Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 76/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1971/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11.03.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Verletztenrente über den 31.12.2011 hinaus streitig.
Der am 1951 geborene Kläger betrieb neben seiner Tätigkeit als Kraftfahrer bei der Firma M. GmbH, einer Dönerfabrik, mit Hilfe seiner Söhne einen Döner-Imbiss und auf dem dortigen Grundstück auch einen KFZ-Handel. Im August 2006 trat Insolvenz ein, der Kläger verlor die Einkünfte aus dem Gewerbe und war verschuldet. Am 30.12.2006 kam es im Rahmen seiner Tätigkeit für die Firma M. GmbH bei einer Auslieferungsfahrt auf der Autobahn bei Sens in Frankreich zu einem Verkehrsunfall, als sich ein Rad seines LKW löste, das Fahrzeug von der Straße abkam, sich überschlug und auf dem Dach zum Liegen kam.
Der Kläger wurde stationär im Krankenhaus in Sens aufgenommen, wobei die behandelnden Ärzte ein Schädeltrauma und eine große tiefe Kopfplatzwunde rechts diagnostizierten, die unter Vollnarkose versorgt wurde. Am Folgetag wurde der Kläger entlassen und kehrte nach Deutschland zurück. Eine Anfang Januar 2007 wegen beklagten Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindelgefühl durchgeführte neurologische Untersuchung erbrachte einen Normalbefund, eine später durchgeführte Computertomographie des Schädels erbrachte keinen pathologischen Befund. Im Januar 2007 nahm der Kläger seine Tätigkeit als Fahrer wieder auf und arbeitete bis zum Eintritt dauerhafter Arbeitsunfähigkeit Anfang April 2007. Wegen vom Kläger angegebener Konzentrationsstörungen, Unruhe, Schlafstörungen und Unwohlsein beim Fahren kam es auf Veranlassung des damals (und zunächst bis November 2008) behandelnden Facharztes für Psychiatrie Dr. D. im Oktober/November 2007 zu einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der M.-B.-Klinik in K. , wo u.a. die Diagnosen einer posttraumatischen Belastungsstörung gestellt wurde. Im Mai 2008 begann der Kläger zur Behandlung dieser Erkrankungen eine ambulante Psychotherapie bei der Psychotherapeutin Dr. K.-B. , die im August 2010 beendet wurde. Nachfolgend hat sich der Kläger erstmals wieder im Februar 2012 bei Dr. D. wegen einer depressiven Symptomatik bei vielfältigten psychosozialen Problemen in Behandlung begeben, der eine stationäre Behandlung in der Klinik E. veranlasst hat, die von März bis Mai 2012 durchgeführte worden ist und wo der Kläger u.a. über seine Kränkung durch die Trennung von seiner Ehefrau mit aktueller Wohnungslosigkeit berichtetet hat. Er ist in deutlich gebessertem Befinden entlassen worden.
Im Zuge ihrer Ermittlungen holte die Beklagte neben einem unfallchirurgischen Gutachten bei Dr. J. (Narbenbildung an der rechten Kopfseite und geringe Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule und des Schultergelenks als Unfallfolge, Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - ab Ende Januar 2007 unter 10 vom Hundert - v.H. -) ein Gutachten bei Prof. Dr. E. , Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychosomatik Freiburg, ein. Prof. Dr. E. diagnostizierte auf Grund seiner Untersuchung im Februar 2009 unfallbedingt eine posttraumatische Belastungsstörung und eine spezifische Phobie bezüglich des Führens von Kraftfahrzeugen sowie unfallunabhängig eine chronifizierte schwere depressive Episode. Die aktuelle MdE schätzte er auf 30 vom v.H. Auf Empfehlung des von der Beklagten hinzugezogenen Nervenarztes Dr. W. , der dieses Gutachten nicht für überzeugend erachtete, holte die Beklagte ein Gutachten bei der Ärztin für Psychiatrie Dr. M. ein, wobei auch eine Fahrprobe unter Hinzuziehung eines Fahrlehrers durchgeführt wurde. Dr. M. beschrieb eine vermehrte Ängstlichkeit beim Autofahren, die allerdings nicht das Ausmaß einer Angststörung erreiche. Ab dem Ende unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit (22.09.2008 = Ende der 78. Woche nach dem Unfall) betrage die MdE weniger als 10 v. H. Gestützt auf das Gutachten von Dr. M. lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente mit Bescheid vom 18.08.2010 und Widerspruchsbescheid vom 14.12.2010 ab.
Das hiergegen am 07.01.2011 angerufene Sozialgericht Freiburg (SG) hat ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei Dr. N. , Chefarzt der Neurologischen Abteilung im V.-P. -Hospital in R. , auf Grund Untersuchung des Klägers im August 2011 eingeholt. Der Sachverständige hat eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert und die MdE ab 27.01.2007 mit 30 v.H. bewertet.
