Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
30
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 R 1248/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 798/14
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 13.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2012 zu der bescheidsmäßigen Feststellung verurteilt, dass der Beigeladene seine Aufgaben für die Klägerin in selbstständiger Tätigkeit erbringt.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und des Beigeladenen sowie die Gerichtskosten.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist der versicherungsrechtliche Status des Beigeladenen. Die klagende Firma beantragte am 25.07.2011 bei der Beklagten, den sozialversicherungsrechtlichen Status des am XX.XX.1954 geborenen Beigeladenen in einer Tätigkeit auf den Feldern der hauswirtschaftlichen Versorgung, der Grundpflege und der Rundumbetreuung festzustellen. Vorgelegt wurde ein ab 20.12.2008 gültiger unbefristeter Vertrag über "freie Mitarbeit", worin sich der Beigeladene zur persönlichen Erbringung der Arbeitsleistung gegen ein pro Einsatztag bzw. Einsatzstunde fälliges Honorar gegen monatliche Rechnung verpflichtet. Die Ausgestaltung der Arbeitszeit war frei; dem Beigeladenen war eine Arbeit für andere Auftraggeber mit Ausnahme unmittelbarer Konkurrenzfirmen freigestellt. Zwei ähnliche (sehr stichwortartig gehaltene) Verträge zwischen dem Beigeladenen und anderen Betreuungsunternehmen wurden ebenfalls vorgelegt, außer-dem ein Mustervertrag zwischen einer pflegebedürftigen Dame und dem Beigeladenen. Der Beigeladene bezog aufgrund eines Antrages vom 24.08.2008 einen Existenzgründer-zuschuss für ein unternehmerisches Profil der 24-Stunden-Rundumpflege und -betreuung. Im Antrag nahm er auf fachbezogene Fortbildungen Bezug. Im Formblattantrag zur Statusfeststellung gab der Beigeladene weitere Erläuterungen. Er umriss seine Tätigkeit mit hauswirtschaftlicher Betreuung (Reinigung, Wäschewaschen, Essen zubereiten, einkaufen), Grundpflege der Patienten im häuslichen Bereich (waschen), Betreuung und Beschäftigung. Ihm würden keine Vorgaben gemacht; er teile sich seinen täglichen Arbeitsablauf selbst ein und führe eine Patientendokumentation, die vom Auftraggeber kontrolliert werde. Die Tätigkeiten würden ausschließlich im häuslichen Bereich der zu betreuenden Person ausgeübt. In der Regel erfolge die Betreuung bis zum Tode der Person. Er nehme weder an Dienstbesprechungen noch an Schulungen teil und habe mit anderen Mitarbeitern des Auftraggebers keinen Kontakt. Seine Einsätze koordiniere er mit einem zweiten freien Mitarbeiter. Alle Arbeitsmittel würden über Krankenkasse, Betreuer und Angehörige vom Patienten zur Verfügung gestellt, so dass er keinen Kapitaleinsatz aufbringe. Der Beigeladene legte eine Vielzahl entsprechender an die Klägerin und an andere Firmen gerichteter Rechnungen bei. Einzelne Rechnungen waren auch an pflegebedürftige Personen bzw. deren Angehörige gerichtet. Mit Schreiben vom 14.11.2011 hörte die Beklagte die Klägerin und den Beigeladenen zu ihrer Absicht an, die Tätigkeit des Beigeladenen von Beginn an als abhängige und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) festzustellen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses überwögen nach Ein-zelfallprüfung diejenigen einer selbstständigen Tätigkeit. Die zu erbringende Leistung sei vertraglich so detailliert geregelt, dass für den Auftragnehmer kein relevanter Handlungs-spielraum verbleibe. Obwohl die vertraglichen Regelungen eine freie Gestaltung der Ar-beitszeit vorsähen, sei diese Gestaltungsmöglichkeit faktisch durch den Bedarf der zu betreuenden Person begrenzt. Durch den Auftrag werde der Ort der Leistungserbringung vom Auftraggeber vorgegeben. Es werde eine erfolgsunabhängige Vergütung auf der Basis von Tagessätzen bezahlt. Der Auftragnehmer rechne nicht selbst mit den Patienten ab. Es würden weder eigenes Kapital noch eigene Arbeitsmittel in erheblichem Umfang ein-gesetzt. Gegenvorstellungen der Klägerin vom 24.11.2011 verwiesen auf die Freiheit des Beigeladenen in der Auswahl der zu betreuenden Personen und auf die Freiheit der zeitlichen Gestaltung. Hinsichtlich der Möglichkeit, den erteilten Auftrag an Dritte weiterzugeben, diene die vertragliche Beschränkung nur der Sicherheit der zu betreuenden Menschen. (Nur) bei Negativeinträgen ins Führungszeugnis könne die Klägerin einer Weitergabe von Aufträgen nicht zustimmen.
