L 4 KA 24/10

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 865/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 24/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 17. März 2010 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen zu 1). Außergerichtliche Kosten der übrigen Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit.

Der 1957 geborene Kläger ist seit 1983 als praktischer Arzt bzw. seit 1988 als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die frühere Berufsausübungsgemeinschaft mit seiner Ehefrau hat der Zulassungsausschuss für Ärzte zum 31. März 2009 bestandskräftig für beendet erklärt.

Auf Antrag der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen - Beigeladene zu 1) - ordnete der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung mit Beschluss vom 29. November 2005 das Ruhen der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit des Klägers ab 5. Oktober 2005 an. Er verwies hierzu auf einen Bescheid des Hessischen Landesprüfungs- und Untersuchungsamt im Gesundheitswesen vom 5. Oktober 2005, mit der das Ruhen der Approbation des Klägers als Arzt angeordnet worden war, da nach einem Gutachten des Prof. Dr. D. (Psychiatrische Klinik des Uniklinikums Gießen) vom 30. Mai 2005 der Kläger an einer Alkoholabhängigkeit leide und nicht mehr zur Ausübung des ärztlichen Berufs in der Lage sei. Hiergegen legten der Kläger und die Beigeladene zu 1) Widerspruch ein. Nachdem das Hessische Landesprüfungs- und Untersuchungsamt im Gesundheitswesen den Widerspruch des Klägers gegen das Ruhen der Approbation zurückgewiesen hatte, wurde im nachfolgenden Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht am 15. Mai 2007 ein Vergleich geschlossen, wonach sich das Land Hessen bereit erklärte, die angefochtenen Bescheide aufzuheben, wenn der Kläger bis zum 1. Dezember 2007 durch fachpsychiatrisches Gutachten eines Schweizer Arztes mit gleicher Qualifikation wie Prof. Dr. D. nachweise, dass er nicht alkoholabhängig sei. Hierauf wies der Beklagte mit Beschluss vom 23. April 2008 den Widerspruch des Klägers zurück und änderte auf den Widerspruch der Beigeladenen zu 1) den Beschluss des Zulassungsausschusses dahingehend ab, dass das Ruhen der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit des Klägers für die Dauer des Ruhens der Approbation, längstens aber bis zum 31. März 2009 angeordnet wurde. Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Marburg mit rechtskräftigem Urteil vom 10. September 2008 (S 12 KA 258/08) ab, weil der Kläger aufgrund des Ruhens seiner ärztlichen Approbation gegenwärtig nicht berechtigt sei, den Beruf des Arztes auszuüben.

Am 18. Februar 2009 beantragte die Beigeladene zu 1) die Entziehung der Zulassung des Klägers. Durch das Hessische Landesprüfungs- und Untersuchungsamt im Gesundheitswesen sei mitgeteilt worden, dass das im Vergleich vor dem Verwaltungsgericht angeordnete fachpsychiatrische Gutachten bisher trotz Verlängerung der Vorlagefrist zum 31. März 2008 nicht vorgelegt worden sei. Der Kläger betreibe das verwaltungsgerichtliche Verfahren zur Aufhebung der Anordnung des Ruhens der Approbation offensichtlich nicht mit der erforderlichen Ernsthaftigkeit und messe dem Ruhen der Approbation keine Bedeutung zu. Insofern könne mit der Wiederaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit nicht mehr innerhalb einer angemessenen Frist gerechnet werden. Der Kläger erwiderte, zwar sei es richtig, dass seine Approbation seit nunmehr 3 1/2 Jahren ruhe, allerdings stehe dies einer Wiederaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit in angemessener Frist nicht entgegen. Es müsse sogar ein unbegrenztes Ruhen möglich sein, da seine Ehefrau als Mitgesellschafterin den Patientenstamm habe "konservieren" können. Darüber hinaus werde in absehbarer Zeit ein fachpsychiatrisches Gutachten vorgelegt, das beweisen werde, dass er nicht alkoholabhängig sei. Es sei davon auszugehen, dass das Ruhen der Approbation damit in absehbarer Zeit durch das Hessische Landesprüfungs- und Untersuchungsamt aufgehoben werde.