Mit Urteil vom 11.03.2013 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls Verletztenrente - insoweit entsprechend dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag - nach einer MdE um 30 v.H. vom 23.09.2008 bis 31.12.2011 zu gewähren und im Übrigen - hinsichtlich des Begehrens einer solchen Rente auf Dauer - die Klage abgewiesen. Gestützt auf das von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten des Prof. Dr. E. und das Gutachten des Sachverständigen Dr. N. ist es davon ausgegangen, dass beim Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung vorgelegen hat, die die Bewertung mit einer MdE um 30 v.H. gerechtfertigt hat. Allerdings sei der Unfall nicht dauerhaft rechtlich wesentliche Ursache der psychischen Störung. So seien im Verlauf konkurrierende Faktoren als neue, die Beschwerden unterhaltende Ursachen (u.a. Führerscheinentzug, Trennung von der zweiten Ehefrau im März 2012) hinzugetreten, während der Ursachenbeitrag des Arbeitsunfalls so weit zurückgetreten sei, dass dieser ab Januar 2012 nicht mehr als rechtlich wesentliche Ursache angesehen werden könne.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 05.04.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.05.2013, einem Montag, beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, die vom SG angenommene Unterbrechung des Ursachenzusammenhangs werde durch die Gutachten des Prof. Dr. E. und des Dr. N. nicht gestützt. Auf den Einwand der Beklagten, es lägen unfallunabhängige Mitursachen vor, hätte das SG daher ein weiteres Sachverständigengutachten einholen müssen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11.03.2013 abzuändern und die Beklagte unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 18.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 14.12.2010 zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. über den 31.12.2011 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass den unfallunabhängigen Faktoren spätestens ab 01.01.2012 überragende Bedeutung für die Gesundheitsstörungen des Klägers und die sich daraus ergebenden Beeinträchtigungen beizumessen seien.
Der Senat hat das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. Dr. W. , Ärztlicher Direktor im Bezirkskrankenhaus G. , auf Grund Untersuchung des Klägers im März 2014 eingeholt. Der Sachverständige hat als Unfallfolgen eine spezifische Phobie und eine depressive Anpassungsstörung beschrieben. Die phobische Symptomatik rechtfertige die Bewertung mit einer MdE um maximal 10 v.H. Hinsichtlich der depressiven Symptomatik sei spätestens ab 01.01.2012 kein wesentlicher Unfallanteil mehr zu erkennen. Das SG sei zutreffend davon ausgegangen, dass konkurrierende Faktoren im Verlauf zunehmend Relevanz für die Beschwerdesituation des Klägers gewonnen hätten, während die Wesentlichkeit des Unfalls zunehmend abgenommen habe.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtzüge Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 durch Beschluss entscheidet, ist zulässig; die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist allein die Frage, ob dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. über den 31.12.2011 hinaus, und zwar - wie vom Kläger geltend gemacht - auf unbestimmte Zeit, zusteht. Denn gegen das Verletztenrente nach der genannten MdE für den Zeitraum vom 23.09.2008 bis 31.12.2011 zusprechende Urteil hat lediglich der Kläger mit dem Begehren Berufung eingelegt, die Rente in dieser Höhe auch über den Endzeitpunkt hinaus zu gewähren. Über die Ansprüche des Klägers im Zeitraum vor dem 01.01.2012 hat der Senat daher nicht zu befinden. Denn insoweit steht rechtskräftig fest, dass dem Kläger Verletztenrente vom 23.09.2008 bis 31.12.2011 zusteht.
Soweit das SG einen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente ab 01.01.2012 verneint hat, ist dies nicht zu beanstanden. Denn ab diesem Zeitpunkt erfüllt der Kläger die entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen nicht.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger ab 01.01.2012 nicht mehr an einer Gesundheitsstörung gelitten, die rechtlich wesentlich auf den Verkehrsunfall vom 30.12.2006 zurückzuführen war und eine MdE um zumindest 20 v.H. bedingt hat. Dies hat das SG zutreffend entschieden, wie Prof. Dr. Dr. W. in seinem vom Senat im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten überzeugend dargelegt hat.
