Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 11 KA 177/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 3/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 47/14 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Ausschluss der psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten von der Abrechnung der Gebührenordnungsposition 01102 EBM 2008 (Aufwandserstattung für die Inanspruchnahme des Vertragsarztes an Samstagen zwischen 7:00 und 14:00 Uhr) verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
2. Ein dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz entsprechender Zustand kann nur dadurch hergestellt werden, dass den psychologischen Psychotherapeuten und den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in gleicher Weise wie insbesondere den ärztlichen Psychotherapeuten eine Abrechnung ihrer Leistungen nach der Gebührenordnungsposition 01102 EBM 2008 zugestanden wird.
2. Ein dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz entsprechender Zustand kann nur dadurch hergestellt werden, dass den psychologischen Psychotherapeuten und den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in gleicher Weise wie insbesondere den ärztlichen Psychotherapeuten eine Abrechnung ihrer Leistungen nach der Gebührenordnungsposition 01102 EBM 2008 zugestanden wird.
Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2010 verurteilt wird, dem Kläger für die Behandlungen der Patientin C. am 1. März 2008, der Patientin D. am 19. Januar 2008, der Patientin E. am 19. Januar 2008, 9. Februar 2008, 16. Februar 2008, 23. Februar 2008, 8. März 2008 und 15. März 2008, der Patientin F. am 9. Februar 2008, 23. Februar 2008, 1. März 2008, 8. März 2008 und 15. März 2008 sowie des Patienten G. am 12. Januar 2008, 19. Januar 2008, 9. Februar 2008, 16. Februar 2008, 23. Februar 2008, 8. März 2008 und 15. März 2008 zusätzlich eine Vergütung nach GO-Nr. 01102 EBM 2008 zu zahlen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger, ein psychologischer Psychotherapeut, für das Quartal I/08 gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach der GO-Nr. 01102 EBM 2008 (Inanspruchnahme des Vertragsarztes an Samstagen zwischen 7:00 Uhr und 14:00 Uhr) hat.
Der Kläger nimmt als psychologischer Psychotherapeut an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Seine Praxis befindet sich in A-Stadt. Im Quartal I/08 behandelte er mehrere seiner Patienten auch an Samstagen. Im Einzelnen behandelte er
- die Patientin C. am Samstag, den 1. März 2008
- die Patientin D. am Samstag, 19. Januar 2008
- die Patientin E. an folgenden Samstagen: 19. Januar 2008, 9. Februar 2008, 16. Februar 2008, 23. Februar 2008, 8. März 2008 und 15. März 2008
- die Patientin F. an folgenden Samstagen: 9. Februar 2008, 23. Februar 2008, 1. März 2008, 8. März 2008 und 15. März 2008;
- den Patienten G. an folgenden Samstagen: 12. Januar 2008, 19. Januar 2008, 9. Februar 2008, 16. Februar 2008, 23. Februar 2008, 8. März 2008 und 15. März 2008.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 19 bis 23 der Behördenakte Bezug genommen.
Bei der Abrechnung für das Quartal I/2008 durch Honorarbescheid vom 10. Juli 2008 vergütete die Beklagte dem Kläger diese 20 Behandlungstermine, gewährte jedoch für die Behandlungen keine Leistungen nach der GO-Nr. 01102 EBM 2008.
Mit Schreiben vom 11. August 2009 erhob der Kläger Widerspruch gegen diesen Honorarbescheid. Er wandte sich sowohl gegen die Höhe der Leistungen insgesamt als auch speziell gegen die Absetzung der GO-Nr. 01102 EBM 2008. Es gebe keine sachlichen Gründe, die einer Abrechenbarkeit dieser Leistungsziffer entgegenstünden. Es sei nicht einzusehen, weshalb ärztliche Psychotherapeuten hier anders behandelt würden als psychologische Psychotherapeuten. Hinsichtlich der Höhe der Leistungen im Allgemeinen bat er darum, den Widerspruch ruhen zu lassen, wegen der Absetzung der GO-Nr. 01102 EBM 2008 bat er um Bescheidung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers, die Absetzung der GO-Nr. 01102 EBM 2008 betreffend, zurück. Die Abrechnung der gewünschten Ziffer komme nicht in Betracht. Aus Kapitel 23 EBM 2008, Punkt 23.1.5 der Präambel ergebe sich, dass für psychologische Psychotherapeuten neben den Gebührenordnungspositionen in diesem Kapitel nur die GO-Nrn. 01100, 01101, 01410 bis 01413, 01415, 01430, 01435, 01600, 01601, 01602, 01620 bis 01622 sowie die GO Nrn. des Kapitels 35 berechnungsfähig seien. Psychologische Psychotherapeuten könnten zudem Zuschläge bei der Inanspruchnahme zur Unzeit, Besuche, den Verwaltungskomplex, eine telefonische Beratung des Patienten im Zusammenhang mit einer Erkrankung, schriftliche Mitteilungen und Kostenpauschalen (Kapitel 40) abrechnen. Die Inanspruchnahme des Vertragsarztes an Samstagen zwischen 7:00 Uhr und 14:00 Uhr nach der GO-Nr. 01102 EBM 2008 sei jedoch nicht Inhalt dieser Bestimmungen und könne deshalb von psychologischen Psychotherapeuten nicht berechnet werden. Sie, die Beklagte, sei an die Vorgaben des EBM gebunden.
Bezogen auf die sonstige Höhe der Vergütung des Klägers für das Quartal 1/2008 ist ein gesondertes Widerspruchsverfahren anhängig, dass derzeit ruht.
Der Kläger hat am 15. Februar 2010 beim Sozialgericht Klage erhoben und geltend gemacht, die Absetzung der GO-Nr. 01102 EBM 2008 verstoße, auch unter Berücksichtigung des Gestaltungsspielraums, der dem Bewertungsausschuss als Normgeber zustehe, gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Es gebe keinen sachlichen Grund, ärztlichen Psychotherapeuten Leistungen nach dieser Ziffer zuzugestehen, psychologischen Psychotherapeuten jedoch nicht.
Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 24. Oktober 2012, der Beklagten zugestellt am 11. Dezember 2012, verurteilt, dem Kläger unter Abänderung der angefochtenen Bescheide das Honorar ohne Absetzung der GO-Nr. 01102 EBM 2008 auszuzahlen; zugleich hat das Gericht die Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Entscheidung zugelassen.
Der Kläger habe einen Anspruch auf Vergütung der abgesetzten Leistungen. Die Absetzung der Leistungen der GO-Nr. 01102 EBM 2008 entspreche zwar der Definition des Kapitels 23.1 EBM 2008. Die angefochtenen Bescheide seien jedoch gleichwohl rechtswidrig, weil die Regelungen des Kapitels 23.1 EBM 2008 nicht mit höherrangigem Recht vereinbar seien, soweit sie psychologische und ärztliche Psychotherapeuten bei der Abrechenbarkeit der GO-Nr. 01102 EBM 2008 unterschiedlich behandelten. Der Ausschluss der Psychologischen Psychotherapeuten von der Abrechnung nach dieser Ziffer verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar seien die auf der Grundlage des § 87 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) von den Bewertungsausschüssen vereinbarten einheitlichen Bewertungsmaßstäbe, bei denen es sich um untergesetzliche Rechtsnormen in der Form der Normsetzungsverträge handele (vgl. BSGE 81, 86, 89; BSGE 94, 50), wegen ihrer spezifischen Struktur und der Art ihres Zustandekommens nicht in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung zugänglich. Vielmehr sei die gerichtliche Überprüfung im Wesentlichen darauf beschränkt, ob der Ausschuss den ihm zustehenden Entscheidungsspielraum überschritten oder seine Bewertungskompetenz missbräuchlich ausgenutzt habe (BSGE 78, 98, 107; BSGE 79, 239, 245 f.; BSGE 94, 50). Letzteres sei hier aber der Fall, denn für die unterschiedliche Behandlung von ärztlichen Psychotherapeuten und psychologischen Psychotherapeuten fehle ein sachlicher Grund. Es gebe zwischen beiden Personengruppen hinsichtlich des streitigen Gebührenaufschlages für vorher bestimmte Therapiesitzungen an Samstagvormittagen keine Unterschiede von derartigem Gewicht, dass eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt sei.
