L 13 R 2771/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 1430/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 2771/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 13. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die im Jahr 1956 geborene Klägerin hat nach ihren Angaben keinen Beruf erlernt, auch ein Anlernverhältnis bestand nicht. Im Jahre 1967 ist die Klägerin aus Italien in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Hier war sie von 1972 bis zum Jahr 2000 als ungelernte Fabrikarbeiterin und danach als Verkäuferin in einer Buchhandlung bis Dezember 2009 versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend war die Klägerin arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.

Am 22. September 2009 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Den Rentenantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. Dezember 2009 ab. Die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Auch ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bestehe nicht. Grundlage der Entscheidung der Beklagten waren die Berichte über die stationären Heilverfahren in der Psychosomatischen Fachklinik Bad Dü., in der die Klägerin vom 18. Januar bis 1. März 2006 stationär behandelt worden war und der Bericht der Zi. St. B. über den stationären Aufenthalt vom 2. September bis 14. Oktober 2008, ferner das Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, Sozialmedizin Ste. mit orthopädischer Zusatzbegutachtung des Dr. Be ... In dem Bericht der Psychosomatischen Fachklinik Bad Dü. wurde eine mittelgradige depressive Episode sowie eine Somatisierungsstörung, eine Adipositas und eine Ödemneigung diagnostiziert. Die Klägerin wurde für fähig angesehen, als Verkäuferin sowie im Bereich mittelschwerer Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr werktäglich berufstätig zu sein. In dem Bericht der Zi. St. B. diagnostizierten die dortigen Ärzte eine rezidivierende depressive Störung, derzeit leichte Episode, ein Cervicobrachialsyndrom, ein generalisiertes Schmerzsyndrom vom Fibromyalgietyp, Adipositas sowie Hypercholesterinämie. Auch hier wurde die Klägerin für fähig erachtet, leichte, gelegentlich auch mittelschwere körperliche Tätigkeiten nach Möglichkeit im Wechselrhythmus von Sitzen, Gehen und Stehen, ohne schweres Heben und Tragen von Lasten, Arbeiten in einseitiger asymmetrischer Haltung und Belastung der Wirbelsäule, ohne Tätigkeiten unter Nässe, Kälte und Witterungsexposition über sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Ste. gab in ihrem Gutachten vom 4. Dezember 2009 an, die Klägerin leide an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, einer leichten depressiven Episode, an Fibromyalgie und an Übergewicht. Der Orthopäde Dr. Be. führte in seinem Gutachten vom 1. Dezember 2009 eine bereits dokumentierte Fibromyalgie, Übergewicht sowie muskuläre Dysbalancen an. In der Gesamtwürdigung hielt die Ärztin Ste. die Klägerin für in der Lage, die bisherige Tätigkeit als Verkäuferin in einem Bahnhofskiosk sowie leichte bis mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. April 2010 zurück.

Am 30. April 2010 hat die Klägerin beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben. Sie sei nicht mehr in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Neben den im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten und festgestellten Gesundheitsstörungen bestünden deutliche Ödeme im Unterschenkelbereich links, die auf eine chronisch venöse Insuffizienz hindeuteten. Auch die Spondylarthrosenbildung der unteren Halswirbelsäule und mittleren Brustwirbelsäule sei nicht ausreichend abgeklärt worden.

Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Wa. hat mit Schreiben vom 3. August 2010 Bedenken gegen die Beschäftigung für leichte Tätigkeiten in einem Umfang von mindestens sechs Stunden geäußert. Der Internist Dr. He. hat in seiner Auskunft vom 10. August 2010 hingegen keine Bedenken gegen eine mindestens sechsstündige arbeitstägliche leichte Tätigkeit geäußert. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Do. hat wegen einer Chronifizierung des psychosomatischen Bildes keine mindestens sechsstündige Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten angenommen.