Dabei kann der Senat offen lassen, ob die Symptomatik, wie diese sich beim Kläger in der Zeit nach dem Unfall zunächst entwickelte, die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung rechtfertigte, wovon Prof. Dr. E. und Dr. N. ausgegangen sind, was hingegen von Dr. W. angezweifelt und zuletzt auch von dem Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W. lediglich für möglich, nicht aber für nachgewiesen erachtet worden ist. Denn ein derartiges Krankheitsbild hat jedenfalls in dem vorliegend zu beurteilenden Zeitraum ab 01.01.2012 nicht vorgelegen, wie der Sachverständige Prof. Dr. Dr. W. überzeugend vor dem Hintergrund dargelegt hat, dass schon Dr. N. zum Zeitpunkt seiner Untersuchung im August 2011 keine hinreichenden spezifischen Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung hat finden können. Tatsächlich hat Dr. N. bei der Prüfung der Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung im Zusammenhang mit dem B-Kriterium (beharrliches Wiedererleben des traumatischen Ereignisses) nur auf vorliegende frühere Berichte verwiesen und ausdrücklich dargelegt, dass "sichere Hinweise ... aktuell nicht zu finden" sind. Damit aber sind zum Zeitpunkt seiner Untersuchung im August 2011 die Voraussetzungen für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht erfüllt gewesen. Auch Prof. Dr. Dr. W. hat solche Symptome nicht erkennen können.
Ausgehend von den den Senat überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. Dr. W. liegt beim Kläger eine spezifische Phobie vor dem Autofahren vor, die ursächlich auf den am 30.12.2006 erlittenen Verkehrsunfall zurückzuführen ist. Diese Symptomatik, die Tätigkeiten, die mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs verbunden sind, erschwert, indessen nicht ausschließt, hat der Sachverständige für den Senat schlüssig nachvollziehbar mit einer MdE um höchstens 10 v.H. bewertet. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger trotz dieser Phobie grundsätzlich durchaus in der Lage ist, als Führer eines Kraftfahrzeuges am Straßenverkehr teilzunehmen. Dies zeigt insbesondere der Umstand, dass der Kläger nach dem Unfall tatsächlich sogar zunächst noch seine versicherte Tätigkeit als Fahrer ausübte und auch danach noch - trotz Arbeitsunfähigkeit in der versicherten Tätigkeit - als Fahrer am Straßenverkehr teilnahm, wenn auch nicht mehr im bisherigen beruflichen Umfang. So kam es im Jahre 2009 nach den eigenen Angaben des Klägers zum Führerscheinentzug, als er in alkoholisiertem Zustand einen PKW führte. Gegenüber Prof. Dr. Dr. W. hat der Kläger auch eingeräumt, damals gelegentlich noch Auto gefahren zu sein. Soweit er dies seit dem Führerscheinentzug unterlassen hat, ist dies auf die fehlende Erlaubnis zurückzuführen. Schließlich ergab auch die unter Aufsicht von Dr. M. und eines Fahrlehrer durchgeführte Fahrprobe - Dr. M. dokumentierte eine Dauer von eineinhalb Stunden mit abwechslungsreicher Fahrstrecke (Stadtverkehr, Landstraße, Autobahn einschließlich Baustelle) - keine schwer wiegenden Auffälligkeiten, insbesondere konnte Dr. M. keine vegetative Symptomatik feststellen. Soweit der Kläger - so die Beurteilung des Fahrlehrers gegenüber Dr. M. - Unsicherheiten zeigte, ist dies zwanglos mit Restsymptomen der von Prof. Dr. Dr. W. diagnostizierten Phobie und durch die seit 2009, dem Führerscheinentzug, fehlende Fahrpraxis zu erklären. Eine Tätigkeit als Beifahrer ist dem Kläger ohne Einschränkungen möglich, wie sich aus seinen Angaben gegenüber Prof. Dr. Dr. W. ergibt.
Soweit der Kläger darüber hinaus an einer depressiven Anpassungsstörung leidet - so überzeugend der Sachverständige Prof. Dr. Dr. W. - wurde diese Erkrankung zwar gleichermaßen durch den Arbeitsunfall vom 30.12.2006 ausgelöst, hingegen lässt sich diese Störung jedenfalls ab dem in Rede stehenden Zeitpunkt 01.01.2012, mithin mehr als fünf Jahre nach dem Unfall, nicht mehr rechtlich wesentlich auf den Arbeitsunfall zurückführen.
Im Hinblick auf die Entwicklung der von Prof. Dr. Dr. W. diagnostizierten depressiven Störung hat der Sachverständige schlüssig und überzeugend insbesondere dargelegt, dass beim Kläger im weiteren Verlauf nach dem Unfall zunehmend unfallunabhängige Faktoren hinzugetreten sind, die die aufgetretene depressive Symptomatik unterhielten und zuletzt zusätzlich noch gravierend verstärkten. In diesem Zusammenhang hat der Sachverständige vor allem die Krise in der Ehe angeführt, die durch vom Kläger aus seiner Sicht nicht erfüllbare Ansprüche der jüngeren Ehefrau gespeist wurde und die in einer Trennung der Eheleute gipfelte. Damals, im Januar/Februar 2012 (s. die vom SG eingeholte sachverständige Zeugenauskunft), suchte der Kläger - erstmals seit November 2008 - wieder Dr. D. auf und beklagte "erneute" Schlafstörungen, weitere psychische Auffälligkeiten und vielfältige psychosoziale Probleme. In der nachfolgenden stationären Behandlung in der Klinik E. wurde deutlich, dass es im Rahmen der räumlichen Trennung von seiner Ehefrau auch zur Wohnungslosigkeit des Klägers gekommen war. Nachdem es dem Kläger während der Behandlung gelungen war, eine Wohnung zu finden und auch die Therapie Erfolg zeigte, hat der Kläger in deutlich gebessertem psychischem Befinden entlassen werden können. Wenn Prof. Dr. Dr. W. vor diesem Hintergrund angesichts der seit längerer Zeit nicht mehr erfolgten psychiatrischen und der auch ab August 2010 beendeten psychotherapeutischen Behandlung einerseits und der durch die Ehekrise Anfang 2012 ausgelösten Dekompensation mit Behandlungsbedürftigkeit für die Folgezeit dem Unfallereignis nur noch eine unwesentliche Bedeutung zumisst, ist dies überzeugend.
Soweit im Bericht der Klinik E. auch der schon früher erkennbare Unmut des Klägers in Bezug auf das Verhalten der Beklagten, insbesondere wegen der Verweigerung einer Entschädigung, dokumentiert ist, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Denn solche enttäuschten Erwartungen können (als wunschbedingte Vorstellungen des Versicherten nach einem Arbeitsunfall) keinen wesentlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und nun bestehenden psychischen Gesundheitsstörungen begründen (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17; Beschluss vom 19.05.2000, B 2 U 138/00 B). Sie stehen vielmehr der Bejahung eines wesentlichen Ursachenzusammenhangs zwischen versichertem Arbeitsunfall und der psychischen Störung entgegen.
Soweit Prof. Dr. Dr. W. als weitere Ursache der fortbestehenden depressiven Störung finanzielle Probleme des Klägers anführt (vom Kläger selbst als Hauptproblem beschrieben, Bl. 72 LSG-Akte), weist der Sachverständige zugleich darauf hin, dass diese Probleme, verursacht durch die Insolvenz des Döner-Imbisses mit Verschuldung und Wegfall von Einnahmen hieraus sowie aus dem dort auch betriebenen KFZ-Handel, jedenfalls in erheblichem Maße schon vor dem Unfall bestanden. Denn die Insolvenz trat nach den eignen Angaben des Klägers Mitte 2006 ein, der Unfall ereignete sich indessen erst am 30.12.2006. Im Übrigen hat der Kläger seine finanziellen Probleme in unmittelbarem Zusammenhang mit Erfolg und Anerkennung beschrieben und dabei auch auf den fehlenden Erfolg seines Kampfes gegen die Beklagte und den Autohersteller bzw. die Werkstatt, die er für den Unfall verantwortlich macht, hingewiesen. Letzteres aber begründet - wie bereits dargelegt - schon keinen Entschädigungsanspruch, auch wenn - so Prof. Dr. Dr. W. - im Weltbild des Klägers Respekt und Ehre eine große Rolle spielen und somit die empfundene Kränkung und sein Unmut als (Mit)Ursache der psychischen Störung nachvollziehbar erscheint.
Nach alledem geht der Senat in Übereinstimmung mit der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W. davon aus, dass die beim Kläger aufgetretene depressive Symptomatik jedenfalls ab 01.01.2012 nicht mehr rechtlich wesentlich auf das Unfallereignis zurückzuführen ist.
Sonstige Unfallfolgen mit Auswirkungen auf die MdE liegen nicht vor. Dies gilt insbesondere für Gesundheitsstörungen auf unfallchirurgischem Fachgebiet. Insoweit legte bereits Dr. J. in seinem Gutachten für die Beklagte dar, dass lediglich Narben sowie (zum damaligen Zeitpunkt) geringe Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule und des Schultergelenks vorlagen, die jedoch keine rentenrelevante MdE verursachten. Auch der Kläger macht keine Gesundheitsstörungen außerhalb des psychiatrischen Fachgebiets zur Begründung des erhobenen Anspruchs auf Verletztenrente geltend.
Damit steht dem Kläger ab 01.01.2012 keine Verletztenrente zu. Denn die allein noch unfallbedingt anzusehende spezifische Phobie vor dem Autofahren bedingt - wie oben dargelegt - keine MdE in einem rentenberechtigenden Grad.
Die Berufung des Klägers kann somit keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Verletztenrente über den 31.12.2011 hinaus streitig.
Der am 1951 geborene Kläger betrieb neben seiner Tätigkeit als Kraftfahrer bei der Firma M. GmbH, einer Dönerfabrik, mit Hilfe seiner Söhne einen Döner-Imbiss und auf dem dortigen Grundstück auch einen KFZ-Handel. Im August 2006 trat Insolvenz ein, der Kläger verlor die Einkünfte aus dem Gewerbe und war verschuldet. Am 30.12.2006 kam es im Rahmen seiner Tätigkeit für die Firma M. GmbH bei einer Auslieferungsfahrt auf der Autobahn bei Sens in Frankreich zu einem Verkehrsunfall, als sich ein Rad seines LKW löste, das Fahrzeug von der Straße abkam, sich überschlug und auf dem Dach zum Liegen kam.
Der Kläger wurde stationär im Krankenhaus in Sens aufgenommen, wobei die behandelnden Ärzte ein Schädeltrauma und eine große tiefe Kopfplatzwunde rechts diagnostizierten, die unter Vollnarkose versorgt wurde. Am Folgetag wurde der Kläger entlassen und kehrte nach Deutschland zurück. Eine Anfang Januar 2007 wegen beklagten Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindelgefühl durchgeführte neurologische Untersuchung erbrachte einen Normalbefund, eine später durchgeführte Computertomographie des Schädels erbrachte keinen pathologischen Befund. Im Januar 2007 nahm der Kläger seine Tätigkeit als Fahrer wieder auf und arbeitete bis zum Eintritt dauerhafter Arbeitsunfähigkeit Anfang April 2007. Wegen vom Kläger angegebener Konzentrationsstörungen, Unruhe, Schlafstörungen und Unwohlsein beim Fahren kam es auf Veranlassung des damals (und zunächst bis November 2008) behandelnden Facharztes für Psychiatrie Dr. D. im Oktober/November 2007 zu einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der M.-B.-Klinik in K. , wo u.a. die Diagnosen einer posttraumatischen Belastungsstörung gestellt wurde. Im Mai 2008 begann der Kläger zur Behandlung dieser Erkrankungen eine ambulante Psychotherapie bei der Psychotherapeutin Dr. K.-B. , die im August 2010 beendet wurde. Nachfolgend hat sich der Kläger erstmals wieder im Februar 2012 bei Dr. D. wegen einer depressiven Symptomatik bei vielfältigten psychosozialen Problemen in Behandlung begeben, der eine stationäre Behandlung in der Klinik E. veranlasst hat, die von März bis Mai 2012 durchgeführte worden ist und wo der Kläger u.a. über seine Kränkung durch die Trennung von seiner Ehefrau mit aktueller Wohnungslosigkeit berichtetet hat. Er ist in deutlich gebessertem Befinden entlassen worden.
Im Zuge ihrer Ermittlungen holte die Beklagte neben einem unfallchirurgischen Gutachten bei Dr. J. (Narbenbildung an der rechten Kopfseite und geringe Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule und des Schultergelenks als Unfallfolge, Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - ab Ende Januar 2007 unter 10 vom Hundert - v.H. -) ein Gutachten bei Prof. Dr. E. , Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychosomatik Freiburg, ein. Prof. Dr. E. diagnostizierte auf Grund seiner Untersuchung im Februar 2009 unfallbedingt eine posttraumatische Belastungsstörung und eine spezifische Phobie bezüglich des Führens von Kraftfahrzeugen sowie unfallunabhängig eine chronifizierte schwere depressive Episode. Die aktuelle MdE schätzte er auf 30 vom v.H. Auf Empfehlung des von der Beklagten hinzugezogenen Nervenarztes Dr. W. , der dieses Gutachten nicht für überzeugend erachtete, holte die Beklagte ein Gutachten bei der Ärztin für Psychiatrie Dr. M. ein, wobei auch eine Fahrprobe unter Hinzuziehung eines Fahrlehrers durchgeführt wurde. Dr. M. beschrieb eine vermehrte Ängstlichkeit beim Autofahren, die allerdings nicht das Ausmaß einer Angststörung erreiche. Ab dem Ende unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit (22.09.2008 = Ende der 78. Woche nach dem Unfall) betrage die MdE weniger als 10 v. H. Gestützt auf das Gutachten von Dr. M. lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente mit Bescheid vom 18.08.2010 und Widerspruchsbescheid vom 14.12.2010 ab.
Das hiergegen am 07.01.2011 angerufene Sozialgericht Freiburg (SG) hat ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei Dr. N. , Chefarzt der Neurologischen Abteilung im V.-P. -Hospital in R. , auf Grund Untersuchung des Klägers im August 2011 eingeholt. Der Sachverständige hat eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert und die MdE ab 27.01.2007 mit 30 v.H. bewertet.