Der Beigeladene verwies nochmals auf seine Auftragsverhältnisse mit mehreren Firmen und verwies auf die Handhabung beim Finanzamt mit Entrichtung von Mehrwertsteuer und von Einkommensteuer aufgrund selbstständiger Tätigkeit. Er setze auch seinen Pkw für seine Tätigkeit ein und fahre damit mit seinem Patienten zu Ärzten, kaufe ein, führe Spazierfahrten durch und bekomme dafür weder von der Klägerin noch von den Patienten Leistungen. Mit Bescheiden vom 13.12.2011 stellte die Beklagte dennoch fest, dass der Beigeladene seine Tätigkeit für die Klägerin im Rahmen eines dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Ihm verbleibe angesichts der detaillierten vertraglichen Regelungen kein relevanter Handlungsspielraum. Die Gestaltungsmöglichkeit der Arbeitszeit sei trotz freier Gestaltung laut Vertrag faktisch durch den Bedarf der zu betreuenden Person begrenzt. Der Auftragnehmer rechne nicht selbst mit den Patienten ab. Es sei eine Patientendokumentation zu führen, die vom Auftraggeber kontrolliert wird. Die Einsätze seien mit einem weiteren Mitarbeiter zu koordinieren. Eigenes Kapital oder eigene Arbeitsmittel würden nicht in erheblichem Umfang eingesetzt. Die Einwendungen in der Anhörung begründeten keine Zweifel an der Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers. Die Tatsache, dass angebotene Aufträge angenommen oder abgelehnt werden können, begründe noch keine selbstständige Tätigkeit. Jeder Erwerbstätige, unabhängig davon, ob es sich um einen abhängig Beschäftigten oder einen Selbstständigen handelt, könne eigenständig entscheiden, ob er das vorgelegte Vertragsangebot bzw. den vorgelegten Arbeitsvertrag akzeptiert. Dieses Merkmal sei für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status von untergeordneter Bedeutung. Die Nutzung des eigenen Pkw könne nicht als Kapitaleinsatz angesehen werden. Sie obliege oftmals auch abhängig Beschäftigten für die Fahrt zur Arbeit. Die Klägerin und der Beigeladene erhoben hiergegen mit nochmaliger ausführlicher Darstellung der Situation Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheiden vom 23.05.2012 wies die Beklagte die Widersprüche in aus-führlicher Darstellung des Sach- und Rechtslage zurück. Sie hielt wegen der Vorgabe ei-nes zeitlichen Rahmens aufgrund der Bedürfnisse der zu pflegenden Personen an ihrer Einschätzung fest, dass die Klägerin die Arbeitszeit des Beigeladenen bestimme. Ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit sei das mit dem Einsatz eigenen Kapitals verbundene erhebliche Unternehmerrisiko. Dieses sei zum einen durch den Einsatz finanzieller Mittel geprägt, zum anderen auch durch das Risiko des Einsatzes der eigenen Ar-beitskraft, wenn offen bleibe, ob der Arbeitende für seine Tätigkeit überhaupt Entgelt er-halte. Unternehmerische Tätigkeit zeichne sich dadurch aus, dass sowohl Risiken übernommen würden als auch gleichzeitig Chancen eröffnet würden. Die Klage wiederholt die im Anhörung- und Widerspruchsverfahren vorgebrachten Argumente. Außerdem wird zu bedenken gegeben, - dass der Beigeladene seine Honorare frei verhandelt und dabei wesentlich auf die Leistungsfähigkeit der zu betreuenden Personen abstellt, - dass der Beigeladene eigene Mittel in Form des eigenen PKW zur Erfüllung der ihm erteilten Aufträge einsetzt, - dass der Beigeladene bei Verhinderung selbst für eine Vertretung sorgt, - dass der Beigeladene eine eigene