Der Zulassungsausschuss für Ärzte lehnte mit Beschluss vom 31. März 2009 den Antrag der Beigeladenen zu 1) auf Entziehung der Zulassung ab, ordnete aber eine Verlängerung des Ruhens der Zulassung für die Dauer des Ruhens der Approbation, längstens bis zum 30. September 2009 an.

Hiergegen legten sowohl die Beigeladene zu 1) als auch der Kläger fristgerecht Widerspruch ein. Der Beklagte zog das vom Hessischen Landesprüfungs- und Untersuchungsamt in Auftrag gegebene amtsärztliche Gutachten von Dr. E. vom 30. Juli 2009 nebst fachärztlicher Stellungnahme der Ärztin für Psychiatrie Dr. F. vom 22. Juli 2009 bei und wies mit Beschluss vom 7. Oktober 2009, ausgefertigt am 19. November 2009 und dem Kläger zugestellt am 20. November 2009, den Widerspruch des Klägers zurück. Zugleich hob er auf den Widerspruch der Beigeladenen zu 1) den Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte vom 31. März 2009 auf und entzog dem Kläger die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit. Nach dem Ergebnis des vorgelegten amtsärztlichen Gutachtens stehe fest, dass der Kläger alkoholabhängig sei, fortgesetzt Alkohol konsumiere und keine Krankheitseinsicht habe. Den Einwänden des Klägers gegen dieses Gutachten sei nicht zu folgen. Auch die Tatsache, dass der Kläger zwischenzeitlich Bemühungen anstelle, seine vertragsärztliche Zulassung auszuschreiben, ändere an der Notwendigkeit der Entziehung seiner vertragsärztlichen Zulassung nichts.

Der Kläger hat am 2. Dezember 2009 Klage zum Sozialgericht Marburg erhoben und vorgetragen, der Beklagte verkenne sowohl die Gründe, die zur Zeit eine Wiederaufnahme der kassenärztlichen Tätigkeit verhinderten, als auch die Sachlage in Bezug auf seine vermeintliche Trunksucht. Zwar sei es richtig, dass seine Approbation seit nunmehr vier Jahren ruhe, allerdings stehe dies einer Wiederaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit in angemessener Frist nicht entgegen. Der Zulassungsbezirk A-Stadt sei überversorgt, weshalb eine gewisse Anzahl von Vertragsärzten für die Versorgung nicht benötigt werde. Die Praxis genieße eigentumsrechtlichen Schutz. In Gemeinschaftspraxen könne ein unbegrenztes Ruhen erfolgen, wenn die Mitgesellschafter den Patientenstamm "konservierten". Die Voraussetzungen für ein weiteres Ruhen der Zulassung lägen - ausgehend von einer 3jährigen Frist nach dem festgestellten Ende der Berufsausübungsgemeinschaft mit seiner Ehefrau - noch bis einschließlich März 2012 vor. Die Behauptung einer Alkoholabhängigkeit und mangelnder Krankheitseinsicht weise er zurück. Das amtsärztliche Gutachten missbrauche die CDT-Werte als Ausgangsbasis für den Schluss der Alkoholabhängigkeit. Trotz des am 12. Juni 2009 in seinem Auftrag erstellten Gutachtens der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. G., die ein Alkoholabhängigkeitssyndrom zum derzeitigen Zeitpunkt ausschließe und seine uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit als Arzt bescheinige, würden die CDT-Werte widerspruchslos als ausreichend für die Annahme einer Alkoholabhängigkeitserkrankung gewertet. Eine kritische Auseinandersetzung fehle. Zum Gutachten des Prof. Dr. D. habe bereits das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass verschiedene Angaben und Ausführungen nicht stringent seien. Das Ruhendstellen der vertragsärztlichen Zulassung sei aus einem Anfangsverdacht heraus zum damaligen Zeitpunkt zwar berechtigt gewesen, aber die mittlerweile angestrebte Zulassungsentziehung sei rechtswidrig.