Die psychologischen Psychotherapeuten seien seit 1999 aufgrund des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 16.06.1998 (PsychThG – , BGBl. I S. 1311) in Durchbrechung des alten Ärztemonopols gleichberechtigt neben den Ärzten, beschränkt nur durch die Reichweite ihrer Fachkunde (vgl. §§ 28 Abs. 3 Satz 2, 73 Abs. 2 Satz 2 SGB V; vgl. auch § 1 Abs. 3 PsychThG), im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung tätig. Sie übten mithin sozialrechtlich nicht mehr einen Heilhilfsberuf, sondern einen heilkundlichen Beruf aus (vgl. § 1 PsychThG) und seien grundsätzlich den ärztlichen Leistungserbringern gleichgestellt. (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.06.2010 – L 11 B 26/09 KA ER -). Eine Gleichstellung erfolge sowohl im Zulassungs- wie auch im Bedarfsplanungsrecht (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Juni 2010 - L 11 B 26/09 KA ER -; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. Mai 2009 - L 5 KA 599/09 ER-B -). Ärztliche und psychologische Psychotherapeuten nähmen zudem mit gleichem Versorgungsauftrag an der vertragsärztlichen Versorgung teil und seien nach den Honorarverteilungsbestimmungen der Beklagten (HVV 2008) in der gleichen Honoraruntergruppe, B 2.25, zusammengefasst. Vor diesem Hintergrund rechtfertige der von der Beklagten aufgeführte Umstand, dass psychologische Psychotherapeuten nicht über eine ärztliche Ausbildung und damit auch nicht über die entsprechenden Berechtigungen (z. B. Verschreiben von Medikamenten) verfügten, keine Differenzierung.
Auch an das Weiterbildungsrecht anknüpfende berufsrechtliche Unterschiede zwischen beiden Psychotherapeutengruppen seien vorliegend nicht ausschlaggebend. Beide Psychotherapeutengruppen erbrächten psychotherapeutische Behandlungsleistungen für gesetzlich Versicherte nach Maßgabe der dafür geltenden Psychotherapierichtlinien. Zur Anwendung der dort genannten "Richtlinienverfahren" seien ärztliche und psychologische Psychotherapeuten grundsätzlich in gleichem Maße beruflich geeignet (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. Mai 2009 - L 5 KA 599/09 ER-B). Die Durchführung von geplanten Therapiesitzungen am Samstagvormittag habe keinerlei Bezug zur ärztlichen oder nicht-ärztlichen Qualifikation.
Ebenso wenig könne im Falle der GO-Nr. 01102 EBM 2008 der Hinweis der Beklagten, diese GO-Nr. sei nur bei Durchführung einer ärztlichen Akutsprechstunde abrechenbar, überzeugen. Zwar möge es historisch zutreffend sein, dass diese GO-Nr. ursprünglich die Samstagsprechstunde von Ärzten, insbesondere Hausärzten, betroffen habe, die eventuell auch als Akutsprechstunde konzipiert gewesen sei. Die unvorhergesehene Inanspruchnahme, also die Akutintervention, sei jetzt jedoch in den GO-Nrn. 01100 und 01101 EBM 2008 geregelt. Der EBM unterscheide damit sehr deutlich zwischen vorhergesehenen und unvorhergesehenen Interventionen und stelle diese in ein Ausschlussverhältnis. Da die GO-Nrn. 01100 und 01101 EBM 2008 systematisch konsequent gerade nicht gemeinsam mit der GO-Nr. 01102 EBM 2008 abgerechnet werden könnten, könne eine Behandlung am Samstagvormittag nur entweder unvorhergesehen und damit akut oder vorhergesehen und damit geplant sein. Als vorhergesehen gelte eine Behandlung – dies ergebe sich aus den Leistungslegenden der GO-Nrn. 01100 und 01101 EBM 2008 – auch, wenn Sprechstunden stattfänden.
Die GO-Nr. 01102 EBM 2008 sehe schon nach ihrer Überschrift die vorhergesehene Inanspruchnahme am Samstagvormittag vor, ohne dass die Leistungslegende die Art der Inanspruchnahme weiter ausdifferenziere. Erfasst sei damit jegliche vorherbestimmte Inanspruchnahme am Samstagvormittag. Es komme nach den Vorgaben des EBM 2008 nicht darauf an, ob es sich um eine ständige Sprechstunde, einen vorherbestimmten Einzeltermin oder eine vorherbestimmte therapeutische Sitzung handele. Jedenfalls schließe die GO-Nr. 01102 EBM 2008 weder nach ihrem Wortlaut noch nach der Systematik die Abrechnung bei therapeutischen Sitzungen am Samstagvormittag aus. Dafür spreche bereits, dass die GO-Nr. 01102 EBM 2008 unstreitig von ärztlichen Psychotherapeuten abgerechnet werden könne. Dass ärztliche Psychotherapeuten Termine am Samstagvormittag grundsätzlich im Sinne einer Akutsprechstunde mit unbestimmtem und offenem Adressatenkreis anböten, sei fernliegend. Für derartige Akutinterventionen stünden im Übrigen auch andere Abrechnungsziffern zur Verfügung. Vielmehr geht das Gericht davon aus, dass es vor allem aufgrund von hoher beruflicher Belastung einzelner Patienten auch für Psychotherapeuten darum gehe und auch notwendig sein könne, einzelne Patienten, die während der Woche nicht für Therapiesitzungen verfügbar seien, am Wochenende, z. B. am Samstagvormittag, einzubestellen, um eine kontinuierliche und/oder zeitnahe Behandlung zu gewährleisten. Dies gelte jedoch für alle Psychotherapeuten gleichermaßen.
Selbst wenn einzelne psychologische Psychotherapeuten dazu übergehen wollten, gewissermaßen als zusätzliche Dienstleistung, eine Art Sprechstunde im Sinne einer regelhaften Behandlungen am Samstagvormittag anzubieten, sei auch dies nach der GO Nr. 01102 EBM 2008 abrechenbar, da diese Möglichkeit für ärztliche Psychotherapeuten ebenfalls jederzeit offen stehe.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 7. Januar 2013 am gleichen Tag Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung eingelegt.
Die Beklagte ist der Ansicht, das Urteil des Sozialgerichts Marburg sei rechtswidrig. Der EBM 2008 erlaube eine Abrechnung von Leistungen nach GO-Nr. 01102 zugunsten Psychologischer Psychotherapeuten nicht. Dieser Ausschluss verstoße auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Er sei vom Gestaltungsspielraum des Bewertungsausschusses gedeckt. Dieser dürfe schematisierende und typisierende Regelungen treffen. Danach dürfe ein Vertragspsychotherapeut nur dann von der Honorierung von Leistungen nicht gänzlich ausgenommen werden, wenn diese in den Kernbereich seines Fachgebietes fielen bzw. für dieses wesentlich und prägend seien (vgl. BSG, B 6 KA 11/99 R). Genau dies sei bei dem Abrechnungsausschluss der GO-Nr. 01102 EBM 2008 beachtet worden. Im Unterschied zu ärztlichen Psychotherapeuten, die aufgrund ihrer ärztlichen Ausbildung eine Doppelkompetenz besäßen, indem sie sowohl somatische als auch psychotherapeutische Leistungen erbringen könnten, seien psychologische Psychotherapeuten ausschließlich auf die Behandlung psychischer Störungen beschränkt. Aufgrund der unterschiedlichen Ausbildung und Berechtigungen (ärztliche Psychotherapeuten behandelten Krankheiten und dürften Medikamente verschreiben) unterschieden sich auch die Inhalte der Fachgebiete bei ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten. Für das Fachgebiet der psychologischen Psychotherapeuten seien die Leistungen nach der GO-Nr. 01102 EBM 2008, anders als bei den ärztlichen Psychotherapeuten, weder wesentlich noch prägend. Bei der Samstagssprechstunde handele es sich grundsätzlich um eine Akutsprechstunde, bei der plötzlich auftretende Krankheitssymptome behandelt werden sollten. Für psychologische Psychotherapeuten seien die Voraussetzungen für das Vorhalten einer solchen Sprechstunde, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass im Regelfall geplante verhaltenstherapeutische Sitzungen in Anwesenheit von Bezugs- oder Pflegepersonen stattfänden, nicht erfüllt. Der Umstand, dass es sich bei der Samstagssprechstunde grundsätzlich um eine Akutsprechstunde handele, schließe nicht aus, dass der behandelnde Arzt auch Termine für diese Sprechstunde vereinbaren oder abrechnen könne. Entscheidend für die grundsätzliche Abrechnungsfähigkeit sei aber, dass der Abrechnungsberechtigte aufgrund seines Leistungsspektrums tatsächlich in der Lage sein müsse, akute Beschwerden kurzfristig und schnell zu behandeln. Dies sei bei den Psychologischen Psychotherapeuten nicht gegeben. Für eine unterschiedliche Behandlung der beiden Personengruppen gebe es hinreichende Gründe.
