Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 24 U 519/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 381/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 13.07.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zurückgewiesen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger im Wege der Neufeststellung gem. § 44 10.Sozialgesetzbuch - SGB X - wegen eines Hirnschadens mit Persönlichkeitsveränderung als weitere Folge seines Arbeitsunfalls vom 09.05.1983 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - um 100 vH zu gewähren.
Der am ...1930 geborene Kläger war zum Unfallzeitpunkt als selbständiger Metzgermeister bei der Beklagten versichert. Beim Heben einer Fleischwanne rutschte er am 09.05.1983 aus und stürzte, wobei ihn der mit tiefgefrorenem Fleisch gefüllte Behälter am linken Knie traf. Nach dem Durchgangsarztbericht von Dr.H ..., Krankenhaus S ..., zog sich der Kläger dabei eine Kontusion des linken Kniegelenks zu. Die stationäre Behandlung im vorgenannten Krankenhaus dauerte bis 20.05.1983. Ab dem 12.07.1983 wurde der Kläger wieder für arbeitsfähig gehalten. Auf eigene Veranlassung begab sich der Kläger wegen anhaltender Kniegelenksbeschwerden in die Berufsgenossenschaftliche Unfall Klinik Murnau. Dort wurde am 26.07.1983 der linke Außenmeniskus arthroskopiert. In der Folge entwickelte sich ein thrombotisches Geschehen, das entsprechend behandelt wurde. Die stationäre Behandlung dauerte bis 05.10.1983; es folgte eine krankengymnastische ambulante Behandlung. Am 06.12.1983 bescheinigte die Klinik Arbeitsunfähigkeit ab 12.12.1983. Auf Grund einer Computertommografie vom 21.12.1983 ergab sich der Verdacht auf einen älteren kleineren Stammganglieninfarkt. Anläßlich einer Untersuchung beim ärztlichen Dienst der Landesversicherungsanstalt Oberbayern in München-Neuperlach am 25.01.1984 erlitt der Kläger einen kollapsartigen Zustand mit Bewußtseinstrübung. Er wurde im Städtischen Krankenhaus Neuperlach bis 22.02.1984 behandelt; es wurden cerebrovaskuläre Synkopen bei Verdacht auf eine Encephalopathie mit hirnorganischem Psychosyndrom angenommen.
Die Beklagte sah zunächst einen Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Außenmeniskusschaden nicht für gegebenen und lehnte deshalb Verletztenrente ab. Im anschließenden Klageverfahren schlossen die Beteiligten am 28.01.1986 einen Vergleich. Darin erklärte sich die Beklagte bereit dem Kläger Verletztenrente zeitlich gestaffelt zunächst um 40 vH, 30 vH bzw. 20 vH bis einschließlich 31.12.1984 zu gewähren. Im Übrigen sicherte sie zu, die Frage zu überprüfen, ob die Hirnschädigung, welche der Kläger 1983 erlitten habe, auf das thrombotische Geschehen nach der Meniskusoperation zurückzuführen sei.
Mit Bescheid vom 25.11.1987 stellte die Beklagte fest, der Gehirnschaden sei keine mittelbare Folge des Unfalls. Über den 31.12.1984 hinaus bestehe keine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß. Sie stützte sich dabei auf Gutachten von Prof.Dr.R ..., medizinische Klinik der Universität München, Prof.Dr.B ..., Direktor der Neurologischen Klinik der Universität München und von Prof.Dr.H ..., Direktor der chirurgischen Klink der Universität München. Auf die dagegen erhobene Klage (Aktenzeichen S 22 U 785/85) holte das Sozialgericht am 25.06.1990 ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Prof.Dr.B ... und ein weiteres Gutachten auf Antrag des Klägers (§ 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) von Dr.E ..., Max-Planck-Institut für Psychiatrie, vom 13.05.1991 ein. Beide Sachverständigen kamen zum Ergebnis, beim Kläger habe sich eine progrediente Demenz und eine linksseitige sensomotorische Hemiparese wahrscheinlich auf dem Boden einer cerebralen Minderdurchblutung aufgrund einer Gefäßerkrankung entwickelt. Dafür spreche der erhöhte Serumcholesterinspiegel und der Bluthochdruck. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall mit der nachfolgenden Thrombose und dem Hirnschaden lasse sich nicht begründen. Auf diese Sachverständigengutachten und das Ergebnis der Beweisaufnahme mit Einvernahme der den Kläger in Murnau behandelnden Ärzte und damaliger Mitpatienten gestützt wies das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 30.08.1991 ab. Die dagegen eingelegte Berufung nahm der Kläger zurück.
