S 12 AL 219/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 12 AL 219/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld für die Monate Dezember 2003 bis Februar 2004 für die drei Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin.

Aufgrund Anzeige der Klägerin über Arbeitsausfall vom 16.12.2003 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 29.01.2004 fest, dass die in §§ 170 und 171 SGB III genannten Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld (KUG) erfüllt seien. KUG werde deshalb den von dem Entgeltausfall betroffenen Arbeitnehmern des Betriebes ab 01.12.2003 für die Zeit des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen, längstens jedoch bis 31.03.2004 bewilligt.

Die Klägerin wurde durch notariellen Vertrag vom 03.04.2001 gegründet. Das Stammkapital beträgt 25.500,00 EUR. Davon hielten ursprünglich je 8.500,00 EUR Manfred Prehn, Elisabeth Katharina Püttmann und Heinz Herbert Böker. Nach § 10 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages wurden Gesellschafterbeschlüsse mit einer Mehrheit von 51 % der anwesenden Stimmen getroffen, so weit das Gesetz nicht zwingend oder der Gesellschaf-tervertrag eine andere Mehrheit vorsah. Je 50,00 EUR eines Geschäftsanteils gewährten eine Stimme. Nach § 10 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrages ist die Gesellschafterversammlung beschlussfähig, wenn 75 % aller Stimmen anwesend oder vertreten sind. Durch notariellen Vertrag vom 16.08.2001 übertrug Elisabeth Püttmann ihren Gesellschaftsanteil an der Klägerin mit allen Rechten und Pflichten an Ferdinand Püttmann. Durch notariell beurkundete Gesellschafterversammlung vom 17.08.2001 wurde Ferdinand Püttmann zum weiteren Geschäftsführer bestellt. § 10 Abs. 3 des Gesell-schaftsvertrages wurde durch folgenden Passus ergänzt: "Dem Anteil des Gesellschafters Ferdinand Heinrich Püttmann wird eine Stimmberechtigung in Höhe von 50 % zugeteilt. Das übrige Stimmrecht verteilt sich auf die übrigen Gesellschafter nach ihren Anteilen."

Durch notariell protokollierte Gesellschafterversammlung vom 13.03.2003 wurde § 10 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages erneut geändert und neu gefasst: "Soweit das Gesetz nicht zwingend oder dieser Gesellschaftervertrag eine andere Mehrheit vorsieht, werden Gesellschafterbeschlüsse mit einer Mehrheit von 51 % der anwesenden Stimmen getroffen."

Die Klägerin schloss mit Manfred Prehn einen zum 06.04.2001 beginnenden Anstellungsvertrag, in dem dessen Rechte und Pflichten als Geschäftsführer der Gesellschaft bestimmt werden. In der Anlage zu diesem Anstellungsvertrag heißt es unter der Überschrift - Arbeitszeit und Vergütung -: "Abs. 1: Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt mindestens 40 Stunden. Sie kann im Einvernehmen mit der Gesellschaft entsprechend den Bedürfnissen der Gesellschaft abgeändert werden. Abs. 2: Als Vergütung für seine Tätigkeit erhält der Geschäftsführer in den ersten sechs Monaten seiner Tätigkeit ein festes Monatsgehalt von DM 4.800,00 brutto um die Gesellschaft in ihrer Aufbauphase entsprechend zu entlasten. Ab dem siebten Monat erhält der Geschäftsführer ein festes Monatsgehalt von DM 10.000,00 brutto. Abs. 3: Die Höhe des festen Monatsgehalts wird bei Bedarf unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft, der persönlichen Leistung des Geschäftsführers und der Steigerung der Lebenshaltungskosten überprüft." Einen inhaltsgleichen Anstellungsvertrag mit Wirkung vom 06.04.2001 schloss die Klägerin mit Heinz Böker. Auch dieser Anstellungsvertrag enthält eine Anlage zu Arbeitszeit und Vergütung, die wortgleich mit der entsprechenden Vereinbarung zwischen der Klägerin und Manfred Prehn ist. Einen entsprechenden Anstellungsvertrag mit Wirkung zum 01.09.2001 schloss die Klägerin mit Ferdinand Püttmann. Auch dieser Anstellungsvertrag enthält eine Anlage zur Arbeitszeit und Vergütung, die wortgleich mit der entsprechenden Regelung in den Anstellungsverträgen der beiden anderen Gesellschafter-Geschäftsführer ist.

