L 3 U 4292/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 20 U 2963/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 4292/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 02. September 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung eines Arbeitsunfalls, der daraus folgenden Gesundheitsschäden sowie eine Verurteilung zur Gewährung mehrerer Leistungen. Der am 09.05.1949 geborene Kläger war als angestellter Kraftfahrer bei einem Kfz-Reparatur-unternehmen bei der beklagten Berufsgenossenschaft gesetzlich unfallversichert. Am 03.11.2011 gegen 11.20 Uhr stieß er auf einer Fahrt mit seinem Motorrad in der Nähe seiner Arbeitsstätte mit einem Pkw zusammen und zog sich dabei ein Polytrauma mit diversen Verletzungen an Kopf und Brustkorb zu. Seine Krankenkasse meldete diesen Unfall unter dem 16.11.2011 der Beklagten. Der Kläger teilte unter dem 27.12.2011 und dem 11.01.2012 mit, er sei "während der Arbeit" zu einer geplanten Untersuchung der Schilddrüse in einer Klinik gefahren; der Termin sei mit dem Geschäft abgestimmt gewesen. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 10.02.2012 die Gewährung einer "Unfallentschädigung" anlässlich des Ereignisses vom 03.11.2011 ab. Es habe sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt. Es habe der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gefehlt. Der Kläger sei aus privaten Gründen zu der Untersuchung gefahren. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 16.05.2012 zurück. Der Kläger hat am 13.06.2012 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Er hat vorgetragen, die Fahrt habe seinem Arbeitgeber gedient. Der Unfall sei während der Arbeitszeit geschehen. Er - der Kläger - sei nicht aus eigenwirtschaftlichen Gründen unterwegs gewesen. Mit dem nunmehr angegriffenen Gerichtsbescheid vom 02.09.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei auf dem Weg von seiner Arbeitsstelle zu einem "dritten Ort" verunglückt. Auf einem solchen Weg sei für den inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit entscheidend, ob sich der Versicherte an den dritten Ort als Endpunkt begeben wolle oder ob der Weg aus eigenwirtschaftlichen Gründen aufgesucht werde. Bei dem Kläger sei Letzteres der Fall gewesen. Gegen diesen Gerichtsbescheid, seinem Prozessbevollmächtigten am 04.09.2013 zugestellt, hat der Kläger am 04.10.2013 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Er verweist darauf, dass sich der Unfall nur 85 m von seiner Arbeitsstelle entfernt ereignet habe. Er behauptet, er habe die Fahrt zu dem Untersuchungstermin mit seinem Arbeitgeber abgestimmt. Der Kläger beantragt unter dem 12.02.2014 schriftsätzlich, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 02. September 2013 aufzuheben sowie - festzustellen, dass das Ereignis vom 03. November 2011 ein Arbeitsunfall war und die Gesundheitsstörungen des Klägers Folgen dieses Arbeitsunfalls sind und - die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10. Februar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Mai 2012 zu verurteilen, dem Kläger Verletztengeld, Leistungen zur Teilhabe, Rente, Fahrtkostenerstattung, Heilbehandlung, Arznei- und Verbandmittel sowie Heil- und Hilfsmittel im gesetzlichen Umfang zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Der Berichterstatter des Senats hat den Geschäftsführer des Arbeitgebers des Klägers, M., schriftlich als Zeugen vernommen. Dieser hat am 31.03.2014 mitgeteilt, er bzw. der zuständige Vorgesetzte des Klägers habe den Arztbesuch des Klägers am 03.11.2011 nicht angeordnet, die Fahrt dorthin sei dem Kläger auch nicht gestattet gewesen bzw. der Kläger sei dafür nicht freigestellt gewesen, er bzw. der zuständige Vorgesetzte hätten von dem Arztbesuch des Klägers auch nichts gewusst. Er - der Zeuge - bezweifle, dass der Kläger zu einem Arzt unterwegs gewesen sei. Die Beklagte hat unter dem 16.05.2014, der Kläger mit Schriftsatz vom 04.06.2014 einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter als Einzelrichter zugestimmt.