Berufshaftpflichtversicherung unterhält - und dass der Beigeladene auf eigene Kosten Fort- und Weiterbildung betreibt. In der mündlichen Verhandlung wurden zusätzliche Erläuterungen abgegeben. Hiernach fragt der Beigeladene nach Maßgabe eigener zeitlicher Kapazitäten bei der Klägerin wegen möglicher neuer Auftraggeber an. Die Klägerin schlägt dem Beigeladenen dann den einen oder anderen für die Betreuungsvereinbarung geeigneten demenzkranken Patienten vor. Der Betreuungsvertrag wird zwischen Klägerin und Patienten abgeschlossen. Die Klägerin hat einen Versorgungsvertrag mit Pflegeheimen. Die Klägerin hat unabhängig von der Auftragsvergabe an freie Mitarbeiter auch mehr als hundert Angestellte.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2012 zu der bescheidsmäßigen Feststellung zu verurteilen, dass der Beigeladene seine Aufgaben für die Klägerin in selbstständiger Tätigkeit erbringt.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat die Akten der Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsver-fahrens form- und fristgerecht beim zuständigen Gericht erhoben und ist somit zulässig. Sie ist auch begründet. § 7 a Abs. 1 S. 1 SGB IV ermöglicht ein Anfrageverfahren über die Frage einer strittigen Beschäftigung in Abgrenzung zu einer selbstständigen Tätigkeit. Abs. 1 S. 3 der Vorschrift begründet eine bundesweite Sonderzuständigkeit der Beklagten für entsprechende Statusfeststellungen. Nach Abs. 2 der Vorschrift entscheidet die Beklagte aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt. Die Beklagte übersieht nicht zum ersten Mal, dass verschiedene Kriterien eines unternehmerischen Profils unergiebig für die Beurteilung der beruflichen Position von selbst-ständigen Dienstleistern sind, die in der modernen Volkswirtschaft in beratender, vortra-gender, lehrender, unterhaltender, bewachender, behandelnder oder pflegender Funktion typischerweise ambulant tätig sind oder die einzelne Gestaltungs-, Konstruktions- und Reparaturaufträge vor Ort erfüllen. Seminarleiter, Kabarettisten, Musiker, Steuerberater oder Software-Dienstleister rechnen nach Stunden ab und tragen kein Risiko des Entgeltausfalls nach Ableistung der jeweiligen Zeiteinheiten. Ein solches Bild von Selbstständigkeit ist dem Gesetz nicht fremd. Auch die in § 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) als selbstständig vorausgesetzten Lehrer, Erzieher und Pflegepersonen erbringen ihre Leis-tungen nämlich nicht in jener Ungewissheit eines finanziellen Erfolges, wie sie etwa für Buchautoren, Teilnehmer an Architektenwettbewerben, Modedesigner, Ladeninhaber oder Gastronomen typisch ist, die tatsächlich im Vorhinein nicht einschätzen können, ob sich Verlage, Bauherren, kaufende Kundschaft bzw. Gäste für ihre Produkte und Leistungen interessieren werden. Die genannten Lehrer, Erzieher und Pflegepersonen sind aber genauso wenig wie Friseure, in privaten Wohnhäusern mit Reparaturen befasste Handwerker, Zahnärzte oder Psychotherapeuten allein schon deshalb abhängig beschäftigt, weil ihnen die abgeleistete Arbeitsstunde einen Vergütungs- oder Honoraranspruch garantiert. Für abhängig beschäftigte Personen ist die Verbindlichkeit von Weisungen des Auftraggebers über die Arbeitszeiten typisch. Zeitliche Bindungen aufgrund der spezifischen Besonderheiten der jeweiligen Dienstleistungen stehen aber solchen hierarchischen Weisungen nicht gleich.
