L 8 AL 1162/14 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AL 383/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 1162/14 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 26.02.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 25.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2007 streitig.

1.

Der Antragsteller bezog - mit Unterbrechungen - Arbeitslosenhilfe (Alhi) vom Jahr 2001 bis zum 31.12.2004. Mit Bescheid vom 25.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2007 hob die Bundesagentur für Arbeit die Bewilligung von Alhi auf und forderte vom Antragsteller die Erstattung von Alhi i.H.v. 43.164,51 EUR zuzüglich gezahlter Beiträger zur Kranken- und Pflegeversicherung (insgesamt: 51.446,62 EUR). Die hiergegen beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage (Az.: S 5 AL 4030/07) wurde durch Gerichtsbescheid vom 12.03.2008 abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG, Az.: L 3 AL 1695/08) wurde mit Urteil vom 19.05.2010 zurückgewiesen; der Antragsteller und seine Ehefrau hätten über ein die Bedürftigkeit übersteigendes Vermögen in Form von Guthaben bei der Bank T.C. M. B. (TCMB), A., verfügt. Die Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG (Az.: B 11 AL 67/10) wurde als unzulässig verworfen (Beschluss vom 25.08.2010).

2.

In einem zwischen dem Antragssteller und dem Jobcenter M. beim SG geführten Verfahren (Az.: S 7 AS 927/10) schlossen diese folgenden Vergleich (Vergleichsbeschluss vom 12.03.2013): "Die Beteiligten sowie die Ehefrau des Klägers sind sich einig, dass dem Kläger und seiner Ehefrau SGB II-Leistungen dem Grunde nach für die Zeit vom 01.05.2011 bis einschließlich 30.11.2012 zustehen ... Die Beteiligten sowie die Ehefrau des Klägers sind sich einig, dass sämtliche Verfahren des Klägers und/oder seiner Ehefrau erledigt sind, insbesondere das vorliegende Verfahren S 7 AS 927/10 sowie die vom Kläger und/oder seiner Ehefrau bei der Beklagten erhobenen und noch offenen Widersprüche. Das beim Bundessozialgericht unter dem Aktenzeichen B 11 AL 67/10 wird hiermit zurückgenommen. Der Kläger und seine Ehefrau zahlen auf die sonach bestehenden Rückforderungen von SGB II-Leistungen beginnend ab dem 01.05.2011 monatlich 20,00 EUR zurück. "

3.

Die Antragsgegnerin beauftragte wegen der Forderungen aus dem Bescheid vom 25.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2007 (dazu oben 1.) - nach erfolgloser Mahnung vom 10.09.2012 - das Hauptzollamt L. mit der Vollstreckung gegen den Antragsteller (Vollstreckungsanordnung vom 01.10.2013).

Hiergegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 06.02.2014, beim SG am 10.02.2014 eingegangen, Vollstreckungsabwehrklage erhoben und zugleich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Die Antragsgegnerin betreibe aufgrund des Endurteils des LSG (Az.: L 3 AL 1695/08) vom 19.05.2010 die Zwangsvollstreckung, obwohl nachträglich der Grund hierfür weggefallen sei. Denn diesem Verfahren hätten sich weitere Verfahren angeschlossen, so auch gegen das Jobcenter M. unter dem Aktenzeichen S 7 AS 927/10, wo ein Vergleich geschlossen worden sei, aufgrund dessen sämtliche Verfahren des Antragstellers und/oder seiner Ehefrau erledigt sein sollten, insbesondere das Verfahren S 7 AS 927/10 sowie die vom Antragsteller und/oder seiner Ehefrau bei der Antragsgegnerin erhobenen und noch offenen Widersprüche.

Das SG hat mit Beschluss vom 26.02.2014 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antrag sei zwar zulässig, aber unbegründet. Bei summarischer Prüfung habe die Klage gemäß § 767 ZPO keine Erfolgsaussichten, da der Bescheid der Antragsgegnerin vom 25.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2007 die Grundlage der Vollstreckung nach § 3 Abs. 2 lit. a) VwVG sei. Dieser sei bestandskräftig, unanfechtbar und vollstreckbar. An der Vollstreckbarkeit ändere auch der vor dem SG geschlossene Vergleich nichts. Denn entgegen den Ausführungen des Antragstellers habe die Antragsgegnerin mit ihm keinerlei Vereinbarungen getroffen, dass auf die Forderung verzichtet werde. Der Vergleich sei in einem Verfahren zustande gekommen, in welchem nicht die Antragsgegnerin, sondern das Jobcenter M. Beklagte gewesen sei, weshalb der Vergleich auch nur zwischen den an dem Verfahren S 7 AS 927/10 Beteiligten seine Wirkung entfalte. Die Forderung, die der streitgegenständlichen Vollstreckung zugrunde liege, sei jedoch Gegenstand anderer Verfahren gewesen. Darüber hinaus habe der im Verfahren S 7 AS 927/10 geschlossene Vergleich auch inhaltlich keine Auswirkungen auf die Forderung der Antragsgegnerin, die der streitgegenständlichen Vollstreckung zugrunde liege. Denn dort sei Gegenstand des geschlossenen Vergleichs eine Rückforderung von SGB II-Leistungen gewesen, Gegenstand der vorliegenden Vollstreckung sei jedoch die Rückforderung von Arbeitslosenhilfe.

