Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AL 3696/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 3418/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Dem Kläger wird auferlegt, 112,50 EUR an die Staatskasse sowie weitere 112,50 EUR an die Beklagte zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine als Verwaltungsakt erlassene Eingliederungsvereinbarung vom 21.08.2013.
Nach eigenen Angaben ist der am 23.03.1956 geborene Kläger Kaufmann. Er bezieht von der beklagten Bundesagentur für Arbeit (im Folgenden: Beklagte) keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ("Nichtleistungsempfänger"). In der Vergangenheit schlossen die Beteiligten Eingliederungsvereinbarungen. Verschiedentlich stellte die Beklagte Vermittlungs-sperren fest.
Die von der Beklagten vorgeschlagene Eingliederungsvereinbarung vom 13.08.2013 für die Zeit bis zum 31.12.2013 schloss der Kläger nicht ab. Daraufhin legte die Beklagte mit dem hier angegriffenen Bescheid vom 21.08.2013 dem Kläger auf, sich bis zum 30.09.2013 auf sechs sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen als Bürokraft bzw. kaufmännische Fachkraft oder als Mitarbeiter in den Bereichen Lagerei/Logistik zu bewerben. Im Gegenzug sagte sie unter anderem zu, dem Kläger passende Vermittlungsvorschläge vorzulegen, sein Bewerberprofil zu veröffentlichen und die Kosten für Bewerbungen und Fahrten zu Vorstellungsterminen zu erstatten. Zur Begründung führte sie aus, um Vermittlungsleistungen der Beklagten in Anspruch zu nehmen, müsse der Kläger Eigenbemühungen nachweisen.
Der Kläger erhob mit Schreiben vom 23.08.2013 Widerspruch. Er sei verpflichtet, Bewerbungen abzusenden, welche nicht zu seinem Nachteil ausgelegt werden könnten. Im Gegenzug müsse die Arbeitsverwaltung die dadurch entstehenden Kosten tragen. Insoweit verwies der Kläger auf § 670 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Weiterhin rügte der Kläger einen "Eingriff in die rechtsgeschäftliche Willensbildung (hier: Vertrags- bzw. Individualarbeitsrecht) durch die Bundesagentur mit dem als Kontrahierungszwang auszulegenden Term: ‚ nehme Vorstellungsgespräche beim Arbeitgeber wahr und trete - falls angeboten - diese Stelle an ".
Die Beklagte erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 07.10.2013. Komme eine Eingliederungsvereinbarung nicht zu Stande, so sollten die erforderlichen Eigenbemühungen durch Verwaltungsakt festgesetzt werden. Ferner seien die Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, bei denen es sich um Ermessensleistungen handle, festgelegt werden.
Hiergegen hat der Kläger am 28.10.2013 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Er hat unter anderem vorgetragen, ihm sei unter dem 30.09.2013 ein weiterer Bescheid über eine Eingliederung zugegangen (dieser ist Gegenstand des Parallelverfahrens L 3 AL 3424/14, in dem der erkennende Senat ebenfalls am 17.12.2014 entschieden hat). Die angefochtene Eingliederungsvereinbarung sei nicht für einen bestimmten Zeitraum festgelegt. Zudem sei nicht geklärt, ob bereits ein "gültiger/ungültiger (Dauer)Verwaltungsakt" vorhanden sei. Die Leistungen der Beklagten seien vage definiert. In der Praxis würden - nur - Kosten für Porto, Bewerbungsmappen, Bewerbungsfotos und Kopien erstattet. Für Bewerbungen benötige er jedoch auch Papier und Briefumschläge. Auch die Reisekostenregelung werfe Fragen auf. Die Beklagte verpflichte den Kläger, Leistungen in Vorkasse zu erbringen, um sich dann um die Kostenerstattung zu drücken.
Nachdem das SG darauf hingewiesen hatte, dass die angegriffene Eingliederungsvereinbarung womöglich nicht ausdrücklich genug befristet gewesen sei, hat sie die Beklagte letztlich mit Schriftsatz vom 10.04.2014 zurückgenommen. Gleichwohl hat der Kläger - unter dem 14.04.2014 - um eine gerichtliche Entscheidung gebeten und sich auf Wiederholungsgefahr berufen. Später hat er hierzu angegeben, ihm seien am 15.04.2104 und am 23.06.2014 weitere Bescheide "in gleicher Sache" bzw. "mit ähnlichen Textbausteinen" zugegangen.
