L 8 AL 5810/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AL 2437/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 5810/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Vermutungsregelung des § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG gibt hinreichend Anlass zur Annahme, dass die in einem Interessenausgleich namentlich bezeichneten Arbeitnehmer von Arbeitslosigkeit bedroht sind und damit dieses Tatbestandsmerkmal für Transferkurzarbeitergeld nach § 216b Abs. 4 SGB III (a.F.) erfüllt ist.
2. Die Vermutungsregelung greift dagegen nicht, wenn der Übertritt des Arbeitnehmers in die Transfergesellschaft aufgrund eines Aufhebungsvertrages erfolgt ist, bevor die Namensliste durch die Parteien des Sozialplans und der Betreibsvereinbarung erstellt oder ergänzt wurde bzw. wenn der Arbeitnehmer nicht zu den vom Interessenausgleich wegen einer Betriebsänderung Betroffenen gehörte. Insoweit gelten die Grundsätze der Beweiserhebung von Amts wegen und der Beweislast.
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Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26. September 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld für die am 23.06.1951 geborene Arbeitnehmerin N. N. (künftig N) streitig. N war Beschäftigte der E. & S. GmbH in S. G. (künftig E&S).

Am 24.04.2009 schlossen die E&S und der Betriebsrat als Betriebsvereinbarung u.a. einen Interessenausgleich (Anlage 1 zur Betriebsvereinbarung und Dienstleistungsvereinbarung zu § 216 b SGB III vom 24.04.2009). Im Interessenausgleich war insbesondere zur Vermeidung der konkreten Gefahr eines Insolvenztatbestandes (Vorbemerkung) vereinbart, insgesamt 95 Arbeitsplätze aus betriebsbedingten Gründen schnellstmöglich abzubauen und Beendigungskündigungen spätestens am 30.04.2009 auszusprechen. Als integrierter Bestandteil der Vereinbarung haben sich die Betriebsparteien mit der als Anlage beigefügten Kündigungsnamensliste im Sinne des § 1 Abs. 5 Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) abschließend auf den von Kündigungen betroffenen Personenkreis geeinigt (Nr. 3.1). Diesen Personen unterbreitet E&S das Angebot von Aufhebungsverträgen mit einem anschließenden befristeten Eintritt in eine betriebsorganisatorische eigenständige Einheit (beE) in der Trägerschaft der Klägerin. Durch die beE sollen Härten aus den notwendigen Personalanpassungen mit dem Ziel der schnellstmöglichen Vermittlung der betroffenen Arbeitnehmer/innen in den ersten Arbeitsmarkt gemildert werden (Nr. 3.2). Die Betriebsparteien haben sich auf einen Sozialplan geeinigt (Nr. 5). Im Sozialplan vom 24.04.2009 wurde insbesondere ein Abfindungsregelung für Arbeitnehmer/innen getroffen, deren Arbeitsverhältnis aus Anlass der geplanten Betriebsänderung betriebsbedingt gekündigt wird oder wurde oder mit denen eine Aufhebungsvereinbarung oder ein 3-seitiger Vertrag mit Übertritt in die beE geschlossen wird (Nr. 3). In einem ersten Schritt zur Umsetzung der Vereinbarung traten ab 01.05.2009 63 Arbeitnehmer/innen in die beE der Klägerin ein. N gehörte nicht zu dem in der Kündigungsnamensliste genannten Personenkreis.

Am 14.01.2010 schlossen N und E&S eine Vereinbarung zum Wechsel in eine Transfergesellschaft - 3-seiter Vertrag- gemäß Anlage 3 der Betriebsvereinbarung und Dienstleistungsvereinbarung zu § 216 die SGB III, mit Ausnahme der Regelungen zur Sozialplanabfindung/Auszahlung und Absicherung (Nr. 6) der Anlage 3 zur Betriebsvereinbarung und Dienstleistungsvereinbarung zu § 216 b SGB III.