Alle drei Gesellschafter-Geschäftsführer gaben in Feststellungsbögen zur versicherungs-rechtlichen Beurteilung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH u.a. an, eine Bürgschaft in Höhe von 50.000,00 EUR gegenüber der GmbH übernommen zu haben.

Mit Bescheid vom 30.03.2004 bewilligte die Beklagte der Klägerin KUG in Höhe von 2.423,66 EUR. Mit weiterem Bescheid vom 30.03.2004 und Widerspruchsbescheid vom 18.11.2004 lehnte die Beklagte die Bewilligung von KUG für die Gesellschafter-Geschäftsführer Püttman, Prehn und Böker im wesentlichen mit der Begründung ab, dass es sich bei diesen nicht um versicherungspflichtige Beschäftigte handele, KUG aber nur für Arbeitnehmer bewilligt werde.

Die Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin seien zu je 1/3 am Stammkapital beteiligt. Eine Sperrminorität, mit der sie ihnen nicht genehme Beschlüsse verhindern könnten, hätten sie nicht. Gleichwohl sei davon auszugehen, dass ihr tatsächlicher Einfluss auf die Gesellschaft wesentlich größer sei, als dies aus der Kapitalbeteiligung folge. Dies ergebe sich aus den der GmbH gegenüber übernommenen Bürgschaften. Diese erhöhten zwar nicht die Stimmrechte bei Versammlungen, ergäben jedoch wirtschaftlich einen Einfluss, der nicht unberücksichtigt bleiben könne. Schließlich drücke sich darin auch ein erhebliches Unternehmerrisiko aus, das für einen Arbeitnehmer untypisch sei und daher dem üblichen Arbeitgeber-/Arbeitnehmergegensatz widerspreche. Schließlich könnten alle drei selbständig Person einstellen und entlassen, was für einen Arbeitnehmer untypisch sei.

Zur Begründung ihrer am 20.12.2004 erhobenen Klage meint die Klägerin, auch ihre Gesellschafter-Geschäftsführer seien Arbeitnehmer. Alle drei Gesellschafter-Geschäftsführer seien mit einem Prozentsatz von unter 50 an der Gesellschaft beteiligt. Eine Sperrminorität sei im Gesellschaftsvertrag nicht vorgesehen. Entscheidend sei jedoch, dass alle drei Gesellschafter-Geschäftsführer hinsichtlich der Gestaltung und Ausführung ihrer Tätigkeit gegenüber der Gesellschaft sehr wohl weisungsgebunden seien. Alle drei hätten klar eingegrenzte und voneinander abgegrenzte Aufgabenbereiche innerhalb der Gesellschaft auszuüben. Über die jeweilige Ausführung der Tätigkeit sei der einzelne Gesellschafter-Geschäftsführer der Gesellschafterversammlung auskunftspflichtig und weisungsgebunden. Nicht entscheidungserheblich könne sein, dass alle drei Gesellschafter-Geschäftsführer der Gesellschaft Darlehen zur Verfügung gestellt haben. Daraus lasse sich nicht ableiten, der betreffende Arbeitnehmer übernehme arbeitnehmerfremde Unternehmerrisiken.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 30.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2004 zu verurteilen, ihr für die Monate Dezember 2003 bis Februar 2004 Kurzarbeitergeld auch für die Geschäftsführer Böker, Prehn und Püttmann zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Bescheide aus den im Widerspruchsbescheid genannten Gründen für rechtmäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Prozessakten und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten. Diese Akten haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Zurecht hat die Beklagte die Bewilligung von Kurzarbeitergeld für die drei Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin wegen fehlender Arbeitnehmereigenschaft abgelehnt.

Nach § 169 SGB III haben unter dort näher beschriebenen Voraussetzungen Arbeitnehmer Anspruch auf KUG. Nach den vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelten Grundsätzen ist als Arbeitnehmer beitrags- und -versicherungspflichtig, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dies bedeutet Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers und Unterordnung unter dessen Weisungsrecht, insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsaus-führung. Hingegen wird die selbständige Tätigkeit durch das Unternehmerrisiko, das Recht sowie die Möglichkeit gekennzeichnet, über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit zu verfügen. In Zweifelsfällen kommt es darauf an, welche Merkmale über-wiegen. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Die vertragliche Ausgestaltung tritt hinter die von ihr ggf. abweichenden tatsächlichen Verhältnisse zurück (BSG, "Die Beträge", 1992 S. 310 ff.; SozR 3/4100 § 104 AFG Nr. 8).