Der Beklagte hat erwidert, während des Ruhens der vertragsärztlichen Tätigkeit eines Partners einer Gemeinschaftspraxis werde auch keine gemeinsame vertragsärztliche Tätigkeit ausgeübt. Von einer "Konservierung" des Patientenstamms könne daher nicht die Rede sein. Wegen des Ruhens der Approbation sei eine Wiederaufnahme der ärztlichen Tätigkeit nicht ersichtlich. Auf einen potentiellen Praxisnachfolger könne nicht abgestellt werden. Hinzu komme, dass sie mittlerweile in Erfahrung gebracht habe, dass der Kläger seit 2007 Wohn- und Praxissitz in der Schweiz habe, womit eine Wiederaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit ausscheide. Die Angriffe gegen das amtsärztliche Gutachten seien unzutreffend.

Mit Urteil vom 17. März 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Eine Zulassungsentziehung erfolge, wenn die Zulassungsvoraussetzungen nicht oder nicht mehr vorlägen, insbesondere beim Fehlen oder dem Entzug der Approbation, dem Fehlen einer Vorbereitungszeit oder Weiterbildung, der Eignung oder der Ausübung einer unzulässigen Tätigkeit. Ein Nichtmehrausüben liege vor, wenn der Vertragsarzt zwar seine Vertragsarzttätigkeit aufgenommen habe, jedoch zu einem späteren Zeitpunkt einstelle. Von einer Ausübung der Tätigkeit könne dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn der Arzt nicht mehr den Willen zur kontinuierlichen Teilnahme an der Versorgung habe, insbesondere wenn er die ihm obliegenden Hauptpflichten wie Behandlung der Versicherten, Abhalten und Anbieten von Sprechstunden sowie Bestellung eines Vertreters bei Abwesenheit über einer Woche nicht mehr erfülle. Ausgehend hiervon seien mit dem Ruhen der Approbation die Zulassungsvoraussetzungen entfallen. Die Anordnung des Ruhens sei aufgrund des vor dem Verwaltungsgericht geschlossenen Vergleichs weiterhin wirksam. Der Kläger habe die darin genannte Voraussetzung für eine Aufhebung des Bescheids trotz späterer Fristverlängerung bis zum 31. März 2008 nicht erfüllt. Die Zulassungsgremien seien an die Entscheidung der Approbationsbehörde gebunden (Hinweis u. a. auf BSG, Urteil vom 5. Februar 2003 - B 6 KA 42/02 R - SozR 4-2500 § 95 Nr. 4, juris Rdnr. 20). Falle die Approbation nachträglich weg, so sei die Zulassung zu entziehen. Der Kläger konnte daher weder zum Zeitpunkt des Beschlusses des Beklagten die Tätigkeit als Vertragsarzt ausüben noch sei er gegenwärtig hierzu berechtigt. Eine Entziehung sei nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur dann unzulässig, wenn eine Verlängerung des Ruhens in Betracht käme. Das bisherige Ruhen der Approbation und die damit einhergehende Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit sei aber kein vorübergehender Zustand. Ein Ruhen nach § 