Gegen den seinem Bevollmächtigten zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 06.03.2014 beim SG (Eingang beim LSG am 10.03.2014) Beschwerde eingelegt. Dem ursprünglichen Rechtsstreit habe das Problem zugrunde gelegen, dass ihm ein Vermögen zugedacht worden sei und demzufolge ein Zinsertrag, der mit der tatsächlichen Sachlage nicht in Einklang zu bringen gewesen sei. Er habe zusammen mit anderen Beteiligten in der Vergangenheit einen Geldbetrag in der Türkei angelegt. Der gesamte bei der Bank angelegte Geldbetrag sei als sein Vermögen angelastet worden, obwohl er sich nur dazu zur Verfügung gestellt habe, unter seinem Namen die Gelder verschiedener Anleger zusammen zu veranlagen, um einen höheren Zinsertrag zu erlangen. In dem Verfahren sei ausführlich dargelegt worden, dass er arm im Sinne des Gesetzes sei und auch Anspruch auf die begehrten Leistungen habe, unabhängig davon, ob er im Jahre 2000 oder 2002 erhebliche Einnahmen gehabt habe oder gar Millionär gewesen sei oder ähnliches. Dies sei vorliegend von Bedeutung, da auch bei der Beantragung von SGB II-Leistungen ihm ein Vermögen zugeschrieben worden sei, über welches er nicht verfügte bzw. welches er schlicht nicht gehabt habe und weshalb in dem Verfahren S 7 AS 927/10 dann der Vergleich geschlossen worden sei, mit dem klargestellt werden sollte, dass er weder über Einkommen noch Vermögen verfüge, welches einen SGB II-Leistungsbezug ausschließe. In diesem Vergleich sei ausdrücklich geregelt, dass sämtliche Verfahren erledigt sein sollten. Entgegen der Auffassung des SG sei festzuhalten, dass in dem Vergleich von sämtlichen Verfahren die Rede sei. Auch zeige der Umstand, dass er sich verpflichtet habe, das Verfahren vor dem BSG zurückzunehmen, dass auch dieses hier in Rede stehende Verfahren mit eingeschlossen sei sollte. Das SG habe damals nämlich die Akte L 3 AL 1695/08 beigezogen. Letztendlich stehe fest, dass sämtliche Verfahren miteinander in Zusammenhang gesehen worden seien, denn alle hätten auf der Annahme beruht, dass er über nennenswertes Vermögen verfüge. Nur so sei auch die Beiziehung der Akte verständlich und die Einbeziehung dieses Verfahrens in den Vergleich. Bislang sei auch bei dem damals zuständigen Richter Dr. H. nicht nachgefragt worden. Ferner sei zu bedenken, dass die Bundesagentur für Arbeit eine dem Jobcenter übergeordnete Behörde sei und nach entsprechender interner Absprache dem Vergleich zugestimmt worden sei. Der gegnerische Vortrag, es handele sich um verschiedene Beteiligte, sei wegen des Organisationsaufbaus der Bundesagentur für Arbeit nicht überzeugend. Für die Einbeziehung aller Beteiligten in den Vergleich spreche auch der Umstand, dass bereits am 20.04.2011 ein Vergleichsvorschlag seitens des Gerichts im Verfahren S 7 AS 927/10 erfolgt sei. Erst 2013 sei dann der Vergleich endgültig abgeschlossen worden. Daher stehe sein Schutzbedürfnis in einem angemessenen Verhältnis zu der Erfolgsaussicht in der Hauptsache.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 26.02.2014 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Vollstreckung aus dem Bescheid vom 25.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2007 bis zum Erlass des Urteils einstweilen einzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Festzustellen sei, dass die Bundesagentur für Arbeit an dem Verfahren und an dem Vergleich nicht beteiligt gewesen sei. Beklagter in dem dortigen Verfahren sei das Jobcenter M. gewesen, das über SGB III-Forderungen der Bundesagentur für Arbeit, hier konkret Arbeitslosenhilfe, keine Entscheidung haben treffen können. Im Übrigen werde in dem Vergleich auch mit keinem Wort die Arbeitslosenhilfe erwähnt. Weshalb das Gericht und die Beteiligten den Satz "Das beim Bundessozialgericht unter dem Aktenzeichen B 11 AL 67/10 wird hiermit zurückgenommen" aufgenommen hätten, könne nicht nachvollzogen werden, da die Nichtzulassungsbeschwerde vom BSG bereits mit Beschluss vom 25.08.2010 als unzulässig verworfen worden sei, was dem Beschwerdeführer und dessen Bevollmächtigten auch bekannt gewesen sei. Der mit dem Jobcenter M. geschlossene Vergleich habe keine Auswirkung auf die Erstattungsforderung der Beschwerdegegnerin, die mit dem Beschluss des BSG 25.08.2010 rechtskräftig geworden sei, und stehe einer Vollstreckung nicht entgegen.