Selbstverständlich muss der für einen gewissen Tag gebuchte Kommunikationstrainer, Gesundheitsberater, nebenamtliche Fachhochschullehrer, Prüfer der Feuerlösch- oder Aufzugtechnik, zur Information eines Gemeinderats herangezogene Architekt oder der Bestattungsredner die zuvor getroffenen Terminvereinbarungen beachten, und selbstver-ständlich unterliegt die Erfüllung von Verpflichtungen im weitesten Bereich des Schul-, Transport-, Betreuungs- und Bewachungswesens ihren eigenen zeitlichen Gesetzmäßig-keiten, nicht jedoch jener vertraglich eingeräumten Weisungsbefugnis, die beispielsweise der Schichtarbeiter kennt, dem der Dienstplan für die nächste Woche vorgelegt wird. Das Kriterium des Kapitaleinsatzes ist bei vielen Dienstleistern geradezu typischerweise unergiebig. Nachhilfelehrer, Unternehmensberater, Versicherungsvermittler, Unterhaltungskünstler oder Vortragsreisende besitzen außer ihren geistig-sprachlich-stimmlichen Kompetenzen lediglich eine kommerziell kaum bezifferbare eng auf die eigene Person zugeschnittene Arbeitsausrüstung in Form von Skripten, Software und Literatur; das tendenziell spekulative Element eines unter Risikoabwägung eingesetzten Kapitals entfällt und ist demgemäß für die Definition von Selbstständigkeit nicht generell brauchbar. Der Beigeladene konnte dem Gericht ein anschauliches und stimmiges Bild einer höchst eigenverantwortlichen und sehr spezialisierten Dienstleistung vermitteln, die zwischen der stundenmäßige eng begrenzten ambulanten Pflege einer noch weithin kompetenten Person und der stationären Pflege eines gänzlich hilflosen Menschen ihren eigenen Platz hat. Der Verdacht auf eine Fiktion von Selbstständigkeit zur Vermeidung einer Versicherungs-pflicht wird durch die Information ausgeräumt, dass die Klägerin mehr als hundert Pflege-kräfte abhängig und versicherungspflichtig beschäftigt und nur in ausgewählten Fällen den freien Mitarbeiter einschaltet. Diesem gegenüber wird sie nicht als Arbeitgeberin tätig, sondern als Agentur zur Vermittlung einer freien Dienstleistung. Der Beigeladene ist gerade nicht wie von der Beklagten behauptet in die betriebliche Organisation der Klägerin einbezogen, sondern arbeitet in einem speziellen Feld, das von dieser Organisation nicht abgedeckt werden kann. Fehlerhaft ist die Verneinung eines Unternehmerrisikos beim Beigeladenen. Zwar erbringt er seine Dienstleistungen nicht in der Ungewissheit einer Bezahlung, wohl aber ohne die Garantie weiterer Aufträge im gewohnten und eingeplanten Umfang. Jedes Versagen in einem so überaus verantwortlichen und fehleranfälligen Arbeitsfeld, ebenso aber auch bereits jeder begründete oder nicht begründete Verdacht auf ein Fehlverhalten, würde die Klägerin und die zu betreuenden Personen veranlassen, auf die Dienste des Beigeladenen zu verzichten. Die Kostenentscheidungen beruhen auf §§ 193 und 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 154–162 Verwaltungsgerichtsordnung.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und des Beigeladenen sowie die Gerichtskosten.