S 11 KA 180/12

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 11 KA 180/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 36/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
1. Der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses in seiner 7. Sitzung am 27. und 28.8.2008 Teil F delegiert die Regelung bzgl der Fallzahlbestimmung für das Regelleistungsvolumen nach Umwandlung der Kooperationsform an die HVV-Vertragsparteien.
2. Diesem Regelungsauftrag sind die Vertragspartner in Hessen mit dem Honorarvertrag 2010 nicht nachgekommen.
3. Nach Umwandlung der Kooperationsform von einer Berufsausübungsgemeinschaft in eine Einzelpraxis kann die RLV-Fallzahl für die Einzelpraxis nicht ausschließlich nach Maßgabe der RLV-Fallzahl in der Berufsausübungsgemeinschaft bemessen werden. Dies gilt insbesondere für fachungleiche Praxen.
Der Bescheid zum Antrag auf Sonderregelung im Rahmen des Regelleistungsvolumens für die Quartale I/10-IV/10 sowie die Honorarbescheide für die Quartale I-IV/10, alle jeweils in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 21.03.2012 (Wi-A-454/11, 455/11, Wi-I-12536/10, 13978/10, Wi-A-456/11, 457/11, Wi-I-3294/11, 6568/11) werden aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte trägt die Gerichtskosten sowie die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen in Form der Fallzahlerhöhung nach Änderung der Kooperationsform von einer fachübergreifenden Berufsausübungsgemeinschaft in eine fachärztliche Einzelpraxis.

Der Kläger war bis einschließlich zum 4. Quartal 2009 als fachärztlicher Internist ohne Schwerpunkt mit zwei hausärztlich tätigen Ärzten in einer fachübergreifenden Berufsausübungsgemeinschaft tätig. Mit Wirkung zum 03.01.2010 stellte der Zulassungsausschuss auf entsprechenden Antrag hin fest, dass der Kläger nunmehr in einer Einzelpraxis seine vertragsärztliche Tätigkeit ausführe.

Seine Fallzahlen und das RLV stellten sich in den Quartalen 2009 und 2010 wie folgt dar:

Quartal Fallzahl der BAG Tatsächliche Fallzahl des Klägers in der BAG Anteil an der Gesamtfallzahl RLV-Fallzahl der BAG RLV-Fallzahl des Klägers Tatsächliche Arztfallzahl des Klägers RLV-Fallzahl RLV angefordert RLV gewährt (oberer PW)
I/09 4.747 1.045 22,01% 2.918 613
II/09 4.325 968 22,38% 2.742 668
III/09 4.551 1.266 27,82% 2.834 841
IV/09 4.933 1.253 25,40% 3.055 815
I/10 1.032 593 (87/90 von 613) 44.466,19EUR 22.103,52EUR
II/10 940 668 41.813,56EUR 26.577,12EUR
III/10 1.088 841 32.589,82EUR 27.974,55EUR
IV/10 1.052 815 36.773,55EUR 25.368,76EUR

Der Kläger legte gegen den Zuweisungsbescheid zum RLV für das Quartal I/10 Widerspruch ein und verwies auf die tatsächlich abgerechnete Fallzahl laut Abrechnungsbescheid I/09. Diese Fallzahl sei für das Quartal I/10 maßgeblich. Die Beklagte wertete den Widerspruch als Antrag auf Zuerkennung einer höheren Fallzahl und lehnte diesen Antrag für das Quartal I/10 sowie auch für die Folgequartale II/10-IV/10 ab. Gegen diese Bescheide genauso wie gegen die entsprechenden Honorarbescheide legte der Kläger jeweils Widersprüche ein. Zur Begründung trug er vor, dass die Ermittlung der RLV-relevanten Fallzahl durch die Beklagte rechtswidrig sei. Die Beklagte habe es versäumt, eine Regelung im Honorarverteilungsvertrag (HV) bei Änderung der Kooperationsform vorzusehen. Da er inzwischen in Einzelpraxis tätig sei, könnten ihm die Fallzahlen nicht auf der Basis der Regelungen bei Gemeinschaftspraxen zuerkannt werden. Vielmehr sei die tatsächlich erbrachte Fallzahl heranzuziehen. Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheiden vom 21.03.2012 zurück. Sie führte aus, dass die Berechnung des praxisbezogenen RLV für alle Quartale entsprechend den Vorgaben nach Abschnitt II HV durchgeführt worden sei. Demnach erhalte jeder Arzt seiner Arztgruppe gemäß Anlage 1 zum HV ein arztgruppenspezifisches RLV. Dieses resultiere aus der Multiplikation der für das RLV relevanten Fälle des Arztes aus dem Vorjahresquartal mit dem jeweils gültigen KV-bezogenen arztgruppenspezifischen Fallwert sowie weiterhin mit der Fallwertabstaffelung, der Altersstrukturquote und ggf. dem Aufschlag für Berufsausübungsgemeinschaften. Die RLV-Fälle seien die Zahl der kurativ-ambulanten Behandlungsfälle des Vorjahresquartals. Ausgenommen seien Fälle im organisierten Notdienst (Muster 19a) und Überweisungsfälle, bei denen ausschließlich Probenuntersuchungen oder Befundungen von dokumentierten Untersuchungsergebnissen stattgefunden hätten. Ebenfalls ausgenommen seien Fälle, in denen ausschließlich Leistungen abgerechnet würden, die gemäß Abschnitt II, Nr. 2.2 des HV nicht dem RLV unterlägen. Zur Umsetzung des Arztbezuges sei in den streitgegenständlichen Quartalen die Bemessung des RLV mit den RLV-Fällen vorgegeben worden. Die individuelle RLV-Fallzahl bemesse sich aus dem Verhältnis des arztindividuellen Anteils an der Arztfallzahl der Praxis multipliziert mit den RLV-Behandlungsfällen. Dies sei möglich, da ab dem Quartal I/09 sämtliche Fälle mit der LANR gekennzeichnet worden seien. Der Kläger habe als Einzelpraxis auch keinen Anspruch auf einen BAG-Zuschlag.