Das SG hat nachfolgend das Sachverständigengutachten des Chefarztes der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik Dr. Den. vom 7. März 2011 eingeholt. Darin hat Dr. Den. festgestellt, dass die Klägerin auf psychiatrischem Gebiet an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, an einer depressiven Störung mit rezidivierenden leichtgradigen Episoden bzw. Anpassungsstörungen, aktuell kein Anhalt für ein voll ausgeprägtes depressives Syndrom leide. Aus psychiatrischer Sicht seien keine wesentlichen qualitativen Einschränkungen zu beachten. In erster Linie bestünden diese auf orthopädischem Gebiet. Er verweise insoweit auf das Gutachten des Dr. Be. Trotz des zweifellos bestehenden Schmerzsyndroms seien leichte und aus psychiatrischer Sicht auch mittelschwere Arbeiten wenigstens sechs Stunden täglich möglich. Nach Einwendungen seitens der Klägerin insbesondere zur Auswirkung der Schmerzstörungen und ob weitere Sachverständigengutachten notwendig seien, hat Dr. Den. in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 29. Mai 2011 ausgeführt, er halte an seiner Beurteilung im Gutachten fest.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG Gutachten von dem Chirurgen Prof. Dr. Schli. und von dem Internisten/Rheumatologen Dr. Mal. ein internistisch-rheumatologisches Sachverständigengutachten eingeholt.

Prof. Dr. Schli. hat in seinem Gutachten vom 8. August 2011 degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit multisegmentaler Retrospondylose, eine mäßige Polyarthrose an beiden Händen, einen Senkspreizfuß beidseits und Adipositas per magna, ein Asthma Bronchiale und ein Fibromyalgiesyndrom festgestellt. Die Klägerin sei in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen unter Vermeidung von körperlich schweren Arbeiten auszuführen. Die Einschätzung und Beurteilung des Fibromyalgiesyndroms müsse gesondert erfolgen. Dr. Mal. hat in seinem Gutachten vom 1. Dezember 2011 die Diagnosen Asthma Bronchiale, ohne aktuelle klinische Symptomatik, Erhöhung von Cholesterin und Harnsäure, ohne aktuelle sozialmedizinische Relevanz, eine Fettleber und eine Hautsporiasis mit Beziehung zu der Symptomatik des Bewegungsapparates, eine Spondylarthritis psoriatica mit Psoriatis vulgaris sowie ein Fibromyalgiesyndrom angegeben. Die Klägerin sei lediglich noch in der Lage, leichte Tätigkeiten und zwar nur noch in einem Zeitbereich von drei, aber weniger als sechs Stunden pro Arbeitstag auszuüben. Die Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens beruhe auf der summatorischen Zusammenfassung der Einschränkungen im seelischen Bereich, wie sie im Gutachten von Dr. Den. zum Tragen komme, auch in der Zeugenaussage des Herrn Dr. Do. Ferner hat er darauf hingewiesen, dass die entzündlich rheumatische Erkrankung im Sinne einer Spondylarthritis psoriatica bislang nicht berücksichtigt worden sei. Nach Einwänden seitens der Beklagten (sozialmedizinische Stellungnahme der Frau Dr. El., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie) hat Dr. Mal. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23. März 2012 an seiner Beurteilung festgehalten.

Mit Urteil vom 13. Juni 2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Schlussfolgerungen und Feststellungen im Gutachten von Dr. Mal. seien nicht überzeugend. Das SG schließe sich den Ausführungen und Beurteilungen der Dres. Den., Ste. und ebenfalls derjenigen von Prof. Dr. Schli. an. Auf psychiatrischem Fachgebiet liege nach Auffassung der Ärztin Ste. und des Dr. Den. eine somatoforme Schmerzstörung vor. Dr. Den. habe in seinem Gutachten insbesondere die schwierige Kindheit der Klägerin und die Belastungssituation nach dem Unfalltod des Ehemannes im Jahr 1996 sowie den aktuellen Tagesablauf dargestellt. Die Klägerin sei nach der Beurteilung des Dr. Den. zeitlich in ihrem Leistungsvermögen nicht eingeschränkt. Dr. Mal. gebe keine schlüssige Begründung dafür, weshalb durch eine Summation der Einschränkungen auf allen erwähnten Fachgebieten eine Reduzierung des Leistungsvermögens auf unter sechs Stunden bewirkt werde. Auch die von Dr. Mal. auf rheumatologischem Fachgebiet festgestellten Befunde führten zu keiner zeitlichen Leistungseinschränkung.