Mit Urteil vom 11.03.2013 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls Verletztenrente - insoweit entsprechend dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag - nach einer MdE um 30 v.H. vom 23.09.2008 bis 31.12.2011 zu gewähren und im Übrigen - hinsichtlich des Begehrens einer solchen Rente auf Dauer - die Klage abgewiesen. Gestützt auf das von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten des Prof. Dr. E. und das Gutachten des Sachverständigen Dr. N. ist es davon ausgegangen, dass beim Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung vorgelegen hat, die die Bewertung mit einer MdE um 30 v.H. gerechtfertigt hat. Allerdings sei der Unfall nicht dauerhaft rechtlich wesentliche Ursache der psychischen Störung. So seien im Verlauf konkurrierende Faktoren als neue, die Beschwerden unterhaltende Ursachen (u.a. Führerscheinentzug, Trennung von der zweiten Ehefrau im März 2012) hinzugetreten, während der Ursachenbeitrag des Arbeitsunfalls so weit zurückgetreten sei, dass dieser ab Januar 2012 nicht mehr als rechtlich wesentliche Ursache angesehen werden könne.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 05.04.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.05.2013, einem Montag, beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, die vom SG angenommene Unterbrechung des Ursachenzusammenhangs werde durch die Gutachten des Prof. Dr. E. und des Dr. N. nicht gestützt. Auf den Einwand der Beklagten, es lägen unfallunabhängige Mitursachen vor, hätte das SG daher ein weiteres Sachverständigengutachten einholen müssen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11.03.2013 abzuändern und die Beklagte unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 18.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 14.12.2010 zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. über den 31.12.2011 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass den unfallunabhängigen Faktoren spätestens ab 01.01.2012 überragende Bedeutung für die Gesundheitsstörungen des Klägers und die sich daraus ergebenden Beeinträchtigungen beizumessen seien.
Der Senat hat das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. Dr. W. , Ärztlicher Direktor im Bezirkskrankenhaus G. , auf Grund Untersuchung des Klägers im März 2014 eingeholt. Der Sachverständige hat als Unfallfolgen eine spezifische Phobie und eine depressive Anpassungsstörung beschrieben. Die phobische Symptomatik rechtfertige die Bewertung mit einer MdE um maximal 10 v.H. Hinsichtlich der depressiven Symptomatik sei spätestens ab 01.01.2012 kein wesentlicher Unfallanteil mehr zu erkennen. Das SG sei zutreffend davon ausgegangen, dass konkurrierende Faktoren im Verlauf zunehmend Relevanz für die Beschwerdesituation des Klägers gewonnen hätten, während die Wesentlichkeit des Unfalls zunehmend abgenommen habe.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtzüge Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 durch Beschluss entscheidet, ist zulässig; die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist allein die Frage, ob dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. über den 31.12.2011 hinaus, und zwar - wie vom Kläger geltend gemacht - auf unbestimmte Zeit, zusteht. Denn gegen das Verletztenrente nach der genannten MdE für den Zeitraum vom 23.09.2008 bis 31.12.2011 zusprechende Urteil hat lediglich der Kläger mit dem Begehren Berufung eingelegt, die Rente in dieser Höhe auch über den Endzeitpunkt hinaus zu gewähren. Über die Ansprüche des Klägers im Zeitraum vor dem 01.01.2012 hat der Senat daher nicht zu befinden. Denn insoweit steht rechtskräftig fest, dass dem Kläger Verletztenrente vom 23.09.2008 bis 31.12.2011 zusteht.
Soweit das SG einen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente ab 01.01.2012 verneint hat, ist dies nicht zu beanstanden. Denn ab diesem Zeitpunkt erfüllt der Kläger die entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen nicht.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger ab 01.01.2012 nicht mehr an einer Gesundheitsstörung gelitten, die rechtlich wesentlich auf den Verkehrsunfall vom 30.12.2006 zurückzuführen war und eine MdE um zumindest 20 v.H. bedingt hat. Dies hat das SG zutreffend entschieden, wie Prof. Dr. Dr. W. in seinem vom Senat im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten überzeugend dargelegt hat.