Im Übrigen mache man sich auch die Darlegungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (Bl. 135 bis 137 der Gerichtsakte) sowie des GKV Spitzenverbandes (Bl. 138 bis 140 der Gerichtsakte) zu eigen, die diese als Beigeladene in einem Verfahren vor dem Sozialgericht Hannover, bei dem es um die gleichen Rechtsfragen wie vorliegend gehe, abgegeben hätten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 24. Oktober 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger ist der Ansicht, die erstinstanzliche Entscheidung sei korrekt. Auch für ärztliche Psychotherapeuten sei die Samstagssprechstunde weder wesentlich noch prägend. Bei der streitigen Abrechnungsziffer handele es sich nicht um eine einer Fachgruppe spezifisch zuzuordnende Leistung, die daher auch nicht zum Kernbereich einer bestimmten Fachgruppe zu rechnen sei. Ein vernünftiger und nachvollziehbarer Grund für die Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich. Insbesondere sei die Samstagssprechstunde nach der Konzeption des EBM 2008 keine Akutsprechstunde, wie das Sozialgericht zu Recht dargelegt habe.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten. Sämtliche dieser Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist allerdings zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden, und ungeachtet der Höhe des Streitwertes auch statthaft, denn das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen. An diese Zulassung ist das Landessozialgericht gebunden.
Die Berufung ist aber unbegründet, denn das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht, unter entsprechender Aufhebung der angefochtenen Bescheide, verurteilt, dem Kläger für die während des Quartals I/2008 an mehreren Samstagen erbrachten 20 Behandlungen eine Vergütung nach GO-Nr. 01102 zu gewähren.
1. Nach den Vorschriften des EBM 2008 hat der Kläger allerdings keinen Anspruch auf Vergütung nach der GO-Nr. 01102.
Wie das erstinstanzliche Gericht zutreffend ausgeführt hat, ist die GO-Nr. 01102 zwar in Kapitel 23.1 Nr. 2 EBM 2008 als eine der Gebührenordnungspositionen aufgeführt, die von allen in der Präambel genannten "Vertragsärzten" – ein Begriff, der im Anwendungsbereich des EBM ausweislich Kapitel I Ziffer 1.1 die Psychologischen Psychotherapeuten mitumfasst – zusätzlich zu den im 23. Kapitel normierten Positionen berechnet werden dürfen. Der Kläger hat mit den an den 20 Samstagsterminen erbrachten Behandlungen auch die sonstigen Voraussetzungen für eine Vergütung seiner Leistungen nach den entsprechenden Gebührenordnungspositionen des 23. Kapitels erfüllt.
Als spezielle Regelung gegenüber der Nr. 2 bestimmt jedoch Kapitel 23.1 Nr. 5 EBM 2008 einschränkend, dass psychologische Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten nur berechtigt sind, als Leistungen außerhalb des 23. Kapitels solche nach den GO-Nrn. 01100, 01101, 01410 bis 01413, 01415, 01430, 01435, 01600, 01601, 01602, 01620 bis 01622 sowie den GO-Nrn. des Kapitels 35 abzurechnen. Die GO-Nr. 01102 ist unter Ziffer 5 nicht genannt, so dass für den Kläger als psychologischen Psychotherapeuten Leistungen auf Grundlage des EBM 2008 nach dieser Gebührenordnungsposition nicht berechnungsfähig sind.
2. Kapitel 23.1 Nr. 5 EBM 2008 steht dem Vergütungsanspruch des Klägers aber nicht entgegen, denn die Bestimmung ist verfassungswidrig. Sie verstößt nämlich gegen Art. 3 Abs. 1 GG, soweit sie psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten von der Abrechnung von Leistungen nach der GO Nr. 01102 ausschließt, ärztlichen Psychotherapeuten dagegen eine Abrechnung entsprechender Leistungen ermöglicht. Für diese unterschiedliche Behandlung der beiden Gruppen fehlt es an einem den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden sachlichen Grund.
a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 98, 365 (385); stRspr). Der Schutzbereich des Grundrechts erfasst sowohl ungleiche Belastungen als auch - wie im vorliegenden Fall - ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 79, 1 (17); 126, 400 (416); BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 2011, 1 BvR 2035/07, juris, Rn. 63).
b) Die hier vorhandene Begünstigung der ärztlichen gegenüber den psychologischen Psychotherapeuten ist nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
aa) Nach zutreffender bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung (s. nur Beschluss des BVerfG vom 21. Juni 2011, 1 BvR 2035/07, juris, Rn. 64) folgen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfGE 117, 1 (30); 122, 1 (23); 126, 400 (416) m.w.N.). Dabei müssen Differenzierungen stets durch Sachgründe gerechtfertigt werden, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt insofern auch für das Maß der Differenzierung einen inneren Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung, der sich "als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht" erweist (vgl. BVerfGE 124, 199 (220)). Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ist umso enger begrenzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (s. BVerfGE 88, 87 (96)60, 123 (134); 82, 126 (146)).
Diese für parlamentarische Gesetze geltenden Anforderungen sind erst recht bei der Schaffung untergesetzlicher Rechtsnormen, wie dem EBM 2008 (untergesetzliches Recht in Form eines Normsetzungsvertrages, s. nur BSG, Urteil vom 24. September 2003 – B 6 KA 41/02 R –, juris, Rn. 16), zu beachten.
bb) Von diesen Vorgaben ausgehend, ist kein sachlicher Grund für die abweichende Behandlung der psychologischen gegenüber den ärztlichen Psychotherapeuten erkennbar. Der Gestaltungsspielraum, des Normgebers war hier, über das Willkürverbot hinausgehend, eingeschränkt, weil der Kläger durch den Abrechnungsausschluss auch in seiner Berufungsausübungsfreiheit nach Art. 12 GG betroffen wird.
Ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung ergibt sich nicht aus dem Einwand der Beklagten, die Samstagssprechstunde nach GO-Nr. 01102 EBM 2008 sei eine Akutsprechstunde, und nur der ärztliche Psychotherapeut sei aufgrund seines Leistungsspektrums in der Lage, akute Beschwerden kurzfristig und schnell zu behandeln. Auf diesen Aspekt könnte zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von vornherein allenfalls dann abgestellt werden, wenn die die streitigen Gebührenordnungsposition selbst die Honorierung der Leistung davon abhängig machen würde, dass der Vertragsarzt seine Leistung als "Akutsprechstunde" ausgestaltet hat. Das ist jedoch nach Wortlaut und Systematik der Vorschrift ersichtlich nicht der Fall. Aus der Bezeichnung der Ziffer ("Inanspruchnahme des Vertragsarztes an Samstagen zwischen 7:00 Uhr und 14:00 Uhr") folgt zunächst nur, an welchem Wochentag und während welcher Uhrzeiten die Leistung erbracht werden muss. Wie im erstinstanzlichen Urteil ausführlich und zutreffend dargelegt wurde, resultiert aus der Gegenüberstellung mit den GO-Nrn. 01100 und 01101, die beide Vergütungsregelungen für die "unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Patienten" (zu verschiedenen Uhrzeiten) enthalten und dem im EBM 2008 normierten Ausschlussverhältnis dieser Ziffern gegenüber der hier streitigen weiter, dass die GO Nr. 01102 ausschließlich die geplante Inanspruchnahme des Vertragsarztes erfasst (s. auch Wezel/Liebold, Kommentar zu EBM und GOÄ, Teil 9, Nr. 01102, Seiten 1 bis 6). Darüber hinausgehende Vorgaben zu der Art und Weise der Leistungserbringung (Akutsprechstunde, reguläre Sprechstunde, persönliche oder nur telefonische Verfügbarkeit des Vertragsarztes, Ort der Behandlung) enthält die Gebührenziffer nicht. Der Bewertungsausschuss als Normgeber hat es damit ausdrücklich dem jeweiligen Vertragsarzt überlassen, die Form der Inanspruchnahme weiter zu konkretisieren. Solange der Normgeber selbst eine solche weitere Konkretisierung – zu der er aufgrund des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums ggfs. berechtigt wäre – nicht vornimmt, kann diese nicht zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung der Personengruppen ärztliche Psychotherapeuten einerseits und Psychologische Psychotherapeuten andererseits herangezogen werden. Vielmehr muss sich der Bewertungsausschuss für die Gleichheitsprüfung an seiner eigenen Regelungssystematik festhalten lassen.
Diese Regelungssystematik zeigt im Übrigen, dass der Normgeber des EBM 2008 psychologische Psychotherapeuten trotz der bei ihnen bestehenden Einschränkungen, wie der fehlenden Berechtigung zum Verschreiben von Medikamenten, gerade für geeignet erachtet, auch Akutbehandlungen vorzunehmen. Denn die Erlaubnis zur Abrechnung der Ziffern 01100 und 01101, also der unvorhergesehenen Inanspruchnahme des "Vertragsarztes durch einen Patienten", gesteht er auch diesem Personenkreis zu (vgl. Kapitel 23.1 Nr. 5 EBM 2008). War das unterschiedliche Leistungsspektrum von psychologischen und ärztlichen Psychotherapeuten damit sogar im Rahmen der beiden eben aufgeführten Gebührenordnungspositionen für den Bewertungsausschuss kein Grund für eine Differenzierung, ist erst recht nicht ersichtlich, auf welche Sachargumente eine unterschiedliche Behandlung dieser zwei Gruppen im Hinblick auf die hier streitige Abrechnungsziffer gestützt werden könnte.
bb) Die Nichtanwendbarkeit der GO-Nr. 01102 auf psychologische Psychotherapeuten kann weiter nicht damit gerechtfertigt werden, eine Samstagssprechstunde sei für deren Fachgebiet weder wesentlich noch prägend, weswegen es nach der bundessozialgerichtlichen Rechtsprechung zulässig sei, ihn von der Honorierung entsprechender – nicht für sein Fachgebiet wesentlicher oder prägender - Leistungen auszuschließen. Denn auf das Fachgebiet als Differenzierungsmerkmal hat der Berufungsausschuss, indem er zwar die psychologischen Psychotherapeuten von der Abrechnung der obigen Ziffer ausgeschlossen hat, nicht dagegen die ärztlichen Psychotherapeuten, überhaupt nicht abgestellt. Das von ihm gewählte Unterscheidungskriterium ist vielmehr der ärztliche bzw. nicht-ärztliche Status. Inwiefern dieser hier eine abweichende Behandlung rechtfertigen könnte, erschließt sich dem Senat nicht: Sachbezogene Gründe, die es erlauben würden, die Psychologischen Psychotherapeuten nur deswegen, weil sie keine Ärzte sind, vorliegend gebührenrechtlich anders zu behandeln, sind nicht ersichtlich.
Ein Blick auf die weiteren Fachgruppen zeigt zudem, dass die Abrechnung der GO Nr. 01102 sowohl den Hausärzten als auch fast allen Facharztgruppen ausgenommen sind lediglich die Fachärzte für Humangenetik, Laboratoriumsmedizin, Pathologie, Diagnostische Radiologie und Strahlenmedizin, für die die Durchführung von Samstagssprechstunden keine praktische Rolle spielen dürfte – zugestanden wird. Auch das lässt erkennen, dass es sich um keine Leistungsziffer handelt, die der Normgeber Ärzten einzelner weniger Fachgebiete vorbehalten wollte. An dieser selbstgewählten Systematik muss er sich im Rahmen der Gleichheitsprüfung messen lassen.
cc) Schließlich lässt sich die Nichtanwendbarkeit der GO-Nr. 01102 auf die Psychologischen Psychotherapeuten auch nicht damit rechtfertigen, der Normgeber dürfe im Interesse der Überschaubarkeit und Praktikabilität des EBM schematisierende und typisierende Regelungen treffen. Es ist schon nicht nachvollziehbar, warum die Überschaubarkeit und Praktikabilität es erfordern, die Psychologischen Psychotherapeuten gebührenrechtlich abweichend zu behandeln. Ganz im Gegenteil verringert der Normgeber, wenn er für die nichtärztlichen Psychotherapeuten eine einschränkende Ausnahmevorschrift schafft, gerade die Überschaubarkeit und Praktikabilität der Bestimmungen des EBM, weil er ihre Anwendung verkompliziert.
3. Die Verfassungswidrigkeit der Regelung in Kapitel 23.1.5 EBM 2008 führt hier ausnahmsweise dazu, dass dem Kläger die begehrten Leistungen nach GO-Nr. 01102 zu gewähren sind.
Zwar ist es, sofern eine Bestimmung verfassungswidrig ist, wegen des dem Normgeber zustehenden Gestaltungsermessens grundsätzlich diesem zu überlassen, in welcher Weise er den Sachverhalt in verfassungskonformer Weise neu regelt (s. hierzu nur BSG, Urteil vom 19. Februar 2014 – B 6 KA 10/13 R –, juris, Rn. 56). Dem Bewertungsausschuss steht es insofern frei, im Rahmen einer Neufassung der Vorschriften ein vom derzeitigen abweichendes Regelungskonzept zu schaffen, z. B., indem er für eine zusätzliche Vergütung von Sprechstunden an Samstagen weitere oder andere Voraussetzungen ansetzt als diejenigen, die derzeit vorliegen müssen.
Die für den streitgegenständlichen Zeitraum vorhandene verfassungswidrige Ungleichbehandlung (Nichtvergütung der Leistungen nach GO-Nr. 01102 EBM im Quartal I/2008) kann jedoch nur dadurch behoben werden, dass der Kläger die geforderte Vergütung in der gleichen Weise erhält, wie sie auch die ärztlichen Psychotherapeuten erhalten haben. Ein Gestaltungsspielraum, der für den untergesetzlichen Normgeber sowieso enger ist als für den parlamentarischen Gesetzgeber, besteht insoweit nicht. Ein solcher Spielraum wäre nur gegeben, wenn die Möglichkeit bestünde, sowohl für die ärztlichen als auch für die nichtärztlichen Psychotherapeuten eine den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG genügende Neuregelung für den hier streitgegenständlichen Zeitabschnitt – also das Quartal I/2008 - zu schaffen und auf dieser Basis beiden Gruppen entsprechende Leistungen zu bewilligen. Da den ärztlichen Psychotherapeuten die für dieses Quartal bereits gewährten Leistungen jedoch nicht nachträglich entzogen werden können, kann eine Gleichbehandlung nur auf die Weise hergestellt werden, dass die nichtärztlichen Psychotherapeuten diese Leistungen ebenfalls erhalten.