Mit Gerichtsbescheid vom 22.07.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Sie sei jedenfalls unbegründet. Soweit der Kläger die Aufhebung des Bescheids vom 21.08.2013 begehrt habe, habe sich die Klage erledigt, nachdem die Beklagte jenen Bescheid zurückgenommen habe. Auch eine Fortsetzungsfeststellungsklage habe keinen Erfolg, selbst wenn zu Gunsten des Klägers ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse unterstellt werde. Der angegriffene Bescheid sei rechtmäßig gewesen. Dem Kläger sei es zuzumuten gewesen, bis zum 30.09.2013 sechs Bewerbungen zu tätigen. Auch die Erstattung von Reise- und Bewerbungskosten sei nicht zu beanstanden gewesen.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13.08.2014 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Er meint, entgegen den Behauptungen der Beklagten habe diese den angegriffenen Bescheid nicht zurückgenommen. Auch auf Nachfrage habe die Beklagte die geforderten Bescheide nicht vorlegen können.
Der Kläger beantragt - in der Sache ausdrücklich -,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. Juli 2014 aufzuheben und 1) die Beklagte zu verurteilen, einen ordnungsgemäßen Bescheid zu erstellen und diesen auch dem Kläger mit Postzustellungsurkunde zukommen zu lassen, 2) festzustellen, dass ein Eingriff in Vertragsverhandlungen und der Zwang zum Abschluss eines Vertrags keine Eigenbemühung im Sinne von § 37 Satz 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sei.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und dem Kläger gem. § 192 SGG die Erstattung der Hälfte der von der Beklagten zu zahlenden Pauschgebühr in Höhe von 112,50 EUR aufzuerlegen.
Sie verweist darauf, dass sie den angegriffenen Bescheid mit dem Schriftsatz vom 10.04.2014 zurückgenommen habe.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 17.12.2014 mitgeteilt, die später erlassenen Eingliederungsbescheide seien ausdrücklich befristet gewesen, zuletzt bis zum 05.12.2014. Der Senat hat dem Kläger dort unter anderem erläutert, dass der Schriftsatz der Beklagten vom 10.04.2012 den Bescheid über die Aufhebung der angegriffenen Eingliederungsvereinbarung enthalten habe. Ferner hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Fortführung der Berufung rechtsmissbräuchlich erscheine und daher Kosten von EUR 225,00 auferlegt werden könnten.
Auf Grund dieses Hinweises hat die Beklagte beantragt, dem Kläger die Erstattung der Hälfte der von ihr zu entrichtenden Pauschgebühr aufzuerlegen.
Entscheidungsgründe:
1. Die statthafte (§ 105 Abs. 2 Satz 1, § 143 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und auch sonst zulässige (§ 151 Abs. 1 SGG) Berufung des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG seine Klage abgewiesen.
a) Der Kläger stellt in zweiter Instanz die gleichen Anträge wie vor dem SG. Eine - womöglich unzulässige (vgl. § 99 Abs. 1 SGG) - Klageänderung liegt nicht vor. Mit seinem ersten Antrag begehrt der Kläger zwar ausdrücklich den Erlass eines behördlichen Aufhebungs- oder Rücknahmebescheids, in der Sache aber nach wie vor die gerichtliche Kassation jenes Bescheids. Es handelt sich um eine Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1). Und sein zweiter Antrag kann bei wohlwollender Auslegung als eine Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG) mit dem Inhalt verstanden werden, das Gericht möge die Rechtswidrigkeit des fraglichen Bescheids feststellen. So hat auch das SG das Begehren verstanden. Dass sich der Kläger in der Berufungsinstanz auf eine der Regelungen in dem Bescheid beschränkt - die Obliegenheit, angebotene Stellen anzunehmen -, zwingt nicht dazu, seinen Antrag als unzulässige Elementenfeststellung (vgl. insoweit § 55 Abs. 1 Hs. 1 SGG) anzusehen. Vielmehr handelt es sich bei diesem Hinweis nur um die Begründung des Klägers für die angenommene Rechtswidrigkeit des Bescheids.
