L 3 U 883/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 5637/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 883/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente streitig.

Die am 17.11.1951 geborene Klägerin erlitt am 25.08.2009 auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstätte einen Autounfall, indem sie mit einem Auto, dessen Fahrer ihre Vorfahrtberechtigung nicht beachtete, zusammen stieß Noch am Unfalltag diagnostizierte Prof. Dr. Dr. T. eine distale Radiusfraktur links, eine Nierenkontusion, eine Thoraxprellung und ein stumpfes Bauchtrauma (Durchgangsarzt-Bericht vom 25.08.2009). Sodann erfolgte eine stationäre Behandlung in der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie S. vom 25.08.2009 bis zum 31.08.2009. Diagnostiziert wurden eine distale Fraktur des Radius in Form einer Extensionsfraktur links, eine Commotio cerebri links, eine Thoraxprellung und eine Beckenprellung. Durchgeführt wurde eine offene Reposition einer Mehrfragment-Fraktur im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens mit Osteosynthese (Befundbericht vom 31.08.2009). Die Weiterbehandlung erfolgte bei Dr. W. (H-Arzt-Bericht vom 01.09.2009, Zwischenbericht vom 11.09.2009). Eine weitere stationäre Behandlung erfolgte vom 13.10.2009 bis zum 17.11.2009 in der Orthopädie der S. B ... Im Rahmen dieses medizinisch beruflichen stationären Aufenthaltes erfolgte eine orthopädische Weiterbehandlung mit begleitenden psychotherapeutischen Maßnahmen zur Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung (BG-Aufnahmebericht vom 16.10.2009, BG-Entlass-Bericht vom 19.11.2009). Die dort behandelnden Ärzte gelangten zu der Einschätzung, es handele sich um eine als Unfallfolge zu bewertende posttraumatische Belastungsstörung. Unfallunabhängig liege eine schwere somatoforme Störung mit paranoid-halluzinatorischer Entwicklung vor. Es bestünden keine Hinweise auf vorbestehende Verkehrsängste. Unfallunabhängig gebe es Hinweise auf eine 11 Jahre zurückliegende psychische Erkrankung in Form einer somatoformen Störung und psychotischer Symptome sowie auf eine Veranlagung für depressive Symptome. In der Persönlichkeitsverarbeitung deute sich eine Schwäche in der Wahrnehmung der eigenen Ich-Grenze an, wodurch eine Abgrenzung von äußeren Einflüssen sowie eine positive Vertretung eigener Interessen erschwert sei und es zur Selbstüberforderung kommen könne. Andererseits bestünden positive Ressourcen, wie unter anderem eine ausgeprägte Willensstärke, Fleiß und eine gute Kooperationsbereitschaft. Die posttraumatische Belastungsstörung sei unter anderem mit der Vermeidung von eigenem Autofahren, Einschränkungen als Fußgängerin im Straßenverkehr sowie Ängste und Unsicherheiten in Bezug auf das Fahren in der Straßenbahn verbunden. Im Verlauf der Psychotherapie habe die Häufigkeit und Intensität von Intrusionen abgenommen und habe die Klägerin zunehmend entspannter über ihren Unfall sprechen können. Auch nach Abschluss der Maßnahme bestehe noch eine erhöhte Schreckhaftigkeit und eine etwas erhöhte Anspannung. Aufgrund des noch nicht gänzlich beseitigten Vermeidungsverhaltens und der noch nachwirkenden posttraumatischen Belastungsstörung habe eine Auto-Fahrprobe noch nicht durchgeführt werden können. Die psychische Verfassung der Klägerin zeige deutliche Besserungen auf. Dennoch sei der derzeitige Zustand noch nicht als stabil zu bewerten. Aus orthopädischer Sicht bestünden keine Bedenken gegen die Wiederaufnahme ihrer bisherigen Bürotätigkeit (Re-Integrations-Management-Bericht vom 30.11.2009). Die Weiterbehandlung erfolgte bei der Diplom-Psychologin D ... Sie hat ausgeführt, es liege eine posttraumatische Belastungsstörung in schwerem Ausmaß vor (Befundbericht vom 14.12.2009).

Mit Bescheid vom 05.01.2010 bewilligte die Beklagte die Kostenübernahme für fünf Fahrstunden. Arbeitsunfähigkeit bestand bis zum 17.01.2010.

Sodann zog die Beklagte die über den Verkehrsunfall angelegten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten bei und befragte die behandelnden Ärzte nach der Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE). Dr. W. schätzte im Februar 2010 die MdE mit 10 vom Hundert (v. H.) ein. Die Diplom-Psychologin D. teilte am 16.02.2010 mit, sie rechne, sobald die Klägerin wieder Autofahren könne, mit einer MdE um 0 v. H ...

Daraufhin holte die Beklagte die beratungsärztliche Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr. R. vom 21.02.1010 ein. Er führte aus, zwar könne diskutiert werden, ob die Eingangskriterien für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung erfüllt seien. Auf der anderen Seite müsse berücksichtigt werden, dass möglicherweise aufgrund vorbestehender psychischer Erkrankungen eine erhöhte Vulnerabilität der Klägerin zu unterstellen sei. Nach dem Bericht der Orthopädie der S. der Klinik B. hätten sich die mit der posttraumatischen Belastungsstörung in Zusammenhang stehenden Beeinträchtigungen deutlich zurückgebildet. Auch auf chirurgischem Fachgebiet sei der Heilungsverlauf komplikationslos. Aufgrund der geschilderten Symptomatik dürfte bei der Klägerin auf nervenärztlichem Fachgebiet allenfalls noch eine MdE von etwa 10 v. H. vorliegen. Nachdem die unfallbedingte MdE auf unfallchirurgischem Fachgebiet ebenfalls mit 10 v. H. bewertet worden sei, sei bei integrierender Betrachtung von einer unfallbedingten Gesamt-MdE von unter 20 v. H. auszugehen.

Die Beklagte holte zunächst das Erste Rentengutachten des Prof. Dr. K., Ärztlicher Direktor in der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie des K. S., vom 10.12.2010 ein. Der Gutachter beschrieb als Unfallfolgen eine osteosynthetisch versorgte distale Radiusfraktur links, eine 6 cm große Narbe am Handgelenk und geringgradige Bewegungseinschränkungen des linken Handgelenks und schätzte die MdE vom 18.01.2010 bis zum 30.11.2010 mit 15 v. H. sowie vom 30.11.2010 bis zum 30.11.2011 mit 10 v. H. ein.

Sodann holte die Beklagte das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr. S. vom 10.01.2011 ein. Der Gutachter führte unter Berücksichtigung des Zusatzgutachtens der Diplom-Psychologin L. vom 10.01.2011 aus, auf nervenheilkundlichem Fachgebiet lägen keine Unfallfolgen vor. Bei der psychologischen Untersuchung habe sich eine geringe intellektuelle Grundbefähigung mit mäßiger schulischer Bildung gezeigt. Dem zufolge lägen die meisten kognitiven Leistungen im unteren Durchschnittsbereich oder darunter. In den Beschwerdelisten habe die Klägerin über unplausible Beschwerden geklagt. Es habe sich aber eine beträchtliche Beschwerdeübertreibung und mangelhafte Kooperation bei den Leistungstests ergeben. Die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung sei unter systematischer Erfassung der Kriterien nicht nachzuvollziehen. Auch für eine andere psychische Störung ergäben sich keine Hinweise. Zu der Befürchtung der Klägerin, möglicherweise einen weiteren Unfall im Straßenverkehr zu erleiden, sei anzumerken, dass es sich nicht um eine irrationale und widernatürliche Überzeugung handele. Auch sei die Klägerin selbst nicht der Auffassung, dass ihre Befürchtung abwegig sei. Die Eingangsvoraussetzungen für die Annahme einer Angststörung seien somit nicht gegeben. Unfallunabhängige Gesundheitsstörungen auf nervenheilkundlichem Fachgebiet lägen ebenfalls nicht vor. Die unfallbedingte MdE durch die Verletzungsfolgen sei seitens des nervenheilkundlichen Fachgebiets mit 0 v. H. einzuschätzen.

Dr. R. gelangte in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 05.03.2011 zu der Einschätzung, trotz der Kritik des Prof. Dr. S. an der diagnostischen Beurteilung der bei der Klägerin diskutieren psychischen Unfallfolgen sei er nach wie vor der Auffassung, dass nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden könne, dass die Klägerin unfallbedingt eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten habe. Allerdings sei aus den Behandlungsberichten abzuleiten, dass sich die Folgen dieser Störung weitgehend zurückgebildet hätten. Aufgrund der bei der Begutachtung durch Prof. Dr. S. getroffenen Feststellungen und im Hinblick auf die Tatsache, dass seit seiner letzten Stellungnahme nahezu ein Jahr vergangen sei, sei er der Auffassung, dass bei der Zusammenschau der noch verbliebenen Unfallfolgen keine rentenberechtigende MdE mehr angenommen werden könne.

Mit Bescheid vom 04.04.2011 anerkannte die Beklagte als Unfallfolgen Bewegungseinschränkungen und Belastungsbeschwerden am linken Handgelenk nach operativ versorgtem körperfernen Speichenbruch links mit noch einliegendem Material, eine ohne wesentliche Folgen verheilte Brustkörper- und Flankenprellung sowie eine vorübergehende Verschlimmerung einer bereits bestehenden depressiven Stimmungslage mit einer Angststörung bezogen auf das Autofahren und anerkannte nicht als Unfallfolgen eine depressive Stimmungslage mit rezidivierendem Ganzkörperschmerz und Schlafstörungen. Ferner lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab.

Hiergegen erhob die Klägerin am 13.04.2011 Widerspruch. Sie führte zur Begründung aus, sie leide noch immer unter der Bewegungseinschränkung der linken Hand und den psychiatrischen Folgen des Unfalls. Sie habe immer noch panische Angst davor, selbst ein Auto zu führen. Auch bei der Teilnahme am Straßenverkehr als Fußgängerin zeige sich die Angst beim Überqueren der Straße. Darüber hinaus habe sie auch mehrfach bei der Benutzung eines Linienbusses verschreckt geschrien, wenn dieser in eine brenzlige Verkehrssituation gekommen sei. Sie bekomme regelmäßig Schweißausbrüche, wenn der Busfahrer in eine Kreuzung fahre. Da sie darunter leide, in ihrer Fortbewegungsmöglichkeit erheblich eingeschränkt zu sein, komme es zu depressiven Verstimmungen. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.08.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 29.09.2011 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben.

Die Klägerin hat sich vom 03.04.2012 bis zum 05.04.2012 in stationärer Behandlung in der Klinik für Hand-, Plastische- und Mikrochirurgie des Klinikums Stuttgart befunden, im Rahmen derer eine Neurolyse und Dekompression bei Karpaltunnelsyndrom und eine Metallentfernung am distalen Radius links erfolgt ist.

Das SG hat von Amts wegen das Gutachten des Dr. L., Chefarzt an der Neurologisch-Psychiatrischen Klinik J. M., vom 01.10.2012 eingeholt. Der Sachverständige hat in Auswertung der Aktenlage und nach ambulanter Untersuchung der Klägerin ausgeführt, diese habe im Laufe ihres Lebens wiederholt Traumatisierungen in Form eines in der Jugend erlittenen sexuellen Missbrauchs, von Vergewaltigungen, von Beeinträchtigungen in Beziehungen und einer Bedrohung durch ihren Bruder erfahren. Wiederholt habe sie sich auch falsch behandelt gefühlt. Später habe sie sich von ihrem ehemaligen Lebenspartner hintergangen gefühlt. Körpermissempfindungen habe sie auf eine von ihm übertragene unheilbare Erkrankung zurückgeführt. Damals sei sie davon überzeugt gewesen, jemand manipuliere ihre Gedanken. Sie habe damals auch Suizidgedanken gehabt. Im Zusammenhang mit den Beschwerden sei eine stationäre psychosomatische Behandlung, im Rahmen derer ein Enterozoenwahn angenommen worden sei, erfolgt. Erneut seien die Beschwerden vor 8 Jahren aufgetreten. Eine medikamentöse neuroleptische Behandlung habe zum Rückgang der Symptomatik geführt. Eine weitere psychiatrische Behandlung sei nach der Scheidung erfolgt. Eine übermäßige Empfindlichkeit auf äußere Ereignisse scheine sich durch ihr ganzes Leben zu ziehen. Auch die Angst, es könne ihr jemand etwas antun, begleite sie. So lasse sie Leute, die auf der Straße hinter ihr gingen, an sich vorbeigehen. Sie habe Angst, sie werde überfallen. Bei der Klägerin seien deutliche sensitive Persönlichkeitsanteile anzunehmen. Der im Jahr 1998 diagnostizierte Enterozoenwahn könne differentialdiagnostisch auch im Sinne einer cuenestetischen Schizophrenie gesehen werden. Äußere Beeinträchtigungen im Lebensverlauf, wie zum Beispiel das initial an der Arbeitsstelle von ihr erlebte Mobbing, könnten auch als paranoide Erlebnisweisen gedeutet werden. Im Verlaufe der Exploration hätten sich für die Vergangenheit wiederholt solche Erlebnisweisen angedeutet. Hinsichtlich der Persönlichkeitsstruktur sei differentialdiagnostisch auch an eine Persönlichkeitsänderung durch eine schizophrene Psychose im Sinne eines Residualzustandes zu diskutieren. Gleich nach dem Arbeitsunfall, anlässlich dessen die Klägerin gedacht habe, sie sterbe, und im weiteren Verlauf den qualmenden Motor gesehen habe, so dass sie gedacht habe, sie müsse verbrennen, seien bei der Klägerin Angstzustände aufgetreten. Trotz einer psychotherapeutischen Behandlung und später erfolgten 5 Fahrstunden sei die Klägerin nicht mehr in der Lage, ein Auto zu führen. Auch als Beifahrerin und als Mitfahrerin im Bus erlebe sie immer wieder Ängste. Immer wieder werde sie an die Unfallsituation erinnert. Seit dem Unfall habe sie auch Schlafstörungen mit Träumen, bei denen es sich nicht um die Unfallsituation handele. Sie fühle sich in den Träumen verfolgt. Immer wieder habe sie kurz Angst, wenn sie über die Straße gehe. Sie erschrecke sich in Bussen, wenn sich ein Kind der Straße nähere. Auf dem Gehweg sehe sie bei rechts einmündenden Straßen die Lichter vom Unfall. Das Problem sei der Straßenverkehr. Wenn sie Angst habe, bekomme sie kurzzeitig ein Hitzegefühl, Herzrasen, Gänsehaut, ein Kribbelgefühl und Schweißausbrüche. Die unfallausgelöste Symptomatik sei insgesamt als posttraumatische Belastungsstörung anzusehen. Die Klägerin sei dem Unfallereignis hilflos mit Todesangst ausgeliefert gewesen. Der Sachverständige hat die posttraumatische Belastungsstörung und die darüber hinausgehende Angstsymptomatik als durch den Unfall ausgelöst gewertet. Zwar bestehe bei der Klägerin eine Vulnerabilität für äußere traumatische Ereignisse. Zudem sei die Unfallverarbeitung bei der Klägerin durch persönlichkeitsgetragene Anteile erschwert. Ohne das Unfallereignis wäre die jetzt führende posttraumatische und auch die darüber hinausgehende Angstsymptomatik aber nicht eingetreten. Alltägliche Geschehnisse hätten die Symptomatik nicht auslösen können. Die Klägerin sei durch die Einschränkungen bei der Teilnahme am Straßenverkehr in ihrer Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit hinsichtlich ihrer Lebensabläufe wesentlich beeinträchtigt. Sie sei jedoch trotzdem noch in der Lage, nach einer Wiedereingliederung beruflich tätig zu sein. Ihre Beziehungen innerhalb der Familie und auch im Freundeskreis bestünden trotz der Beeinträchtigung weiterhin. Insgesamt sei die unfallbedingte MdE mit 20 v. H. anzunehmen. Initial scheine die Symptomatik ausgeprägter gewesen zu sein, ehe im Rahmen der Rehabilitationsbehandlung in B. im Herbst 2009 eine verhaltenstherapeutische Behandlung erfolgt sei, die die Klägerin in die Lage versetzt habe, wieder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Für die Zeit von dem Unfallereignis an bis zur Entlassung aus der Klinik in B. am 17.11.2009 sei die MdE mit 30 v. H. anzunehmen. Im Weiteren lasse sich keine wesentliche Änderung des Zustandsbildes abgrenzen. Der Sachverständige hat ferner ausgeführt, er teile nicht die Einschätzung des Prof. Dr. S., dass bei der Klägerin eine Intelligenzminderung vorliege. In der jetzigen Untersuchung habe die Klägerin keine intellektuellen Beeinträchtigungen gezeigt. Sie sei auch bei den Untersuchungen kooperativ gewesen. Die Beschwerden seien glaubhaft vorgetragen worden und in Anbetracht der Aktenlage dem Unfallgeschehen zuzuordnen. Das von Prof. Dr. S. beschriebene unkooperative Verhalten mit Antwortverzerrungen dürfte Ausdruck der dessen Gutachten nicht zu entnehmenden Vorgeschichte mit wiederholten psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlungen und mithin einer Persönlichkeitsproblematik sein.

Die Beklagte hat gegen dieses Gutachten eingewandt, es wäre Aufgabe des Gutachters gewesen, die entsprechenden Diagnosen zu stellen und nicht nur auszuführen, was differentialdiagnostisch angenommen werden könne. Ferner sei den Ausführungen des Sachverständigen nicht zu entnehmen, wie er zu der Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung gelangt sei. Er habe einzelne Kriterien, die typisch für eine posttraumatische Belastungsstörung seien, beschrieben. Die gegen eine posttraumatische Belastungsstörung sprechenden Umstände würden zwar erwähnt, aber in keiner Weise berücksichtigt. So sei es für eine posttraumatische Belastungsstörung typisch, dass ein andauerndes Gefühl von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit, Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit gegenüber der Umgebung und Anhedonie aufträten. Auch die Schlaflosigkeit sei gewöhnlich ein Symptom. Dass die Alpträume, in denen sich die Klägerin verfolgt fühle, nicht im Zusammenhang mit dem Unfallereignis stünden, habe der Sachverständige bestätigt. Für gewöhnlich würden im Rahmen eines Gutachtens, das die Frage nach dem Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung zum Gegenstand habe, diverse Testverfahren durchgeführt. Der Sachverständige habe keines dieser Testverfahren durchgeführt.

Hierzu hat Dr. L. in seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 29.11.2012 dargelegt, es zeige sich zwar nicht das Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung mit allen hier möglichen Symptomen. Die von der Klägerin geklagte Symptomatik sei jedoch durch den Unfall ausgelöst worden. Ohne den Unfall hätte die Klägerin die Symptomatik nicht entwickelt. Für die Einschätzung der MdE seien die länger gehenden Beeinträchtigungen in der Familie, im Freundeskreis und im Arbeitsleben relevant. Seines Erachtens bestehe für die Klägerin durch die Einschränkungen bei der Teilnahme am Straßenverkehr eine stärkere bis erhebliche Beeinträchtigung in der Lebensgestaltung. Hierfür sei eine MdE zwischen 20 und 30 v. H. anzunehmen. Seines Erachtens sei bei der Klägerin bis zum 17.11.2009 eine MdE um 30 v. H. und in der Folge nach Besserung durch die Behandlung eine MdE um 20 v. H. anzunehmen.

Dr. R. hat in seiner, dem SG allerdings nicht vorgelegten - beratungsärztlichen Stellungnahme vom 29.12.2012 ausgeführt, zum einen beträfen die Auswirkungen der Persönlichkeitsproblematik auch die Erhebungen der Anamnese und der Befunde von Dr. L. in gleicher Weise, so dass es schwierig sei, Art und Ausmaß allenfalls noch auf eine posttraumatische Belastungsstörung zurückzuführender Symptome objektiv zu bewerten beziehungsweise von unfallunabhängigen Störungen abzugrenzen. Zum anderen stütze sich Dr. L. ausschließlich auf die Angaben der Klägerin, die er als glaubhaft bewerte. Von entscheidender Bedeutung sei, dass sich Prof. Dr. S. im Gegensatz zu Dr. L. auf Testergebnisse stütze, die die von ihm vorgetragenen Interpretationen erlaubten. Neben diesen grundsätzlichen Einwendungen gegen die Argumentation des Dr. L. könne aus seiner Anamnesewiedergabe beziehungsweise Symptomschilderung Art und Ausmaß auf den Unfall zurückzuführender Störungen, also einer allenfalls anzunehmenden Restsymptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht hinreichend ermittelt werden. Ferner seien dem von Dr. L. beschriebenen psychischen Befund allenfalls geringfügige, auf eine posttraumatische Belastungsstörung zurückzuführende Störungen zu entnehmen. Der von ihm dargestellte psychiatrische Querschnittsbefund erlaube keinesfalls, eine gravierende Restsymptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung anzunehmen. Dr. L. sei es nicht gelungen, überzeugend darzulegen, dass bei der Klägerin zweifelsfrei eine auf eine posttraumatische Belastungsstörung zurückzuführende Restsymptomatik vorliege, die geeignet sei, die Annahme einer MdE in der von ihm vorgeschlagenen Höhe zu rechtfertigen. Im Gegensatz zu Dr. L. sei er nach wie vor der Auffassung, dass durch allenfalls noch vorliegende Restsymptome einer posttraumatischen Belastungsstörung keine über eine MdE um 10 v. H. hinausgehende Beeinträchtigung vorliege. Das Beschwerdebild der Klägerin werde weitgehend durch die von Dr. L. beschriebenen Persönlichkeitsauffälligkeiten bestimmt. Darüber hinaus spielten im Bedingungsgefüge der Symptomatik sicherlich auch psychosoziale Stressfaktoren wie Arbeitslosigkeit eine Rolle. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass gerade die Tatsache, dass nach dem Unfall die berufliche Wiedereingliederung in eine differenzierte Tätigkeit geglückt gewesen sei, gegen das Fortbestehen einer gravierenden Symptomatik spreche.

Die Klägerin hat die in einem Schwerbehinderten-Rechtsstreit abgegebene versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. H. vom 26.09.2013 vorgelegt, in der diese die Gebrauchseinschränkung des linken Armes mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 10 und die seelische Störung mit einem GdB von 20 bewertet hat. Ferner hat sie den Bescheid des Landratsamts B. vom 12.12.2013 vorgelegt, mit dem für sie ein GdB von 20 seit 25.08.2009 festgestellt worden ist.

Mit Urteil vom 16.01.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, auf unfallchirurgischem Fachgebiet liege eine Einzel-MdE um 10 v. H. vor. Auf dem psychiatrischen Fachgebiet liege keine posttraumatische Belastungsstörung vor, da die gegenüber Prof. Dr. S. und Dr. L. geschilderten psychischen Beschwerden die Voraussetzungen dieser Diagnose nicht erfüllten. Es komme nicht zu einem ungewollten Wiedererleben des traumatischen Ereignisses in Träumen und Gedanken, den sogenannten Nachhallerinnerungen. Die von der Klägerin geklagten Alpträume handelten davon, dass sie verfolgt werde. Einen unfallspezifischen Inhalt hätten diese nicht. Gleichsam lägen keine verminderte affektive Schwingungsfähigkeit, keine somatischen Beschwerden, keine Gefühle der Insuffizienz in Form von Hoffnungslosigkeit, kein sozialer Rückzug, kein ständiges Gefühl des Bedrohtseins, keine beeinträchtigende Beziehung zu anderen und keine Veränderung der Persönlichkeit im Vergleich zu früher vor. Die Klägerin leide aber an einer Angststörung. Die Klägerin sei seit dem Unfall nicht mehr in der Lage, selbst Auto zu fahren. Trotz mehrerer genommener Fahrstunden habe sie nach wie vor Angst im Straßenverkehr. Zwar sei es ihr unter Aufbringung all ihrer Kräfte möglich, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Jedoch habe sie glaubhaft versichert, dass sie nicht mehr in der Lage sei, selbst Auto zu fahren. Auch das Mitfahren im Auto bereite ihr große Schwierigkeiten. Dies gelinge nur, wenn sie auf der Rückbank sitze und dies auch nur mit immer wiederkehrenden Aufschreien. Wesentliche Ursache für diese Angststörung sei der Arbeitsunfall. Spezifische (isolierte) Phobien bei eng begrenzten und für die Arbeitswelt wenig bestimmenden Situationen seien mit einer MdE von 0 bis 10 v. H. zu bewerten. Durch die bestehende Angststörung sei die Klägerin nicht mehr in der Lage, selbst Auto zu fahren. Es sei ihr, nach eigenen Angaben, jedoch möglich, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Die hierfür erforderliche Überwindungskraft sei der Klägerin gleichfalls zumutbar. Insofern sei die Klägerin also trotz ihrer Angststörung grundsätzlich in der Lage, einen Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Eine Beeinträchtigung durch die Angststörung in Bezug auf die Arbeitswelt der Klägerin bestehe lediglich insofern, als diese nicht in der Lage sei, mit dem Auto zur Arbeit zu fahren. Diese Einschränkung sei mit einer MdE um 10 v. H. zu bewerten. Bei der Gesamt-MdE-Bildung dürften die einzelnen MdE-Ansätze nicht schematisch zusammengerechnet werden. Entscheidend sei eine integrierende Gesamtschau der Gesamteinwirkungen aller Funktionseinschränkungen auf die Erwerbsfähigkeit. Nebeneinander stehende Funktionseinschränkungen seien gleichfalls nicht zu addieren. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze liege bei der Klägerin keine Gesamt-MdE um 20 v. H. vor. Die beiden Einzel-MdE-Werte von jeweils 10 v. H. seien nicht zu addieren. Ein Fall, der eine ausnahmsweise Addition der Einzel-MdE zuließe, sei nicht zu erkennen.

Gegen das Urteil des SG hat die Klägerin am 11.02.2014 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben. Sie vertritt die Ansicht, die Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts könnten das Vorhandensein einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht widerlegen. Sie sehe ständig in ihren Gedanken Unfälle, erschrecke, wenn der Bus bremse, bekomme in solchen Situationen Hitzegefühle, Herzrasen, Gänsehaut und Schweißausbrüche. Sie sei dem Unfallereignis hilflos mit Todesangst ausgeliefert gewesen. Kumulativ hierzu liege eine Angststörung vor. Seit dem Unfallereignis sei sie nicht mehr in der Lage, selbst Auto zu fahren. Auch die Teilnahme am öffentlichen Nahverkehr erfordere eine tägliche Auseinandersetzung mit dem Unfallereignis und sei damit nur sehr eingeschränkt und unter erheblicher psychischer Belastung möglich. Sie sei somit erheblich eingeschränkt, einer Arbeitstätigkeit nachzugehen, da sie räumlich auf einen Arbeitsplatz in Fußläufigkeit angewiesen sei. Sie sei nun auch seit einigen Jahren arbeitslos. Somit berechtige die posttraumatische Belastungsstörung nach dem Gutachten des Dr. L. zu einer MdE um 30 v. H. bis zum 17.11.2009 sowie um 20 v. H. für die Zeit danach und die Angststörung zu einer MdE um mindestens 20 v. H.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Januar 2014 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 4. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2011 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr seit dem 18. Januar 2010 eine Rente nach einer MdE um mindestens 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das SG habe in seinem Urteil ausführlich zum Gutachten des Dr. L. Stellung genommen und dargelegt, weshalb es die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung als nicht gesichert ansehe. Vielmehr liege mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Angststörung vor, die mit einer Einzel-MdE um 10 v. H. zu bewerten sei. Das schematische Zusammenrechnen der für die einzelnen Körperschäden in Ansatz gebrachten Sätze verbiete sich auch, wenn sich die Unfallfolgen nicht überschnitten. Aufgrund einer funktionellen Betrachtungsweise seien die wechselseitigen Beziehungen der Einzelschäden zusammenfassend zu berücksichtigen. Dabei werde der Grad der MdE in aller Regel niedriger als die Summe der Einzelschädigungen sein. Das Verbot einer Gesamt-MdE-Erhöhung gelte ausnahmslos dann, wenn sich die weiteren, nur geringfügigen Funktionsstörungen unabhängig voneinander in verschiedenen Lebensbereichen auswirkten. Hieraus ergebe sich, dass eine Addition der Einzel-MdE-Werte nur in Ausnahmefällen zulässig sei. Dies setze nicht nur voraus, dass sich die Funktionsbußen nicht überschnitten, sondern eine Addition komme nur in den seltenen Fällen in Betracht, in denen sich die unterschiedlichen Unfallfolgen gegenseitig noch verstärkten und zu einer Erhöhung der gesamten Funktionseinbußen führten.

Der Senat hat die ärztlichen Unterlagen der unter der Schadensnummer 60 KH 09-0 // PAV 0 geführten Akte der A. AG beigezogen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgericht (SGG) statthafte, nach § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlungen entscheidet, ist unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Urteils des SG vom 16.01.2014, mit dem die Klage der Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten vom 04.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2011 abgewiesen worden ist. Die Klägerin erstrebt die Aufhebung dieses Bescheides, mit dem die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt worden ist, und die Verurteilung der Beklagten hierzu. Diese prozessualen Ziele verfolgt die Klägerin zulässigerweise gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, Abs. 4 SGG mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage.

Die Beklagte hat zu Recht die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt.

Rechtsgrundlagen sind § 56 in Verbindung mit § 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern (§ 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII). Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet; sie beträgt zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes (§ 56 Abs. 3 Satz 1 SGB VII). Bei einer MdE wird Teilrente geleistet; sie wird in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 Satz 2 SGB VII).

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Versicherte Tätigkeiten sind auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII).

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist für einen Arbeitsunfall im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang) ist sowie diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - juris Rz. 16 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - juris; BSG, Urteil vom 18.01.2011 - B 2 U 9/10 R - juris; BSG Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - juris).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - juris Rz. 17 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R - juris). Es gelten die allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast. Danach trägt derjenige, der ein Recht - hier Feststellung eines Arbeitsunfalls - für sich beansprucht, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ermittlung die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechts (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - juris Rz. 28 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - juris; BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - juris).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Klägerin am 25.08.2009 zwar einen Arbeitsunfall erlitten. Denn die Autofahrt zu ihrer Arbeitsstätte ist ihrer versicherten Tätigkeit zuzurechnen und hat den Zusammenstoß mit einem anderen Fahrzeug und damit ein zeitlich begrenztes, von außen auf ihren Körper einwirkendes Ereignis wesentlich verursacht, wodurch mit der in der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie S. diagnostizierten distalen Fraktur des Radius in Form einer Extensionsfraktur links, Commotio cerebri links, Thoraxprellung und Beckenprellung ein Gesundheitserstschaden wesentlich verursacht worden ist.

Die von der Beklagten mit Bescheid vom 04.04.2011 als Unfallfolgen anerkannten Bewegungseinschränkungen und Belastungsbeschwerden am linken Handgelenk nach operativ versorgtem körperfernen Speichenbruch links mit noch einliegendem Material, ohne wesentliche Folgen verheilte Brustkörper- und Flankenprellung sowie vorübergehende Verschlimmerung einer bereits bestehenden depressiven Stimmungslage mit einer Angststörung bezogen auf das Autofahren bedingen jedoch keine MdE um mindestens 20 v. H.