Der Senat hat die Akte S 7 AS 927/10, L 32 AL 1695/08 sowie vom SG die dort hinterlegte Prozessvollmacht für Rechtsassessor R. vom 17.1.2011 beigezogen.

Das JobCenter M. hat mit Schreiben vom 08.05.2014 mitgeteilt, der Vergleich binde nur den Antragsteller und das JobCenter M ... Herr R. sei Mitarbeiter der Widerspruchsstelle und in dieser Funktion berechtigt, für das JobCenter M. Vergleiche abzuschließen. Eine Bevollmächtigung seitens der Bundesagentur für Arbeit habe nicht vorgelegen.

Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 16.05.2014 ausgeführt, aus der Prozessvollmacht lasse sich ersehen, dass Herr R. zur Vertretung der gemeinsamen Einrichtung "Jobcenter M." bevollmächtigt worden sei. Er sei somit unstreitig auch für die Bundesagentur für Arbeit berechtigt gewesen, einen Vergleich abzuschließen. Diesbezüglich werde auch die Beschlussvorlage der Stadt M. Az.: 50.00.50 vom 28.10.2010, Nr. 520/2010 verwiesen, wonach wesentliches Organisationsmerkmal der gemeinsamen Einrichtung JobCenter sei, dass diese über kein eigenes Personal verfüge. Zur Aufgabenerledigung würden die derzeitigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt M. und der Agentur für Arbeit M. für fünf Jahre per Gesetz zugewiesen. Ferner werde in der Beschlussfassung dargelegt, dass die gemeinsame Einrichtung einen eigenen Personalrat, eine eigene Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt und eine eigene Gleichstellungsbeauftragte habe. Aus dem Modell der gemeinsamen Einrichtung lasse sich klar ersehen, dass die Bundesagentur für Arbeit und der kommunale Träge jeweils Mitarbeiter stellten, die gemeinsam die Aufgaben des Jobcenters wahrnähmen, so dass von einer Berechtigung des Rechtsassessor R. zu einem Vergleich auch bezüglich der Forderung der Bundesagentur für Arbeit auszugehen sei. Insoweit werde unter Ziffer 2.2.2. dieser Beschlussfassung auf die Zusammenarbeit der beiden Träger hingewiesen: "Die gemeinsamen Einrichtungen profitieren von den Kernkompetenzen der beiden Träger, sofern diese auf "Augenhöhe" zusammenarbeiten. Von Vorteil ist auch ein gemeinsamer Auftritt auf dem Arbeitsmarkt für SGB II- und SGB III-Kunden/Kundinnen. Auch die Dienstleistungen der Bundesagentur für Arbeit bzw. Kommune, z.B. ärztlicher Dienst, Vergabestellen, Forderungseinzug müssten nicht neu geschaffen werden."