Gegen das am 25. Juni 2012 den Bevollmächtigten der Klägerin zugestellte Urteil richtet sich die am 28. Juni 2012 eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, die Klägerin sei nicht in der Lage, auch leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr zu verrichten. Insbesondere die Schmerzproblematik führe zu einer zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens. Überzeugend sei das Sachverständigengutachten des Dr. Mal. Der Schwerpunkt der Funktionsstörungen der Klägerin liege wohl nicht in der depressiven Reaktion im eigentlichen Sinne, sondern in einer Schmerzreaktion mit Auswirkungen, die dann zu einer vorzeitigen Ermüdbarkeit und Erschöpfung führen würden. Die Klägerin hat zur weiteren Begründung ihrer Berufung verschiedene Atteste behandelnder Ärzte sowie Entlassungsberichte vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 13. Juni 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 8. Dezember 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. April 2010 zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auch bei Berufsunfähigkeit ab dem 1. September 2009 zu gewähren, hilfsweise gemäß § 109 SGG eine nervenärztliche Begutachtung durch Dr. Bü., Wa.str. XX/X, XXXXX Pf. einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Nach Vorlage des Entlassungsberichts über die tagesstationäre Behandlung vom 11. Juni bis 6. Juli 2012 im interdisziplinären Schmerzzentrum der Universitätsklinik F. (Diagnosen: Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Zervikozephalgien sowie Zervikobrachialgie, zervikale Osteochondrose und Steilstellung der HWS, funktionelle Störungen der HWS, Lumbalgien, Hypertonus der Schulter-, Nacken- und Halsmuskulatur, Hypotonie der Bauchmuskulatur, Migräne, Polyarthrose, Asthma bronchiale, Autoimmunthyreoiditis, rezidivierende depressive Störung, aktuell leichte Episode, generalisierte Angststörung) hat der Senat die dort behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. In ihrer Auskunft vom 14. September 2012 haben die Dres. Fa. und Ki. darauf verwiesen, dass eine Stabilisierung auf einem vergleichsweise geringem Niveau erfolgt sei, weshalb eine Ausübung leichter Tätigkeiten von sechs Stunden an fünf Tagen in der Woche wenig realistisch sei.

Der Senat hat daraufhin Beweis erhoben durch die Einholung eines nervenärztlich - psychosomatischen Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. St ... In seinem Sachverständigengutachten vom 7. März 2013 hat Prof. Dr. St. unter Berücksichtigung des von der Klägerin geschilderten Tagesablaufs eine rezidivierende depressive Episode, derzeit remittiert und ein generalisiertes Schmerzsyndrom unklarer Ursache diagnostiziert. Es bestünden qualitative Einschränkungen, eine quantitative Leistungseinschränkung lasse sich nicht ableiten. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 5. Juni 2013 zu den ablehnenden Ausführungen des Bevollmächtigten der Klägerin hielt der Sachverständige an seiner Leistungseinschätzung fest.

Nachdem der Bevollmächtigte der Klägerin ein Attest des Diplom-Psychologen Dr. Reb. vom 11. November 2013 (Diagnosen: Rezidivierende schwere Depression und generalisierte Angststörung auf dem Hintergrund einer posttraumatischen Belastungsstörung, somatoforme Schmerzstörung vom "Fibromyalgie Typ", Migräne, Restless-legs-Syndrom), den Entlassungsbericht über die erneute tagesstationäre Behandlung der Klägerin im interdisziplinären Schmerzzentrum der Universitätsklinik F. in der Zeit vom 13. Januar bis 17. Januar 2014 sowie das Attest des Hausarztes der Klägerin vom 13. Februar 2014 vorgelegt hatte, hat der Senat die Untersuchung und Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Wib. veranlasst. In seinem Gutachten vom 16. Juli 2014 hat der Sachverständige eine Dystymie, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie ein Verdacht auf ein Restless-legs-Syndrom diagnostiziert. Aufgrund der leichtgradigen depressiven Verstimmung bestehe eine Einschränkung der psychischen Belastbarkeit, so dass Tätigkeiten unter Zeitdruck wie Akkord- oder Fließbandarbeiten sowie Tätigkeiten im Schichtbetrieb nicht ausgeübt werden könnten. Aufgrund der Schmerzsymptomatik sollten darüber hinaus dauerhaft mittelschwere und schwere Tätigkeiten vermieden werden, ebenso Tätigkeiten in ungünstigen, insbesondere gebückten Körperhaltungen, Tätigkeiten in Nässe, Kälte und Zugluft. Die Klägerin sei jedoch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Einschränkungen zu verrichten.