Der Senat hielt eine Neufassung des Tenors für erforderlich, um klarzustellen, dass im vorliegenden Verfahren nur über die Frage der Vergütung nach Ziffer 01102 EBM 2008 (dem Grunde nach) für die vom Kläger an den Samstagen im Quartal I/2008 vorgenommenen Behandlungen entschieden wurde, nicht jedoch über die Höhe seiner weiteren Vergütung in diesem Quartal, welche Gegenstand eines separaten Verfahrens ist.
Von einer Beiladung des GKV-Spitzenverbandes hat der Senat aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens abgesehen. Ein Fall der notwendigen Beiladung liegt nicht vor (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013, B 6 KA 3/12 R, juris, Rn. 11).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger, ein psychologischer Psychotherapeut, für das Quartal I/08 gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach der GO-Nr. 01102 EBM 2008 (Inanspruchnahme des Vertragsarztes an Samstagen zwischen 7:00 Uhr und 14:00 Uhr) hat.
Der Kläger nimmt als psychologischer Psychotherapeut an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Seine Praxis befindet sich in A-Stadt. Im Quartal I/08 behandelte er mehrere seiner Patienten auch an Samstagen. Im Einzelnen behandelte er
- die Patientin C. am Samstag, den 1. März 2008
- die Patientin D. am Samstag, 19. Januar 2008
- die Patientin E. an folgenden Samstagen: 19. Januar 2008, 9. Februar 2008, 16. Februar 2008, 23. Februar 2008, 8. März 2008 und 15. März 2008
- die Patientin F. an folgenden Samstagen: 9. Februar 2008, 23. Februar 2008, 1. März 2008, 8. März 2008 und 15. März 2008;
- den Patienten G. an folgenden Samstagen: 12. Januar 2008, 19. Januar 2008, 9. Februar 2008, 16. Februar 2008, 23. Februar 2008, 8. März 2008 und 15. März 2008.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 19 bis 23 der Behördenakte Bezug genommen.
Bei der Abrechnung für das Quartal I/2008 durch Honorarbescheid vom 10. Juli 2008 vergütete die Beklagte dem Kläger diese 20 Behandlungstermine, gewährte jedoch für die Behandlungen keine Leistungen nach der GO-Nr. 01102 EBM 2008.
Mit Schreiben vom 11. August 2009 erhob der Kläger Widerspruch gegen diesen Honorarbescheid. Er wandte sich sowohl gegen die Höhe der Leistungen insgesamt als auch speziell gegen die Absetzung der GO-Nr. 01102 EBM 2008. Es gebe keine sachlichen Gründe, die einer Abrechenbarkeit dieser Leistungsziffer entgegenstünden. Es sei nicht einzusehen, weshalb ärztliche Psychotherapeuten hier anders behandelt würden als psychologische Psychotherapeuten. Hinsichtlich der Höhe der Leistungen im Allgemeinen bat er darum, den Widerspruch ruhen zu lassen, wegen der Absetzung der GO-Nr. 01102 EBM 2008 bat er um Bescheidung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers, die Absetzung der GO-Nr. 01102 EBM 2008 betreffend, zurück. Die Abrechnung der gewünschten Ziffer komme nicht in Betracht. Aus Kapitel 23 EBM 2008, Punkt 23.1.5 der Präambel ergebe sich, dass für psychologische Psychotherapeuten neben den Gebührenordnungspositionen in diesem Kapitel nur die GO-Nrn. 01100, 01101, 01410 bis 01413, 01415, 01430, 01435, 01600, 01601, 01602, 01620 bis 01622 sowie die GO Nrn. des Kapitels 35 berechnungsfähig seien. Psychologische Psychotherapeuten könnten zudem Zuschläge bei der Inanspruchnahme zur Unzeit, Besuche, den Verwaltungskomplex, eine telefonische Beratung des Patienten im Zusammenhang mit einer Erkrankung, schriftliche Mitteilungen und Kostenpauschalen (Kapitel 40) abrechnen. Die Inanspruchnahme des Vertragsarztes an Samstagen zwischen 7:00 Uhr und 14:00 Uhr nach der GO-Nr. 01102 EBM 2008 sei jedoch nicht Inhalt dieser Bestimmungen und könne deshalb von psychologischen Psychotherapeuten nicht berechnet werden. Sie, die Beklagte, sei an die Vorgaben des EBM gebunden.
Bezogen auf die sonstige Höhe der Vergütung des Klägers für das Quartal 1/2008 ist ein gesondertes Widerspruchsverfahren anhängig, dass derzeit ruht.
Der Kläger hat am 15. Februar 2010 beim Sozialgericht Klage erhoben und geltend gemacht, die Absetzung der GO-Nr. 01102 EBM 2008 verstoße, auch unter Berücksichtigung des Gestaltungsspielraums, der dem Bewertungsausschuss als Normgeber zustehe, gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Es gebe keinen sachlichen Grund, ärztlichen Psychotherapeuten Leistungen nach dieser Ziffer zuzugestehen, psychologischen Psychotherapeuten jedoch nicht.
Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 24. Oktober 2012, der Beklagten zugestellt am 11. Dezember 2012, verurteilt, dem Kläger unter Abänderung der angefochtenen Bescheide das Honorar ohne Absetzung der GO-Nr. 01102 EBM 2008 auszuzahlen; zugleich hat das Gericht die Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Entscheidung zugelassen.
Der Kläger habe einen Anspruch auf Vergütung der abgesetzten Leistungen. Die Absetzung der Leistungen der GO-Nr. 01102 EBM 2008 entspreche zwar der Definition des Kapitels 23.1 EBM 2008. Die angefochtenen Bescheide seien jedoch gleichwohl rechtswidrig, weil die Regelungen des Kapitels 23.1 EBM 2008 nicht mit höherrangigem Recht vereinbar seien, soweit sie psychologische und ärztliche Psychotherapeuten bei der Abrechenbarkeit der GO-Nr. 01102 EBM 2008 unterschiedlich behandelten. Der Ausschluss der Psychologischen Psychotherapeuten von der Abrechnung nach dieser Ziffer verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar seien die auf der Grundlage des § 87 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) von den Bewertungsausschüssen vereinbarten einheitlichen Bewertungsmaßstäbe, bei denen es sich um untergesetzliche Rechtsnormen in der Form der Normsetzungsverträge handele (vgl. BSGE 81, 86, 89; BSGE 94, 50), wegen ihrer spezifischen Struktur und der Art ihres Zustandekommens nicht in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung zugänglich. Vielmehr sei die gerichtliche Überprüfung im Wesentlichen darauf beschränkt, ob der Ausschuss den ihm zustehenden Entscheidungsspielraum überschritten oder seine Bewertungskompetenz missbräuchlich ausgenutzt habe (BSGE 78, 98, 107; BSGE 79, 239, 245 f.; BSGE 94, 50). Letzteres sei hier aber der Fall, denn für die unterschiedliche Behandlung von ärztlichen Psychotherapeuten und psychologischen Psychotherapeuten fehle ein sachlicher Grund. Es gebe zwischen beiden Personengruppen hinsichtlich des streitigen Gebührenaufschlages für vorher bestimmte Therapiesitzungen an Samstagvormittagen keine Unterschiede von derartigem Gewicht, dass eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt sei.