b) Die Klage gegen den Bescheid selbst ist unzulässig geworden, nachdem ihn die Beklagte zurückgenommen hat. Eine Anfechtungsklage kann sich nur gegen einen existenten Bescheid richten (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG). Die Rücknahme des Bescheids lag in dem Schriftsatz vom 10.04.2014. Ein Bescheid, auch ein Rücknahmebescheid, muss nicht in besonderer Form ergehen, er muss nicht einmal schriftlich erteilt werden. Auch dass dem Rücknahmebescheid z.B. die Rechtsbehelfsbelehrung fehlte, macht ihn nicht nichtig. Jener Rücknahmebescheid wurde dem Kläger auch - vermittelt durch das SG - bekanntgegeben, sodass er wirksam geworden ist. Einen Anspruch auf Zustellung eines Bescheids - statt der gesetzlich lediglich vorgeschriebenen Bekanntgabe -, noch dazu auf Zustellung in bestimmter Weise, wie ihn der Kläger geltend macht, gibt es nicht. Dies hat der Senat dem Kläger in der Berufungsverhandlung nochmals erläutert.
c) Ebenso wie das SG hält auch der Senat die (hilfsweise) erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage für unzulässig. Es fehlt das nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG notwendige Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Insbesondere besteht keine Wiederholungsgefahr mehr, nachdem die Beklagte auf den einzigen möglichen Rechtsfehler in dem angegriffenen Eingliederungsbescheid eingegangen ist und die anschließenden Bescheide ausdrücklich befristet hat (vgl. § 37 Abs. 3 Satz 3 SGB III).
d) Aus diesem Grunde weist der Senat nur darauf hin, dass der Eingliederungsbescheid auch rechtmäßig gewesen war.
Auch einem arbeitsuchend gemeldeten Nichtleistungsempfänger obliegt es nach § 37 Abs. 2 SGB III, eine Eingliederungsvereinbarung mit der Beklagten zu schließen, wenn er Leistungen der Arbeitsförderung in Anspruch nehmen will. Kommt eine solche Vereinbarung nicht zu Stande, so wird sie nach § 37 Abs. 3 Satz 4 SGB III als Verwaltungsakt erlassen.
Der Bescheid vom 21.08.2013 entsprach auch den Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 SGB III. Die notwendige Befristung war aus dem Inhalt und den weiteren Umständen zu ersehen: Der Bescheid sollte bis zum 30.09.2013 gelten; an diesem Tag sollte der Kläger seine Bemühungen nachweisen, danach konnte ggfs. eine weitere, angepasste Vereinbarung geschlossen werden, wie es § 37 Abs. 3 Satz 2 SGB III vorsieht. Die in § 37 Abs. 3 Satz 3 SGB III genannten sechs Monate sind nur die höchstzulässige Dauer, schließen aber kürzere Laufzeiten nicht aus. Ferner verstießen die Obliegenheiten, die dem Kläger auferlegt wurden, nicht gegen § 37 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB III. Sechs Bewerbungen auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen in mehr als fünf Wochen sind zumutbar. Und die Obliegenheit, eine angebotene Stelle anzutreten, ist - auch für nur arbeitsuchende Arbeitnehmer wie den Kläger - bereits gesetzlich vorgesehen, § 2 Abs. 5 Nr. 3 SGB III.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat außerdem nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG Missbrauchskosten festgesetzt, und zwar in Höhe des Mindestsatzes für die Berufungsinstanz von EUR 225,00 (vgl. § 192 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 184 Abs. 2 SGG). Er hat hierbei von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, dem Kläger aufzuerlegen, der Beklagten die Hälfte der Pauschgebühren zu erstatten (also EUR 112,50), die sie nach § 184 Abs. 1 Satz 1 SGG zahlen muss und die nicht angefallen wäre, wenn der Kläger nach den Hinweisen des Senats in der mündlichen Verhandlung seine Berufung zurückgenommen hätte (vgl. dazu Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 192 Rn. 13, 15). Den Rechtsmissbrauch der weiteren Rechtsverfolgung sieht der Senat darin, dass der Kläger seine unzulässige Klage trotz ausdrücklicher Hinweise weiterverfolgt, obwohl der angegriffene Bescheid zurückgenommen worden ist und Wiederholungsgefahr nicht besteht; stattdessen hätte der Kläger nach der Rücknahme das Klageverfahren für erledigt erklären und ggfs. Kostengrundantrag stellen können. Seine Ausführungen in der Berufungsverhandlung, es gehe ihm darum, einen an ihn adressierten förmlichen Rücknahmebescheid der Beklagten zu erhalten, rechtfertigen kein Gerichtsverfahren.
5. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Dem Kläger wird auferlegt, 112,50 EUR an die Staatskasse sowie weitere 112,50 EUR an die Beklagte zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine als Verwaltungsakt erlassene Eingliederungsvereinbarung vom 21.08.2013.
Nach eigenen Angaben ist der am 23.03.1956 geborene Kläger Kaufmann. Er bezieht von der beklagten Bundesagentur für Arbeit (im Folgenden: Beklagte) keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ("Nichtleistungsempfänger"). In der Vergangenheit schlossen die Beteiligten Eingliederungsvereinbarungen. Verschiedentlich stellte die Beklagte Vermittlungs-sperren fest.
Die von der Beklagten vorgeschlagene Eingliederungsvereinbarung vom 13.08.2013 für die Zeit bis zum 31.12.2013 schloss der Kläger nicht ab. Daraufhin legte die Beklagte mit dem hier angegriffenen Bescheid vom 21.08.2013 dem Kläger auf, sich bis zum 30.09.2013 auf sechs sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen als Bürokraft bzw. kaufmännische Fachkraft oder als Mitarbeiter in den Bereichen Lagerei/Logistik zu bewerben. Im Gegenzug sagte sie unter anderem zu, dem Kläger passende Vermittlungsvorschläge vorzulegen, sein Bewerberprofil zu veröffentlichen und die Kosten für Bewerbungen und Fahrten zu Vorstellungsterminen zu erstatten. Zur Begründung führte sie aus, um Vermittlungsleistungen der Beklagten in Anspruch zu nehmen, müsse der Kläger Eigenbemühungen nachweisen.
Der Kläger erhob mit Schreiben vom 23.08.2013 Widerspruch. Er sei verpflichtet, Bewerbungen abzusenden, welche nicht zu seinem Nachteil ausgelegt werden könnten. Im Gegenzug müsse die Arbeitsverwaltung die dadurch entstehenden Kosten tragen. Insoweit verwies der Kläger auf § 670 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Weiterhin rügte der Kläger einen "Eingriff in die rechtsgeschäftliche Willensbildung (hier: Vertrags- bzw. Individualarbeitsrecht) durch die Bundesagentur mit dem als Kontrahierungszwang auszulegenden Term: ‚ nehme Vorstellungsgespräche beim Arbeitgeber wahr und trete - falls angeboten - diese Stelle an ".
Die Beklagte erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 07.10.2013. Komme eine Eingliederungsvereinbarung nicht zu Stande, so sollten die erforderlichen Eigenbemühungen durch Verwaltungsakt festgesetzt werden. Ferner seien die Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, bei denen es sich um Ermessensleistungen handle, festgelegt werden.
Hiergegen hat der Kläger am 28.10.2013 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Er hat unter anderem vorgetragen, ihm sei unter dem 30.09.2013 ein weiterer Bescheid über eine Eingliederung zugegangen (dieser ist Gegenstand des Parallelverfahrens L 3 AL 3424/14, in dem der erkennende Senat ebenfalls am 17.12.2014 entschieden hat). Die angefochtene Eingliederungsvereinbarung sei nicht für einen bestimmten Zeitraum festgelegt. Zudem sei nicht geklärt, ob bereits ein "gültiger/ungültiger (Dauer)Verwaltungsakt" vorhanden sei. Die Leistungen der Beklagten seien vage definiert. In der Praxis würden - nur - Kosten für Porto, Bewerbungsmappen, Bewerbungsfotos und Kopien erstattet. Für Bewerbungen benötige er jedoch auch Papier und Briefumschläge. Auch die Reisekostenregelung werfe Fragen auf. Die Beklagte verpflichte den Kläger, Leistungen in Vorkasse zu erbringen, um sich dann um die Kostenerstattung zu drücken.
Nachdem das SG darauf hingewiesen hatte, dass die angegriffene Eingliederungsvereinbarung womöglich nicht ausdrücklich genug befristet gewesen sei, hat sie die Beklagte letztlich mit Schriftsatz vom 10.04.2014 zurückgenommen. Gleichwohl hat der Kläger - unter dem 14.04.2014 - um eine gerichtliche Entscheidung gebeten und sich auf Wiederholungsgefahr berufen. Später hat er hierzu angegeben, ihm seien am 15.04.2104 und am 23.06.2014 weitere Bescheide "in gleicher Sache" bzw. "mit ähnlichen Textbausteinen" zugegangen.