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte und die beigezogenen Akten des SG, des LSG und der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Die statthafte, fristgemäß erhobene und damit zulässige Beschwerde ist in der Sache unbegründet. Das SG hat zutreffend den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Insoweit wird auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, die sich der Senat nach eigener Prüfung zu eigen macht. Lediglich ergänzend sei auf folgendes hingewiesen:

Gemäß § 769 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der jedenfalls über § 202 Satz 1 SGG anwendbar ist, kann das Prozessgericht auf Antrag anordnen, dass bis zum Erlass des Urteils über die in den §§ 767, 768 bezeichneten Einwendungen die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung eingestellt oder nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt wird und dass Vollstreckungsmaßregeln gegen Sicherheitsleistung aufzuheben seien. Die tatsächlichen Behauptungen, die den Antrag begründen, sind glaubhaft zu machen (§ 769 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Vor der Entscheidung über die Einstellung der Vollstreckung sind die Aussichten des Rechtsbehelfs zu prüfen und bei der Beschlussfassung über den Einstellungsantrag zu berücksichtigen (Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 30. Auflage 2014, § 769 ZPO RdNr. 6). Die Aussicht auf Erfolg im Hauptsacheverfahren gegen die Zwangsvollstreckung ist damit Einstellungsvoraussetzung (OLG Zweibrücken FamRZ 2002, 556 mwN). Die vom Gericht zu treffende Ermessensentscheidung muss die Parteiinteressen abwägen (Herget a.a.O. § 707 ZPO RdNr. 7). Bei der Abwägung der wirtschaftlichen Auswirkungen (dazu vgl. KG 16.05.1978 - 17 UF 745/78 - FamRZ 78, 413) haben die Gläubigerinteressen im Zweifel Vorrang (OLG Köln 16.10.1978 - 2 U 51/78 - OLGZ 79, 113).

Im Übrigen kann das Gericht der Hauptsache nach § 86b Abs. 2 SGG, soweit ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung treffen (zur Anwendung auch in gegen die Vollstreckung gerichteten Verfahren vgl. LSG Nordrhein-Westfalen 16.05.2011 - L 11 KA 132/10 B ER - juris). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.09.2006 - L 10 B 2/06 KA ER -), es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfGE 93, 1 ff). Andererseits müssen die Gerichte unter Umständen wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit Rechtsfragen nicht vertiefend behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung treffen können (BVerfG NJW 1997, 479, 480; Senat, Beschluss vom 12.10.2009 - L 11 B 17/09 KA ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 15.11.2006 - L 10 B 14/06 KA ER - und 14.12.2006 - L 10 B 21/06 KA ER -). Ferner darf oder muss das Gericht ggf. auch im Sinne einer Folgenbetrachtung bedenken, zu welchen Konsequenzen für die Beteiligten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei späterem Misserfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren einerseits gegenüber der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bei nachfolgendem Obsiegen in der Hauptsache andererseits führen würde (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.04.2007 - L 5 KR 518/07 ER-B -).

Damit ist - unabhängig davon, welche Grundlage herangezogen wird - summarisch immer zu prüfen, ob die gegen die Vollstreckung gerichtete Klage Aussicht auf Erfolg hätte und ob die Interessen des Antragstellers (Schuldners) die Interessen der Antragsgegnerin (Gläubigerin) überwiegen. Ausgehend von diesen Grundsätzen ergibt sich, dass schon ein Anordnungsanspruch/Einstellungsanspruch nicht glaubhaft gemacht ist.

Eine formelle Fehlerhaftigkeit der Vollstreckung – mithin ein Verstoß gegen die Vorschriften des VwVG, insbesondere § 3 VwVG, - konnte der Senat nicht feststellen, ein solcher war auch weder behauptet noch sonst glaubhaft gemacht worden.

Auch in materieller Hinsicht konnte der Senat bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage bei der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unter Beachtung der Rechtsprechung des BVerfG gebotenen Prüfungstiefe nicht als glaubhaft gemacht ansehen, dass aus dem vom Antragsteller mit dem JobCenter M. geschlossenen Vergleich ihm ein nachträgliches Vollstreckungshindernis i.S. einer rechtshemmenden oder rechtsvernichtenden Einwendung gegen den von der Antragsgegnerin geltend gemachten Anspruch (§ 767 Abs. 1 ZPO) erwachsen ist.

