L 4 KR 3237/14 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 14 KR 2188/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3237/14 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 28. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt mit seiner Beschwerde die Zulassung der Berufung gegen das klagabweisende Urteil des Sozialgericht Freiburg (SG) vom 28. Mai 2014.

Der Kläger wendet sich im zugrundeliegenden Verfahren gegen die Festsetzung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung (KV/PV) für den Zeitraum vom 19. Juni 2010 bis zum 1. November 2010 in Höhe von zuletzt EUR 193,70.

Der Kläger war bis zum 18. Juni 2010 versicherungspflichtig beschäftigt und aufgrund der von ihm ausgeübten Tätigkeit Mitglied bei den Beklagten. Ab 2. November 2010 bezog der Kläger Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Mit Bescheid vom 10. Februar 2011 stellte die Beklagte zu 1) - auch im Namen der Beklagten zu 2) - fest, der Kläger sei freiwillig versichert. Für den Zeitraum von 19. Juni 2010 bis zum 30. Juni 2010 erhob sie Beiträge zur gesetzlichen KV und PV in Höhe von EUR 56,22 (KV: EUR 48,72; PV: EUR 7,50), ab dem Monat Juli 2010 in Höhe von EUR 140,53 (KV: EUR 121,79; PV: EUR 18,64) monatlich. Die beitragspflichtigen Einnahmen berechnete sie anhand der im Jahr 2010 geltenden gesetzlichen Mindestbemessungsgrundlage in Höhe von EUR 851,67.

Der Kläger wendete mit hiergegen eingelegtem Widerspruch ein, mit der Erhebung von Beiträgen nicht einverstanden zu sein, da er zu keinem Zeitpunkt eine freiwillige Versicherung bei der Beklagten zu 1) beantragt habe. Vielmehr habe er im streitigen Zeitraum keinerlei Einkommen erzielt. Mit Bescheid vom 29. August 2011 half die Beklagte zu 1), die nunmehr von einer Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ausging, dem Widerspruch des Klägers teilweise ab und reduzierte den Beitrag zur gesetzlichen KV und PV für den Zeitraum vom 19. Juni 2010 bis zum 1. November 2010 auf insgesamt EUR 193,70. Der bei der Beklagten zu 1) gebildete Widerspruchsausschuss wies den Widerspruch des Klägers - auch im Namen der Beklagten zu 2) - mit Widerspruchsbescheid vom 2. April 2012 zurück, soweit ihm nicht bereits mit Bescheid vom 29. August 2011 abgeholfen wurde. Zur Begründung legte er dar, mit dem Inkrafttreten des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes zum 1. April 2007 sei die Versicherungspflicht für (bisher) nicht Versicherte eingeführt worden. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V seien Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren, versicherungspflichtig. Dies gelte nach § 20 Abs. 1 Nr. 12 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) entsprechend in der sozialen Pflegeversicherung. Die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V trete kraft Gesetzes ein, wenn dessen Voraussetzungen erfüllt seien. Nach § 174 Abs. 5 SGB V werde der Versicherungspflichtige nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V Mitglied der Krankenkasse, bei der er zuletzt versichert gewesen sei. Die Mitgliedschaft beginne nach § 186 Abs. 11 SGB V mit dem ersten Tag ohne anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall im Inland. Nach § 190 Abs. 13 SGB V ende die Mitgliedschaft der in § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V genannten Personen mit Ablauf des Vortages, an dem ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall begründet oder der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt in einen anderen Staat verlegt werde. Zeige der Versicherte aus Gründen, welche er nicht zu vertreten habe, das Vorliegen der Voraussetzungen der Versicherungspflicht nach dem 1. April 2007 an, habe die Krankenkasse in ihrer Satzung vorzusehen, dass der für die Zeit seit dem Eintritt der Versicherungspflicht nachzuzahlende Betrag angemessen ermäßigt, gestundet oder von seiner Erhebung abgesehen werden könne (§ 186 Abs. 11 Sätze 3 und 4 SGB V, § 49 Abs. 1 Satz 3 SGB XI). Nach der Satzung könne bei der Beitragsbemessung ein Betrag in Höhe von 10 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) zugrunde gelegt werden. Im Jahr 2010 habe die monatliche Bezugsgröße 2.555,00 EUR betragen. Nach § 227 SGB V sowie § 57 Abs. 1 SGB XI gelte für die Beitragsbemessung der nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V pflichtversicherten Mitglieder § 240 SGB V. Folglich seien die Grundsätze der Beitragsbemessung für freiwillig versicherte Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung zu beachten. Nach dem Willen des Gesetzgebers seien sie verpflichtet, Beiträge nach einer Mindestbemessungsgrundlage in Höhe von einem Drittel der Bezugsgröße zu erheben (§ 240 Abs. 1 SGB V). Hieraus ergebe sich eine monatliche Mindestbemessungsgrundlage in Höhe von EUR 851,67. Dies gelte analog für die Beitragsbemessung in der sozialen Pflegeversicherung (§ 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI). Im Zeitraum vom 19. Juni 2010 bis 1. November 2010 sei der Kläger weder gesetzlich noch privat krankenversichert gewesen, so dass in diesem Zeitraum eine versicherungspflichtige Mitgliedschaft bestanden habe. Mit Bescheid vom 29. August 2011 habe die Beklagte von dem ihr eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht und eine Beitragsreduzierung vorgenommen.