Die psychologischen Psychotherapeuten seien seit 1999 aufgrund des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 16.06.1998 (PsychThG – , BGBl. I S. 1311) in Durchbrechung des alten Ärztemonopols gleichberechtigt neben den Ärzten, beschränkt nur durch die Reichweite ihrer Fachkunde (vgl. §§ 28 Abs. 3 Satz 2, 73 Abs. 2 Satz 2 SGB V; vgl. auch § 1 Abs. 3 PsychThG), im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung tätig. Sie übten mithin sozialrechtlich nicht mehr einen Heilhilfsberuf, sondern einen heilkundlichen Beruf aus (vgl. § 1 PsychThG) und seien grundsätzlich den ärztlichen Leistungserbringern gleichgestellt. (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.06.2010 – L 11 B 26/09 KA ER -). Eine Gleichstellung erfolge sowohl im Zulassungs- wie auch im Bedarfsplanungsrecht (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Juni 2010 - L 11 B 26/09 KA ER -; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. Mai 2009 - L 5 KA 599/09 ER-B -). Ärztliche und psychologische Psychotherapeuten nähmen zudem mit gleichem Versorgungsauftrag an der vertragsärztlichen Versorgung teil und seien nach den Honorarverteilungsbestimmungen der Beklagten (HVV 2008) in der gleichen Honoraruntergruppe, B 2.25, zusammengefasst. Vor diesem Hintergrund rechtfertige der von der Beklagten aufgeführte Umstand, dass psychologische Psychotherapeuten nicht über eine ärztliche Ausbildung und damit auch nicht über die entsprechenden Berechtigungen (z. B. Verschreiben von Medikamenten) verfügten, keine Differenzierung.
Auch an das Weiterbildungsrecht anknüpfende berufsrechtliche Unterschiede zwischen beiden Psychotherapeutengruppen seien vorliegend nicht ausschlaggebend. Beide Psychotherapeutengruppen erbrächten psychotherapeutische Behandlungsleistungen für gesetzlich Versicherte nach Maßgabe der dafür geltenden Psychotherapierichtlinien. Zur Anwendung der dort genannten "Richtlinienverfahren" seien ärztliche und psychologische Psychotherapeuten grundsätzlich in gleichem Maße beruflich geeignet (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. Mai 2009 - L 5 KA 599/09 ER-B). Die Durchführung von geplanten Therapiesitzungen am Samstagvormittag habe keinerlei Bezug zur ärztlichen oder nicht-ärztlichen Qualifikation.
Ebenso wenig könne im Falle der GO-Nr. 01102 EBM 2008 der Hinweis der Beklagten, diese GO-Nr. sei nur bei Durchführung einer ärztlichen Akutsprechstunde abrechenbar, überzeugen. Zwar möge es historisch zutreffend sein, dass diese GO-Nr. ursprünglich die Samstagsprechstunde von Ärzten, insbesondere Hausärzten, betroffen habe, die eventuell auch als Akutsprechstunde konzipiert gewesen sei. Die unvorhergesehene Inanspruchnahme, also die Akutintervention, sei jetzt jedoch in den GO-Nrn. 01100 und 01101 EBM 2008 geregelt. Der EBM unterscheide damit sehr deutlich zwischen vorhergesehenen und unvorhergesehenen Interventionen und stelle diese in ein Ausschlussverhältnis. Da die GO-Nrn. 01100 und 01101 EBM 2008 systematisch konsequent gerade nicht gemeinsam mit der GO-Nr. 01102 EBM 2008 abgerechnet werden könnten, könne eine Behandlung am Samstagvormittag nur entweder unvorhergesehen und damit akut oder vorhergesehen und damit geplant sein. Als vorhergesehen gelte eine Behandlung – dies ergebe sich aus den Leistungslegenden der GO-Nrn. 01100 und 01101 EBM 2008 – auch, wenn Sprechstunden stattfänden.
Die GO-Nr. 01102 EBM 2008 sehe schon nach ihrer Überschrift die vorhergesehene Inanspruchnahme am Samstagvormittag vor, ohne dass die Leistungslegende die Art der Inanspruchnahme weiter ausdifferenziere. Erfasst sei damit jegliche vorherbestimmte Inanspruchnahme am Samstagvormittag. Es komme nach den Vorgaben des EBM 2008 nicht darauf an, ob es sich um eine ständige Sprechstunde, einen vorherbestimmten Einzeltermin oder eine vorherbestimmte therapeutische Sitzung handele. Jedenfalls schließe die GO-Nr. 01102 EBM 2008 weder nach ihrem Wortlaut noch nach der Systematik die Abrechnung bei therapeutischen Sitzungen am Samstagvormittag aus. Dafür spreche bereits, dass die GO-Nr. 01102 EBM 2008 unstreitig von ärztlichen Psychotherapeuten abgerechnet werden könne. Dass ärztliche Psychotherapeuten Termine am Samstagvormittag grundsätzlich im Sinne einer Akutsprechstunde mit unbestimmtem und offenem Adressatenkreis anböten, sei fernliegend. Für derartige Akutinterventionen stünden im Übrigen auch andere Abrechnungsziffern zur Verfügung. Vielmehr geht das Gericht davon aus, dass es vor allem aufgrund von hoher beruflicher Belastung einzelner Patienten auch für Psychotherapeuten darum gehe und auch notwendig sein könne, einzelne Patienten, die während der Woche nicht für Therapiesitzungen verfügbar seien, am Wochenende, z. B. am Samstagvormittag, einzubestellen, um eine kontinuierliche und/oder zeitnahe Behandlung zu gewährleisten. Dies gelte jedoch für alle Psychotherapeuten gleichermaßen.
Selbst wenn einzelne psychologische Psychotherapeuten dazu übergehen wollten, gewissermaßen als zusätzliche Dienstleistung, eine Art Sprechstunde im Sinne einer regelhaften Behandlungen am Samstagvormittag anzubieten, sei auch dies nach der GO Nr. 01102 EBM 2008 abrechenbar, da diese Möglichkeit für ärztliche Psychotherapeuten ebenfalls jederzeit offen stehe.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 7. Januar 2013 am gleichen Tag Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung eingelegt.
Die Beklagte ist der Ansicht, das Urteil des Sozialgerichts Marburg sei rechtswidrig. Der EBM 2008 erlaube eine Abrechnung von Leistungen nach GO-Nr. 01102 zugunsten Psychologischer Psychotherapeuten nicht. Dieser Ausschluss verstoße auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Er sei vom Gestaltungsspielraum des Bewertungsausschusses gedeckt. Dieser dürfe schematisierende und typisierende Regelungen treffen. Danach dürfe ein Vertragspsychotherapeut nur dann von der Honorierung von Leistungen nicht gänzlich ausgenommen werden, wenn diese in den Kernbereich seines Fachgebietes fielen bzw. für dieses wesentlich und prägend seien (vgl. BSG, B 6 KA 11/99 R). Genau dies sei bei dem Abrechnungsausschluss der GO-Nr. 01102 EBM 2008 beachtet worden. Im Unterschied zu ärztlichen Psychotherapeuten, die aufgrund ihrer ärztlichen Ausbildung eine Doppelkompetenz besäßen, indem sie sowohl somatische als auch psychotherapeutische Leistungen erbringen könnten, seien psychologische Psychotherapeuten ausschließlich auf die Behandlung psychischer Störungen beschränkt. Aufgrund der unterschiedlichen Ausbildung und Berechtigungen (ärztliche Psychotherapeuten behandelten Krankheiten und dürften Medikamente verschreiben) unterschieden sich auch die Inhalte der Fachgebiete bei ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten. Für das Fachgebiet der psychologischen Psychotherapeuten seien die Leistungen nach der GO-Nr. 01102 EBM 2008, anders als bei den ärztlichen Psychotherapeuten, weder wesentlich noch prägend. Bei der Samstagssprechstunde handele es sich grundsätzlich um eine Akutsprechstunde, bei der plötzlich auftretende Krankheitssymptome behandelt werden sollten. Für psychologische Psychotherapeuten seien die Voraussetzungen für das Vorhalten einer solchen Sprechstunde, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass im Regelfall geplante verhaltenstherapeutische Sitzungen in Anwesenheit von Bezugs- oder Pflegepersonen stattfänden, nicht erfüllt. Der Umstand, dass es sich bei der Samstagssprechstunde grundsätzlich um eine Akutsprechstunde handele, schließe nicht aus, dass der behandelnde Arzt auch Termine für diese Sprechstunde vereinbaren oder abrechnen könne. Entscheidend für die grundsätzliche Abrechnungsfähigkeit sei aber, dass der Abrechnungsberechtigte aufgrund seines Leistungsspektrums tatsächlich in der Lage sein müsse, akute Beschwerden kurzfristig und schnell zu behandeln. Dies sei bei den Psychologischen Psychotherapeuten nicht gegeben. Für eine unterschiedliche Behandlung der beiden Personengruppen gebe es hinreichende Gründe.