In Bezug auf den Gesundheitsdauerschaden auf unfallchirurgischem Fachgebiet stützt sich der Senat auf die im Gutachten des Prof. Dr. K. vom 10.12.2010 erhobenen Befunde. Danach besteht bei der Klägerin im linken Handgelenk ein Bewegungsmaß handrückenwärts/hohlhandwärts von 70-0-25 Grad links gegenüber 90-0-80 Grad rechts sowie speichenwärts/ellenwärts von 15-0-25 Grad links gegenüber 15-0-40 Grad rechts. Diese unfallbedingte Bewegungseinschränkung rechtfertigt nach der unfallmedizinischen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Nr. 8.7.7.2.3, S. 543-544) eine MdE um 10 v. H., da eine eine höhere MdE voraussetzende erhebliche Achsenabknickung, Arthrose, Versteifung oder Funktionsstörung im Bereich der Langfinger und des Daumens nicht gegeben ist. Der Gutachter hat daher die osteosynthetisch versorgte distale Radiusfraktur links, die 6 cm große Narbe am Handgelenk und die geringgradigen Bewegungseinschränkungen des linken Handgelenks jedenfalls ab 30.11.2010 zutreffend mit einer MdE um 10 v. H. eingeschätzt. Nichts anderes gilt für die Zeit davor. Die mit 15 v. H. erfolgte Einschätzung für die Zeit vom 18.01.2010 bis zum 30.11.2010 hat der Gutachter nicht begründet und ist daher für den Senat nicht nachvollziehbar.

Der auf dem psychiatrischen Fachgebiet festgestellte Gesundheitsdauerschaden in Form einer Angststörung bezogen auf das Autofahren bedingt ebenfalls eine MdE um 10 v. H. Dies hat das SG in dem angegriffenen Urteil vom 16.01.2014 zutreffend dargelegt, indem es in Auswertung des insoweit überzeugenden Gutachtens des Dr. L. vom 01.10.2012 darauf abgestellt hat, dass die Klägerin wegen ihrer unfallbedingten Angststörung nicht mehr in der Lage ist, selbst Auto zu fahren. Das SG hat hieraus zutreffend den Schluss gezogen, dass es sich hierbei um eine spezifische (isolierte) Phobie handelt. Unter Heranziehung der unfallmedizinischen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Nr. 5.1.16, S. 158) handelt es sich dabei noch nicht um eine mit einer MdE bis 30 v. H. zu bewertende Phobie bei zentralen Situationen der allgemeinen Arbeitswelt oder mehreren bedeutsamen, begrenzten Arbeitssituationen, sondern nur um eine mit einer MdE bis 10 v. H. zu bewertende Phobie bei eng begrenzten und für die Arbeitswelt wenig bestimmenden Situationen. Denn der Klägerin ist trotz ihrer Angststörung das Mitfahren in einem Auto und die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar und auch möglich, so dass sie grundsätzlich in der Lage ist, einen Arbeitsplatz zu erreichen. Eine Beeinträchtigung durch die Angststörung in Bezug auf die Arbeitswelt der Klägerin besteht also - worauf das SG zutreffend hingewiesen hat - lediglich insofern, als diese nicht in der Lage ist, mit dem Auto zur Arbeit zu fahren. Diese Einschränkung ist auch aus Sicht des Senats mit einer MdE um 10 v. H. zu bewerten. Der Senat schließt sich gemäß § 153 Abs. 2 SGG den Ausführungen des SG nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen an.

Über die von der Beklagten als Unfallfolge festgestellte Angststörung hinaus liegt auf psychiatrischem Fachgebiet kein weiterer wesentlich ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführender rentenberechtigender Gesundheitsdauerschaden vor.

Selbst wenn man der Einschätzung der in der Orthopädie der S. B. behandelnden Ärzte folgen wollte, dass zum damaligen Zeitpunkt das Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung vorgelegen haben sollte, so gilt, dass auch nach deren Votum im Verlauf der Psychotherapie die Häufigkeit und Intensität von Intrusionen abgenommen und nach Abschluss der dortigen Maßnahme am 17.11.2009 nur noch eine erhöhte Schreckhaftigkeit und eine etwas erhöhte Anspannung vorgelegen hat. Mithin hat jedenfalls seit Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 18.01.2010 eine relevante Funktionsbeeinträchtigung nicht mehr bestanden , sodass die auf psychiatrischem Fachgebiet bestehende MdE um 10 v.H. nicht zu erhöhen ist.

Jedenfalls für die Zeit nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit hat das SG überzeugend dargelegt, dass bei der Klägerin keine auf den Arbeitsunfall zurückzuführende posttraumatische Belastungsstörung mehr vorliegt, indem es die in dem Diagnostischen und Statistischen Manual psychischer Störungen - Textrevision - (DSM-IV-TR) 309.81 dargestellten Voraussetzungen, um eine solche Erkrankung diagnostizieren zu können, nicht als erfüllt angesehen hat, da es bei der Klägerin nach ihren Schilderungen gegenüber Dr. L. nicht zu einem ungewollten Wiedererleben des traumatischen Ereignisses in Träumen und Gedanken, den sogenannten Nachhallerinnerungen, kommt, die von ihr geklagten Alpträume keinen unfallspezifischen Inhalt haben und weder eine verminderte affektive Schwingungsfähigkeit, noch somatische Beschwerden, Gefühle der Insuffizienz in Form von Hoffnungslosigkeit, ein sozialer Rückzug, ein ständiges Gefühl des Bedrohtseins, eine beeinträchtigende Beziehung zu anderen oder eine Veränderung der Persönlichkeit im Vergleich zu früher vorliegt. Der Senat schließt sich auch insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen an. Auch unter Würdigung des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren ergibt sich kein anderes Bild. Zwar trifft es zu, dass Dr. L. in seinem Gutachten vom 01.10.2012 von einer posttraumatischen Belastungsstörung ausgegangen ist. Er hat jedoch auf die auch aus Sicht des Senats zutreffenden Einwände der Beklagten in seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 29.11.2012 eingeräumt, dass nicht das Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung mit allen hier möglichen Symptomen vorliegt.

Auch die von Dr. L. beschriebenen Restsymptome einer posttraumatischen Belastungsstörung sind nach Ansicht des Senats nicht rentenberechtigend, da Teile hiervon der bereits als Unfallfolge anerkannten und mit einer MdE um 10 v. H. zu bewertenden Angststörung zuzurechnen und die anderen Teile nicht wesentlich ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sind. Indem Dr. L. ausführt, dass die von der Klägerin geklagte Symptomatik durch den Unfall ausgelöst worden ist und deshalb ohne das Unfallereignis die jetzt führende psychiatrische Symptomatik nicht eingetreten wäre, verkennt er, dass im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen werden, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere/n Ursache/n keine überragende Bedeutung hat/haben. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur diese Ursache/n "wesentlich" und damit Ursache/n im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Ist die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen, so ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei dieser Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der "Gelegenheitsursache" durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt jedoch nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne Weiteres zu unterstellen ist. Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache beziehungsweise dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, ferner das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, die Befunde und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie die gesamte Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - juris Rz. 16 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - juris; BSG, Urteil vom 18.01.2011 - B 2 U 9/10 R - juris; BSG Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - juris).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann vorliegend der Arbeitsunfall allenfalls als Auslöser für die von Dr. L. beschriebene und über die Angststörung hinaus gehende noch andauernde psychiatrische Erkrankung sein. Denn nach dem Gutachten des Dr. L. hat die Klägerin bereits vor dem Arbeitsunfall an einer psychiatrischen Erkrankung gelitten. So ist beispielsweise im Rahmen einer stationären psychosomatischen Behandlung ein Enterozoenwahn angenommen worden ist. Zutreffend ist Dr. L. zu der Einschätzung gelangt, dass sich eine übermäßige Empfindlichkeit auf äußere Ereignisse durch das ganzes Leben der Klägerin gezogen hat. So hat die Klägerin angegeben, die Angst begleite sie, es könne ihr jemand etwas antun, sie lasse Leute, die auf der Straße hinter ihr gingen, an sich vorbeigehen, und sie habe Angst, sie werde überfallen. Diese von Dr. L. als deutlich sensitiv beschriebenen Persönlichkeitsanteile, der im Jahr 1998 diagnostizierte Enterozoenwahn, äußere Beeinträchtigungen im Lebensverlauf, wie zum Beispiel das initial an der Arbeitsstelle von ihr erlebte Mobbing, als Ausdruck als paranoid deutbare Erlebnisweisen hat Dr. L. sogar zum Anlass genommen, bei der Klägerin eine Persönlichkeitsänderung durch eine schizophrene Psychose im Sinne eines Residualzustandes zu diskutieren. Aus alledem ergibt sich für den Senat eine überragende Bedeutung dieser Vorerkrankungen für das jetzt bei der Klägerin ausgeprägte und über die Angststörung beim Autofahren hinausgehende Krankheitsbild. Dieses ist daher nicht wesentlich ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen, worauf bereits Dr. R. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 29.12.2012 hingewiesen hat. Er hat zutreffend dargelegt, dass das Beschwerdebild der Klägerin weitgehend durch die von Dr. L. beschriebenen Persönlichkeitsauffälligkeiten bestimmt wird und darüber hinaus im Bedingungsgefüge der Symptomatik auch psychosoziale Stressfaktoren wie Arbeitslosigkeit eine Rolle spielen.

Unter Berücksichtigung der Einzel-MdE um 10 v. H. für die Bewegungseinschränkungen und Belastungsbeschwerden am linken Handgelenk nach operativ versorgtem körperfernen Speichenbruch links mit noch einliegendem Material sowie die ohne wesentliche Folgen verheilte Brustkörper- und Flankenprellung und der Einzel-MdE um 10 v. H. für die Angststörung bezogen auf das Autofahren lässt sich auch nach Ansicht des Senats keine rentenberechtigende Gesamt-MdE um mindestens 20 v. H. rechtfertigen. Entgegen der Ansicht der Klägerin sind die beiden Einzel-MdE-Werte nicht zu addieren. Vielmehr ist das Gesamtbild aller Funktionseinschränkungen mit einem MdE-Wert im Ganzen zu würdigen, wobei die Einzel-MdE-Werte nicht schematisch zusammengerechnet werden dürfen. Entscheidend ist eine integrierende Gesamtschau der Gesamteinwirkungen aller Funktionseinschränkungen auf die Erwerbsfähigkeit (BSG, Urteil vom 15.03.1979 - 9 RVs 6/77 - juris). In aller Regel ist die Gesamt-MdE niedriger als die Summer aller Einzel-MdE-Werte (zum Ganzen: Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 56, Rz. 10.6; Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Mai 2014, § 56 SGB VII, Rz. 23; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Nr. 3.6.3, S. 103; Benz in SGb 2009, S. 699). Anhaltspunkte dafür, ausnahmsweise eine Addition vorzunehmen, sieht der Senat vorliegend nicht, zumal die mit einer MdE um jeweils 10 v. H. zu bewertenden Funktionseinschränkungen recht gering sind und es sich auch nicht um sich gegenseitig verstärkende Gesundheitsstörungen handelt (vergleiche BSG, Urteil vom 13.12.2000 - B V 8/00 R - juris).

Mithin hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorlie-gen.
Rechtskraft
Aus
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