Am 3. Mai 2012 erhob der Kläger beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage. Im streitgegenständlichen Zeitraum habe er keinerlei Einkommen erzielt, so dass eine Entrichtung von Beiträgen ausgeschlossen sei. Das Gesetz, das zum 1. April 2007 eingeführt worden sei und wonach er zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet sei, halte er für verfassungswidrig.

Die (vom SG als alleinige Beklagte geführte Beklagte zu 1) trat der Klage entgegen und verwies auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.

Mit Urteil vom 28. Mai 2014 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung verwies es auf die Ausführungen der Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 2. April 2012 und sah von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Ergänzend führte das SG aus, soweit der Kläger das der Entscheidung zugrunde liegende Gesetz für verfassungswidrig halte, sei bereits nicht ersichtlich, gegen welchen Artikel des Grundgesetzes (GG) der Kläger einen Verstoß geltend mache. Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit des Gesetzes lägen nicht vor. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V erreichen wollen, dass es für alle Einwohner ohne Absicherung im Krankheitsfall einen entsprechenden Versicherungsschutz gebe (Bundestags-Drucksache. 16/3100, S. 86, 94). Die Berufung wurde nicht zugelassen.

Gegen das ihm am 4. Juli 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3. August 2014 unter Wiederholung seines bisherigen Vortrags, das "ganze verdammte ‚Gesetz‘ (sei) sehr wohl verfassungswidrig", Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt.

Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 28. Mai 2014 zuzulassen.

Die Beklagten beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

1. Obwohl der Kläger bei Erhebung der Klage ausdrücklich nur die zu 1) beklagte Krankenkasse als Beklagte nannte, richtete sich die Klage des Klägers von vornherein nicht nur gegen die zu 1) beklagte Krankenkasse, sondern auch gegen die zu 2) beklagte Pflegekasse, weshalb eine Berichtigung des Rubrums auf Beklagtenseite - auch noch im Verfahren der Zulassung der Berufung - möglich und keine Klageänderung im Sinne des § 99 SGG ist. Denn die Klage betraf von Anfang an nicht nur die Höhe der Beiträge zur KV, sondern auch zur PV. Der Kläger wandte sich von Anfang an, auch bereits im Widerspruchsverfahren, sowohl gegen die KV- als auch gegen die PV-Beiträge.