Mit Gerichtsbescheid vom 22.07.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Sie sei jedenfalls unbegründet. Soweit der Kläger die Aufhebung des Bescheids vom 21.08.2013 begehrt habe, habe sich die Klage erledigt, nachdem die Beklagte jenen Bescheid zurückgenommen habe. Auch eine Fortsetzungsfeststellungsklage habe keinen Erfolg, selbst wenn zu Gunsten des Klägers ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse unterstellt werde. Der angegriffene Bescheid sei rechtmäßig gewesen. Dem Kläger sei es zuzumuten gewesen, bis zum 30.09.2013 sechs Bewerbungen zu tätigen. Auch die Erstattung von Reise- und Bewerbungskosten sei nicht zu beanstanden gewesen.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13.08.2014 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Er meint, entgegen den Behauptungen der Beklagten habe diese den angegriffenen Bescheid nicht zurückgenommen. Auch auf Nachfrage habe die Beklagte die geforderten Bescheide nicht vorlegen können.
Der Kläger beantragt - in der Sache ausdrücklich -,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. Juli 2014 aufzuheben und 1) die Beklagte zu verurteilen, einen ordnungsgemäßen Bescheid zu erstellen und diesen auch dem Kläger mit Postzustellungsurkunde zukommen zu lassen, 2) festzustellen, dass ein Eingriff in Vertragsverhandlungen und der Zwang zum Abschluss eines Vertrags keine Eigenbemühung im Sinne von § 37 Satz 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sei.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und dem Kläger gem. § 192 SGG die Erstattung der Hälfte der von der Beklagten zu zahlenden Pauschgebühr in Höhe von 112,50 EUR aufzuerlegen.
Sie verweist darauf, dass sie den angegriffenen Bescheid mit dem Schriftsatz vom 10.04.2014 zurückgenommen habe.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 17.12.2014 mitgeteilt, die später erlassenen Eingliederungsbescheide seien ausdrücklich befristet gewesen, zuletzt bis zum 05.12.2014. Der Senat hat dem Kläger dort unter anderem erläutert, dass der Schriftsatz der Beklagten vom 10.04.2012 den Bescheid über die Aufhebung der angegriffenen Eingliederungsvereinbarung enthalten habe. Ferner hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Fortführung der Berufung rechtsmissbräuchlich erscheine und daher Kosten von EUR 225,00 auferlegt werden könnten.
Auf Grund dieses Hinweises hat die Beklagte beantragt, dem Kläger die Erstattung der Hälfte der von ihr zu entrichtenden Pauschgebühr aufzuerlegen.
Entscheidungsgründe:
1. Die statthafte (§ 105 Abs. 2 Satz 1, § 143 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und auch sonst zulässige (§ 151 Abs. 1 SGG) Berufung des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG seine Klage abgewiesen.
a) Der Kläger stellt in zweiter Instanz die gleichen Anträge wie vor dem SG. Eine - womöglich unzulässige (vgl. § 99 Abs. 1 SGG) - Klageänderung liegt nicht vor. Mit seinem ersten Antrag begehrt der Kläger zwar ausdrücklich den Erlass eines behördlichen Aufhebungs- oder Rücknahmebescheids, in der Sache aber nach wie vor die gerichtliche Kassation jenes Bescheids. Es handelt sich um eine Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1). Und sein zweiter Antrag kann bei wohlwollender Auslegung als eine Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG) mit dem Inhalt verstanden werden, das Gericht möge die Rechtswidrigkeit des fraglichen Bescheids feststellen. So hat auch das SG das Begehren verstanden. Dass sich der Kläger in der Berufungsinstanz auf eine der Regelungen in dem Bescheid beschränkt - die Obliegenheit, angebotene Stellen anzunehmen -, zwingt nicht dazu, seinen Antrag als unzulässige Elementenfeststellung (vgl. insoweit § 55 Abs. 1 Hs. 1 SGG) anzusehen. Vielmehr handelt es sich bei diesem Hinweis nur um die Begründung des Klägers für die angenommene Rechtswidrigkeit des Bescheids.