Im Übrigen mache man sich auch die Darlegungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (Bl. 135 bis 137 der Gerichtsakte) sowie des GKV Spitzenverbandes (Bl. 138 bis 140 der Gerichtsakte) zu eigen, die diese als Beigeladene in einem Verfahren vor dem Sozialgericht Hannover, bei dem es um die gleichen Rechtsfragen wie vorliegend gehe, abgegeben hätten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 24. Oktober 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger ist der Ansicht, die erstinstanzliche Entscheidung sei korrekt. Auch für ärztliche Psychotherapeuten sei die Samstagssprechstunde weder wesentlich noch prägend. Bei der streitigen Abrechnungsziffer handele es sich nicht um eine einer Fachgruppe spezifisch zuzuordnende Leistung, die daher auch nicht zum Kernbereich einer bestimmten Fachgruppe zu rechnen sei. Ein vernünftiger und nachvollziehbarer Grund für die Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich. Insbesondere sei die Samstagssprechstunde nach der Konzeption des EBM 2008 keine Akutsprechstunde, wie das Sozialgericht zu Recht dargelegt habe.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten. Sämtliche dieser Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist allerdings zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden, und ungeachtet der Höhe des Streitwertes auch statthaft, denn das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen. An diese Zulassung ist das Landessozialgericht gebunden.
Die Berufung ist aber unbegründet, denn das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht, unter entsprechender Aufhebung der angefochtenen Bescheide, verurteilt, dem Kläger für die während des Quartals I/2008 an mehreren Samstagen erbrachten 20 Behandlungen eine Vergütung nach GO-Nr. 01102 zu gewähren.
1. Nach den Vorschriften des EBM 2008 hat der Kläger allerdings keinen Anspruch auf Vergütung nach der GO-Nr. 01102.
Wie das erstinstanzliche Gericht zutreffend ausgeführt hat, ist die GO-Nr. 01102 zwar in Kapitel 23.1 Nr. 2 EBM 2008 als eine der Gebührenordnungspositionen aufgeführt, die von allen in der Präambel genannten "Vertragsärzten" – ein Begriff, der im Anwendungsbereich des EBM ausweislich Kapitel I Ziffer 1.1 die Psychologischen Psychotherapeuten mitumfasst – zusätzlich zu den im 23. Kapitel normierten Positionen berechnet werden dürfen. Der Kläger hat mit den an den 20 Samstagsterminen erbrachten Behandlungen auch die sonstigen Voraussetzungen für eine Vergütung seiner Leistungen nach den entsprechenden Gebührenordnungspositionen des 23. Kapitels erfüllt.
Als spezielle Regelung gegenüber der Nr. 2 bestimmt jedoch Kapitel 23.1 Nr. 5 EBM 2008 einschränkend, dass psychologische Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten nur berechtigt sind, als Leistungen außerhalb des 23. Kapitels solche nach den GO-Nrn. 01100, 01101, 01410 bis 01413, 01415, 01430, 01435, 01600, 01601, 01602, 01620 bis 01622 sowie den GO-Nrn. des Kapitels 35 abzurechnen. Die GO-Nr. 01102 ist unter Ziffer 5 nicht genannt, so dass für den Kläger als psychologischen Psychotherapeuten Leistungen auf Grundlage des EBM 2008 nach dieser Gebührenordnungsposition nicht berechnungsfähig sind.
2. Kapitel 23.1 Nr. 5 EBM 2008 steht dem Vergütungsanspruch des Klägers aber nicht entgegen, denn die Bestimmung ist verfassungswidrig. Sie verstößt nämlich gegen Art. 3 Abs. 1 GG, soweit sie psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten von der Abrechnung von Leistungen nach der GO Nr. 01102 ausschließt, ärztlichen Psychotherapeuten dagegen eine Abrechnung entsprechender Leistungen ermöglicht. Für diese unterschiedliche Behandlung der beiden Gruppen fehlt es an einem den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden sachlichen Grund.
a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 98, 365 (385); stRspr). Der Schutzbereich des Grundrechts erfasst sowohl ungleiche Belastungen als auch - wie im vorliegenden Fall - ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 79, 1 (17); 126, 400 (416); BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 2011, 1 BvR 2035/07, juris, Rn. 63).
b) Die hier vorhandene Begünstigung der ärztlichen gegenüber den psychologischen Psychotherapeuten ist nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
aa) Nach zutreffender bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung (s. nur Beschluss des BVerfG vom 21. Juni 2011, 1 BvR 2035/07, juris, Rn. 64) folgen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfGE 117, 1 (30); 122, 1 (23); 126, 400 (416) m.w.N.). Dabei müssen Differenzierungen stets durch Sachgründe gerechtfertigt werden, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt insofern auch für das Maß der Differenzierung einen inneren Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung, der sich "als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht" erweist (vgl. BVerfGE 124, 199 (220)). Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ist umso enger begrenzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (s. BVerfGE 88, 87 (96)60, 123 (134); 82, 126 (146)).
Diese für parlamentarische Gesetze geltenden Anforderungen sind erst recht bei der Schaffung untergesetzlicher Rechtsnormen, wie dem EBM 2008 (untergesetzliches Recht in Form eines Normsetzungsvertrages, s. nur BSG, Urteil vom 24. September 2003 – B 6 KA 41/02 R –, juris, Rn. 16), zu beachten.
bb) Von diesen Vorgaben ausgehend, ist kein sachlicher Grund für die abweichende Behandlung der psychologischen gegenüber den ärztlichen Psychotherapeuten erkennbar. Der Gestaltungsspielraum, des Normgebers war hier, über das Willkürverbot hinausgehend, eingeschränkt, weil der Kläger durch den Abrechnungsausschluss auch in seiner Berufungsausübungsfreiheit nach Art. 12 GG betroffen wird.
Ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung ergibt sich nicht aus dem Einwand der Beklagten, die Samstagssprechstunde nach GO-Nr. 01102 EBM 2008 sei eine Akutsprechstunde, und nur der ärztliche Psychotherapeut sei aufgrund seines Leistungsspektrums in der Lage, akute Beschwerden kurzfristig und schnell zu behandeln. Auf diesen Aspekt könnte zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von vornherein allenfalls dann abgestellt werden, wenn die die streitigen Gebührenordnungsposition selbst die Honorierung der Leistung davon abhängig machen würde, dass der Vertragsarzt seine Leistung als "Akutsprechstunde" ausgestaltet hat. Das ist jedoch nach Wortlaut und Systematik der Vorschrift ersichtlich nicht der Fall. Aus der Bezeichnung der Ziffer ("Inanspruchnahme des Vertragsarztes an Samstagen zwischen 7:00 Uhr und 14:00 Uhr") folgt zunächst nur, an welchem Wochentag und während welcher Uhrzeiten die Leistung erbracht werden muss. Wie im erstinstanzlichen Urteil ausführlich und zutreffend dargelegt wurde, resultiert aus der Gegenüberstellung mit den GO-Nrn. 01100 und 01101, die beide Vergütungsregelungen für die "unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch einen Patienten" (zu verschiedenen Uhrzeiten) enthalten und dem im EBM 2008 normierten Ausschlussverhältnis dieser Ziffern gegenüber der hier streitigen weiter, dass die GO Nr. 01102 ausschließlich die geplante Inanspruchnahme des Vertragsarztes erfasst (s. auch Wezel/Liebold, Kommentar zu EBM und GOÄ, Teil 9, Nr. 01102, Seiten 1 bis 6). Darüber hinausgehende Vorgaben zu der Art und Weise der Leistungserbringung (Akutsprechstunde, reguläre Sprechstunde, persönliche oder nur telefonische Verfügbarkeit des Vertragsarztes, Ort der Behandlung) enthält die Gebührenziffer nicht. Der Bewertungsausschuss als Normgeber hat es damit ausdrücklich dem jeweiligen Vertragsarzt überlassen, die Form der Inanspruchnahme weiter zu konkretisieren. Solange der Normgeber selbst eine solche weitere Konkretisierung – zu der er aufgrund des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums ggfs. berechtigt wäre – nicht vornimmt, kann diese nicht zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung der Personengruppen ärztliche Psychotherapeuten einerseits und Psychologische Psychotherapeuten andererseits herangezogen werden. Vielmehr muss sich der Bewertungsausschuss für die Gleichheitsprüfung an seiner eigenen Regelungssystematik festhalten lassen.