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist der versicherungsrechtliche Status des Beigeladenen. Die klagende Firma beantragte am 25.07.2011 bei der Beklagten, den sozialversicherungsrechtlichen Status des am XX.XX.1954 geborenen Beigeladenen in einer Tätigkeit auf den Feldern der hauswirtschaftlichen Versorgung, der Grundpflege und der Rundumbetreuung festzustellen. Vorgelegt wurde ein ab 20.12.2008 gültiger unbefristeter Vertrag über "freie Mitarbeit", worin sich der Beigeladene zur persönlichen Erbringung der Arbeitsleistung gegen ein pro Einsatztag bzw. Einsatzstunde fälliges Honorar gegen monatliche Rechnung verpflichtet. Die Ausgestaltung der Arbeitszeit war frei; dem Beigeladenen war eine Arbeit für andere Auftraggeber mit Ausnahme unmittelbarer Konkurrenzfirmen freigestellt. Zwei ähnliche (sehr stichwortartig gehaltene) Verträge zwischen dem Beigeladenen und anderen Betreuungsunternehmen wurden ebenfalls vorgelegt, außer-dem ein Mustervertrag zwischen einer pflegebedürftigen Dame und dem Beigeladenen. Der Beigeladene bezog aufgrund eines Antrages vom 24.08.2008 einen Existenzgründer-zuschuss für ein unternehmerisches Profil der 24-Stunden-Rundumpflege und -betreuung. Im Antrag nahm er auf fachbezogene Fortbildungen Bezug. Im Formblattantrag zur Statusfeststellung gab der Beigeladene weitere Erläuterungen. Er umriss seine Tätigkeit mit hauswirtschaftlicher Betreuung (Reinigung, Wäschewaschen, Essen zubereiten, einkaufen), Grundpflege der Patienten im häuslichen Bereich (waschen), Betreuung und Beschäftigung. Ihm würden keine Vorgaben gemacht; er teile sich seinen täglichen Arbeitsablauf selbst ein und führe eine Patientendokumentation, die vom Auftraggeber kontrolliert werde. Die Tätigkeiten würden ausschließlich im häuslichen Bereich der zu betreuenden Person ausgeübt. In der Regel erfolge die Betreuung bis zum Tode der Person. Er nehme weder an Dienstbesprechungen noch an Schulungen teil und habe mit anderen Mitarbeitern des Auftraggebers keinen Kontakt. Seine Einsätze koordiniere er mit einem zweiten freien Mitarbeiter. Alle Arbeitsmittel würden über Krankenkasse, Betreuer und Angehörige vom Patienten zur Verfügung gestellt, so dass er keinen Kapitaleinsatz aufbringe. Der Beigeladene legte eine Vielzahl entsprechender an die Klägerin und an andere Firmen gerichteter Rechnungen bei. Einzelne Rechnungen waren auch an pflegebedürftige Personen bzw. deren Angehörige gerichtet. Mit Schreiben vom 14.11.2011 hörte die Beklagte die Klägerin und den Beigeladenen zu ihrer Absicht an, die Tätigkeit des Beigeladenen von Beginn an als abhängige und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) festzustellen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses überwögen nach Ein-zelfallprüfung diejenigen einer selbstständigen Tätigkeit. Die zu erbringende Leistung sei vertraglich so detailliert geregelt, dass für den Auftragnehmer kein relevanter Handlungs-spielraum verbleibe. Obwohl die vertraglichen Regelungen eine freie Gestaltung der Ar-beitszeit vorsähen, sei diese Gestaltungsmöglichkeit faktisch durch den Bedarf der zu betreuenden Person begrenzt. Durch den Auftrag werde der Ort der Leistungserbringung vom Auftraggeber vorgegeben. Es werde eine erfolgsunabhängige Vergütung auf der Basis von Tagessätzen bezahlt. Der Auftragnehmer rechne nicht selbst mit den Patienten ab. Es würden weder eigenes Kapital noch eigene Arbeitsmittel in erheblichem Umfang ein-gesetzt. Gegenvorstellungen der Klägerin vom 24.11.2011 verwiesen auf die Freiheit des Beigeladenen in der Auswahl der zu betreuenden Personen und auf die Freiheit der zeitlichen Gestaltung. Hinsichtlich der Möglichkeit, den erteilten Auftrag an Dritte weiterzugeben, diene die vertragliche Beschränkung nur der Sicherheit der zu betreuenden Menschen. (Nur) bei Negativeinträgen ins Führungszeugnis könne die Klägerin einer Weitergabe von Aufträgen nicht zustimmen.