Arbeitnehmer ist nicht, wer an einer Gesellschaft derart beteiligt ist, dass er einen so maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft hat, dass er Beschlüsse der Gesellschaft verhindern kann. Dies ist bei Gesellschaftern mit mindestens hälftigen Kapitalanteil oder mit Sperrminorität der Fall. Aber auch, wenn allein die Kapitalbeteiligung nicht ausreicht, um maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft zu nehmen, kann eine Arbeitnehmereigenschaft fehlen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn über die vertraglichen Verhältnisse hinaus die Tätigkeit durch Tragen eines besonderen Unternehmerrisikos gekennzeichnet ist, dass vom typischen Interessengegensatz, der das Arbeitnehmer/Arbeitgeberverhältnis auszeichnet, abweicht.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin nicht als Arbeitnehmer beschäftigt. Es fehlt an dem für einen Arbeitnehmer-/Arbeitgeberverhältnis typischen Interessengegensatz.

Zurecht weist die Beklagte auf die nach Selbstauskunft der Gesellschafter-Geschäftsführer jeweils gegebenen Bürgschaften über 50.000,00 EUR hin. Dadurch haben die Gesellschafter-Geschäftsführer ein erhebliches Unternehmerrisiko für die Klägerin getragen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie aus der Bürgschaft in Anspruch genommen worden sind. Entscheidend ist allein das Haftungsrisiko, das jeder von ihnen durch die Bürgschaft eingegangen ist. Jeder Einzelne hat sich dabei mit einer Summe verbürgt, die in etwa das doppelte des Stammkapitals der Gesellschaft ausmacht und sich damit einem Risiko unterworfen, das fast einem Jahresbruttogehalt aus der Geschäftsführertätigkeit entspricht. Kein abhängig Beschäftigter würde sich für seinen Arbeitgeber derartig ver-pflichten. Auch die Klägerin hat in Auseinandersetzung mit diesen bereits von der Beklagten als entscheidend in den Vordergrund gestellten Argument nicht behauptet, dass ihre anderen Beschäftigten sich in ähnlicher Weise verpflichtet hätten. Untypisch und die Belange der Klägerin gegenüber Arbeitnehmerbelangen in den Vordergrund stellend ist auch die von allen drei Gesellschafter-Geschäftsführern in den Anstellungsverträgen akzeptierte Regelung über die Vergütung. Alle drei haben in den ersten sechs Monaten ein um über die Hälfte reduziertes Bruttogehalt akzeptiert, um die Gesellschaft in ihrer Aufbauphase entsprechend zu entlasten. Außerdem enthält die Regelung über Arbeitszeit und Vergütung auch eine Öffnungsklausel in Abs. 3, in dem die Höhe des festen Monatsgehalts bei Bedarf u.a. unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft überprüft werden kann. Diese Regelung betrifft nach ihrem objektiven Erklärungswert nicht ausschließlich eine Steigerung des Monatsgehaltes, sondern lässt auch eine Minderung des Monatsgehaltes entsprechend der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft zu und ist damit grundsätzlich eine Regelung, nach der die Gesellschafter-Geschäftsführer Gehaltseinbußen auch in Zeiten, die für Arbeitnehmer grundsätzlich einen Anspruch auf KUG begründen können, zulässt. Entsprechende Regelungen in typischen Arbeitsverträgen, die eine Gehaltsanpassung abhängig vom wirtschaftlichen Ergebnis des Arbeitgebers unter ein garantiertes Fixum zulassen, gehören nicht zum Arbeitnehmeralltag.

Auf eine hervorgehobene Stellung der Gesellschafter-Geschäftsführer gerade als Unternehmer deutet auch der Name der Klägerin hin. Auffällig ist, dass die Buchstabengruppe am Beginn des Namens der Klägerin, HMF den ersten Buchstaben der Vornamen der drei Gesellschafter-Geschäftsführer entspricht, Heinz (Böker), Manfred (Prehn) und Ferdinand (Püttmann).

Schließlich – wenn auch nicht entscheidungserheblich – ist für das Gericht nicht unmittelbar nachvollziehbar, wie die Gesellschafter-Geschäftsführer in der angespannten Situa-tion, in der sie alles tun müssen, um aus dieser Situation wieder herauszukommen, tatsächlich Arbeitsausfall erlitten haben sollen. Typischerweise ist eher ein verstärktes Engagement der Geschäftsführer zu erwarten, um die Krisensituation zu beenden. So hat die Klägerin auch in ihrer Verlängerungsanzeige vom 27.04.2004 für die Monate April und Mai 2004 angegeben, dass die Vertriebsbemühungen gesteigert würden, um den Arbeitsausfall entgegenzuwirken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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