Zunächst ist zu beachten, dass der Vergleich - er nimmt auf die Beteiligten des damals anhängigen Verfahrens, mithin den Antragsteller und das JobCenter M., Bezug und betrifft auch Rechtspositionen der Ehefrau des Antragstellers - ausschließlich zwischen dem Antragsteller und dem JobCenter M. geschlossen worden war. Auch wenn das JobCenter M. in Form einer gemeinsamen Einrichtung i.S.d. § 44b SGB II aus Stadt M. und der Bundesagentur für Arbeit organisiert war/ist, bedeutet dies nicht, dass der Vergleich nicht nur das JobCenter M. selbst, sondern auch die dahinter stehenden Rechtsträger bindet. Denn insoweit handelt es sich auch bei dem als gemeinsame Einrichtung geführten JobCenter M. um eine eigenständige rechtlich verpflichtbare Behörde. Dies ergibt sich auch aus § 44b Abs. 1 Satz 3 SGB II, wonach die gemeinsame Einrichtung befugt ist, Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide zu erlassen und damit eine eigene Verpflichtung eingeht. Auch wenn den Trägern der gemeinsamen Einrichtung nach § 44b Abs. 3 Satz 1 SGB II die Verantwortung für die rechtmäßige und zweckmäßige Erbringung ihrer Leistungen obliegt, bedeutet dies nicht, dass sie gegenüber dem Leistungsberechtigten verpflichtet wären. Auch durch § 44d Abs. 1 Satz 1 SGB II, wonach der Geschäftsführer die gemeinsame Einrichtung vertritt, wird deutlich, dass es sich bei den der gemeinsamen Einrichtung zugewiesenen Aufgaben um solche, von den sonstigen Aufgaben der Träger abgrenzbare und selbständig wahrnehmbare Aufgaben handelt. Aus dem Umstand, dass der Geschäftsführer gerade nicht die Träger, sondern die gemeinsame Einrichtung vertritt, ist ebenfalls ersichtlich, dass die gemeinsame Einrichtung durch das nach außen gerichtete Handeln verpflichtet werden soll, nicht die dahinterstehenden Träger. Wie diese Bestimmungen zur gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung durch den Geschäftsführer (§ 44d Abs. 1 Satz 2 SGB II) sowie zur Rechts- und Verfahrensnachfolge (§ 76 Abs. 3 SGB II) verdeutlichen, ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die gemeinsame Einrichtung zumindest bis zu einem gewissen Grad befugt ist, unter eigenem Namen im Rechtsverkehr aufzutreten, und dass sie beteiligtenfähig im Sinne des § 70 SGG ist (Knapp a.a.O., so auch BSG 18.01.2011 - B 4 AS 90/10 R - juris Rn. 11). Die gemeinsame Einrichtung ist insoweit teilrechtsfähig (Knapp in jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 44b RdNr. 81), sie nimmt die Aufgaben der Träger in eigenem Namen wahr. Auch ist in der Rechtsprechung die Parteifähigkeit im Zivilprozess anerkannt (vgl. etwa BGH v. 11.01.2012 - XII ZR 22/10, Knapp a.a.O. m.w.N. RdNr. 81.1), sodass der Senat keine Zweifel daran hat, dass sich auch eine gemeinsame Einrichtung unabhängig von einer Verpflichtung der dahinterstehenden Träger durch Vergleich binden kann, mithin eine vergleichsweise eingegangene Verpflichtung der gemeinsamen Einrichtung i.S.d. § 44b SGB II die hinter der Einrichtung stehenden Träger nicht selbst und unmittelbar bindet.

Dem steht nicht entgegen, dass die gemeinsame Einrichtung sich der Mitarbeiter der dahinter stehenden Träger bedient und durch die Nutzung des Wissens, der Fähigkeiten und Einrichtungen der Träger einen Nutzen zieht. Jedoch hat das Gesetz die gemeinsame Einrichtung nicht lediglich als rechtlich unselbständige Einrichtung vorgesehen, sondern diese rechtlich so organisiert, dass sie unabhängig von den jeweiligen Trägern am Rechtsverkehr teilnehmen kann. Damit wirkt der mit dem JobCenter M. geschlossene Vergleich nicht zugunsten und zu Lasten der Antragsgegnerin.

Im Übrigen war auch der den Vergleich für das JobCenter M. schließende Rechtsassessor R. ausweislich der vom SG beigezogenen Vollmacht und der Auskunft des JobCenters M. lediglich berechtigt, Erklärungen für und gegen das JobCenter M. abzugeben bzw. entgegen zu nehmen. Er hatte damit keine Befugnis, die Antragsgegnerin zu vertreten. Auch haben weder Herr R. noch die Antragsgegnerin – und auch nicht das JobCenter M. - Anlass gegeben, auf eine weitergehende, auch die Antragsgegnerin umfassende Vollmacht vertrauen zu dürfen. Soweit der Antragsteller ausführt, der Vergleich sei intern zwischen dem JobCenter M. und der Antragsgegnerin abgesprochen/abgeklärt gewesen, hat er hierfür – außer der langen Dauer bis zur Zustimmung durch das JobCenter M. –keinerlei Anhaltspunkte liefern können; auch sind solche weder aus der Gerichts- noch der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin ersichtlich; insbesondere ist aus der SG-Akte ersichtlich, dass das JobCenter M. den Vergleich zunächst abgelehnt hat und seine Position mit Sachvortrag und dem Verweis auf staatsanwaltschaftliche Ermittlungen verteidigt hat, sodass von einer Abstimmung mit der Antragsgegnerin nicht die Rede sein kann.