95 Abs. 5 Satz 1 SGB V setze voraus, dass die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit in "angemessener Frist" zu erwarten sei. Es müsse zeitlich fest umreißbar sein, dass und wann dies der Fall sein werde. Der Kläger übe indes seit dem 1. Oktober 2003, also seit über sechs Jahren, eine vertragsärztliche Tätigkeit nicht mehr aus. Die mündliche Verhandlung habe ergeben, dass der Kläger momentan auch nur eine vage Aussicht auf Wiedererlangung einer Berufserlaubnis habe, die ihn nicht zur Tätigkeit als Vertragsarzt berechtigen würde, da Voraussetzung hierfür die Approbation sei. Das Zulassungsrecht setze den approbierten Leistungserbringer voraus. Nach dem Vortrag des Klägers habe er mit der Approbationsbehörde vereinbart, dass ihm nach einer "Wohlverhaltensphase" eine vorläufige Berufserlaubnis zunächst für 12 Monate erteilt und sodann, wenn die Alkoholerkrankung weiterhin nicht bestätigt werde, ihm die Approbation ohne Auflagen zuerkannt werde. Von daher sei auch momentan noch völlig ungewiss, ob überhaupt und ggf. wann der Kläger wieder als Vertragsarzt tätig sein dürfe. Hinzu komme, dass der Kläger sich im Verfahren widersprüchlich erklärt habe, da er einerseits den Praxissitz zur Praxisnachfolge ausschreiben lassen wolle, andererseits er in der mündlichen Verhandlung erklärt habe, er wolle wieder solange tätig sein, bis ihm die Ausschreibung zur Praxisnachfolge, die ihm die Beigeladene zu 1) verwehre, möglich sei. Hinzu komme, dass die vertragsärztliche Tätigkeit des Klägers geendet habe. Nach § 95 Abs. 7 Satz 1 SGB V ende die Zulassung mit dem Wegzug des Berechtigten aus dem Bezirk seines Vertragsarztsitzes kraft Gesetzes. Wegzug sei jede tatsächliche, nicht nur vorübergehende Aufgabe der ärztlichen Niederlassung am Vertragsarztsitz, ohne Rücksicht darauf, ob die Absicht späterer erneuter Niederlassung an diesem Vertragsarztsitz bestehe (Hinweis u. a. auf BSG, Urteil vom 5. November 2003 - B 6 KA 60/03 B - juris Rdnr. 8). Der Kläger habe gegenüber der Sachverständigen Dr. G. in der Untersuchung am 15. April 2009 erklärt, er sei seit 1. Februar 2007 in eigener Praxis in H-Stadt, Kanton Bern, tätig. Damit habe der Kläger nach seinen eigenen Angaben seine ärztliche Tätigkeit als niedergelassener Arzt verlegt. Unerheblich sei hierbei, ob er weiterhin die Absicht habe, an seinem bisherigen Vertragsarztsitz in Zukunft eine vertragsärztliche Tätigkeit wieder aufzunehmen. Ebenso wenig komme es auf die melderechtlichen Verhältnisse an. Bei dieser Sach- und Rechtslage könne dahinstehen, ob auch die Begründung des angefochtenen Beschlusses die Entziehung trage, wonach der Kläger gemäß § 21 Ärzte-ZV ungeeignet für die Ausübung der Kassenpraxis wegen Alkoholabhängigkeit sei.