Am 11.02.2010 zeigte die Klägerin unter Benennung der N bei der Agentur für Arbeit A. (AA) einen Arbeitsausfall mit Arbeitsentgeltausfall für die Zeit vom 01.02.2010 bis (richtig) 31.07.2010 an und beantragte Transferkurzarbeitergeld gemäß § 216b SGB III für die beE E&S, "Step 3". Die Klägerin legte die (hierzu) die Betriebsvereinbarungen sowie den Ergänzungstarifvertrag zwischen E&S und der IG Metall, Bezirk B.-W., vom 24.04./23.06.2009 vor (Blätter 5 bis 52 der Verwaltungsakte).

Mit Bescheid vom 01.04.2010 entsprach das AA der Anzeige der Klägerin nicht. Transferkurzarbeitergeld werde gewährt, wenn u.a. der Arbeitnehmer von Arbeitslosigkeit bedroht sei. Für N bestehe nach § 4 Ziffer 4.4 des Manteltarifvertrages der Metall- und Elektroindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden ein absoluter Kündigungsschutz. Außerdem sei N auf der Betroffenenliste zum Interessensausgleich vom 24.04.2009 nicht aufgeführt. Des Weiteren sei ein erforderlicher unmittelbarer Übergang vom bisherigen Betrieb in die beE nicht erfolgt. Ein Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld für N bestehe somit nicht. Die Anzeige über Arbeitsausfall sei insgesamt abzulehnen.

Gegen den Bescheid vom 01.04.2010 legte die Klägerin am 08.04.2010 Widerspruch ein. Sie führte zur Begründung aus, das Arbeitsverhältnis der N habe zum 31.01.2010 geendet. Der Arbeitsplatz der N im Bereich Eloxal sei zum 28.02.2010 vollständig stillgelegt und insofern der Arbeitsplatz endgültig und dauerhaft weggefallen. Vergleichbare Arbeitsplätze bestünden nicht mehr. Ein möglicher neuer Arbeitsplatz für N stehe nicht zur Verfügung. N sei auch nicht in anderen Bereichen anlernbar und unter zumutbaren Bedingungen zukünftig einsetzbar. Im Rahmen der betrieblichen Umstrukturierungen und demzufolge auch im Rahmen der Prüfung und Klärung des Vorliegens zumutbarer neuer Arbeitsplätze für ältere Arbeitnehmer sei es zu Verschiebungen bzw. Veränderungen in der Liste der betroffenen Arbeitnehmer gekommen. Diese Veränderungen seien zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat vereinbart worden. Bedingt durch die Betriebsratswahl sei es in der Abfassung der entsprechenden Unterlagen zu zeitlichen Verzögerungen gekommen. Am 15.06.2010 legte die Klägerin eine Aufstellung zu einzelnen beE´s vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.06.2010 wies die AA den Widerspruch der Klägerin zurück. Entscheidend sei die Frage, ob die nach dem Manteltarifvertrag absoluten Kündigungsschutz genießende N hätte rechtswirksam entlassen werden können. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld lägen nur für Arbeitnehmer vor, die von Arbeitslosigkeit bedroht seien. Dies sei nicht nachgewiesen.

Hiergegen erhob die Klägerin am 27.07.2010 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Sie führte unter Bezug auf Rechtsprechung des BSG zur Begründung aus, die Beklagte sei rechtswidrig der Auffassung, dass N nicht von Arbeitslosigkeit bedroht sei. Maßgeblich sei die ernste Absicht des Arbeitgebers, N zu entlassen. Diese Absicht manifestieren sich dadurch, dass die Betriebsparteien eine Kündigungsnamensliste gemäß § 1 Abs. 5 KSchG zum Interessensausgleich vereinbart hätten, auf welcher N aufgeführt sei, weshalb es einer hypothetischen kündigungsrechtlichen Einzelfallprüfung nicht bedürfe. Auf eine kündigungsschutzrechtliche Bewertung komme es nicht an. Die aus einem Sonderkündigungsschutz gezogenen Schlüsse der Beklagten seien nicht zulässig und im Übrigen arbeitsrechtlich unzutreffend. Die Klägerin legte eine am 25.08.2010 erfolgte Ergänzung der Namensliste vom 24.04.2009 vor, in der N aufgeführt wird sowie die Vereinbarung zum Wechsel in eine Transfergesellschaft - 3-seitiger Vertrag - zwischen der E&S und N vom 14.01.2010.