Am 23.02.1996 stellte der Kläger einen Antrag auf Neufeststellung von Leistungen nach § 44 SGB X. Zur Begründung legte er ein Privatgutachten von Prof.Dr.St ..., Ordinarius für Anästhesie an der Universität Göttingen, vom 03.07.1995 vor. In dem als synoptisch bezeichneten Gutachten legte dieser dar, in der Folge des Unfalls sei es zu einer Embolie gekommen, welche mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu multiplen embolischen Schüben und zum inneren Schaden geführt habe. Denn seiner Meinung nach könnten, anders als von den Vorgutachtern gesehen, "korpuskuläre Anteile" die Lungenkapillaren passieren und auf die andere Seite des großen Kreislaufs geraten und damit auch ins Gehirn. Zum Beweis führte er seine eigene klinische Erfahrung mit anderen Patienten und Tierexperimente aus dem Jahr 1956 an. Die in der Folge aufgetretene Wesensveränderung sei ebenfalls dem Arbeitsunfall zuzuschreiben. Die Beklagte ist dieser Auffassung unter Bezug auf ein Gutachten nach Aktenlage von Prof.Dr.Ste ..., medizinische Klinik der Universität München, vom 30.11.1996 entgegengetreten. Es bestehe zwar die Möglichkeit, dass multiple embolische Schübe zu einem Hirnschaden führen können. Auf dem Boden einer tiefen Beinvenen- thrombose sei dies jedoch nur unter ganz bestimmten Konstellationen möglich. Solche seien beim Kläger im fachinternistisch- wissenschaftlichen Gutachten von 1987 von Prof.Dr.R ... ausgeschlossen worden. Auch auf Grund des neurologischen Gutachtens vom 26.05.1987 lasse sich die Aussage treffen, dass sich das klinische Bild des Klägers deutlich von dem klinischen Bild eines embolischen Infarktgeschehens unterscheide. Der Auffassung von Prof.Dr.St ... müsse entschieden widersprochen werden. Mit Bescheid vom 17.02.1997 lehnte die Beklagte die Rücknahme des früheren Bescheides vom 25.11.1987 und eine Neufeststellung nach § 44 SGB X ab. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 23.06.1997).
Dagegen hat der Kläger beim Sozialgericht München Klage erhoben. Dieses hat ein internistisches Gutachten von Prof.Dr.Schr ..., medizinische Klinik der Universität München, eingeholt. Unter dem 25.11.1999 hat der Sachverständige dargelegt, ein Zusammenhang zwischen den Folgen des Unfalls vom 09.05.1983 und der Hirnschädigung könne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Die Ausführungen von Prof.Dr.St ... entbehrten einer wissenschaftlich fundierten Grundlage. Auf Antrag des Klägers hat das Gericht gem. § 109 SGG ein weiteres Gutachten von Prof.Dr.St ... eingeholt. Dieser hat am 11.05.2000 seine früher vertretene Auffassung wiederholt. Die unfallbedingte MdE hat er mit 100 % eingeschätzt. Die Beklagte ist dieser Auffassung entgegengetreten und hat sich auf die zahlreichen Vorgutachten, die zu einem gegenteiligen Ergebnis gekommen seien, berufen. Mit Urteil vom 13.07.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Im wesentlichen ist es dem Gutachten von Prof.Dr.Schr ... und Prof.Dr.Ste ... gefolgt. Die Auffassung von Prof.Dr.St ... hat es demgegenüber nicht für überzeugend gehalten.
Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und nochmals auf das anders lautende Gutachten von Prof.Dr.St ... hingewiesen. Der bei ihm bestehende Hirnschaden mit Persönlichkeitsveränderung sei Folge des Arbeitsunfalls vom 09.05.1983; die dadurch bedingte MdE betrage 100 Prozent. Das Erstgericht hätte sich den Ausführungen von Prof.Dr.St ... anschließen müssen. Das Gutachten von Prof.Dr.Schr ... rekurriere auf gutachterliche Stellungnahmen im Verwaltungsverfahren. Es sei daher ein reines Parteigutachten, welches im Sozialgerichtsprozeß trotz des Amtsermittlungsgrundsatzes unverwertbar sei, wenn der Kläger der Einführung in das Verfahren nicht zustimme. Angesichts der sich widersprechenden Gutachten hätte sich das Sozialgericht zumindest gedrängt fühlen müssen, ein weiteres Gutachten in Auftrag zu geben. Sein Antragsrecht nach § 109 SGG könne angesichts der sich widersprechenden Gutachten und angesichts der Verpflichtung des Erstgerichts, weitere ergänzende Stellungnahmen zu erholen, als noch nicht verbraucht betrachtet werden. Nach Hinweis des Senats auf die hierzu ergangene Rechtsprechung hat der Kläger diesen Antrag nicht mehr wiederholt. Die Beklagte hat demgegenüber auf die zahlreichen anders lautenden Gutachten verwiesen.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 13.07.2000 und des Bescheids vom 07.02.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 23.06.1997 zu verurteilen, den Bescheid vom 25.11.1987 zurückzunehmen, einen Hirnschaden mit Persönlichkeitsveränderung als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 09.05.1983 anzuerkennen und ihm Verletztenrente nach einer MdE von 100 vH zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 13.07.2000 zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gem. § 136 Abs. 2 SGG auf die 7 Aktenbände der Beklagten (Aktenzeichen 73/83 22287) sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und der früheren Verfahren Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.
Mit zutreffenden Argumenten hat das Sozialgericht dargelegt, dass ein Anspruch des Klägers auf Neufeststellung der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 09.05.1983 nicht zu begründen ist. Die Voraussetzungen nach § 44 SGB X liegen nicht vor. Nach Abs.1 S.1 dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlaß das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist. Eine solche Unrichtigkeit liegt nicht vor. Der Bescheid vom 25.11.1987 entspricht der Sach- und Rechtslage. Denn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem in der zweiten Hälfte des Jahres 1983 aufgetretenen und später fortschreitenden Hirnschaden und dem Unfall läßt sich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit begründen. Auch der Senat stützt sich - wie das Sozialgericht - insoweit auf das überzeugende Gutachten von Prof.Dr.Schr ... vom 25.11.1999 sowie auf das von der Beklagten im Verwaltungsverfahren erholte Gutachten von Prof.Dr.Ste ... vom 30.11.1996, welches im Urkundenbeweis zu verwerten ist. Demgegenüber vermag er dem Gutachten von Prof.Dr.St ... nicht zu folgen. Dieser gründet seine Meinung, multiple embolische Schübe hätten infolge der tiefen Beinvenenthrombose über den Lungenkappilarstrom zu dem sensomotorischen Hirnschlag geführt, auf persönliche Erfahrungen in zwei Einzelfällen und auf einen tierexperimentellen Nachweis aus dem 1956. Dabei handelt es sich um eine abweichende Einzelmeinung, welche nicht wissenschaftlich fundiert ist. Dies entnimmt der Senat den überzeugenden Ausführungen von Prof.Dr.Ste ..., denen sich Prof.Dr.Schr ... angeschlossen hat. Beide Sachverständige weisen daraufhin, dass auch nach dem jetzigen Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft für die Annahme einer Hirnembolie vier Bedingungen erfüllt sein müssen, nämlich ein Thrombus im venösen System, eine Embolie (Pfropfbildung), eine abnorme Verbindung zwischen kleinem und großen Kreislauf und eine einen Rechts-Links-Shunt begünstigende Drucksteigerung. Diese Bedingungen liegen und lagen beim Kläger nicht vor. Dies belegen die umfangreichen Untersuchungen des Klägers in der medizinischen Klinik der Universität München am 09.01.1987. Die dort angewandten Techniken entsprechen nach