Dabei kann der Senat offen lassen, ob die Symptomatik, wie diese sich beim Kläger in der Zeit nach dem Unfall zunächst entwickelte, die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung rechtfertigte, wovon Prof. Dr. E. und Dr. N. ausgegangen sind, was hingegen von Dr. W. angezweifelt und zuletzt auch von dem Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W. lediglich für möglich, nicht aber für nachgewiesen erachtet worden ist. Denn ein derartiges Krankheitsbild hat jedenfalls in dem vorliegend zu beurteilenden Zeitraum ab 01.01.2012 nicht vorgelegen, wie der Sachverständige Prof. Dr. Dr. W. überzeugend vor dem Hintergrund dargelegt hat, dass schon Dr. N. zum Zeitpunkt seiner Untersuchung im August 2011 keine hinreichenden spezifischen Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung hat finden können. Tatsächlich hat Dr. N. bei der Prüfung der Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung im Zusammenhang mit dem B-Kriterium (beharrliches Wiedererleben des traumatischen Ereignisses) nur auf vorliegende frühere Berichte verwiesen und ausdrücklich dargelegt, dass "sichere Hinweise ... aktuell nicht zu finden" sind. Damit aber sind zum Zeitpunkt seiner Untersuchung im August 2011 die Voraussetzungen für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht erfüllt gewesen. Auch Prof. Dr. Dr. W. hat solche Symptome nicht erkennen können.
Ausgehend von den den Senat überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. Dr. W. liegt beim Kläger eine spezifische Phobie vor dem Autofahren vor, die ursächlich auf den am 30.12.2006 erlittenen Verkehrsunfall zurückzuführen ist. Diese Symptomatik, die Tätigkeiten, die mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs verbunden sind, erschwert, indessen nicht ausschließt, hat der Sachverständige für den Senat schlüssig nachvollziehbar mit einer MdE um höchstens 10 v.H. bewertet. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger trotz dieser Phobie grundsätzlich durchaus in der Lage ist, als Führer eines Kraftfahrzeuges am Straßenverkehr teilzunehmen. Dies zeigt insbesondere der Umstand, dass der Kläger nach dem Unfall tatsächlich sogar zunächst noch seine versicherte Tätigkeit als Fahrer ausübte und auch danach noch - trotz Arbeitsunfähigkeit in der versicherten Tätigkeit - als Fahrer am Straßenverkehr teilnahm, wenn auch nicht mehr im bisherigen beruflichen Umfang. So kam es im Jahre 2009 nach den eigenen Angaben des Klägers zum Führerscheinentzug, als er in alkoholisiertem Zustand einen PKW führte. Gegenüber Prof. Dr. Dr. W. hat der Kläger auch eingeräumt, damals gelegentlich noch Auto gefahren zu sein. Soweit er dies seit dem Führerscheinentzug unterlassen hat, ist dies auf die fehlende Erlaubnis zurückzuführen. Schließlich ergab auch die unter Aufsicht von Dr. M. und eines Fahrlehrer durchgeführte Fahrprobe - Dr. M. dokumentierte eine Dauer von eineinhalb Stunden mit abwechslungsreicher Fahrstrecke (Stadtverkehr, Landstraße, Autobahn einschließlich Baustelle) - keine schwer wiegenden Auffälligkeiten, insbesondere konnte Dr. M. keine vegetative Symptomatik feststellen. Soweit der Kläger - so die Beurteilung des Fahrlehrers gegenüber Dr. M. - Unsicherheiten zeigte, ist dies zwanglos mit Restsymptomen der von Prof. Dr. Dr. W. diagnostizierten Phobie und durch die seit 2009, dem Führerscheinentzug, fehlende Fahrpraxis zu erklären. Eine Tätigkeit als Beifahrer ist dem Kläger ohne Einschränkungen möglich, wie sich aus seinen Angaben gegenüber Prof. Dr. Dr. W. ergibt.
Soweit der Kläger darüber hinaus an einer depressiven Anpassungsstörung leidet - so überzeugend der Sachverständige Prof. Dr. Dr. W. - wurde diese Erkrankung zwar gleichermaßen durch den Arbeitsunfall vom 30.12.2006 ausgelöst, hingegen lässt sich diese Störung jedenfalls ab dem in Rede stehenden Zeitpunkt 01.01.2012, mithin mehr als fünf Jahre nach dem Unfall, nicht mehr rechtlich wesentlich auf den Arbeitsunfall zurückführen.