Gegen diese Bescheide richtet sich die Klage vom 20.04.2012. Der Kläger trägt vor, dass er als Einzelpraxis nicht mehr auf die anteiligen prozentualen Anteile seiner Arztfälle an der ehemaligen Gemeinschaftspraxis verwiesen werden könne. Die Beklagte habe es entgegen der Vorgaben des Erweiterten Bewertungsausschusses versäumt, eine Regelung im HV bei Änderung der Kooperationsform vorzusehen. Es sei lediglich im entsprechenden HV 2010 in Abschnitt II, Ziffer 3.5 eine Regelung zur Berechnung der RLV bei Neuzulassung und Umwandlung der Kooperationsform in der Weise vorgesehen, dass für Ärzte, die im Aufsatzzeitraum noch nicht niedergelassen waren, das arztgruppendurchschnittliche RLV für das jeweilige Quartal zugrunde zu legen sei. Soweit diese Ärzte eine Praxis übernommen hätten, würden stattdessen die Fallzahlen des Vorgängers zugrunde gelegt, soweit diese für den Vertragsarzt günstiger seien. Als Basis für die Berechnung der RLV-relevanten Fallzahlen ab dem Quartal I/10 könnten ausschließlich die von ihm tatsächlich erbrachten RLV-relevanten Arztfallzahlen des jeweiligen Quartales 2009 herangezogen werden. Andernfalls hätte ihm als Ausgleich für die nur anteilige prozentuale Anerkennung seiner Fallzahl entsprechend der Behandlungsfallzahl der 10%-ige BAG-Zuschlag für fachübergreifende BAGs weiterhin anerkannt werden müssen, da dieser als Ausgleich für die gemeinsame Behandlung von Fällen zuerkannt werde. Er gehe davon aus, dass die Bemessung seiner RLV-Fallzahl sich – wie in Einzelpraxen üblich – an der tatsächlichen Arztfallzahl im Referenzquartal zu orientieren habe.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid zum Antrag auf Sonderregelung im Rahmen des Regelleistungsvolumens für die Quartale I/10- IV/10 sowie die Honorarbescheide für die Quartale I-IV/10, alle jeweils in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 21.03.2012 (Wi-A-454/11, 455/11, Wi-I-12536/10, 13978/10, Wi-A-456/11, 457/11, Wi-I-3294/11, 6568/11) werden aufgehoben und die Beklagte zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie nimmt im Wesentlichen auf die Gründe des Widerspruchsbescheides Bezug.

Das Gericht hat das Verfahren zunächst quartalsweise geführt (weitere Az. S 11 KA 195/12, 196/12 und 197/12), die Verfahren jedoch sodann mit Beschluss vom 27.11.2013 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Im Rahmen eines Termins zur mündlichen Verhandlung am 30.10.2013 haben die Beteiligten zunächst einen Vergleich geschlossen, der von der Beklagten jedoch widerrufen wurde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakten verwiesen, die bei der Entscheidungsfindung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Die Beteiligten wurden hierzu auch angehört.

Die zulässige Klage ist auch begründet.