b) Die Klage gegen den Bescheid selbst ist unzulässig geworden, nachdem ihn die Beklagte zurückgenommen hat. Eine Anfechtungsklage kann sich nur gegen einen existenten Bescheid richten (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG). Die Rücknahme des Bescheids lag in dem Schriftsatz vom 10.04.2014. Ein Bescheid, auch ein Rücknahmebescheid, muss nicht in besonderer Form ergehen, er muss nicht einmal schriftlich erteilt werden. Auch dass dem Rücknahmebescheid z.B. die Rechtsbehelfsbelehrung fehlte, macht ihn nicht nichtig. Jener Rücknahmebescheid wurde dem Kläger auch - vermittelt durch das SG - bekanntgegeben, sodass er wirksam geworden ist. Einen Anspruch auf Zustellung eines Bescheids - statt der gesetzlich lediglich vorgeschriebenen Bekanntgabe -, noch dazu auf Zustellung in bestimmter Weise, wie ihn der Kläger geltend macht, gibt es nicht. Dies hat der Senat dem Kläger in der Berufungsverhandlung nochmals erläutert.
c) Ebenso wie das SG hält auch der Senat die (hilfsweise) erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage für unzulässig. Es fehlt das nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG notwendige Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Insbesondere besteht keine Wiederholungsgefahr mehr, nachdem die Beklagte auf den einzigen möglichen Rechtsfehler in dem angegriffenen Eingliederungsbescheid eingegangen ist und die anschließenden Bescheide ausdrücklich befristet hat (vgl. § 37 Abs. 3 Satz 3 SGB III).
d) Aus diesem Grunde weist der Senat nur darauf hin, dass der Eingliederungsbescheid auch rechtmäßig gewesen war.
Auch einem arbeitsuchend gemeldeten Nichtleistungsempfänger obliegt es nach § 37 Abs. 2 SGB III, eine Eingliederungsvereinbarung mit der Beklagten zu schließen, wenn er Leistungen der Arbeitsförderung in Anspruch nehmen will. Kommt eine solche Vereinbarung nicht zu Stande, so wird sie nach § 37 Abs. 3 Satz 4 SGB III als Verwaltungsakt erlassen.
Der Bescheid vom 21.08.2013 entsprach auch den Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 SGB III. Die notwendige Befristung war aus dem Inhalt und den weiteren Umständen zu ersehen: Der Bescheid sollte bis zum 30.09.2013 gelten; an diesem Tag sollte der Kläger seine Bemühungen nachweisen, danach konnte ggfs. eine weitere, angepasste Vereinbarung geschlossen werden, wie es § 37 Abs. 3 Satz 2 SGB III vorsieht. Die in § 37 Abs. 3 Satz 3 SGB III genannten sechs Monate sind nur die höchstzulässige Dauer, schließen aber kürzere Laufzeiten nicht aus. Ferner verstießen die Obliegenheiten, die dem Kläger auferlegt wurden, nicht gegen § 37 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB III. Sechs Bewerbungen auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen in mehr als fünf Wochen sind zumutbar. Und die Obliegenheit, eine angebotene Stelle anzutreten, ist - auch für nur arbeitsuchende Arbeitnehmer wie den Kläger - bereits gesetzlich vorgesehen, § 2 Abs. 5 Nr. 3 SGB III.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat außerdem nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG Missbrauchskosten festgesetzt, und zwar in Höhe des Mindestsatzes für die Berufungsinstanz von EUR 225,00 (vgl. § 192 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 184 Abs. 2 SGG). Er hat hierbei von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, dem Kläger aufzuerlegen, der Beklagten die Hälfte der Pauschgebühren zu erstatten (also EUR 112,50), die sie nach § 184 Abs. 1 Satz 1 SGG zahlen muss und die nicht angefallen wäre, wenn der Kläger nach den Hinweisen des Senats in der mündlichen Verhandlung seine Berufung zurückgenommen hätte (vgl. dazu Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 192 Rn. 13, 15). Den Rechtsmissbrauch der weiteren Rechtsverfolgung sieht der Senat darin, dass der Kläger seine unzulässige Klage trotz ausdrücklicher Hinweise weiterverfolgt, obwohl der angegriffene Bescheid zurückgenommen worden ist und Wiederholungsgefahr nicht besteht; stattdessen hätte der Kläger nach der Rücknahme das Klageverfahren für erledigt erklären und ggfs. Kostengrundantrag stellen können. Seine Ausführungen in der Berufungsverhandlung, es gehe ihm darum, einen an ihn adressierten förmlichen Rücknahmebescheid der Beklagten zu erhalten, rechtfertigen kein Gerichtsverfahren.
5. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved