L 1 U 215/14 B ER

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 1 U 2303/13 ER
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 215/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
§ 86 b SGG, § 33 SGB X, § 26 SGB VII, § 17 SGB IX, § 3 BudgetV, § 4 BudgetV

Anordnungsanspruch, Anordnungsgrund, Persönliches Budget, Interessenabwägung, Befristung, Weiterzahlung als konkludente Aufhebung einer Befristung, Zielvereinbarung

1. . Die Weiterzahlung des Persönlichen Budgets über das Fristende hinaus kann nicht als Verwaltungsentscheidung angesehen werden, die Befristung aufzuheben.
2. Der Sinn einer Zielvereinbarung nach § 4 der Budgetverordnung (BudgetV) besteht nicht darin, neben einem Verwaltungsakt, der die Gewährung eines persönlichen Budgets und den monatlichen Zahlbetrag regelt, eine weitere Rechtsgrundlage für die monatliche Zahlung zu schaffen, sondern die Einzelheiten der mit der Gewährung des Persönlichen Budgets zu erbringenden Ziele zu bestimmen.
3. Zu den Anforderungen an die vorzunehmende Folgenabwägung, wenn im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung eines persönlichen Budgets begehrt wird.
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 17. Januar 2014 zu Nummer 1 und 3 aufgehoben. Der Antrag der Beschwerdegegnerin vom 6. September 2013 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Die Beteiligten haben einander für beide Rechtszüge keine Kosten zu erstatten. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten wegen der Einstellung von Zahlungen hinsichtlich des Persönlichen Budgets an die Beschwerdegegnerin.

Die 1981 geborene Beschwerdegegnerin ist infolge eines Wegeunfalls seit dem Juli 1998 ab den Halswirbeln C5 links und C 6 rechts komplett querschnittsgelähmt. Sie erhält deshalb von der Beschwerdeführerin eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H. Die Beschwerdegegnerin beantragte mit Schreiben vom 5. Mai 2008 ein Persönliches Budget, weil ihre Mutter es "körperlich nicht mehr schaffe", die bislang übernommene Pflege fortzuführen. Mit Bescheid vom 18. März 2009 gewährte die Beschwerdeführerin der Beschwerdegegnerin ein Persönliches Budget in Höhe von monatlich 11.902 EUR. Der Bescheid enthielt eine Befristung bis zum 31. März 2010. Zugleich wurde der Beschwerdegegnerin ein öffentlich-rechtlicher Vertrag über ein Persönliches Budget, von einem Vertreter der Beschwerdeführerin am 19. März 2009 unterzeichnet, zugeleitet, der die Einzelheiten der Ausgestaltung des Persönlichen Budgets regelte. Mit Schreiben vom 20. März 2009 legte die Beschwerdegegnerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 18. März 2009 ein. Sie beanstandete hierbei, dass die monatliche Pauschale zu niedrig angesetzt sei. Daraufhin erließ die Beschwerdeführerin am 22. Dezember 2009 einen Abhilfebescheid des Inhalts, dass die zu zahlende monatliche Pauschale auf 13.802,15 EUR erhöht wird. Auf der Basis dieses Bescheides schlossen die Beteiligten einen auf den 22. August und 3. September 2010 datierten öffentlich-rechtlichen Vertrag über ein Persönliches Budget für Pflegeleistungen und Arbeitsassistenz aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Dieser benennt als monatlichen Zahlbetrag eine Summe von 13.806,15 EUR.

Am 2. März 2011 fand erstmals vor Ort eine Überprüfung im Hinblick auf die Umsetzung des Persönlichen Budgets bei der Beschwerdegegnerin zu Hause statt. Dabei wurde unter anderem festgestellt, dass es noch immer nicht gelungen war, die vorgesehenen drei Pflegekräfte einzustellen. In der Folgezeit gab es zwischen den Beteiligten weiteren Schriftverkehr im Hinblick auf die Umsetzung des Persönlichen Budgets. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Beschlusses des Sozialgerichts Nordhausen vom 17. Januar 2014 verwiesen. Mit Schreiben vom 25. Februar 2013 kündigte die Beschwerdeführerin den Vertrag über das Persönliche Budget vom 22. August und 3. September 2010 mit Ablauf des 30. April 2013 und kündigte an, die Zahlungen ab diesem Zeitpunkt einzustellen. Ab 1. Mai 2013 werde ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 1.110,31 EUR gezahlt. Hiergegen legte die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 25. März 2013 Widerspruch ein. Am 6. September 2013 hat die Beschwerdegegnerin beim Sozialgericht Nordhausen einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Unwirksamkeit der Kündigung des Vertrages über ein Persönliches Budget festzustellen, hilfsweise die Beschwerdeführerin ab September 2013 zu Zahlung von monatlich 13.806,15 EUR zu verpflichten, hilfsweise ein höheres Pflegegeld zu gewähren, gestellt.

Mit Beschluss vom 17. Januar 2014 hat das Sozialgericht Nordhausen die Beschwerdeführerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Beschwerdegegnerin ab September 2013 bis September 2014 monatlich 13.806,15 EUR aus dem Persönlichen Budget zu zahlen. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beschwerdegegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nicht die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung des Vertrages über das Persönliche Budget beanspruchen könne. Ziel des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens könne es nur sein, eine Fortzahlung der mit Bescheid vom 18. März 2009 in der Fassung des Abhilfebescheides vom 20. Dezember 2009 bewilligten Leistungen zu bewirken. Hierfür bedürfe es keiner vorläufigen Feststellung, sondern eine Entscheidung darüber, ob dieser Zahlungsanspruch weiterhin zu erfüllen sei, reiche aus. Der Antrag auf vorläufige Auszahlung der bewilligten Beträge habe Erfolg. Ein entsprechender Anspruch folge trotz Kündigung des Budgetvertrages aus dem Bewilligungsbescheid vom 22. Dezember 2009. Das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten werde wesentlich durch diesen Leistungsbescheid bestimmt. Dieser setze die zu gewährenden Leistungen fest, während der öffentlich-rechtliche Vertrag lediglich als Zielvereinbarung faktisch die Geschäftsgrundlage für diesen Bescheid bilde. Werde demnach das Leistungsverhältnis abschließend durch den Verwaltungsakt geregelt, bedürfe die Einstellung der zunächst gewährten Leistungen auch der Aufhebung dieses Verwaltungsaktes. Dieser sei durch die Kündigung nicht aufgehoben worden. Selbst wenn die Zahlungseinstellung und deren tatsächlicher Vollzug als faktische Aufhebung der Bewilligung anzusehen sein sollte, hindere die Einlegung des Widerspruchs am 25. März 2013 den Vollzug der Zahlungseinstellung. Nach § 86 a Abs. 2 Nr. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) lasse erst die Anfechtungsklage und nicht schon der Widerspruch die aufschiebende Wirkung entfallen. Aufgrund des bestehenden Anordnungsanspruchs sei der Anordnungsgrund nicht weiter zu problematisieren. Er bestehe aber nach Auffassung des Gerichts. Auch in Anbetracht der erheblichen finanziellen Reserven der Beschwerdegegnerin sei von einer deutlichen Reduzierung des Vermögens seit Antragstellung auszugehen. Die vorläufige Regelung sei zu befristen gewesen. Die Beteiligten hätten bis zum Ablauf der Frist eine angemessene Zeitspanne zur Verfügung, um gegebenenfalls eine einvernehmliche Regelung zu treffen oder die Voraussetzung für eine Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beschwerdeführerin. Es bestehe weder ein Anord-nungsanspruch noch ein Anordnungsgrund. Das Verhalten der Beschwerdegegnerin habe hin-länglich gezeigt, dass sie nicht in der Lage sei, das zur Verfügung gestellte Budget bestim-mungsgemäß zu verwenden. Ohne den Vertrag sei der Bescheid vom 22. Dezember 2009 nicht lebensfähig und umgekehrt. Ferner fehle es an einem Anordnungsgrund. Die Beschwerdeführerin habe wiederholt zugesichert, die Pflege selbst in Form der Beauftragung von Pflegediensten qualifiziert und auch zeitnah sicherzustellen. Dieses Angebot sei bis heute nicht angenommen worden. Die Beschwerdegegnerin habe selbst ausgeführt, über Vermögen in Höhe von 200.000 EUR zu verfügen.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 17. Januar 2014 abzuändern und den Antrag der Beschwerdegegnerin vollständig abzulehnen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Das Sozialgericht Nordhausen habe zu Recht darauf hingewiesen, dass die Zahlungspflicht der Beschwerdeführerin aufgrund des nicht aufgehobenen Bewilligungsbescheides bzw. wegen der aufschiebenden Wirkung des eingelegten Widerspruches fortbestehe. Ferner sei eine Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile zwingend notwendig. Das Angebot der Beschwerdeführerin, die Pflege selbst durch einen Pflegedienst sicherzustellen, sei nicht hin-nehmbar und zudem illusorisch. Das Aufoktroyieren fremder Pflegekräfte sei nicht zumutbar.

Mit Bescheid vom 5. März 2014 hat die Beschwerdeführerin den Bescheid vom 18. März 2009 in der Gestalt des Abhilfebescheides vom 22. Dezember 2009 teilweise aufgehoben, und zwar so weit die Gewährung eines Persönlichen Budgets geregelt wird. Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass der Bescheid vom 18. März 2009 konkret auf den Umstand abgestellt habe, dass die Pflege der Beschwerdegegnerin von externen Pflegefachkräften übernommen werde, die nach den Regelungen des TVÖD bezahlt würden. Dies sei im gesamten Zeitraum nicht der Fall gewesen. Hiergegen hat die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 7. April 2014 Widerspruch eingelegt, über den bislang noch nicht entschieden worden ist.

Mit Beschluss vom 28. April 2014 hat der Vorsitzende des Senats die Vollstreckung aus dem Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 17. Januar 2014 für die Monate von Mai bis September 2014 von einer Sicherheitsleistung in Höhe von 69.030,00 EUR abhängig gemacht. Die Sicherheitsleistung sei bis zum 31 Mai 2014 durch Hinterlegung des genannten Geldbetrages zu erbringen; sie könne auch durch schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bankbürgschaft eines inländischen Kreditinstitutes in dieser Höhe erbracht werden. Für die Monate September 2013 bis April 2014 hat er die Vollstreckung des Beschlusses ausgesetzt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Begründung des Beschlusses Bezug genommen.

Mit gerichtlicher Verfügung vom 7. Mai 2014 hat der Berichterstatter die Beteiligten darauf hingewiesen, dass erhebliche Zweifel daran bestehen, ob aus dem Bewilligungsbescheid vom 18. März 2009 in Verbindung mit dem Abhilfebescheid vom 22. Dezember 2009 ein Anord-nungsanspruch hergeleitet werden könne, da dieser Bescheid eine Befristung bis zum 31. März 2010 enthalte.

Die Beschwerdegegnerin ist der Auffassung, dass die Beschwerdeführerin durch schlüssiges Verhalten eine Verwaltungsentscheidung dahingehend getroffen habe, an der Befristung nicht festzuhalten. Bei Gesprächen zur Überprüfung des Budgets im Jahre 2011 sei durch den Mit-arbeiter Sieker deutlich zum Ausdruck gebracht worden, dass das Persönliche Budget unbefristet gelten solle. Zudem sei der Budgetvertag unbefristet abgeschlossen worden. Zur Zeit verfüge sie nur noch über ein Vermögen in Höhe von 100.000,00 EUR.

Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass entsprechend den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Befristung nicht aufgehoben worden sei. Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens, sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beschwerdeführerin Bezug genommen.

II.

Die statthafte Beschwerde der Beschwerdeführerin ist form- und fristgerecht nach §§ 172, 173 SGG eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig.

Die Beschwerde ist auch begründet, denn das Sozialgericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich der weiteren Zahlung eines monatlichen Budgets in Höhe von 13.806,15 EUR zu Unrecht stattgegeben. Die Beschwerdegegnerin kann von der Beschwerdeführerin nicht im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig eine Weiterzahlung eines Persönlichen Budgets in Höhe von monatlich 13.806,15 EUR beanspruchen.

Der Beschwerdegegnerin ist es unter Berücksichtigung der eingeschränkten Erkenntnismög-lichkeiten im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG und der danach im vorliegenden Fall gebotenen Folgenabwägung zuzumuten, bis zu einer ab-schließende Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren auf die Verwendung der begehrten Mittel zu verzichten.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Beschwerdegegnerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach Absatz 2 Satz 2 der Norm auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Beschwerdegegnerin begehrt hier die Regelung eines vorläufigen Zustandes und macht geltend, dass ohne die einstweilige Anordnung wesentliche Nachteile drohen. Ihr Begehren kann daher nur im Wege einer Regelungsanordnung im Sinne von § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG durchgesetzt werden.

Einer Regelungsanordnung kann vom Gericht erlassen werden, wenn die Beschwerdegegnerin glaubhaft machen kann (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 der Zivilpro-zessordnung (ZPO)), dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber der Beschwerdeführerin besteht (Anordnungsanspruch) und dass sie ohne den Erlass der begehrten Anordnung, insbe-sondere bei Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache, wesentlichen Nachteile im Sinne von § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG erleiden würde (Anordnungsgrund).

Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System. Je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, umso geringer sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und umgekehrt. Bei offenem Aus-gang des Hauptsacheverfahrens ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Die in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht herabgesetzten Anforderungen für die Annahme eines Anordnungsanspruchs korrespondieren dabei mit dem Gewicht der glaubhaft zu machenden Gefahr für die Rechtsverwirklichung. Drohen im Einzelfall ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind die grundrechtlichen Belange der Beschwerdegegnerin umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Folgen, die entstehen würden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung nicht erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren herausstellt, dass der Anspruch besteht, sind abzuwägen mit den Folgen, die entstünden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung erließe, sich aber im Hauptsacheverfahren herausstellt, dass der Anspruch nicht besteht.

Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache auf Weitergewährung eines Persönlichen Budgets in Höhe von 13.806,15 EUR ab September 2013 können zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur als offen eingeschätzt werden. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Nordhausen in seinem Be-schluss vom 17. Januar 2014 ergibt sich ein entsprechender Anspruch nicht ohne weiteres aus dem Bescheid der Beschwerdeführerin vom 18. März 2009 in der Gestalt des Abhilfebescheides vom 22. Dezember 2009. Mit Bescheid vom 18. März 2009 hat die Beschwerdeführerin der Beschwerdegegnerin zwar ein Persönliches Budget in Höhe von 11.902 EUR gewährt. Zu-gleich enthielt dieser Bescheid aber ausdrücklich eine Befristung bis zum 31. März 2010. Da-ran hat der durch die Beschwerdegegnerin eingelegte Widerspruch vom 20. März 2009 nichts geändert. Dieser richtete sich nicht gegen die Befristung als solche, sondern bezog sich aus-schließlich auf die Höhe des gewährten Persönlichen Budgets. Daraufhin hat die Beschwerdeführerin mit Abhilfebescheid vom 22. Dezember 2009 dem Widerspruch der Beschwerdegegnerin abgeholfen und ein persönliches monatliches Budget in Höhe von 13.802,15 EUR gewährt. Der Abhilfebescheid von 22. Dezember 2009 ließ die Befristung also bestehen. Ob Anhalts-punkte dafür ersichtlich sind, dass die Befristung im weiteren Verlauf aufgehoben worden ist, ist völlig offen.

Allein die Weiterzahlung des monatlichen Betrages von 13.802,15 EUR bis zum 30. April 2013, abgesehen von einer einvernehmlichen Zahlungseinstellung für den Zeitraum August 2011 bis März 2012 (vgl. Zahlungsaufstellung Schriftsatz Beschwerdeführerin vom 2. Juni 2014), reicht für die Annahme einer konkludenten Aufhebung der Befristung nicht aus. Der Bescheid vom 18. März 2009 in der Gestalt des Abhilfebescheides vom 22. Dezember 2009 ist mit der darin enthaltenen Befristung bestandskräftig geworden. Die Beschwerdegegnerin hatte ihren Widerspruch ausdrücklich auf die Höhe des Persönlichen Budgets beschränkt. Die Weiterzahlung des Persönlichen Budgets über das Fristende hinaus kann nicht als Verwaltungsentscheidung der Beschwerdeführerin angesehen werden, die Befristung aufzuheben. Zwar kann nach § 33 Abs. 2 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ein Verwaltungsakt schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Letzteres erfasst auch stillschweigendes so genanntes konkludentes Handeln der Verwaltung. Erforderlich in diesen Fällen ist aber das Vorliegen von Anhaltspunkten dafür, dass die Behörde die Rechtslage geprüft und eine Verwaltungsentscheidung getroffen hat und auch treffen wollte (vgl. BSG, Urteil v. 07. Juli 2005, Az.: B 3 P 12/04 R, zitiert nach Juris Rn.18). Anhaltspunkte dafür gibt es hier zunächst nicht. Es spricht alles dafür, dass die Beschwerdeführerin lediglich übersehen hat, dass die Gewährung des Persönlichen Budgets bis zum 31. März 2010 befristet war und die weiteren Zahlungen in der irrigen Annahme geleistet hat, der Verwaltungsakt sei weiterhin in Kraft.