Der Bescheid zum Antrag auf Sonderregelung im Rahmen des Regelleistungsvolumens für die Quartale I/10-IV/10 sowie die Honorarbescheide für die Quartale I-IV/10, alle jeweils in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 21.03.2012 (Wi-A-454/11, 455/11, Wi-I-12536/10, 13978/10, Wi-A-456/11, 457/11, Wi-I-3294/11, 6568/11) sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Neubescheidung über seine Honoraransprüche für die Quartale I-IV/10 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.

Nach § 87b Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, 5. Buch, Gesetzliche Krankenversicherung i.d.F. des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) mit Geltung ab 01.04.2007, BGBl. I S. 378 (im Folgenden: SGB V) werden abweichend von § 85 die vertragsärztlichen Leistungen ab dem 1. Januar 2009 von der Kassenärztlichen Vereinigung auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs. 2 vergütet. Nach § 87b Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, 5. Buch, Gesetzliche Krankenversicherung i.d.F. des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) mit Geltung ab 01.04.2007, BGBl. I S. 378 (im Folgenden: SGB V) werden abweichend von § 85 die vertragsärztlichen Leistungen ab dem 1. Januar 2009 von der Kassenärztlichen Vereinigung auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs. 2 vergütet. Nach § 87b Abs. 4 SGB V bestimmt der Bewertungsausschuss erstmalig bis zum 31. August 2008 das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der Regelleistungsvolumina nach den Absätzen 2 und 3 sowie Art und Umfang, das Verfahren und den Zeitpunkt der Übermittlung der dafür erforderlichen Daten (Satz 1). Er bestimmt darüber hinaus ebenfalls erstmalig bis zum 31. August 2008 Vorgaben zur Umsetzung von Absatz 2 Satz 3, 6 und 7 sowie Grundsätze zur Bildung von Rückstellungen nach Absatz 3 Satz 5 (Satz 2). Die Kassenärztliche Vereinigung, die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen stellen gemeinsam erstmalig bis zum 15. November 2008 und danach jeweils bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres gemäß den Vorgaben des Bewertungsausschusses nach den Sätzen 1 und 2 unter Verwendung der erforderlichen regionalen Daten die für die Zuweisung der Regelleistungsvolumina nach Absatz 5 konkret anzuwendende Berechnungsformel fest (Satz 3). Nach § 87b Abs. 5 SGB V obliegt die Zuweisung der Regelleistungsvolumina an den Arzt oder die Arztpraxis einschließlich der Mitteilung der Leistungen, die außerhalb der Regelleistungsvolumina vergütet werden, sowie der jeweils geltenden regionalen Preise der Kassenärztlichen Vereinigung; die Zuweisung erfolgt erstmals zum 30. November 2008 und in der Folge jeweils spätestens vier Wochen vor Beginn der Geltungsdauer des Regelleistungsvolumens (Satz 1). § 85 Abs. 4 Satz 9 gilt (Satz 2). Ausgehend von diesen gesetzlichen Vorgaben hat der Erweiterte Bewertungsausschuss bzw. Bewertungsausschuss entsprechende Vorgaben gemacht (insbesondere im Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses in seiner 7. Sitzung am 27. und 28. August 2008 unter Teil F zur Berechnung und zur Anpassung von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen nach § 87b Abs. 2 und 3 SGB V [DÄBl. 2008 (Heft 38), A-1988, zitiert nach www.kbv.de/8157.html, im Folgenden: EB7F]). Die vertragsärztliche Vergütung ab dem 01.01.2010 wurde in Fortschreibung der für das Jahr 2009 gefassten Beschlüsse mit Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 02.09.2009 (15. Sitzung DÄ-Bl. 2009 A 1907) und Beschluss des Bewertungsausschusses vom 22.09.2009 (199. Sitzung, DÄBl 2009, A 2103) geregelt. Die Beschlüsse haben die beklagte Kassenärztliche Vereinigung Hessen und die Verbände der Primärkassen sowie die Ersatzkassen in dem Honorarvertrag vom 21.12.2009 für die Zeit ab 01.01.2010 umgesetzt (veröffentlicht in info.doc Nr. 1, März 2010, Bekanntmachungen, S. 26 ff.; im Folgenden: HV 2010). Für Neuzulassungen von Vertragsärzten und Umwandlung der Kooperationsform delegiert bereits Nr. 3.5 Satz 1 EB7F die Beschlussfassung von Anfangs- und Übergangsregelungen auf die Partner der Gesamtverträge. Über das Verfahren der Umsetzung einigen sich die Partner der Gesamtverträge. Sofern nichts entsprechend anderes vereinbart wurde, gilt für Ärzte, die im Aufsatzzeitraum noch nicht niedergelassen waren (Neupraxen), das arztgruppendurchschnittliche Regelleistungsvolumen für das jeweilige Quartal (Nr. 3.5 Satz 2 und 3 EB7F). Wenn auch grundsätzlich der Bewertungsausschuss selbst nach § 87b Abs. 4 SGB V das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der Regelleistungsvolumina zu regeln hat, so ist es noch zulässig, Detailregelungen an die Gesamtvertragsparteien zu delegieren (s. bereits SG Marburg, Urt. v. 06.10.2010 - S 11 KA 189/10 - juris Rdnr. 119 f.), wenn dies auch im Hinblick auf fehlende regionale Besonderheiten der hier zu treffenden Regelung wenig Sinn macht.