Mit Urteil vom 26.09.2011 wies das SG die Klage ab. N habe keinen Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld. Der Anspruch scheitere bereits daran, dass N nicht von Arbeitslosigkeit bedroht gewesen sei.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 09.12.2011 zugestellte Urteil richtet sich die von der Klägerin am 30.12.2011 eingelegte Berufung. Sie hat zur Begründung ihr bisheriges Vorbringen vertieft. Ergänzend hat sie ausgeführt, von den Betriebsparteien sei vereinbart worden, dass spätere Eintritte und Ergänzungen des betroffenen Personenkreises, wie bei N, auch nach dem 30.04.2009 auftreten könnten. Die Klägerin hat hierzu auf Nr. 2.2 der Betriebsvereinbarung und Dienstleistungsvereinbarung zu § 216b SGB III vom 24.04.2009 Bezug genommen. Die ernste Absicht des Arbeitgebers, N zu entlassen, habe danach vorgelegen und finde in der Nennung im Rahmen der Anzeige über Arbeitsausfall sowie der ergänzten Namensliste vom 25.08.2010 ihren eindeutigen Ausdruck.

Der Rechtsstreit ist mit den Beteiligten durch den Berichterstatter in der nichtöffentlichen Sitzung am 12.10.2012 erörtert worden. Auf die Niederschrift vom 12.10.2012 wird Bezug genommen.

Im Anschluss an den Termin vom 12.10.2012 hat die Klägerin ergänzend ausgeführt, N sei bereits zum Zeitpunkt des Eintritts in die beE von Arbeitslosigkeit bedroht gewesen und nicht erst zum Zeitpunkt der Ergänzung der Namensliste vom 24.04.2009 am 25.08.2010. Bereits zu diesem Zeitpunkt habe die ernste Absicht des Arbeitgebers bestanden, N zu entlassen. Unabhängig von der Wirksamkeit eines etwaigen tariflichen Kündigungsschutzes sei die namentliche Benennung in der Anzeige über den Arbeitsausfall ausreichend. Dass die Ergänzungen der Liste formell-schriftlich erst am 25.08.2010 erfolgt sei, sei darauf zurückzuführen, dass zum damaligen Zeitpunkt bei E&S wegen der drohenden Insolvenz Zustände vorgeherrscht hätten, die ein geordnetes Abarbeiten formaler Themen nicht erlaubt hätten. Erst nachdem die Krise gemeistert worden sei, seien formelle Themen wie die schriftliche Ergänzung der Namensliste nachgearbeitet worden. Maßnahmen zur Rettung des Unternehmens hätten dazu geführt, dass unerwartet neue Aufträge platziert worden seien, die zu einem neuen Produktmix mit schweren Fertigungsteilen geführt hätten. Die gesundheitlich angeschlagene N habe schwere Fertigungsteile nicht bearbeiten können. Daraufhin sei kurzfristig entschieden worden, die Tätigkeit von N durch andere Arbeitnehmer ausführen zu lassen. Dies sei im Rahmen betrieblicher Mitbestimmung unter Einbeziehung des Betriebsrates erfolgt. Anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten für N hätten nicht bestanden. N sei nach alledem bereits im Zeitpunkt des Eintritts in die beE von Arbeitslosigkeit bedroht gewesen. Die Klägerin hat für ihr ergänzendes Vorbringen Zeugen benannt.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26. September 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 1. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juni 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Transferkurzarbeitergeld für die Arbeitnehmerin N. N. ab dem 01.02.2010 bis 31. Juli 2010 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin seien die Voraussetzungen für die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld für N nicht erfüllt. Der betroffene Mitarbeiter müsse nach Unterzeichnung der Namensliste unschwer erkennen können, was für ihn gelten solle. N sei in der mit Abschluss des Interessenausgleichs am 24.04.2009 erstellten und unterzeichneten Namensliste nicht benannt. Sie gehöre damit nicht zu dem Personenkreis, der von dem am 24.04.2009 beschlossenen Personalabbau betroffen gewesen sei.