Der Beigeladene verwies nochmals auf seine Auftragsverhältnisse mit mehreren Firmen und verwies auf die Handhabung beim Finanzamt mit Entrichtung von Mehrwertsteuer und von Einkommensteuer aufgrund selbstständiger Tätigkeit. Er setze auch seinen Pkw für seine Tätigkeit ein und fahre damit mit seinem Patienten zu Ärzten, kaufe ein, führe Spazierfahrten durch und bekomme dafür weder von der Klägerin noch von den Patienten Leistungen. Mit Bescheiden vom 13.12.2011 stellte die Beklagte dennoch fest, dass der Beigeladene seine Tätigkeit für die Klägerin im Rahmen eines dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Ihm verbleibe angesichts der detaillierten vertraglichen Regelungen kein relevanter Handlungsspielraum. Die Gestaltungsmöglichkeit der Arbeitszeit sei trotz freier Gestaltung laut Vertrag faktisch durch den Bedarf der zu betreuenden Person begrenzt. Der Auftragnehmer rechne nicht selbst mit den Patienten ab. Es sei eine Patientendokumentation zu führen, die vom Auftraggeber kontrolliert wird. Die Einsätze seien mit einem weiteren Mitarbeiter zu koordinieren. Eigenes Kapital oder eigene Arbeitsmittel würden nicht in erheblichem Umfang eingesetzt. Die Einwendungen in der Anhörung begründeten keine Zweifel an der Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers. Die Tatsache, dass angebotene Aufträge angenommen oder abgelehnt werden können, begründe noch keine selbstständige Tätigkeit. Jeder Erwerbstätige, unabhängig davon, ob es sich um einen abhängig Beschäftigten oder einen Selbstständigen handelt, könne eigenständig entscheiden, ob er das vorgelegte Vertragsangebot bzw. den vorgelegten Arbeitsvertrag akzeptiert. Dieses Merkmal sei für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status von untergeordneter Bedeutung. Die Nutzung des eigenen Pkw könne nicht als Kapitaleinsatz angesehen werden. Sie obliege oftmals auch abhängig Beschäftigten für die Fahrt zur Arbeit. Die Klägerin und der Beigeladene erhoben hiergegen mit nochmaliger ausführlicher Darstellung der Situation Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheiden vom 23.05.2012 wies die Beklagte die Widersprüche in aus-führlicher Darstellung des Sach- und Rechtslage zurück. Sie hielt wegen der Vorgabe ei-nes zeitlichen Rahmens aufgrund der Bedürfnisse der zu pflegenden Personen an ihrer Einschätzung fest, dass die Klägerin die Arbeitszeit des Beigeladenen bestimme. Ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit sei das mit dem Einsatz eigenen Kapitals verbundene erhebliche Unternehmerrisiko. Dieses sei zum einen durch den Einsatz finanzieller Mittel geprägt, zum anderen auch durch das Risiko des Einsatzes der eigenen Ar-beitskraft, wenn offen bleibe, ob der Arbeitende für seine Tätigkeit überhaupt Entgelt er-halte. Unternehmerische Tätigkeit zeichne sich dadurch aus, dass sowohl Risiken übernommen würden als auch gleichzeitig Chancen eröffnet würden. Die Klage wiederholt die im Anhörung- und Widerspruchsverfahren vorgebrachten Argumente. Außerdem wird zu bedenken gegeben, - dass der Beigeladene seine Honorare frei verhandelt und dabei wesentlich auf die Leistungsfähigkeit der zu betreuenden Personen abstellt, - dass der Beigeladene eigene Mittel in Form des eigenen PKW zur Erfüllung der ihm erteilten Aufträge einsetzt, - dass der Beigeladene bei Verhinderung selbst für eine Vertretung sorgt, - dass der Beigeladene eine eigene