Den Vorgaben des Erweiterten Bewertungsausschusses ist die Beklagte mit den übrigen Gesamtvertragsparteien nicht nachgekommen. Abschnitt II Nr. 3.5 HV 2010 (RLV bei Neuzulassung und Umwandlung der Kooperationsform) trifft keine Regelung für die Umwandlung oder Auflösung einer Kooperationsform, sondern lediglich für Ärzte, die im Aufsatzzeitraum noch nicht niedergelassen waren. Ziff. 7 (Übergangsregelung) der Anlage 2 EB7F, worauf die Beklagte ihre Entscheidung stützt und wonach die Zahl der Arztfälle je Arzt in fachgleichen Berufsausübungsgemeinschaften der Zahl der Behandlungsfälle der Arztpraxis dividiert durch die Anzahl der in der Arztpraxis zu berücksichtigenden Ärzte entspricht, gilt nur für fortbestehende Arztpraxen.

Die Beklagte wird daher eine ergänzende Regelung für die Umwandlung der Kooperationsform und damit auch für die Auflösung bzw. das Ausscheiden aus einer Berufsausübungsgemeinschaft mit den Vertragspartnern des HV zu vereinbaren haben. Dabei ist auch zu regeln, wie die Fallzahlbemessung – unabhängig von der Frage der Fachgleich- oder Fachungleichheit – bei Änderung der Kooperationsform von einer Berufsausübungsgemeinschaft in eine Einzelpraxis zu erfolgen hat. Völlig zutreffend hat der Kläger im vorliegenden Fall darauf hingewiesen, dass eine reine Begrenzung auf die RLV-Fallzahl, die im Rahmen der BAG im Referenzquartal erzielt wurde, keinesfalls sachgerecht ist, da dann sogar der 10%ige- BAG-Zuschlag, der gerade für die Behandlung gemeinsamer Patienten gewährt wird, nicht berücksichtigt wird. Darüber hinaus hält es die Kammer für grundsätzlich nicht sachgerecht, die Fallzahl nach Umwandlung der Kooperationsform anhand der Maßgaben für die "alte" Kooperationsform zu bemessen. Dies führt im vorliegenden Fall – insbesondere aufgrund der Fachungleichheit der Praxis – zu einer unangemessenen Benachteiligung des Facharztes. Es ist davon auszugehen, dass in fachungleichen BAGs die Mitbehandlung von Patienten, die bereits ein hausärztlich tätiger Kollege gesehen hat, häufig aufgrund des besonderen Versorgungsauftrages und der damit verbundenen fachlichen Spezialisierung des fachärztlichen Kollegen erfolgt. Dieser Besonderheit fachungleicher BAGs wird die Beklagte bei der Fallzahlbemessung Rechnung zu tragen haben.

Nicht zulässig ist eine Regelung des Tatbestandes allein durch Vorstandsbeschluss, da es sich nicht um eine Einzelfallentscheidung für einen atypischen Fall handelt. Die besondere Lage nach Beendigung einer Gemeinschaftspraxis stellt keine unvorhersehbare Besonderheit oder unspezifische Härte dar. Vielmehr handelt es sich um "typische", immer wieder auftretende Ausnahmefälle. Die für die Honorarverteilung wesentlichen Grundsätze müssen im HVV selbst geregelt werden und dürfen nicht dem Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung im Wege von Einzelfallentscheidungen überlassen bleiben. Andernfalls würde es zu einer dem Gesetz widersprechenden Kompetenzverlagerung zum Vorstand sowie zum Unterlaufen der Einbeziehung der Krankenkassen in die Honorarverteilung kommen. Dies gilt erst recht seit der ab dem Jahre 2004 vorgeschriebenen vertraglichen Vereinbarung des HVV zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Verbänden der Krankenkassen (vgl. BSG, Urt. v. 03.02.2010 - B 6 KA 1/09 R -; so auch SG Marburg, Urteil vom 16.11.2011 – Az. S 12 KA 919/10, nicht rechtkräftig).

Nach alledem war der Klage stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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