Der Senat hat mit Schreiben vom 27.06.2013 die Klägerin gebeten, zu weiteren Fragen vorzutragen, wozu sich die Klägerin mit Schreiben vom 15.08.2013 geäußert hat. Anschließend hat der Senat (auf Anregung der Beklagten) die Nachfolgefirma der E&S, M. S. F. S. GmbH (künftig MSF), angehört (Beweisfragen vom 18.09.2013). MSF hat in ihrer der schriftlichen Stellungnahme vom 06.02.2012 insbesondere mitgeteilt, eine Abfindung an N sei weder vereinbart noch ausbezahlt worden. Ein weiterer Aufhebungsvertrag mit E&S sei nicht geschlossen worden. Im damaligen Zeitpunkt habe es keinerlei Anhaltspunkte, Anfragen oder Überlegungen gegeben, das Beschäftigungsverhältnis von N im Falle des Nichtabschlusses des "3-seitigen Vertrages" zu kündigen.

In der mündlichen Verhandlung am 24.10.2014 hat der Klägerbevollmächtigte weiter vorgetragen, N habe gemäß § 4.4 Manteltarifvertrag Kündigungsschutz genossen, weshalb eine Kündigung der N nicht möglich gewesen wäre. Deshalb habe N nicht in die Namensliste zum Interessensausgleich der durch den betriebsbedingten Stellenabbau betroffenen Mitarbeiter aufgenommen werden können. Mit einer sonst einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses außerhalb der Betriebsvereinbarungen sei N nicht einverstanden gewesen. Erst im weiteren Verlauf sei es zum Abschluss des "3-seitigen Vertrages" mit N gekommen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig. Berufungsausschließungsgründe liegen nicht vor. Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 01.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2010 ist rechtmäßig. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage auf Zahlung von Transferkurzarbeitergeld für N ist der Bescheid der Beklagten vom 01.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.07.2010, mit dem die Beklagte das normalerweise zweistufige Verwaltungsverfahren zulässig in einem Bescheid zusammengefasst und die Zahlung des beantragten Transferkurzarbeitergeldes abgelehnt hat. Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin - als Prozessstandschafterin der N, ohne dass es deren Beiladung bedarf - kein Anspruch auf Zahlung von Transferkurzarbeitergeld ab dem 01.02.2010 zusteht (§ 216b SGB III i. d. F. v. 21.12.2008; jetzt § 111 SGB III i. d. F. ab 01.01.2013).