Nachdem der Bevollmächtigte der Klägerin auf eine erneute stationäre Behandlung der Klägerin in der Zeit vom 23. April bis 2. Juli 2014 in der W.-S.-Klinik, Bad K. hingewiesen hatte, hat der Senat den Entlassungsbericht vom 15. Juli 2014 beigezogen und zur ergänzenden Stellungnahme dem Sachverständigen Dr. Wib. übersandt. In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 8. Oktober 2014 hat der Sachverständige u.a. ausgeführt, dass die Klägerin mit einem deutlich depressiven Zustandsbild aufgenommen worden sei, das sich im weiteren Verlauf gebessert habe. Eine abweichende Leistungsbeurteilung ergebe sich nicht.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-2600 § 44 Nr. 7) ist der den Rentenantrag der Klägerin vom 22. September 2009 ablehnende Bescheid vom 8. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. April 2010. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in deren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die Klägerin ist zur Überzeugung des Senats gesundheitlich in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten und ist damit nicht teilweise und erst recht nicht voll erwerbsgemindert. Eine quantitative Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens jedenfalls für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auf ein unter sechsstündiges Maß ist nicht gegeben. Dies hat das SG in nicht zu beanstandender Würdigung der erhobenen Beweise, insbesondere der Gutachten von Dr. Den., des Dr. Schli. und des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten der Ärztin Ste., nachvollziehbar und ausführlich begründet geschlussfolgert und hierbei schlüssig dargelegt, weshalb der Auffassung des Dr. Mal. nicht gefolgt werden kann. Der Senat nimmt auf die diesbezüglichen Ausführungen des SG zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 153 Abs. 2 SGG Bezug, macht sich diese aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit ab.

Auch die im Berufungsverfahren ergänzend durchgeführten Ermittlungen haben keine quantitative Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit der Klägerin ergeben. Der Senat stützt sich hierbei maßgeblich auf die ausführlichen Sachverständigengutachten von Prof. Dr. St. und Dr. Wib. Danach besteht bei der Klägerin eine chronische depressive Störung im Sinne einer Dystymie (Differenzial diagnostisch eine rezidivierende depressive Störung) mit einer im Zeitpunkt der Untersuchung am 17. Juni 2014 durch Dr. Wib. leichtgradigen depressiven Episode. Darüber hinaus besteht eine chronische Schmerzstörung mit erheblichen somatischen Faktoren bei psychischer Überlagerung. Aufgrund der chronifizierten leichtgradigen depressiven Verstimmung besteht nach übereinstimmender Auffassung der genannten Sachverständigen zwar eine Einschränkung der psychischen Belastbarkeit, die Tätigkeiten unter Zeitdruck, wie Akkord oder Fließbandarbeiten oder Tätigkeiten im Schichtbetrieb ausschließen, eine zeitliche Leistungseinschränkung für leichte Tätigkeiten folgt daraus nach Auffassung beider Sachverständiger nicht. Aufgrund der beschriebenen Schmerzsymptomatik sind mittelschwere und schwere Tätigkeiten ausgeschlossen. Weitere qualitative Einschränkungen ergeben sich dahingehend, dass insbesondere Tätigkeiten in gebückter oder ungünstiger Körperhaltung sowie Tätigkeiten in Kälte, Nässe und Zugluft ausgeschlossen sind. Der Auffassung des Dr. Mal. kann der Senat in Übereinstimmung mit den Sachverständigen Prof. Dr. St. und Dr. Wib. nicht folgen. Soweit Dr. Mal. aufgrund des Vorhandenseins rheumathologischer, orthopädischer und nervenärztlicher Störungen insgesamt eine zeitliche Leistungseinschränkung annimmt, kann dies nicht nachvollzogen werden. Sowohl Prof. Dr. St. als auch Dr. Wib. haben ausdrücklich erwähnt, dass die Ausübung einer leidensgerechten Tätigkeit zu einer Besserung des Selbstwertgefühls und damit der depressiven Symptomatik führen könne. Die Schmerzausprägung ist insbesondere nicht der Art, dass die beschriebenen leichten Tätigkeiten nur zeitlich begrenzt ausgeübt werden können. So beschreibt Dr. Wib., dass bei der körperlich – neurologischen Untersuchung sich keine relevanten Auffälligkeiten bezüglich Hirnnerven, Reflexe, Sensibilität, Motorik und Koordination ergeben hätten. Die Klägerin habe zwar bei direkter Prüfung eine ausgeprägte Überempfindlichkeit am gesamten Körper angegeben, aber sie habe während der gesamten Untersuchung keinerlei schmerzbedingte Ausgleichsbewegungen gezeigt; Muskelathrophien seien nicht nachweisbar gewesen. In psychischer Hinsicht wird die Klägerin zwar in gedrückter Stimmung beschrieben, sie sei jedoch gut schwingungsfähig gewesen, eine tiefergehende Depression sei nicht nachweisbar. Kognitive Einschränkungen hätten sich ebenfalls nicht gefunden. Im Gespräch selbst seien keine eindeutigen simulierten die Tendenzen erkennbar gewesen, wenn auch das Ergebnis im strukturierten Fragebogen simulierter Symptome Hinweise für eine nicht authentische Beschwerdeschilderung gezeigt habe. In der Zung-Depressionsskala habe sich eine deutliche depressive Verstimmung gezeigt, die aber nach Beschreibung des Dr. Wib. in so deutlichen Widerspruch zum psychopathologischen Befund gestanden habe, dass von einer gewissen Verdeutlichungstendenz ausgegangen werden müsse.