Diese Regelungssystematik zeigt im Übrigen, dass der Normgeber des EBM 2008 psychologische Psychotherapeuten trotz der bei ihnen bestehenden Einschränkungen, wie der fehlenden Berechtigung zum Verschreiben von Medikamenten, gerade für geeignet erachtet, auch Akutbehandlungen vorzunehmen. Denn die Erlaubnis zur Abrechnung der Ziffern 01100 und 01101, also der unvorhergesehenen Inanspruchnahme des "Vertragsarztes durch einen Patienten", gesteht er auch diesem Personenkreis zu (vgl. Kapitel 23.1 Nr. 5 EBM 2008). War das unterschiedliche Leistungsspektrum von psychologischen und ärztlichen Psychotherapeuten damit sogar im Rahmen der beiden eben aufgeführten Gebührenordnungspositionen für den Bewertungsausschuss kein Grund für eine Differenzierung, ist erst recht nicht ersichtlich, auf welche Sachargumente eine unterschiedliche Behandlung dieser zwei Gruppen im Hinblick auf die hier streitige Abrechnungsziffer gestützt werden könnte.
bb) Die Nichtanwendbarkeit der GO-Nr. 01102 auf psychologische Psychotherapeuten kann weiter nicht damit gerechtfertigt werden, eine Samstagssprechstunde sei für deren Fachgebiet weder wesentlich noch prägend, weswegen es nach der bundessozialgerichtlichen Rechtsprechung zulässig sei, ihn von der Honorierung entsprechender – nicht für sein Fachgebiet wesentlicher oder prägender - Leistungen auszuschließen. Denn auf das Fachgebiet als Differenzierungsmerkmal hat der Berufungsausschuss, indem er zwar die psychologischen Psychotherapeuten von der Abrechnung der obigen Ziffer ausgeschlossen hat, nicht dagegen die ärztlichen Psychotherapeuten, überhaupt nicht abgestellt. Das von ihm gewählte Unterscheidungskriterium ist vielmehr der ärztliche bzw. nicht-ärztliche Status. Inwiefern dieser hier eine abweichende Behandlung rechtfertigen könnte, erschließt sich dem Senat nicht: Sachbezogene Gründe, die es erlauben würden, die Psychologischen Psychotherapeuten nur deswegen, weil sie keine Ärzte sind, vorliegend gebührenrechtlich anders zu behandeln, sind nicht ersichtlich.
Ein Blick auf die weiteren Fachgruppen zeigt zudem, dass die Abrechnung der GO Nr. 01102 sowohl den Hausärzten als auch fast allen Facharztgruppen ausgenommen sind lediglich die Fachärzte für Humangenetik, Laboratoriumsmedizin, Pathologie, Diagnostische Radiologie und Strahlenmedizin, für die die Durchführung von Samstagssprechstunden keine praktische Rolle spielen dürfte – zugestanden wird. Auch das lässt erkennen, dass es sich um keine Leistungsziffer handelt, die der Normgeber Ärzten einzelner weniger Fachgebiete vorbehalten wollte. An dieser selbstgewählten Systematik muss er sich im Rahmen der Gleichheitsprüfung messen lassen.
cc) Schließlich lässt sich die Nichtanwendbarkeit der GO-Nr. 01102 auf die Psychologischen Psychotherapeuten auch nicht damit rechtfertigen, der Normgeber dürfe im Interesse der Überschaubarkeit und Praktikabilität des EBM schematisierende und typisierende Regelungen treffen. Es ist schon nicht nachvollziehbar, warum die Überschaubarkeit und Praktikabilität es erfordern, die Psychologischen Psychotherapeuten gebührenrechtlich abweichend zu behandeln. Ganz im Gegenteil verringert der Normgeber, wenn er für die nichtärztlichen Psychotherapeuten eine einschränkende Ausnahmevorschrift schafft, gerade die Überschaubarkeit und Praktikabilität der Bestimmungen des EBM, weil er ihre Anwendung verkompliziert.
3. Die Verfassungswidrigkeit der Regelung in Kapitel 23.1.5 EBM 2008 führt hier ausnahmsweise dazu, dass dem Kläger die begehrten Leistungen nach GO-Nr. 01102 zu gewähren sind.
Zwar ist es, sofern eine Bestimmung verfassungswidrig ist, wegen des dem Normgeber zustehenden Gestaltungsermessens grundsätzlich diesem zu überlassen, in welcher Weise er den Sachverhalt in verfassungskonformer Weise neu regelt (s. hierzu nur BSG, Urteil vom 19. Februar 2014 – B 6 KA 10/13 R –, juris, Rn. 56). Dem Bewertungsausschuss steht es insofern frei, im Rahmen einer Neufassung der Vorschriften ein vom derzeitigen abweichendes Regelungskonzept zu schaffen, z. B., indem er für eine zusätzliche Vergütung von Sprechstunden an Samstagen weitere oder andere Voraussetzungen ansetzt als diejenigen, die derzeit vorliegen müssen.
Die für den streitgegenständlichen Zeitraum vorhandene verfassungswidrige Ungleichbehandlung (Nichtvergütung der Leistungen nach GO-Nr. 01102 EBM im Quartal I/2008) kann jedoch nur dadurch behoben werden, dass der Kläger die geforderte Vergütung in der gleichen Weise erhält, wie sie auch die ärztlichen Psychotherapeuten erhalten haben. Ein Gestaltungsspielraum, der für den untergesetzlichen Normgeber sowieso enger ist als für den parlamentarischen Gesetzgeber, besteht insoweit nicht. Ein solcher Spielraum wäre nur gegeben, wenn die Möglichkeit bestünde, sowohl für die ärztlichen als auch für die nichtärztlichen Psychotherapeuten eine den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG genügende Neuregelung für den hier streitgegenständlichen Zeitabschnitt – also das Quartal I/2008 - zu schaffen und auf dieser Basis beiden Gruppen entsprechende Leistungen zu bewilligen. Da den ärztlichen Psychotherapeuten die für dieses Quartal bereits gewährten Leistungen jedoch nicht nachträglich entzogen werden können, kann eine Gleichbehandlung nur auf die Weise hergestellt werden, dass die nichtärztlichen Psychotherapeuten diese Leistungen ebenfalls erhalten.
Der Senat hielt eine Neufassung des Tenors für erforderlich, um klarzustellen, dass im vorliegenden Verfahren nur über die Frage der Vergütung nach Ziffer 01102 EBM 2008 (dem Grunde nach) für die vom Kläger an den Samstagen im Quartal I/2008 vorgenommenen Behandlungen entschieden wurde, nicht jedoch über die Höhe seiner weiteren Vergütung in diesem Quartal, welche Gegenstand eines separaten Verfahrens ist.
Von einer Beiladung des GKV-Spitzenverbandes hat der Senat aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens abgesehen. Ein Fall der notwendigen Beiladung liegt nicht vor (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013, B 6 KA 3/12 R, juris, Rn. 11).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
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