Gegen das am 23. März 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. April 2010 Berufung eingelegt.

Der Kläger trägt vor, er sei nicht alkoholabhängig und auch nicht aus dem Bezirk des Vertragsarztsitzes weggezogen. Er habe mehrere Wohnsitze. In der Schweiz habe er sich eine kleine Privatpraxis aufgebaut, auch sei er in Teilzeit bei der Schweizer Armee tätig. Er sei aber in A-Stadt polizeilich gemeldet und habe dort gemeinsam mit seiner Ehefrau seinen Praxis- als auch seinen Wohnsitz. Die Gemeinschaftspraxis werde von seiner Ehefrau unverändert weitergeführt. Eine vollständig eingerichtete Praxis mit erhaltenem Patientenstamm warte nur auf die Fortsetzung der vertragsärztlichen Tätigkeit. Er sei in Deutschland nach wie vor unbegrenzt steuerpflichtig und seit Jahren mit der Wahrnehmung einer Professur für Allgemeinmedizin an der Universität A-Stadt betraut. Die Tätigkeit in der Schweiz werde letztlich nur aus wirtschaftlichen Notwendigkeiten ausgeübt. Zwischenzeitlich sei ihm durch Bescheid des Hessischen Landesprüfungs- und Untersuchungsamtes vom 27. September 2010 unter Auflagen eine Berufserlaubnis ab 1. Oktober 2010 zunächst befristet für die Dauer von einem Jahr erteilt und danach die Wiedererteilung der Approbation in Aussicht gestellt worden, nachdem sich bei verschiedenen weiteren Untersuchungen keine Hinweise für eine Abhängigkeitserkrankung gezeigt hätten. Das Ruhen der Approbation könne keine vollständige Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung rechtfertigen, insbesondere dann nicht, wenn die Wiedererlangung der Approbation bereits in Aussicht stehe.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 17. März 2010 sowie den Beschluss des Beklagten vom 7. Oktober 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, über seinen Widerspruch und den der Beigeladenen zu 1) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er führt aus, es sei nach wie vor davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund einer positiv festgestellten Alkoholkrankheit nicht mehr zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit geeignet sei. Ohne jeden Zweifel sei der Kläger im Sinne von § 95 Abs. 7 SGB V weggezogen, denn er habe den Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit in die Schweiz verlegt. Eine Gemeinschaftspraxis mit Frau Dr. J. existiere mit der rechtlichen Beendigung der Berufsausübungsgemeinschaft seit dem 1. April 2009 nicht mehr. Nach Ablauf eines solchen Zeitraums könne von einem noch vorhandenen Praxissubstrat keine Rede mehr sein, zumal bereits vorher die vertragsärztliche Zulassung des Klägers geruht habe und eine "Konservierung" des Patientenstamms durch den Praxispartner nicht vorstellbar sei.

Die Beigeladene zu 1) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die übrigen Beigeladenen stellen keinen Antrag.

Der Senat hat den Kläger im Rahmen eines Erörterungstermins am 7. September 2011 persönlich gehört. Dieser hat mitgeteilt, dass er in der Schweiz nach dem Erwerb der notwendigen Zulassungen in H-Stadt eine ärztliche Praxis eröffnet habe und daneben etwa seit März 2010 freiberuflich als Militärarzt bei der Schweizer Armee im Rahmen der

allgemeinärztlichen Versorgung der Soldaten tätig sei, wobei seine wöchentliche Arbeitszeit hier zwischen 10 bis 20 Stunden schwanke.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Beschlusses des Beklagten vom 7. Oktober 2009. Dieser Beschluss ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Durch den angegriffenen Beschluss ist dem Kläger die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit nach § 95 Abs. 6 SGB V entzogen worden. Die angeordnete Entziehung der Zulassung geht allerdings, wie sich im Laufe des Klageverfahrens herausgestellt hat, ins Leere, da der Kläger zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht mehr im Besitz einer Zulassung als Vertragsarzt war. Diese hat nämlich bereits vorher ihr Ende gefunden. Die Zulassung endet mit dem Wegzug des Berechtigten aus dem Bezirk seines Kassenarztsitzes (§ 95 Abs. 7 Satz 1 SGB V). Das Ende der Zulassung tritt in einem solchen Falle kraft Gesetzes ein; es bedarf keiner Entziehung der Zulassung. Der Zeitpunkt ihres Endes ist durch Beschluss des Zulassungsausschusses lediglich deklaratorisch - festzustellen (§ 28 Abs. 1 S. 3 Ärzte-ZV; vgl. BSG, Urteil vom 24. März 1971, 6 RKa 9/70, SozR Nr. 34 zu § 368a RVO). Als unmittelbar aus dem Gesetz sich ergebende Rechtsfolge ist dieser Tatbestand durch die Gerichte von Amts wegen zu berücksichtigen.

Wegzug ist jede tatsächliche, nicht nur vorübergehende Aufgabe der ärztlichen Niederlassung am Vertragsarztsitz, ohne Rücksicht darauf, ob die Absicht späterer erneuter Niederlassung an diesem Vertragsarztsitz besteht (vgl. BSG, Beschluss vom 5. November 2003, B 6 KA 60/03 B, juris Rdnr. 8; BSG, Urteil vom 24. März 1971, 6 RKa 9/70, a. a. O.). Auf subjektive Vorstellungen des Vertragsarztes kommt es nicht an; ein Wille des Wegziehenden zur Aufhebung des bisherigen Vertragsarztsitzes ist nicht notwendig (vgl. BSG, Beschluss vom 5. November 2003, a. a. O.).