den Ausführungen von Prof.Dr.Ste ... auch dem heutigen Standard. Danach war kein Kontrastmittelübertritt im Sinne eines Rechts-Links-Shunts nachweisbar. Der Nachweis, es hätten multiple embolische Schübe infolge der tiefen Beinvenenthrombose über die Lungenkapillarstrombahn zu sensomotorischen Hirninfarkten geführt, läßt sich nicht erbringen. Damit bleibt die Annahme von Prof.Dr.St ... im Bereich der Spekulation. Dies wird in seinen Ausführungen dadurch sichtbar, dass er keinerlei Befunde anzugeben vermag, welche typisch wären für einen solchen embolischen Schub speziell beim Kläger. Er führt lediglich an, in seiner klinischen Arbeit hätten sich zwei derartige Fälle zugetragen. Damit ist jedoch die konkrete Beweiskette nicht zu schließen. Dies gilt um so mehr als sich die Vorgänge, die sich beim Kläger ab der zweiten Hälfte des Jahres 1983 zugetragen haben, aus neurologischer Sicht zwanglos dem Bild eines hirnorganisch bedingten Persönlichkeitsabbaus zuordnen lassen. Dies folgt daraus, dass zu keinem Zeitpunkt auf ein herdneurologisches Defizit hindeutende Befunde erhoben werden konnten, was sich in den bildgebenden Verfahren, nämlich den CT s aus 1983 und 1987 bestätigt. Die anläßlich der Untersuchung des Klägers bei Prof.Dr.B ... am 25.05.1987 festgestellte Hemiparese links mit Einbeziehen der Gesichtsmuskulatur links würde auf einen möglichen Herd rechts hinweisen, während die Störung der Augenbewegung auf eine Hirnstammstörung deuten würde. Mit diesen Befunden läßt sich viel eher die Diagnose eines - wie die Folgezeit verdeutlicht - progredienten Psychosyndroms als Folge von Durchblutungsstörungen im Gehirn vereinbaren. Insoweit bezieht sich der Senat auf die Ausführungen von Prof.Dr.B ... im Gutachten von 1987, welches nach der Aussage von Prof.Dr.Ste ... nach wie vor Gültigkeit hat. Danach hält es der Senat nicht für erforderlich, ein weiteres Gutachten einzuholen, zumal sich in der Zwischenzeit keine anderen tatsächlichen Entwicklungen im gesundheitlichen oder medizinisch wissenschaftlichen Bereich ergeben haben und solche auch vom Kläger nicht behauptet werden. Der Senat kommt daher zur Auffassung, dass die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 13.07.2000 zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zu erkennen sind.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zurückgewiesen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger im Wege der Neufeststellung gem. § 44 10.Sozialgesetzbuch - SGB X - wegen eines Hirnschadens mit Persönlichkeitsveränderung als weitere Folge seines Arbeitsunfalls vom 09.05.1983 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - um 100 vH zu gewähren.
Der am ...1930 geborene Kläger war zum Unfallzeitpunkt als selbständiger Metzgermeister bei der Beklagten versichert. Beim Heben einer Fleischwanne rutschte er am 09.05.1983 aus und stürzte, wobei ihn der mit tiefgefrorenem Fleisch gefüllte Behälter am linken Knie traf. Nach dem Durchgangsarztbericht von Dr.H ..., Krankenhaus S ..., zog sich der Kläger dabei eine Kontusion des linken Kniegelenks zu. Die stationäre Behandlung im vorgenannten Krankenhaus dauerte bis 20.05.1983. Ab dem 12.07.1983 wurde der Kläger wieder für arbeitsfähig gehalten. Auf eigene Veranlassung begab sich der Kläger wegen anhaltender Kniegelenksbeschwerden in die Berufsgenossenschaftliche Unfall Klinik Murnau. Dort wurde am 26.07.1983 der linke Außenmeniskus arthroskopiert. In der Folge entwickelte sich ein thrombotisches Geschehen, das entsprechend behandelt wurde. Die stationäre Behandlung dauerte bis 05.10.1983; es folgte eine krankengymnastische ambulante Behandlung. Am 06.12.1983 bescheinigte die Klinik Arbeitsunfähigkeit ab 12.12.1983. Auf Grund einer Computertommografie vom 21.12.1983 ergab sich der Verdacht auf einen älteren kleineren Stammganglieninfarkt. Anläßlich einer Untersuchung beim ärztlichen Dienst der Landesversicherungsanstalt Oberbayern in München-Neuperlach am 25.01.1984 erlitt der Kläger einen kollapsartigen Zustand mit Bewußtseinstrübung. Er wurde im Städtischen Krankenhaus Neuperlach bis 22.02.1984 behandelt; es wurden cerebrovaskuläre Synkopen bei Verdacht auf eine Encephalopathie mit hirnorganischem Psychosyndrom angenommen.