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits maßgeblichen Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze vollständig und zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat Bezug. Das SG hat auch zutreffend begründet, dass ein Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld bereits daran scheitert, dass N nicht von Arbeitslosigkeit bedroht war. Das SG hat hierzu unter Bezug auf die Rechtsprechung des BSG ausgeführt, nach der Legaldefinition des § 17 SGB III sei von Arbeitslosigkeit bedroht, wenn die ernste Absicht des Arbeitgebers vorliege, den betreffenden Arbeitnehmer zu entlassen. Ausreichend hierfür sei, dass der Arbeitnehmer in der Anzeige über den Arbeitsausfall namentlich benannt sei, unabhängig davon, ob die Kündigung im Blick auf einen tariflichen Kündigungsschutz wirksam wäre. Vorliegend sei unschädlich, dass der Interessensausgleich nicht selbst die Namensliste enthalte, sondern in einer Anlage enthalten sei. N sei in der mit Abschluss des Interessensausgleichs am 24.04.2009 erstellten und unterzeichnenden Namensliste nicht benannt. Erst in der im Klageverfahren vorgelegten und von den Betriebsparteien am 25.08.2010 unterzeichneten Liste sei N namentlich erfasst. Diese Liste entspreche jedoch nicht dem vom BAG aufgestellten Formerfordernis. N könne auch nachträglich nicht mehr in die Namensliste aufgenommen werden. N habe nicht zu dem Personenkreis gehört, die von dem am 24.04.2009 beschlossenen Personalabbau betroffen gewesen sei. Die Vermutungsregelung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG greife nicht ein. Es gebe daher keine Anhaltspunkte dafür, dass N von Arbeitslosigkeit bedroht gewesen wäre. Eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung sei bei N nach § 4.4 des Manteltarifvertrages in der Metallindustrie Nordwürttemberg-Nordbaden nicht möglich. Eine außerordentliche Kündigung wäre ebenfalls unwirksam. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist sei nicht nachgewiesen. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis. Er schließt sich den Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zur Begründung seiner eigenen Entscheidung an, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen ebenfalls Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsverfahren bleibt auszuführen:

Zwischen den Beteiligten ist allein das Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Transferkurzarbeitergeld streitig, wie die Beklagte in der nichtöffentlichen Sitzung am 12.10.2012 klarstellend erklärt hat.

Darauf, ob die im Interessenausgleich vom 24.04.2009 als Anlage erstellte, nach dem Interessenausgleich den von Kündigung betroffenen Personenkreis abschließend festlegende, Kündigungsnamensliste nach dem 30.04.2009 überhaupt noch wirksam hat erweitert werden können, wie dies am 25.08.2010 durch die von den Betriebsparteien unterschriebene Namensliste u.a. hinsichtlich N "in Ergänzung der Namensliste vom 24.04.2009" erfolgt ist (vergleiche zur Möglichkeit der Ergänzung eines Interessensausgleichs durch eine Namensliste BAG, Urteil vom 26.03.2009 - 2 AZR 296/07 -, NZA 2009, 1151), kann dahinstehen. Denn selbst, wenn im Hinblick auf Nr. 2.2 der Betriebsvereinbarung und Dienstleistungsvereinbarung zu § 216b SGB III vom 24.04.2009 davon ausgegangen wird, dass die Betriebsparteien zur nachträglichen Erweiterung der Namensliste befugt waren, worauf sich die Klägerin beruft, kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, N sei deshalb von Arbeitslosigkeit bedroht gewesen.

Auf die Vermutungsregelung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG kann sich die Klägerin hierzu nicht stützen. Für den Arbeitnehmer droht Arbeitslosigkeit, wenn der Arbeitgeber ihn direkt oder in einem Interessensausgleich namentlich als zu kündigenden Arbeitnehmer infolge der Betriebsänderung benennt, sich also auf ihn als zu kündigenden Arbeitnehmer festgelegt hat (Krodel in Niesel/Brand, SGB III, 5. Auflage, § 216b RdNr. 17). Die zeitliche Grenze der Aufnahme in die Namensliste in einem Interessensausgleich bzw. der Erweiterung liegt im Ausspruch der Kündigung (BAG, Urteil vom 26.03.2009, a.a.O.). Entsprechendes muss gelten, wenn, wie vorliegend, der Übertritt der N in die beE aufgrund eines nach dem Interessenausgleich vom 24.04.2009 vorgesehenen Aufhebungsvertrages erfolgt ist. Diese zeitliche Grenze war bei der Erweiterung der Namensliste überschritten. Der Aufhebungsvertrag wurde bereits am 14.01.2010 geschlossen. Zudem war der Übertritt von N in die beE bis 31.07.2010 zum Zeitpunkt der erfolgten Ergänzung der Namensliste am 25.08.2010 bereits beendet. Es ist der Klägerin auch deshalb verwehrt, sich wegen der Frage einer drohenden Arbeitslosigkeit der N auf die Vermutungsfunktion der Namensliste zu berufen. Dass die Ergänzungen der Liste formell-schriftlich erst am 25.08.2010 erfolgt sei, weil zum damaligen Zeitpunkt bei E & S wegen der drohenden Insolvenz Zustände vorgeherrscht hätten, die ein geordnetes Abarbeiten formaler Themen nicht erlaubt hätten, wie die Klägerin im Berufungsverfahren vorgetragen hat, vermag daran im Hinblick auf die vom SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (Seite 6 letzter Absatz bis Seite 8) zutreffend dargestellte Zielsetzung des § 1 Abs. 5 KSchG und den rechtlichen Auswirkungen dieser Regelung nichts zu ändern; zumal die dem Kündigungsschutz unterfallende N nicht Betroffene des Sozialausgleichs sein konnte, worauf auch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hatte.