Auch aus dem Entlassungsbericht der W.-S.-Klinik vom 15. Juli 2014 kann nicht auf eine zeitliche Leistungseinschränkung für die genannten leichten Tätigkeiten gefolgert werden. Der Sachverständige Dr. Wib. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 8. Oktober 2014 festgestellt, dass die dort beschriebenen verstärkten depressiven Verstimmungszustände auftreten können, jedoch durch eine gezielte Behandlung eine deutliche Besserung wieder erreicht werden könne. Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten ergibt sich aus dem Entlassungsbericht, dass bei Entlassung Angst, Zwang und Somatiserung hätten deutlich verringert werden konnten. Der Einwand des Bevollmächtigten der Klägerin, der Sachverständige habe den Entlassungsbericht insofern unrichtig zitiert, als entgegen der Darstellung des Sachverständigen in dem Entlassungsbericht lediglich eine leichte Verbesserung der depressiven Symptomatik beschrieben sei und von dem Sachverständigen die Bedeutung mit Hilfe von Fragebögen erfasster Beschwerden "herunterspiele", führt zu keinem anderen Ergebnis. Dr. Wib. hat hierzu ausgeführt, aus dem Entlassungsbericht könne entnommen werden, dass die Klägerin in einem deutlich depressiven Zustandsbild aufgenommen worden sei und sich der Zustand im weiteren Verlauf gebessert und sie von der Behandlung gut profitiert habe. Der Senat hat keinen Anlass an der Richtigkeit dieser Aussage zu zweifeln. Zutreffend hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass die in der Einrichtung herangezogenen Selbstbeurteilungsfragebögen für die Behandlung von depressiven Patienten entwickelt worden sind, nicht aber für die Erstellung von Gutachten. Es ist daher nachvollziehbar, dass diese bei Erstellung von Sachverständigengutachten im Rahmen des Berufungsverfahrens um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nur begrenzt aussagefähig sind. Die Besserungstendenz hat sich im Übrigen bereits bei der Untersuchung durch Dr. Wib. am 17. Juni 2014, also vor der Entlassung aus der W.-S.-Klinik gezeigt. Hier hat der Sachverständige, wie dieser schlüssig dargelegt hat, lediglich eine leichtgradige depressive Verstimmung feststellen können. Die Notwendigkeit einer weiteren medizinischen Sachaufklärung besteht nach Auffassung des Senats nicht.

Damit ist der Senat - unter Betrachtung der Gesundheitsstörungen im Einzelnen und auch in deren Zusammenschau - zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Einschränkungen in der Lage ist, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten.

Aus den genannten, objektivierbaren qualitativen Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit ergeben sich zudem weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl. dazu BSG vom 11. Mai 1999 - B 13 RJ 71/97 R = SozR 3-2600 § 43 Nr. 21 - Juris Rdnr. 18 ff.) dar. Die beschriebenen qualitativen Leistungseinschränkungen, wonach die Klägerin keine Tätigkeiten mit Zwangshaltungen, insbesondere in gebückter Körperhaltung, keine Tätigkeiten unter Zeitdruck, in Nässe, Kälte und Zugluft verrichten kann, stellen weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung dar.