Die Beklagte sah zunächst einen Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Außenmeniskusschaden nicht für gegebenen und lehnte deshalb Verletztenrente ab. Im anschließenden Klageverfahren schlossen die Beteiligten am 28.01.1986 einen Vergleich. Darin erklärte sich die Beklagte bereit dem Kläger Verletztenrente zeitlich gestaffelt zunächst um 40 vH, 30 vH bzw. 20 vH bis einschließlich 31.12.1984 zu gewähren. Im Übrigen sicherte sie zu, die Frage zu überprüfen, ob die Hirnschädigung, welche der Kläger 1983 erlitten habe, auf das thrombotische Geschehen nach der Meniskusoperation zurückzuführen sei.
Mit Bescheid vom 25.11.1987 stellte die Beklagte fest, der Gehirnschaden sei keine mittelbare Folge des Unfalls. Über den 31.12.1984 hinaus bestehe keine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß. Sie stützte sich dabei auf Gutachten von Prof.Dr.R ..., medizinische Klinik der Universität München, Prof.Dr.B ..., Direktor der Neurologischen Klinik der Universität München und von Prof.Dr.H ..., Direktor der chirurgischen Klink der Universität München. Auf die dagegen erhobene Klage (Aktenzeichen S 22 U 785/85) holte das Sozialgericht am 25.06.1990 ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Prof.Dr.B ... und ein weiteres Gutachten auf Antrag des Klägers (§ 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) von Dr.E ..., Max-Planck-Institut für Psychiatrie, vom 13.05.1991 ein. Beide Sachverständigen kamen zum Ergebnis, beim Kläger habe sich eine progrediente Demenz und eine linksseitige sensomotorische Hemiparese wahrscheinlich auf dem Boden einer cerebralen Minderdurchblutung aufgrund einer Gefäßerkrankung entwickelt. Dafür spreche der erhöhte Serumcholesterinspiegel und der Bluthochdruck. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall mit der nachfolgenden Thrombose und dem Hirnschaden lasse sich nicht begründen. Auf diese Sachverständigengutachten und das Ergebnis der Beweisaufnahme mit Einvernahme der den Kläger in Murnau behandelnden Ärzte und damaliger Mitpatienten gestützt wies das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 30.08.1991 ab. Die dagegen eingelegte Berufung nahm der Kläger zurück.
Am 23.02.1996 stellte der Kläger einen Antrag auf Neufeststellung von Leistungen nach § 44 SGB X. Zur Begründung legte er ein Privatgutachten von Prof.Dr.St ..., Ordinarius für Anästhesie an der Universität Göttingen, vom 03.07.1995 vor. In dem als synoptisch bezeichneten Gutachten legte dieser dar, in der Folge des Unfalls sei es zu einer Embolie gekommen, welche mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu multiplen embolischen Schüben und zum inneren Schaden geführt habe. Denn seiner Meinung nach könnten, anders als von den Vorgutachtern gesehen, "korpuskuläre Anteile" die Lungenkapillaren passieren und auf die andere Seite des großen Kreislaufs geraten und damit auch ins Gehirn. Zum Beweis führte er seine eigene klinische Erfahrung mit anderen Patienten und Tierexperimente aus dem Jahr 1956 an. Die in der Folge aufgetretene Wesensveränderung sei ebenfalls dem Arbeitsunfall zuzuschreiben. Die Beklagte ist dieser Auffassung unter Bezug auf ein Gutachten nach Aktenlage von Prof.Dr.Ste ..., medizinische Klinik der Universität München, vom 30.11.1996 entgegengetreten. Es bestehe zwar die Möglichkeit, dass multiple embolische Schübe zu einem Hirnschaden führen können. Auf dem Boden einer tiefen Beinvenen- thrombose sei dies jedoch nur unter ganz bestimmten Konstellationen möglich. Solche seien beim Kläger im fachinternistisch- wissenschaftlichen Gutachten von 1987 von Prof.Dr.R ... ausgeschlossen worden. Auch auf Grund des neurologischen Gutachtens vom 26.05.1987 lasse sich die Aussage treffen, dass sich das klinische Bild des Klägers deutlich von dem klinischen Bild eines embolischen Infarktgeschehens unterscheide. Der Auffassung von Prof.Dr.St ... müsse entschieden widersprochen werden. Mit Bescheid vom 17.02.1997 lehnte die Beklagte die Rücknahme des früheren Bescheides vom 25.11.1987 und eine Neufeststellung nach § 44 SGB X ab. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 23.06.1997).