2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil SG vom 28. Mai 2014 ist zulässig (vgl. § 145 Abs. 1 des SGG), sie ist jedoch nicht begründet; die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der hier anwendbaren, ab 1. April 2008 geltenden Fassung bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, EUR 750,00 nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dieser Beschwerdewert wird vorliegend nicht erreicht; der Ausnahmetatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG liegt nicht vor. Gegenstand des Klageverfahrens S 14 KR 2188/12 war der Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2011 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom 29. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2012, mit dem die Beklagte zu 1) gegenüber dem Kläger Beiträge zur KV und PV, letztere auch im Namen der Beklagten zu 2), für den Zeitraum vom 19. Juni 2010 bis 1. November 2010 in Höhe von zuletzt EUR 193,70 geltend gemacht hat. Aus dem klageabweisenden Urteil vom 28. Mai 2012 ergibt sich für den Kläger damit keine Beschwer in dieser Höhe; ein Wert des Beschwerdegegenstands von über EUR 750,00 wird nicht erreicht.

Da das SG die Berufung im Urteil nicht zugelassen hat, bedarf eine Berufung der Zulassung durch Beschluss des Landessozialgerichts (LSG; vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG). Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, (2.) das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des Bundessozialgerichts (BSG) oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor.

Der Rechtssache kommt zunächst keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall hinaus dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder dass für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle eine Klärung erfolgt (ständige Rechtsprechung des BSG seit dem Urteil vom 14. Dezember 1955 - 7 RAr 69/55 - in juris zur entsprechenden früheren Vorschrift des § 150 Nr. 1 SGG). Die Streitsache muss mit anderen Worten eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (so Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 144 Rdnr. 28; vgl. dort auch § 160 Rdnr. 6 ff. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung). Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage in diesem Sinn wirft die Streitsache nicht auf. Der Streit ist darüber geführt worden, ob die Beklagten zu Recht vom Kläger Beiträge zur KV und PV für den Zeitraum vom 19. Juni 2010 bis 1. November 2010 in Höhe von zuletzt EUR 193,70 aufgrund der aus § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V und § 20 Abs. 1 Nr. 12 SGB XI resultierenden Versicherungspflicht geltend gemacht hat. Alle insoweit anzustellenden Erwägungen oder Überlegungen sind auf den Einzelfall bezogen und werfen keine klärungsbedürftige Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung auf. Dies gilt auch für die vom Kläger geltend gemachte Verfassungswidrigkeit der im Streit stehenden Norm. Seitens des Senats sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V und § 20 Abs. 1 Nr. 12 SGB XI gegen das Grundgesetz verstoßen; denn der Gesetzgeber wollte ausweislich der bereits im erstinstanzlichen Urteil zitierten Bundestags-Drucksache 16/3100 (S. 86, 94) mit der Einführung der streitigen Norm des § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V lediglich erreichen, dass für alle Einwohner ohne Absicherung im Krankheitsfall entsprechender Versicherungsschutz besteht. Verfassungsrechtliche Bedenken werden zudem weder in Literatur noch Rechtsprechung vertreten. Ob der nach dieser Norm Versicherte Einkommen hat oder nicht, ist unerheblich.

Darüber hinaus liegt auch eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG nicht vor. Eine solche Divergenz ist anzunehmen, wenn tragfähige abstrakte Rechtssätze, die einer Entscheidung des SG zugrunde liegen, mit denjenigen eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmen. Das SG muss seiner Entscheidung also einen Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit der Rechtsprechung jener Gerichte nicht übereinstimmt (vgl. hierzu Leitherer, a.a.O., § 160 Rdnr. 13 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung). Einen Rechtssatz in diesem Sinn hat das SG in seinem Urteil vom 28. Mai 2014 nicht aufgestellt, so dass eine Divergenz nicht in Betracht kommt.

Da letztlich auch ein wesentlicher Mangel des gerichtlichen Verfahrens im Sinne des dritten Zulassungsgrundes nicht geltend gemacht worden ist, war die Beschwerde zurückzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 Abs. 1 SGG.

Das angefochtene Urteil des SG wird hiermit rechtskräftig (vgl. § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Rechtskraft
Aus
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