Nach den im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen steht unabhängig davon fest, dass N nicht zu dem aufgrund der Betriebsänderung von Kündigungen betroffenen Personenkreis gehört hat und deshalb nicht von Arbeitslosigkeit bedroht war. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund folgender Erwägungen:

Die Klägerin hat zur Notwendigkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der N nicht gleichbleibende Angaben gemacht. So hatte die Klägerin im Widerspruchsverfahren und wiederholend im Klageverfahren in den Vordergrund gerückt, dass der Arbeitsplatz der N im Bereich E. vollständig stillgelegt worden und insofern der Arbeitsplatz endgültig und dauerhaft weggefallen sei. Vergleichbare Arbeitsplätze bestünden nicht mehr. Demgegenüber hat die Klägerin im Berufungsverfahren im Anschluss an den Termin vom 12.10.2012, zur Notwendigkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der N vorgetragen, Maßnahmen zur Rettung des Unternehmens hätten dazu geführt, dass unerwartet neue Aufträge platziert worden seien, die zu einem neuen Produktmix mit schweren Fertigungsteilen geführt hätten. Die gesundheitlich angeschlagene N habe schwere Fertigungsteile nicht bearbeiten können. Daraufhin sei kurzfristig entschieden worden, die Tätigkeit von N durch andere Arbeitnehmer ausführen zu lassen. Damit rückt die Klägerin von der Notwendigkeit einer betriebsbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen der zwischen den Betriebsparteien am 24.04.2009 getroffenen Regelungen ab und stellt nunmehr personenbedingte Gründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in den Vordergrund. Dies spricht dafür, dass N nicht zu dem durch die Betriebsänderung (Abbau von Arbeitsplätzen) von Kündigungen betroffenen Personenkreis gehört hat.