Auch im Hinblick auf das Zustandekommen des Vergleichs kann nicht angenommen werden, dass über das JobCenter M. hinaus auch die Antragsgegnerin aus dem Vergleich verpflichtet bzw. berechtigt werden sollte. Denn ausweislich des zum Vergleichsvorschlag vom SG gefertigten Anschreibens war klargestellt, dass ausschließlich SGB II-Leistungen betroffen sein sollten und sich die Beteiligten einig sind, dass "derzeit" weder Einkommen noch Vermögen vorhanden seien, welches dem Grunde nach einen SGB II-Leistungsanspruch ausschließe. Alle offenen Verfahren "zwischen den Beteiligten" und der Ehefrau des Klägers sowie "das Verfahren B 11 AL 67/10" seien erledigt bzw. würden beendet. Des Weiteren heißt es im Anschreiben, dass der Antragsteller bzw. seine Ehefrau auf die "bestandskräftigen bzw. rechtskräftigen Rückforderungen von SGB II-Leistungen beginnend ab dem 01.05.2011 monatlich 20,00 Euro" zahlen. Dadurch, dass das SG ausdrücklich lediglich eine Regelung bezüglich der Rückzahlung von SGB II-Leistungen, Einkommen und Vermögen bezüglich von SGB II-Leistungen und darüber hinaus ausdrücklich nur das Verfahren "B 11 AL 67/10" genannt hat, wird deutlich, dass sonstige Verfahren des Antragstellers – insbesondere solche mit der Bundesagentur – durch den Vergleich nicht tangiert werden sollen. Entsprechend ist auch der Inhalt des Vergleichs formuliert, der außer im Hinblick auf das bereits beendete Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren keinerlei Hinweis dafür gibt, dass auch am konkreten Verfahren nicht beteiligte Dritte – hier die Bundesagentur für Arbeit – verpflichtet werden sollten. Darüber hinaus wäre die im Vergleich eingegangene Verpflichtung, die - zu ergänzende - Nichtzulassungsbeschwerde "B 11 AL 67/10" zurückzunehmen, ungeachtet dessen, dass das Nichtzulassungsverfahren bereits beendet war, insoweit ein Vertrag zugunsten Dritter, der keiner Auslegung dahingehend zugänglich ist, dass auch zu Lasten Dritter Rechte der Vertragspartei begründet wurden.

Zudem muss gesehen werden, dass das JobCenter M. in seiner ersten Reaktion (Schreiben vom 20.05.2011) den Vergleich abgelehnt hat. Erst nach einer Terminierung des Rechtsstreits durch das SG hat das JobCenter dem Vergleich zugestimmt (Schreiben vom 20.02.2013). Ob das JobCenter nach der ersten Ablehnung des Vergleichs überhaupt später dem Vergleichsvorschlag des SG noch zustimmen konnte (vgl. § 146 BGB) muss angesichts des Vergleichsbeschlusses des SG vom 12.03.2013 nicht mehr entschieden werden.

Insgesamt konnte der Senat keinerlei Anhaltspunkte dafür finden, dass die Antragsgegnerin durch den Vergleich verpflichtet wäre, auf eine Vollstreckung zu verzichten oder sich durch den Vergleich oder andere Umstände Einwendungen gegen den durch den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2007 und die Urteile des SG und des LSG festgestellten Erstattungsanspruch ergeben hätten.

Auch ist der Senat im Rahmen der Abwägung der gegenseitigen Interessen zu der Auffassung gelangt, dass die Interessen des Antragstellers die Interessen der Antragsgegnerin nicht überwiegen. Es liegen auf Seiten des Antragstellers im Rahmen einer einstweiligen Anordnung weder zu berücksichtigende schutzwürdige Interessen vor noch kann der Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache als offen bezeichnet werden, sodass das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu recht abgelehnt hat (zur Ablehnung von einstweiligem Rechtsschutz, wenn die Vollstreckung derzeit erfolglos erscheint vgl. LSG Nordrhein-Westfalen 16.05.2011 – L 11 KA 132/10 B ER – juris).

Damit war die Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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