Entscheidungsgründe:

1. Über die Berufung des Klägers entscheidet im Einvernehmen mit den Parteien der Berichterstatter als Einzelrichter an Stelle des gesamten Senats (§ 155 Abs. 3 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), weswegen die ehrenamtlichen Richter nicht hinzuziehen waren (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 155 Rn. 11). Auf die mündliche Verhandlung haben die Parteien nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG verzichtet. 2. Die Berufung ist statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben. 3. Sie ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage des Klägers abgewiesen. a) Die Klage ist bereits nur teilweise zulässig. Zulässig ist in jedem Falle der Antrag des Klägers auf gerichtliche Feststellung des Ereignisses als Arbeitsunfall. Es handelt sich hierbei um die Feststellung eines Rechtsverhältnisses nach § 55 Abs. 1 Hs. 1 Nr. 1 SGG. Die Sonderregelung wegen der Feststellung von Unfallfolgen in § 55 Abs. 1 Hs. 1 Nr. 3 SGG schließt die Feststellung des Arbeitsunfalls selbst nicht aus (Keller, a.a.O., § 55 Rn. 13b m.w.N.). Es liegt auch die notwendige Verwaltungsentscheidung für die hier statthafte Anfechtungs- und Feststellungsklage (vgl. hierzu BSG, Urt. v. 27.06.2006, B 2 U 77/06 B, Juris Rn. 8) vor, denn in dem angegriffenen Bescheid vom 10.02.2012 hat die Beklagte nicht nur die Gewährung "einer Entschädigung" abgelehnt, sondern - durch ihre Ausführungen in der Begründung - zumindest konkludent auch die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall abgelehnt. Ebenso kann der weitere Feststellungsantrag noch für zulässig gehalten werden. Nach § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 3 SGG kann die Feststellung bestimmter Gesundheitsstörungen als Unfallfolge begehrt werden. Der Kläger hat zwar diejenigen Gesundheitsstörungen, die er als Folge des angeschuldigten Ereignisses feststellen lassen möchte, nicht konkret bezeichnet. Sein Antrag ist daher eigentlich zu unbestimmt. Indes besteht insoweit nach § 92 Abs. 1 Satz 3 SGG nur eine Soll-Verpflichtung. Um welche Gesundheitsstörungen es geht, kann ggfs. aus den Akten erkannt werden. Dass die Beklagte in den angegriffenen Bescheiden keine ausdrücklichen Feststellungen zu Unfallfolgen gemacht hat, hindert die Klage nicht, weil sie von ihrem Rechtsstandpunkt aus dazu nicht genötigt war. Dagegen fehlt dem teilweise unbestimmten Leistungsantrag des Klägers über alle denkbaren Ansprüche gegen die Beklagte das nötige Rechtsschutzbedürfnis. Ein solcher, zusätzlicher Antrag ist unzulässig, weil er nicht auf konkrete Leistungen gerichtet ist, sondern nur allgemein auf Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten. Über ihn kann auch nicht durch Grundurteil nach § 130 Abs. 1 SGG entschieden werden, denn auch dafür ist es nötig, dass ein Kläger eine oder mehrere ihrer Art nach feststehende Geldleistungen begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht (vgl. BSG, Urt. v. 07.09.2004, B 2 U 35/03 R, Juris Rn. 12). b) Die demnach zulässigen beiden Feststellungsanträge sind unbegründet. Der Kläger kann schon nicht die Feststellung eines Arbeitsunfalls verlangen, sodass auch die Feststellung des Ursachenzusammenhangs zu seinen Gesundheitsschäden ausscheidet. Für die Anerkennung als Arbeitsunfall (§ 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]) ist ein innerer Zusammenhang zu der versicherten Berufstätigkeit notwendig. Dieser Zusammenhang besteht bei Wegeunfällen unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nrn. 1 bis 4 SGB VII. Der Weg von und nach dem Ort der Berufstätigkeit steht nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII immer unter Versicherungsschutz, wenn es der unmittelbare Weg von der Wohnung des Arbeitnehmers zur Arbeitsstelle und zurück ist. Befindet sich der Versicherte auf dem Weg zu einem dritten Ort, der nicht seine Wohnung ist, so besteht Versicherungsschutz, wenn dieser Weg eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung ist (vgl. zu allem Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 14 ff.). Es reicht insoweit aus, dass der Versicherte von seinem Standpunkt aus der Auffassung sein konnte, die Tätigkeit sei geeignet, den Interessen des Unternehmens zu dienen, und wenn diese Auffassung in den objektiven Verhältnissen ausreichend Stütze findet. So dient es z. B. durchaus den Interessen des Unternehmens, wenn ein Arbeitnehmer plötzlich erkrankt und sich - ggfs. auch ohne Absprache mit seinem Arbeitgeber - in ärztliche Behandlung begibt, um seine Arbeitsfähigkeit wieder herzustellen. Der Weg zu einer geplanten ärztlichen Untersuchung dagegen, die nicht zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit notwendig ist, dient dem Unternehmen generell nicht; zumindest ist hier eine Anordnung des Arbeitgebers oder zumindest eine ausdrückliche Gestattung notwendig, um den notwendigen inneren Zusammenhang zu begründen. Es steht nicht fest, ob der Kläger tatsächlich einen Untersuchungstermin in der Klinik hatte. Die Angaben des Klägers hierzu hat die Beklagte nicht überprüft, insbesondere hat sie nicht in der fraglichen Klinik angefragt, ob ein Termin zur Schilddrüsenuntersuchung vereinbart war. Diesen Punkt lässt der Senat jedoch offen, weil auch er hierzu nicht ermittelt hat. Selbst wenn der Kläger zu einer solchen Untersuchung wollte, fehlte der notwendige Zusammenhang zu seiner Berufstätigkeit. Er war nicht akut erkrankt, die Untersuchung diente daher nicht der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit. Und eine Anweisung oder auch nur eine ausdrückliche Gestattung, während der Arbeitszeit zu diesem Termin zu fahren, konnte der Senat nicht feststellen. Der Zeuge M., der Geschäftsführer des Arbeitgebers, hat ausdrücklich verneint, dass der Kläger auch nur mit Wissen des Unternehmens gefahren ist. Insofern lag eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit vor. 4. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG. 5. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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