Dagegen hat der Kläger beim Sozialgericht München Klage erhoben. Dieses hat ein internistisches Gutachten von Prof.Dr.Schr ..., medizinische Klinik der Universität München, eingeholt. Unter dem 25.11.1999 hat der Sachverständige dargelegt, ein Zusammenhang zwischen den Folgen des Unfalls vom 09.05.1983 und der Hirnschädigung könne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Die Ausführungen von Prof.Dr.St ... entbehrten einer wissenschaftlich fundierten Grundlage. Auf Antrag des Klägers hat das Gericht gem. § 109 SGG ein weiteres Gutachten von Prof.Dr.St ... eingeholt. Dieser hat am 11.05.2000 seine früher vertretene Auffassung wiederholt. Die unfallbedingte MdE hat er mit 100 % eingeschätzt. Die Beklagte ist dieser Auffassung entgegengetreten und hat sich auf die zahlreichen Vorgutachten, die zu einem gegenteiligen Ergebnis gekommen seien, berufen. Mit Urteil vom 13.07.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Im wesentlichen ist es dem Gutachten von Prof.Dr.Schr ... und Prof.Dr.Ste ... gefolgt. Die Auffassung von Prof.Dr.St ... hat es demgegenüber nicht für überzeugend gehalten.
Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und nochmals auf das anders lautende Gutachten von Prof.Dr.St ... hingewiesen. Der bei ihm bestehende Hirnschaden mit Persönlichkeitsveränderung sei Folge des Arbeitsunfalls vom 09.05.1983; die dadurch bedingte MdE betrage 100 Prozent. Das Erstgericht hätte sich den Ausführungen von Prof.Dr.St ... anschließen müssen. Das Gutachten von Prof.Dr.Schr ... rekurriere auf gutachterliche Stellungnahmen im Verwaltungsverfahren. Es sei daher ein reines Parteigutachten, welches im Sozialgerichtsprozeß trotz des Amtsermittlungsgrundsatzes unverwertbar sei, wenn der Kläger der Einführung in das Verfahren nicht zustimme. Angesichts der sich widersprechenden Gutachten hätte sich das Sozialgericht zumindest gedrängt fühlen müssen, ein weiteres Gutachten in Auftrag zu geben. Sein Antragsrecht nach § 109 SGG könne angesichts der sich widersprechenden Gutachten und angesichts der Verpflichtung des Erstgerichts, weitere ergänzende Stellungnahmen zu erholen, als noch nicht verbraucht betrachtet werden. Nach Hinweis des Senats auf die hierzu ergangene Rechtsprechung hat der Kläger diesen Antrag nicht mehr wiederholt. Die Beklagte hat demgegenüber auf die zahlreichen anders lautenden Gutachten verwiesen.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 13.07.2000 und des Bescheids vom 07.02.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 23.06.1997 zu verurteilen, den Bescheid vom 25.11.1987 zurückzunehmen, einen Hirnschaden mit Persönlichkeitsveränderung als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 09.05.1983 anzuerkennen und ihm Verletztenrente nach einer MdE von 100 vH zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 13.07.2000 zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gem. § 136 Abs. 2 SGG auf die 7 Aktenbände der Beklagten (Aktenzeichen 73/83 22287) sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und der früheren Verfahren Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.