Die Klägerin hat des Weiteren auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zur Vollendung der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Sätze 2 und 4 SGB VI).

Maßgeblich dafür, ob Berufsunfähigkeit vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 107 und 169). Dabei ist unter dem bisherigen Beruf in der Regel die letzte nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit jedenfalls dann zu verstehen, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten war (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 130; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 17). Ob die Klägerin die Tätigkeit einer ungelernten Verkäuferin in einem Buchladen nicht mehr verrichten kann ist unerheblich. Selbst wenn dies der Fall wäre, wäre die Klägerin nicht berufsunfähig im zuvor genannten Sinn.

Kann ein Versicherter den "bisherigen Beruf" aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten, ist zu ermitteln, ob es zumindest eine Tätigkeit gibt, die sozial zumutbar ist und die der Versicherte gesundheitlich wie fachlich noch bewältigen kann. Das BSG hat zur Feststellung des qualitativen Wertes des bisherigen Berufes und damit zur Bestimmung zumutbarer Verweisungstätigkeiten (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 55; Niesel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 240 SGB VI Rdnr. 24 ff. m.w.N.) ein Mehrstufenschema entwickelt, das die Arbeiterberufe in Gruppen untergliedert. Diese werden durch die Leitberufe eines Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion (und diesem gleichgestellten besonders hoch qualifizierten Facharbeiters), eines Facharbeiters, der einen anerkannten Ausbildungsberuf mit einer anerkannten Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren, regelmäßig drei Jahren ausübt, eines angelernten Arbeiters, der einen Ausbildungsberuf mit einer vorgeschriebenen Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren ausübt, und eines ungelernten Arbeiters charakterisiert. Kriterien für eine Einstufung in dieses Schema sind dabei die Ausbildung, die tarifliche Einstufung, die Dauer der Berufsausbildung, die Höhe der Entlohnung und insbesondere die qualitativen Anforderungen des Berufs. Eine Verweisung ist grundsätzlich nur auf eine Tätigkeit der jeweils niedrigeren Gruppe möglich. Der Senat folgt diesem Mehrstufenschema in ständiger Rechtsprechung.

Die zuletzt von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit Verkäuferin in einer Buchhandlung ist, da sie weder eine Ausbildung durchgeführt, noch ein mindestens einjähriges Anlernverhältnis absolviert hat, nach dem Mehrstufenschema des BSG auf der Stufe einer einfach Angelernten einzuordnen, so dass sie zulässig auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden kann. Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf es nicht.

Der Hilfsantrag der Klägerin, gemäß § 109 SGG eine nervenärztliche Begutachtung durch Dr. Bü., Pf., einzuholen, war abzulehnen. Die Klägerin hatte bereits erstinstanzlich ihr Recht nach § 109 SGG durch Einholung von Gutachten von Prof. Dr. Schli. (Chirurg) und Dr. Mal. (Internist/Rheumatologe/Schmerztherapeut) wahrgenommen. Nach § 109 SGG ist nur dann ein Anspruch auf Anhörung mehrerer Ärzte anzuerkennen, wenn besondere Umstände vorliegen, die dies rechtfertigen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 109 Rdnr. 10b, 11b m.w.N.). Es ist nicht dargetan und für den Senat nicht ersichtlich, welche besonderen zusätzlichen Aspekte durch die erneute nervenärztliche Begutachtung aufgeklärt werden sollten. Im Übrigen war der Antrag auch verspätet gestellt und gem. § 109 Abs. 2 SGG bereits deshalb abzulehnen. Der Senat hat mit Schreiben vom 14. Oktober 2014 den Bevollmächtigten der Klägerin darauf hingewiesen, dass der Rechtsstreit zur mündlichen Verhandlung vorgesehen und keine Ermittlungen mehr beabsichtigt seien. Erst mit Schriftsatz vom 21. November 2014 hat der Bevollmächtigte der Klägerin den genannten Antrag gestellt. Nach dem Hinweis des Senats, hätte die Verpflichtung bestanden, den Antrag nach § 109 SGG zeitnah zu stellen. Durch die Einholung des beantragten Gutachtens wäre die Erledigung des Rechtsstreits verzögert worden. Eine Entscheidung am 16. Dezember 2014 hätte nicht getroffen werden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 197a SGG Rdnr. 3; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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