Hiernach liegt bei dem Kläger seit 1. Februar 2007 ein zum Wegfall der Zulassung führender Wegzug im Sinne des Gesetzes vor. Der Kläger konnte infolge des Ruhens der Approbation die ärztliche Tätigkeit am Vertragsarztsitz in A-Stadt nicht mehr ausüben. Aus diesem Grund hat sich der Kläger aus A-Stadt wegbegeben und übt seit 1. Februar 2007 die Tätigkeit als Arzt in eigener Praxis in der Schweiz aus. Der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. hat der Kläger im Rahmen der psychiatrischen Begutachtung am 15. April 2009 mitgeteilt, er sei nach der Trennung von seiner Ehefrau und dem Verlust der Zulassung als Arzt in die Schweiz gegangen. In der Schweiz habe er am 24. Januar 2006 die Anerkennung für das Arztdiplom erhalten und anschließend noch weitere, im Gutachten von Frau Dr. G. im Einzelnen aufgelistete Zusatzqualifikationen erworben. Am 8. Januar 2007 sei ihm die Bewilligung zur Berufsausübung und eine ordentliche Zulassung zur Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung im Kanton Bern erteilt worden; seit 1. Februar 2007 übe er kontinuierlich die ärztliche Tätigkeit in eigener Praxis in H-Stadt, Kanton Bern, aus. Im amtsärztlichen Gutachten der Ärztin für Psychiatrie Dr. F. vom 22. Juli 2009 wird im Rahmen der Sozial- und Berufsanamnese berichtet, der Kläger sei 2007 aus dem gemeinsamen Haus der Ehegatten ausgezogen und wohne seitdem alleine im eigenen Haus bei Bern. Im Erörterungstermin vor dem Senat hat der Kläger die kontinuierliche Ausübung einer selbständigen Berufstätigkeit als Arzt in der Schweiz nochmals bestätigt. Darüber hinaus hat der Kläger nach seinen Angaben im Erörterungstermin etwa im März 2010 eine zusätzliche Tätigkeit als Arzt bei der Schweizer Armee übernommen und ist hier auf freiberuflicher Basis zwischen 10 und 20 Stunden in der Woche tätig. Diese Daten zeigen, dass sich der Kläger in der Schweiz als Arzt dauerhaft beruflich integriert hat. Damit ist der Tatbestand des Wegzugs aus dem Bezirk seines Kassenarztsitzes erfüllt, ohne dass es darauf ankommt, ob der Kläger auch nach 2007 seinen Wohnsitz in A Stadt beibehalten hat. Maßgeblich für den Wegzug ist allein die Aufgabe der ärztlichen Niederlassung unter der konkreten Praxisanschrift; die Aufgabe des Wohnsitzes im Sinne des § 7 BGB ist dagegen ohne Bedeutung (vgl. Schallen, Ärzte-ZV, 7. Aufl. 2009, § 28 Rdnr. 14). Ebenso wenig von Belang ist der Vortrag des Klägers, dass die Praxis weiterhin existiere und die "baulichen und betriebstechnischen Mittel" ihm bzw. ihm und seiner Ehefrau gehörten. Der Kläger selbst führt in A-Stadt schon seit Jahren keine ärztliche Praxis mehr. Ein solcher Tatbestand liegt lediglich in Bezug auf seine Ehefrau vor, die in A-Stadt über einen Vertragsarztsitz verfügt. Die insoweit bestehenden Eigentums- oder Besitzverhältnisse an den Räumlichkeiten und dem Mobiliar sind für § 95 Abs. 7 SGB V indes nicht maßgeblich, sondern die tatsächliche persönliche Ausübung der beruflichen Tätigkeit in freier Praxis (vgl. § 32 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV). Unerheblich ist auch der etwaige Wille des Klägers, eine ärztliche Tätigkeit in A-Stadt wieder aufzunehmen. Auf die Beweisanträge des Klägers in der mündlichen Verhandlung kommt es deshalb nicht an. Der Vortrag des Klägers zielt darauf, dass ihm durch den Entzug der Approbation die weitere Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit in A-Stadt unmöglich gemacht worden und die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit in der Schweiz insoweit wirtschaftlichen Notwendigkeiten geschuldet ist, der insoweit "erzwungene" Weggang ihm jedoch nicht als Wegzug entgegengehalten werden dürfe. Diese Betrachtungsweise entspricht nicht dem Gesetz, welches das Ende der Zulassung an die tatsächliche Ausübung der ärztlichen Tätigkeit an einem anderen Ort als dem der Zulassung anknüpft.