Mit zutreffenden Argumenten hat das Sozialgericht dargelegt, dass ein Anspruch des Klägers auf Neufeststellung der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 09.05.1983 nicht zu begründen ist. Die Voraussetzungen nach § 44 SGB X liegen nicht vor. Nach Abs.1 S.1 dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlaß das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist. Eine solche Unrichtigkeit liegt nicht vor. Der Bescheid vom 25.11.1987 entspricht der Sach- und Rechtslage. Denn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem in der zweiten Hälfte des Jahres 1983 aufgetretenen und später fortschreitenden Hirnschaden und dem Unfall läßt sich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit begründen. Auch der Senat stützt sich - wie das Sozialgericht - insoweit auf das überzeugende Gutachten von Prof.Dr.Schr ... vom 25.11.1999 sowie auf das von der Beklagten im Verwaltungsverfahren erholte Gutachten von Prof.Dr.Ste ... vom 30.11.1996, welches im Urkundenbeweis zu verwerten ist. Demgegenüber vermag er dem Gutachten von Prof.Dr.St ... nicht zu folgen. Dieser gründet seine Meinung, multiple embolische Schübe hätten infolge der tiefen Beinvenenthrombose über den Lungenkappilarstrom zu dem sensomotorischen Hirnschlag geführt, auf persönliche Erfahrungen in zwei Einzelfällen und auf einen tierexperimentellen Nachweis aus dem 1956. Dabei handelt es sich um eine abweichende Einzelmeinung, welche nicht wissenschaftlich fundiert ist. Dies entnimmt der Senat den überzeugenden Ausführungen von Prof.Dr.Ste ..., denen sich Prof.Dr.Schr ... angeschlossen hat. Beide Sachverständige weisen daraufhin, dass auch nach dem jetzigen Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft für die Annahme einer Hirnembolie vier Bedingungen erfüllt sein müssen, nämlich ein Thrombus im venösen System, eine Embolie (Pfropfbildung), eine abnorme Verbindung zwischen kleinem und großen Kreislauf und eine einen Rechts-Links-Shunt begünstigende Drucksteigerung. Diese Bedingungen liegen und lagen beim Kläger nicht vor. Dies belegen die umfangreichen Untersuchungen des Klägers in der medizinischen Klinik der Universität München am 09.01.1987. Die dort angewandten Techniken entsprechen nach den Ausführungen von Prof.Dr.Ste ... auch dem heutigen Standard. Danach war kein Kontrastmittelübertritt im Sinne eines Rechts-Links-Shunts nachweisbar. Der Nachweis, es hätten multiple embolische Schübe infolge der tiefen Beinvenenthrombose über die Lungenkapillarstrombahn zu sensomotorischen Hirninfarkten geführt, läßt sich nicht erbringen. Damit bleibt die Annahme von Prof.Dr.St ... im Bereich der Spekulation. Dies wird in seinen Ausführungen dadurch sichtbar, dass er keinerlei Befunde anzugeben vermag, welche typisch wären für einen solchen embolischen Schub speziell beim Kläger. Er führt lediglich an, in seiner klinischen Arbeit hätten sich zwei derartige Fälle zugetragen. Damit ist jedoch die konkrete Beweiskette nicht zu schließen. Dies gilt um so mehr als sich die Vorgänge, die sich beim Kläger ab der zweiten Hälfte des Jahres 1983 zugetragen haben, aus neurologischer Sicht zwanglos dem Bild eines hirnorganisch bedingten Persönlichkeitsabbaus zuordnen lassen. Dies folgt daraus, dass zu keinem Zeitpunkt auf ein herdneurologisches Defizit hindeutende Befunde erhoben werden konnten, was sich in den bildgebenden Verfahren, nämlich den CT s aus 1983 und 1987 bestätigt. Die anläßlich der Untersuchung des Klägers bei Prof.Dr.B ... am 25.05.1987 festgestellte Hemiparese links mit Einbeziehen der Gesichtsmuskulatur links würde auf einen möglichen Herd rechts hinweisen, während die Störung der Augenbewegung auf eine Hirnstammstörung deuten würde. Mit diesen Befunden läßt sich viel eher die Diagnose eines - wie die Folgezeit verdeutlicht - progredienten Psychosyndroms als Folge von Durchblutungsstörungen im Gehirn vereinbaren. Insoweit bezieht sich der Senat auf die Ausführungen von Prof.Dr.B ... im Gutachten von 1987, welches nach der Aussage von Prof.Dr.Ste ... nach wie vor Gültigkeit hat. Danach hält es der Senat nicht für erforderlich, ein weiteres Gutachten einzuholen, zumal sich in der Zwischenzeit keine anderen tatsächlichen Entwicklungen im gesundheitlichen oder medizinisch wissenschaftlichen Bereich ergeben haben und solche auch vom Kläger nicht behauptet werden. Der Senat kommt daher zur Auffassung, dass die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 13.07.2000 zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zu erkennen sind.
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