Berufshaftpflichtversicherung unterhält - und dass der Beigeladene auf eigene Kosten Fort- und Weiterbildung betreibt. In der mündlichen Verhandlung wurden zusätzliche Erläuterungen abgegeben. Hiernach fragt der Beigeladene nach Maßgabe eigener zeitlicher Kapazitäten bei der Klägerin wegen möglicher neuer Auftraggeber an. Die Klägerin schlägt dem Beigeladenen dann den einen oder anderen für die Betreuungsvereinbarung geeigneten demenzkranken Patienten vor. Der Betreuungsvertrag wird zwischen Klägerin und Patienten abgeschlossen. Die Klägerin hat einen Versorgungsvertrag mit Pflegeheimen. Die Klägerin hat unabhängig von der Auftragsvergabe an freie Mitarbeiter auch mehr als hundert Angestellte.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2012 zu der bescheidsmäßigen Feststellung zu verurteilen, dass der Beigeladene seine Aufgaben für die Klägerin in selbstständiger Tätigkeit erbringt.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat die Akten der Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsver-fahrens form- und fristgerecht beim zuständigen Gericht erhoben und ist somit zulässig. Sie ist auch begründet. § 7 a Abs. 1 S. 1 SGB IV ermöglicht ein Anfrageverfahren über die Frage einer strittigen Beschäftigung in Abgrenzung zu einer selbstständigen Tätigkeit. Abs. 1 S. 3 der Vorschrift begründet eine bundesweite Sonderzuständigkeit der Beklagten für entsprechende Statusfeststellungen. Nach Abs. 2 der Vorschrift entscheidet die Beklagte aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt. Die Beklagte übersieht nicht zum ersten Mal, dass verschiedene Kriterien eines unternehmerischen Profils unergiebig für die Beurteilung der beruflichen Position von selbst-ständigen Dienstleistern sind, die in der modernen Volkswirtschaft in beratender, vortra-gender, lehrender, unterhaltender, bewachender, behandelnder oder pflegender Funktion typischerweise ambulant tätig sind oder die einzelne Gestaltungs-, Konstruktions- und Reparaturaufträge vor Ort erfüllen. Seminarleiter, Kabarettisten, Musiker, Steuerberater oder Software-Dienstleister rechnen nach Stunden ab und tragen kein Risiko des Entgeltausfalls nach Ableistung der jeweiligen Zeiteinheiten. Ein solches Bild von Selbstständigkeit ist dem Gesetz nicht fremd. Auch die in § 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) als selbstständig vorausgesetzten Lehrer, Erzieher und Pflegepersonen erbringen ihre Leis-tungen nämlich nicht in jener Ungewissheit eines finanziellen Erfolges, wie sie etwa für Buchautoren, Teilnehmer an Architektenwettbewerben, Modedesigner, Ladeninhaber oder Gastronomen typisch ist, die tatsächlich im Vorhinein nicht einschätzen können, ob sich Verlage, Bauherren, kaufende Kundschaft bzw. Gäste für ihre Produkte und Leistungen interessieren werden. Die genannten Lehrer, Erzieher und Pflegepersonen sind aber genauso wenig wie Friseure, in privaten Wohnhäusern mit Reparaturen befasste Handwerker, Zahnärzte oder Psychotherapeuten allein schon deshalb abhängig beschäftigt, weil ihnen die abgeleistete Arbeitsstunde einen Vergütungs- oder Honoraranspruch garantiert. Für abhängig beschäftigte Personen ist die Verbindlichkeit von Weisungen des Auftraggebers über die Arbeitszeiten typisch. Zeitliche Bindungen aufgrund der spezifischen Besonderheiten der jeweiligen Dienstleistungen stehen aber solchen hierarchischen Weisungen nicht gleich.