Im Hinblick auf die Entwicklung der von Prof. Dr. Dr. W. diagnostizierten depressiven Störung hat der Sachverständige schlüssig und überzeugend insbesondere dargelegt, dass beim Kläger im weiteren Verlauf nach dem Unfall zunehmend unfallunabhängige Faktoren hinzugetreten sind, die die aufgetretene depressive Symptomatik unterhielten und zuletzt zusätzlich noch gravierend verstärkten. In diesem Zusammenhang hat der Sachverständige vor allem die Krise in der Ehe angeführt, die durch vom Kläger aus seiner Sicht nicht erfüllbare Ansprüche der jüngeren Ehefrau gespeist wurde und die in einer Trennung der Eheleute gipfelte. Damals, im Januar/Februar 2012 (s. die vom SG eingeholte sachverständige Zeugenauskunft), suchte der Kläger - erstmals seit November 2008 - wieder Dr. D. auf und beklagte "erneute" Schlafstörungen, weitere psychische Auffälligkeiten und vielfältige psychosoziale Probleme. In der nachfolgenden stationären Behandlung in der Klinik E. wurde deutlich, dass es im Rahmen der räumlichen Trennung von seiner Ehefrau auch zur Wohnungslosigkeit des Klägers gekommen war. Nachdem es dem Kläger während der Behandlung gelungen war, eine Wohnung zu finden und auch die Therapie Erfolg zeigte, hat der Kläger in deutlich gebessertem psychischem Befinden entlassen werden können. Wenn Prof. Dr. Dr. W. vor diesem Hintergrund angesichts der seit längerer Zeit nicht mehr erfolgten psychiatrischen und der auch ab August 2010 beendeten psychotherapeutischen Behandlung einerseits und der durch die Ehekrise Anfang 2012 ausgelösten Dekompensation mit Behandlungsbedürftigkeit für die Folgezeit dem Unfallereignis nur noch eine unwesentliche Bedeutung zumisst, ist dies überzeugend.
Soweit im Bericht der Klinik E. auch der schon früher erkennbare Unmut des Klägers in Bezug auf das Verhalten der Beklagten, insbesondere wegen der Verweigerung einer Entschädigung, dokumentiert ist, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Denn solche enttäuschten Erwartungen können (als wunschbedingte Vorstellungen des Versicherten nach einem Arbeitsunfall) keinen wesentlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und nun bestehenden psychischen Gesundheitsstörungen begründen (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17; Beschluss vom 19.05.2000, B 2 U 138/00 B). Sie stehen vielmehr der Bejahung eines wesentlichen Ursachenzusammenhangs zwischen versichertem Arbeitsunfall und der psychischen Störung entgegen.
Soweit Prof. Dr. Dr. W. als weitere Ursache der fortbestehenden depressiven Störung finanzielle Probleme des Klägers anführt (vom Kläger selbst als Hauptproblem beschrieben, Bl. 72 LSG-Akte), weist der Sachverständige zugleich darauf hin, dass diese Probleme, verursacht durch die Insolvenz des Döner-Imbisses mit Verschuldung und Wegfall von Einnahmen hieraus sowie aus dem dort auch betriebenen KFZ-Handel, jedenfalls in erheblichem Maße schon vor dem Unfall bestanden. Denn die Insolvenz trat nach den eignen Angaben des Klägers Mitte 2006 ein, der Unfall ereignete sich indessen erst am 30.12.2006. Im Übrigen hat der Kläger seine finanziellen Probleme in unmittelbarem Zusammenhang mit Erfolg und Anerkennung beschrieben und dabei auch auf den fehlenden Erfolg seines Kampfes gegen die Beklagte und den Autohersteller bzw. die Werkstatt, die er für den Unfall verantwortlich macht, hingewiesen. Letzteres aber begründet - wie bereits dargelegt - schon keinen Entschädigungsanspruch, auch wenn - so Prof. Dr. Dr. W. - im Weltbild des Klägers Respekt und Ehre eine große Rolle spielen und somit die empfundene Kränkung und sein Unmut als (Mit)Ursache der psychischen Störung nachvollziehbar erscheint.
Nach alledem geht der Senat in Übereinstimmung mit der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W. davon aus, dass die beim Kläger aufgetretene depressive Symptomatik jedenfalls ab 01.01.2012 nicht mehr rechtlich wesentlich auf das Unfallereignis zurückzuführen ist.
Sonstige Unfallfolgen mit Auswirkungen auf die MdE liegen nicht vor. Dies gilt insbesondere für Gesundheitsstörungen auf unfallchirurgischem Fachgebiet. Insoweit legte bereits Dr. J. in seinem Gutachten für die Beklagte dar, dass lediglich Narben sowie (zum damaligen Zeitpunkt) geringe Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule und des Schultergelenks vorlagen, die jedoch keine rentenrelevante MdE verursachten. Auch der Kläger macht keine Gesundheitsstörungen außerhalb des psychiatrischen Fachgebiets zur Begründung des erhobenen Anspruchs auf Verletztenrente geltend.
Damit steht dem Kläger ab 01.01.2012 keine Verletztenrente zu. Denn die allein noch unfallbedingt anzusehende spezifische Phobie vor dem Autofahren bedingt - wie oben dargelegt - keine MdE in einem rentenberechtigenden Grad.
Die Berufung des Klägers kann somit keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
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