Ob die Befristung im Rahmen eines Gesprächs zwischen der Beschwerdegegnerin und dem Mitarbeiter der Beklagten Herrn S. am 2. März 2011 überhaupt Gegenstand der Erörterung war, ist offen. Dem Gesprächsprotokoll lässt sich darüber nichts entnehmen. Endgültig geklärt werden kann dieser Punkt nur in einem Hauptsacheverfahren.

Eine Aufhebung der Befristung kann auch nicht darin gesehen werden, dass bei Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages über ein persönliches Budget am 22. August/3. September 2010 und damit nach Fristablauf die Beschwerdeführerin sich in § 3 Abs. 1 des Vertrages noch verpflichtet hat, an die Beschwerdegegnerin ein monatliches Gesamtbudget in Höhe von 13.806,15 EUR zu zahlen. Es spricht alles dafür, dass die Beschwerdeführerin bereits zu diesem Zeitpunkt rechtsirrig davon ausging, dass der Verwaltungsakt über die Bewilligung des Per-sönlichen Budgets trotz Fristablaufs weiterhin in Kraft ist. Zudem dürfte der öffentlich-rechtliche Vertrag über das Persönliche Budget nicht als Rechtsgrundlage für die monatliche Zahlung anzusehen sein. Dies ergibt sich daraus, dass der Anspruch auf ein Persönliches Budget in § 26 SGB VII in Verbindung mit § 17 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) seine Rechtsgrundlage findet. Zu beachten ist dabei die Verordnung zur Durchführung des § 17 Abs. 2 bis 4 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch Budgetverordnung (BudgetV). Diese bestimmt in § 1, dass die Ausführung von Leistungen in Form Persönlicher Budgets sich nach den folgenden Vorschriften richtet. § 3 Abs. 5 Satz 1 BudgetV bestimmt insoweit, dass der Beauftragte (= der zuständige Leistungsträger) den Verwaltungsakt erlässt, wenn eine Zielvereinbarung nach § 4 abgeschlossen ist. Die Zielvereinbarung nach § 4 der Budgetverordnung hat dabei Regelungen über die Ausrichtung der individuellen Förderung, Leistungsziele, die Erforderlichkeit eines Nachweises für die Deckung des festgestellten Lernbedarfs sowie die Qualitätssicherung zu enthalten. Der Sinn der Zielvereinbarung und damit des abzuschließenden öffentlich-rechtlichen Vertrages besteht daher nicht darin, eine weitere Rechtsgrundlage für die monatliche Zahlung zu schaffen, sondern die Einzelheiten der mit der Gewährung des Persönlichen Budgets zu erbringenden Ziele zu bestimmen. Dies belegt nicht zuletzt die Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 4 BudgetV, wonach im Falle der Kündigung der Zielvereinbarung der Verwaltungsakt aufgehoben wird. Daher spricht alles dafür, dass der Regelung in § 3 Abs. 1 des Vertrages vom 22. August/3. September 2010 nicht der Charakter einer eigenständigen Rechtsgrundlage zukommt, sondern sie nur eine Wiederholung aus dem vorhergehenden Verwaltungsakt darstellt.