Selbstverständlich muss der für einen gewissen Tag gebuchte Kommunikationstrainer, Gesundheitsberater, nebenamtliche Fachhochschullehrer, Prüfer der Feuerlösch- oder Aufzugtechnik, zur Information eines Gemeinderats herangezogene Architekt oder der Bestattungsredner die zuvor getroffenen Terminvereinbarungen beachten, und selbstver-ständlich unterliegt die Erfüllung von Verpflichtungen im weitesten Bereich des Schul-, Transport-, Betreuungs- und Bewachungswesens ihren eigenen zeitlichen Gesetzmäßig-keiten, nicht jedoch jener vertraglich eingeräumten Weisungsbefugnis, die beispielsweise der Schichtarbeiter kennt, dem der Dienstplan für die nächste Woche vorgelegt wird. Das Kriterium des Kapitaleinsatzes ist bei vielen Dienstleistern geradezu typischerweise unergiebig. Nachhilfelehrer, Unternehmensberater, Versicherungsvermittler, Unterhaltungskünstler oder Vortragsreisende besitzen außer ihren geistig-sprachlich-stimmlichen Kompetenzen lediglich eine kommerziell kaum bezifferbare eng auf die eigene Person zugeschnittene Arbeitsausrüstung in Form von Skripten, Software und Literatur; das tendenziell spekulative Element eines unter Risikoabwägung eingesetzten Kapitals entfällt und ist demgemäß für die Definition von Selbstständigkeit nicht generell brauchbar. Der Beigeladene konnte dem Gericht ein anschauliches und stimmiges Bild einer höchst eigenverantwortlichen und sehr spezialisierten Dienstleistung vermitteln, die zwischen der stundenmäßige eng begrenzten ambulanten Pflege einer noch weithin kompetenten Person und der stationären Pflege eines gänzlich hilflosen Menschen ihren eigenen Platz hat. Der Verdacht auf eine Fiktion von Selbstständigkeit zur Vermeidung einer Versicherungs-pflicht wird durch die Information ausgeräumt, dass die Klägerin mehr als hundert Pflege-kräfte abhängig und versicherungspflichtig beschäftigt und nur in ausgewählten Fällen den freien Mitarbeiter einschaltet. Diesem gegenüber wird sie nicht als Arbeitgeberin tätig, sondern als Agentur zur Vermittlung einer freien Dienstleistung. Der Beigeladene ist gerade nicht wie von der Beklagten behauptet in die betriebliche Organisation der Klägerin einbezogen, sondern arbeitet in einem speziellen Feld, das von dieser Organisation nicht abgedeckt werden kann. Fehlerhaft ist die Verneinung eines Unternehmerrisikos beim Beigeladenen. Zwar erbringt er seine Dienstleistungen nicht in der Ungewissheit einer Bezahlung, wohl aber ohne die Garantie weiterer Aufträge im gewohnten und eingeplanten Umfang. Jedes Versagen in einem so überaus verantwortlichen und fehleranfälligen Arbeitsfeld, ebenso aber auch bereits jeder begründete oder nicht begründete Verdacht auf ein Fehlverhalten, würde die Klägerin und die zu betreuenden Personen veranlassen, auf die Dienste des Beigeladenen zu verzichten. Die Kostenentscheidungen beruhen auf §§ 193 und 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 154–162 Verwaltungsgerichtsordnung.
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