Angesichts dieser Sachlage sind die Voraussetzungen für eine Umdeutung des Beschlusses des Beklagten nach § 43 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) erfüllt. Die Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsakts in einen anderen Verwaltungsakt setzt voraus, dass der Verwaltungsakt, in den umgedeutet wird, auf das gleiche Ziel gerichtet ist, in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig erlassen werden könnte und die Voraussetzungen für den Erlass dieses Verwaltungsakts erfüllt sind. Dabei sind die Grundsätze des § 43 SGB X auch im gerichtlichen Verfahren anwendbar (BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 25 S 42 f.; SozR 3-3660 § 1 Nr. 1 S 3). Vorliegend hat der Beklagte die Entziehung der Zulassung nach § 95 Abs. 6 SGB V angeordnet. Die Entziehung bewirkt den Verlust des Status als Vertragsarzt. Die gleiche Rechtsfolge ordnet § 95 Abs. 7 SGB V für den Fall des Wegzugs des Vertragsarztes an. Der Zulassungsausschuss hat dies durch Beschluss festzustellen (§ 28 Abs. 1 S. 3 Ärzte-ZV). Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nach § 44 Ärzte-ZV wächst diese Kompetenz dem Beklagten zu; denn mit seiner Anrufung wird der Berufungsausschuss für die streitbefangene Zulassungssache ausschließlich zuständig und behält diese Zuständigkeit bis zur rechtsverbindlichen Erledigung des Verfahrens (Schallen, Ärzte-ZV, § 44 Rdnr. 4). Die danach zulässige Umdeutung der Entziehung der Zulassung in die kraft Gesetzes eingetretene Beendigung der Zulassung infolge Wegzugs des Klägers widerspricht auch nicht der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde (§ 44 Abs. 2 S. 1 SGB X), denn der Beklagte hat im gerichtlichen Verfahren und nochmals in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass er seine Entscheidung auch auf die Tatsache des Wegzugs stütze.

Nur ergänzend weist der Senat daher darauf hin, dass er die Ausführungen des Sozialgerichts zur Rechtmäßigkeit der Entziehung der Zulassung wegen der ruhenden Approbation insbesondere vor dem Hintergrund der jüngsten Rechtsprechung des BSG für zutreffend erachtet. Eine uneingeschränkte Approbation ist nach § 95 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 i. V. m. § 95a Abs. 1 Nr. 1 SGB V Voraussetzung für eine Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Ihr Wegfall rechtfertigt nach § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V die Entziehung der Zulassung. Dass der Kläger, wie er vorträgt, im Anschluss an die befristete Berufserlaubnis die Approbation im November 2011 wiedererlangt hat, ändert hieran nichts. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung über die Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich (BSG, Beschluss vom 17. August 2011, B 6 KA 18/11, juris Rdnr. 11; BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr. 9). Ist die Zulassungsentziehung aus Rechtsgründen geboten, kommt es auf ein etwaiges Wohlverhalten des Klägers nach Ergehen der Entscheidung des Berufungsausschusses nicht an (BSG a. a. O. Rdnr. 12).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 2, 163 Abs. 3 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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