Entsprechend diesen Ausführungen kann aller Voraussicht nach kein Anordnungsanspruch aus diesem öffentlich-rechtlichen Vertrag über ein Persönliches Budget hergeleitet werden. Des Weiteren wäre in diesem Zusammenhang noch zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 25. Februar 2013 den öffentlich- rechtlichen Vertrag insoweit gekündigt hat. Die Wirksamkeit dieser Kündigung richtet sich nach § 4 Abs. 2 BudgetV. Da-nach kann der Leistungsträger insbesondere dann aus wichtigem Grund kündigen, wenn die antragstellende Person die Vereinbarung, insbesondere hinsichtlich des Nachweises zu Bedarfsdeckung und der Qualitätssicherung, nicht einhält. Inwieweit dies der Fall ist, kann hier-zu im Eilverfahren nicht abschließend geprüft werden. Der Senat weist allerdings darauf hin, dass gewichtige Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Beschwerdegegnerin die der Gewährung des Persönlichen Budgets zu Grunde liegende Zielvereinbarung zu keinem Zeitpunkt entsprechend den vereinbarten Vorgaben umgesetzt hat. Dafür spricht beispielsweise auch, dass einvernehmlich von August 2011 bis März 2012 das Budget ruhte, weil ein zu hoher Betrag aufgelaufen war. Grund für die Überzahlung war ersichtlich, dass in der Vergangenheit niemals durchweg drei Pflegekräfte von der Beschwerdegegnerin beschäftigt worden sind. Vielmehr kam es zu wechselnden Arbeitsverhältnissen. Hinsichtlich der Beschäftigung von Familienangehörigen ist die Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages zu beachten, wonach es nur im Notfall möglich sein sollte, nahestehende Person zu den gleichen Bedingungen wie eine Assistenz zu beschäftigen. Vor diesem Hintergrund scheint die tatsächlich praktizierte langandauernde Beschäftigung der Mutter der Beschwerdegegnerin jedenfalls problematisch.

Ein Anordnungsanspruch aus § 26 SGB VII in Verbindung mit § 17 SGB IX auf Gewährung eines Persönlichen Budgets ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht ersichtlich. Zwar hat die Be-schwerdegegnerin grundsätzlich einen Anspruch nach den genannten Vorschriften auf Ge-währung eines Persönlichen Budgets. Vor dessen Gewährung ist jedoch das nach der Budget-verordnung vorgesehene Verfahren durchzuführen. Angesichts der Tatsache, dass bei Verein-barung des Persönlichen Budgets in der Vergangenheit die Vorgaben der Budgetverordnung ersichtlich nicht eingehalten worden sind und es auch bei der anschließenden Umsetzung zu erheblichen Abweichungen gekommen ist (zum Beispiel wurden nicht durchgängig Pflegekräfte in dem vereinbarten Umfang beschäftigt), weist der Senat die Beteiligten darauf hin, dass das Verfahren zur Gewährung des Persönlichen Budgets in § 3 BudgetV geregelt ist. Unabdingbar ist nach § 3 Abs. 3 BudgetV ein Bedarfsfeststellungsverfahren. Im Anschluss daran ist eine Zielvereinbarung nach § 4 BudgetV abzuschließen. Erst dann hat der Beauftragte (d.h. hier die Beschwerdeführerin) den Verwaltungsakt über die Erbringung des Persönlichen Budgets zu erlassen.