Außerdem wurde das Arbeitsverhältnis der N mit E&S nicht nach den zwischen den Betriebsparteien getroffenen Vereinbarungen gelöst. Nach der von der Klägerin im Klageverfahren vorgelegten Vereinbarung zum Wechsel in eine Transfergesellschaft - 3-seitiger Vertrag - zwischen der E&S und N vom 14.01.2010 wurde das Arbeitsverhältnis der N zum 31.01.2007 beendet. Weitere Vereinbarungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind nicht ersichtlich. Nach der vom Senat eingeholten schriftlichen Auskunft der MSF vom 06.02.2010 wurde mit N kein weiterer Aufhebungsvertrag geschlossen. Etwas anderes hat auch die Klägerin nicht vorgetragen. Der Aufhebungsvertrag vom 14.01.2010 entspricht jedoch nicht den zwischen den Betriebsparteien vereinbarten Regelungen der Betriebsvereinbarung über einen Interessensausgleich und Sozialplan vom 24.04.2009. Der Sozialplan sieht in Nr. 3 Abfindungszahlungen bei betriebsbedingten Kündigungen vor. Dem entspricht die (Muster)Vereinbarung zum Wechsel in eine Transfergesellschaft - 3-seitiger Vertrag - (Anl. 3 zur Betriebsvereinbarung und Dienstleistungsvereinbarung zu § 216b SGB III vom 24.04.2009), Nr. 6, in dem Regelungen zur Sozialabfindung/Auszahlung und Absicherung vorgesehen sind. Diese Regelung wurde in der mit N getroffenen Vereinbarung vom 14.01.2010 ausgenommen. Ein Anspruch auf Sozialabfindung, wie dies die Betriebsparteien vereinbart haben, wurde im Aufhebungsvertrag vom 14,01.2010 mit N nicht vereinbart und stand N damit nicht zu. Dies wird auch durch die im Berufungsverfahren eingeholte Äußerung der MSF vom 06.02.2010 bestätigt, wonach mit N eine Abfindung weder vereinbart noch ihr ausgezahlt worden ist. Damit steht fest, dass die Auflösung des Arbeitsverhältnisses der N nicht aus betriebsbedingten Gründen im Rahmen der getroffenen Vereinbarungen der Betriebsparteien vom 24.04.2009 erfolgt ist. Auch deshalb kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, N sei von der Namensliste erfasst und deshalb mit Arbeitslosigkeit bedroht gewesen.

Dass N nicht zu dem durch die Betriebsänderung von Kündigung betroffenen Personenkreis gehört hat, wird auch durch das Vorbringen des Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung am 24.10.2014 bestätigt, wonach N als nicht kündbare Mitarbeiterin nicht zur Aufnahme in die Namensliste vom 24.04.2009 vorgesehen war.

Vorliegend war im Wege der Vermutungsregelung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG nicht abzuleiten, dass N beim Übertritt in die beE von Arbeitslosigkeit bedroht war. Auch die vom Senat deshalb durchgeführten Ermittlungen ergaben keine hierfür sprechenden Tatsachen. Die vom Senat eingeholte Auskunft der MSF vom 06.02.2014 bestätigt vielmehr, dass N nicht mit der Beendigung der Beschäftigung rechnen musste (§ 17 SGB III). Danach gab es (nach Recherche im Archiv und laut Auskunft des damaligen wie aktuellen Betriebsratsvorsitzenden S.) zum damaligen Zeitpunkt keinerlei Anhaltspunkte, Anfragen und Überlegungen, das Beschäftigungsverhältnis mit N im Fall des Nichtabschlusses des "3-seitigen Vertrages" zu kündigen. Dies folgt auch aus dem Vorbringen des Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung am 24.10.2014, wonach N. wegen Kündigungsschutz nicht hätte gekündigt werden können, hätte sie den Aufhebungsvertrag nicht unterschrieben.

Zu weiteren Ermittlungen sieht sich der Senat nicht gedrängt. Die von der Klägerin unter Zeugenbeweis gestellten Tatsachen, können als wahr unterstellt werden. Dass bereits am 24.04.2009 unter den Betriebsparteien Einigkeit bestanden habe, N in die Namensliste vom 24.04.2009 aufzunehmen, ist nicht entscheidungserheblich. Maßgeblich ist vielmehr, dass N in der Namensliste nicht aufgeführt wurde. Darauf, dass ein geordnetes Abarbeiten hinsichtlich der Ergänzung der Namensliste zunächst nicht möglich gewesen sei, kommt es vorliegend nach dem oben Ausgeführten ebenfalls nicht entscheidungsrelevant an. Auch dass N bei der E&S aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, schwere Fertigungsteile zu bearbeiten und dass deshalb kurzfristig entschieden worden sei, die Tätigkeit von N durch andere Arbeitnehmer ausführen zu lassen, kann als wahr unterstellt werden. Dass N deshalb mit Arbeitslosigkeit bedroht war, trifft nach der Auskunft der MSF vom 06.02.2014 nicht zu.

Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. § 197a SGG findet keine Anwendung, da die Klägerin nur Prozessstandschafter für N ist.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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