hält die Kammer aber für erforderlich, wenn der Einbehalt zum endgültigen Forderungsverlust nach Ablauf einer Frist führen soll. Die Kammer vermag nicht zu erkennen, dass der Forderungsverlust dem übereinstimmenden Vertragswillen der Bundesmantelvertragsparteien entspricht. Auch besteht offensichtlich keine entsprechende Vertragspraxis. Wenn eine Vertragspraxis bestehen sollte, dann bisher in der weise, dass ein Einbehalt nur vorläufig erfolgen kann. Eine abweichende Regelungen, was der Bundesmantelvertrag in § 17 Abs. 6 EKV-Z zulässt, haben die Gesamtvertragsparteien nicht getroffen.
Von daher brauchte die Kammer auch nicht der Frage nachzugehen, ob die Bundesmantelvertragsparteien überhaupt berechtigt wären, einen endgültigen Forderungsverlust zu vereinbaren. Bei der strittigen Forderung handelt es sich um einen Teil der Gesamtvergütung. Die Gesamtvergütung wird aber von den Gesamtvertragsparteien auf Landesebene geschlossen, also von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen und den Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen, und nicht von den hier beigeladenen Bundesmantelvertragsparteien. Die Bundesmantelvertragsparteien können nur den Bundesmantelvertrag mit dem "allgemeinen Inhalt der Gesamtverträge", zu dem aber Vergütungsfragen gerade nicht gehören, nicht schließen. Ein endgültiger Einbehallt führt aber zwangsläufig zur Kürzung der Gesamtvergütung, wofür es an einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage für die Bundesmantelvertragsparteien fehlen dürfte. Von daher bestehen erhebliche Zweifel, ob die Bundesmantelvertragsparteien nach vergangener und aktueller Rechtslage überhaupt befugt sind, einen Forderungsuntergang zu vereinbaren. Dies spricht im Übrigen auch dafür, dass sie eine solche Regelung bisher nicht getroffen haben und auch nicht treffen wollten.
Die Klägerin hat Anspruch auf Prozesszinsen gegen eine Krankenkasse nach Eintritt der Rechtshängigkeit einer Klage auf Zahlung fälliger Gesamtvergütungen. Die Zinshöhe folgt aus §§ 291 i. V. m. 288 Abs. 2 BGB (vgl. BSG, Urt. v. 28.09.2005 - B 6 KA 71/04 R - SozR 4-2500 § 83 Nr. 2 = BSGE 95, 141 = GesR 2006, 168 = MedR 2006, 226 = NZS 2006, 385 = Breith 2006, 542 = USK 2005-127, juris Rdnr. 38 ff.).
Nach allem war der Klage in vollem Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
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