Festzuhalten ist daher als Zwischenergebnis, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt offen ist, ob die Beschwerdeführerin einen Anordnungsanspruch auf Gewährung eines Persönlichen Budgets geltend machen kann. Daher ist eine Folgenabwägung vorzunehmen. Bei dieser kann hier im Einzelfall nicht festgestellt werden, dass ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen für die Beschwerdegegnerin entstehen. Ein Anordnungsgrund ist hier deshalb zu verneinen, weil die Beschwerdegegnerin nach ihren eigenen Angaben zum jetzigen Zeitpunkt noch über Mittel in Höhe von ca. 100.000 EUR verfügt. Dieses setzt sie zumindest für einen bestimmten Zeitraum in die Lage, ihre Pflege durch eigene Finanzmittel sicherzustellen. Bei einem Erfolg in der Hauptsache könnte sie eine Nachzahlung durch die Beschwerdeführerin erreichen, was zur Verwirklichung ihrer Rechte als ausreichend anzusehen ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdegegnerin ab September 2013 nicht mehr in der Lage war, die ihr zustehende Pflege aus eigenen Mitteln zu bestreiten, bestehen nicht. Die Beschwerdeführerin hat mit Ende des Monats April 2013 die Leistungen aus dem Persönlichen Budget eingestellt und sich auf die Zahlung der Verletztenrente und eines Pflegegeldes (seit 1. Juli 2013 monatlich 1.146,84 EUR) beschränkt. Unklar geblieben ist, welche monatlichen Kosten der Beschwerdegegnerin nach Zahlungseinstellung durch die Beschwerdeführerin entstanden sind. Sie hat selbst mehrfach vorgetragen, dass es seit Jahren nicht gelingt, ein vollständiges Pflegeteam aufzubauen. Aus der einvernehmlichen Zahlungseinstellung von August 2011 bis März 2012 ergibt sich zudem, dass es auch in der Vergangenheit schon mehrfach zu Überzahlungen im Hinblick auf das Persönliche Budget gekommen war. Daher ist es mehr als offen, ob der Beschwerdegegnerin wirklich Gesamtpflegekosten in monatlicher Höhe von 13.806,15 EUR entstehen. Jedenfalls hat die Beschwerdegegnerin nicht glaubhaft gemacht, dass sie bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht in der Lage gewesen ist, die Pflege für sich durch eigene Finanzmittel sicherzustellen. Des Weiteren entfällt ein Anordnungsgrund deshalb, weil es der Beschwerdegegnerin zumindest für eine Übergangszeit zuzumuten ist, auf das Angebot der Beschwerdeführerin zurück-zugreifen und durch diese ihre Pflege sicherstellen zu lassen. Es ist zwar zutreffend, dass ein Zurückgreifen auf das Angebot der Beschwerdeführerin der Zielsetzung eines Persönlichen Budgets, nämlich den Behinderten in die Lage zu versetzen, die erforderliche Pflege nach eigenen Vorstellungen in eigener Regie umzusetzen, verstößt. Für eine Übergangszeit dürfte dies jedoch der Beschwerdegegnerin durchaus zumutbar sein. Hierbei berücksichtigt der Senat, dass die Beschwerdegegnerin selbst vorgetragen hat, dass es in der Vergangenheit nicht gelungen ist, zumindest über einen längeren Zeitraum das erforderliche vollständige Pflegeteam aufzubauen. Soweit sie der Ansicht ist, dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage ist, dieses Angebot tatsächlich umzusetzen, muss sie sich darauf verweisen lassen, das Ange-bot anzunehmen und die praktische Umsetzung abzuwarten.

Gegenstand dieses Verfahrens ist entgegen den Ausführungen im Schriftsatz der Beschwer-degegnerin vom 19. Juni 2014 zudem nicht die Frage, ob sie in den nächsten Jahren ihre Pflege selbstbestimmt organisieren kann. Zum einen war dies bis jetzt der Fall. Zum anderen ist sie gehalten und ist es ihr zumutbar, so schnell wie möglich für die Zukunft den Abschluss einer neuen Regelung über ein Persönliches Budget anzustreben entsprechend den Vorgaben der Budgetverordnung. Die Klärung von Zahlungsansprüchen für die Vergangenheit kann unabhängig davon erfolgen. Kernfrage für den Abschluss eines neuen Persönlichen Budgets wird dabei sein, inwieweit die Beschwerdegegnerin in der Lage ist, das erforderliche Pflege-personal selbst zu stellen.

Angesichts der offenen Erfolgsaussichten eines Hauptsacheverfahrens und des nicht Vorliegens erheblicher drohender Nachteile war daher der Eilantrag auf vorläufige Weitergewährung des Persönlichen Budgets in Höhe von 13.806,15 Euro abzulehnen.

Der weitere Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin, Pflegegeld angelehnt an die Höhe der von ihr zu zahlenden monatlichen Vergütung für die Pflegekräfte zu gewähren, hat ebenfalls keinen Erfolg. Das Pflegegeld nach § 44 Abs. 2 SGB VII ist insoweit auf einen Höchstbetrag gedeckelt, der an die Beschwerdegegnerin ausgezahlt wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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