L 5 KR 56/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 28 KR 95/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 56/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KS 1/15 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Auf Rev. der Kl. werden die Urteile des LSG und SG sowie der Bescheid der Beklagten vom 25.06.2010 aufgehoben !!!
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 4.2.2012 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Versicherungspflicht der Klägerin in der Kranken- und Pflegeversicherung im Rahmen der Künstlersozialversicherung (KSV) über den 30.6.2010 hinaus.

Die 1957 geborene Klägerin wurde von der Beklagten wegen ihrer Tätigkeit als freiberufliche Journalistin und Lektorin ab dem 1.6.1988 in alle Zweige der KSV aufgenommen (Feststellungsbescheid vom 5.12.1988).

Die Klägerin ist ehrenamtliches Mitglied des Rates der Stadt E und wurde im Oktober 2007 Fraktionsvorsitzende von C. In diesen Eigenschaften erhielt sie u.a. Aufwandsentschädigungen, Sitzungsgelder und Verdienstausfall nach der Gemeindeordnung (GemO NW). Der Verdienstausfall für die Teilnahme an den Rats- und Ausschusssitzungen wurde anhand des Einkommens des Vorjahres berechnet. Die Klägerin erhielt in der Regel den Höchstsatz von 30 Euro. Den auf ihr Konto gezahlten Verdienstausfall behielt die Klägerin ein. Die Sitzungsgelder und Aufwandsentschädigungen wurden ebenfalls auf das Konto der Klägerin überwiesen. Die Klägerin spendete entsprechend der Beitrags- und Kassenordnung des Kreisverbandes C alle diesbezüglichen - einen Betrag von 350 Euro übersteigenden - Zahlungen an die Parteikasse.

Die Klägerin erhielt in den Jahren 2004 bis 2010 Verdienstausfall in folgender Höhe:

2004 = 15.553,20 Euro
2005 = 7.560,- Euro
2006 = 7.230,- Euro
2007 = 10.050,- Euro
10/2007 bis 12/2008 = 14.797,59 Euro
2009 = 14.797,50 Euro
10/2009 bis 7/2010 = 11.555,10 Euro

Daneben bekam sie Aufwandsentschädigungen (a) und Sitzungsgelder (b):

2005 a) 4.824,- Euro b) 1.881,- Euro
2006 a) 4.824,- Euro b) 1.930,50 Euro
2007 a) 5.898,- Euro b) 2.165,- Euro
2008 a) 10.980,- Euro b) 3.424,- Euro
2009 a) 11.013,- Euro b) 3.774,- Euro
2010 a) 11.278,- Euro b) 3.234,80 Euro

Sowohl beim Verdienstausfall als auch bei den Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgeldern unterlag jeweils der steuerpflichtige Betrag als "Einnahme aus sonstiger selbständiger Tätigkeit" der Einkommensteuer.

Das Jahreseinkommen der Klägerin betrug ausweislich der Einkommensteuerbescheide:

a) von 2004 bis 2007

Jahreseinkommen aus selbständiger künstlerischer / publizistischer Tätigkeit in Euro

2004 = 37.676,-
2005 = 31.894,-
2006 = 25.256,-
2007 = 27.183,-
2008 = 27.857,-

Jahreseinkommen aus selbständiger nicht künstlerischer/ nicht publizistischer Tätigkeit in Euro

2004 = 8.190,-
2005 = 680,-
2006 = 2.006,-
2007 = 11.050,-
2008 = 10.090,-

b) 2009 und 2010

Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit insgesamt:

2009 = 26.130,- Euro

2010 = 35.130,- Euro

Die Beklagte stellte nach Anhörung das Ende der Versicherungspflicht und Zuschussberechtigung nach dem KSVG (Künstlersozialversicherungsgesetz) in der Kranken- und Pflegeversicherung zum 30.6.2010 fest. Da die Klägerin nicht mehr nur geringfügige, regelmäßig unterhalb von 400 Euro monatlich liegende Einkünfte im Sinne des § 8 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) aus einer nicht künstlerischen/ nicht publizistischen selbständigen Tätigkeit erziele, sei sie nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 bzw. Abs. 2 Nr. 1 KSVG in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versicherungsfrei. Die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung bleibe bestehen, da das nicht künstlerisch/ publizistisch erzielte Arbeitseinkommen nicht die Hälfte der geltenden Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung erreiche (Bescheid vom 25.6.2010).

Mit ihrem Widerspruch wies die Klägerin daraufhin, sie habe in all den Jahren durch die Spenden an die Parteikasse Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder nur unterhalb der 400-Euro-Grenze erhalten. Der Verdienstausfall sei schon begrifflich kein Einkommen, da er als "Ersatz" des aus publizistischer selbständiger Tätigkeit zu erzielenden Einkommens gezahlt werde. Sie übe auch keine selbständige Tätigkeit aus, da es sich bei einem politischen Mandat um ein Ehrenamt handele. Das Ehrenamt könne nicht als "andere selbständige Tätigkeit" angesehen werden, da sie andernfalls am Arbeitsplatz durch den Verlust der sozialen Absicherung in der KSV benachteiligt werde. Nach § 44 GemO NW dürfe aber niemand daran gehindert werden, ein Mandat als Ratsmitglied anzunehmen, auszuüben oder sich dafür zu bewerben. Es liege auch ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vor, da auf diese Weise nur Künstler davon abgehalten würden, sich an staatlichen Gremien zu beteiligen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit der Begründung zurück, das Sozialgericht Duisburg habe in einem ähnlichen Fall (Urteil vom 11.2.2001 -S 9 KR 121/03-) entschieden, dass eine Tätigkeit als kommunalpolitischer Mandatsträger und Fraktionsvorsitzender eine nicht unter § 2 KSVG fallende Tätigkeit sei. Der Ersatz des Verdienstausfalls und die Aufwandsentschädigung seien nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) Einkünfte aus einer sonstigen selbständigen Tätigkeit. Dass der Mandatsträger an Entscheidungen der Fraktionen gebunden und dem öffentlichen Wohl verpflichtet sei, stehe der Einordnung als selbständige Tätigkeit nicht entgegen, da es maßgeblich auf die steuerrechtliche Beurteilung ankomme (Widerspruchsbescheid vom 27.12.2010).

Mit ihrer am 24.1.2011 erhobenen Klage hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Prüfung des § 5 KSVG sozialversicherungs- und nicht steuerrechtlich auszurichten sei. Im Sozialversicherungsrecht sei eine selbständige Erwerbstätigkeit jede gewerbliche oder berufliche Tätigkeit, die als freie, nicht von Weisungen Dritter abhängige Tätigkeit ausgeübt werde. Gewerblich sei jede nachhaltige zur dauernden und berufsmäßigen Erzielung von Einkünften aus Gewerbebetrieb oder selbständiger Tätigkeit ausgeübte Arbeit. Danach sei ihr Ehrenamt keine erwerbsmäßige selbstständige Tätigkeit i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 5 KSVG, da sie ihr Einkommen aus der publizistischen Tätigkeit erziele und der Verdienstausfall nur zum Ausgleich einer kommunalpolitisch veranlassten Dienstschmälerung diene, nicht aber von ihr "erstrebt" werde.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 25.6.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.12 2010 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, es gebe nur entweder abhängige oder selbständige Tätigkeiten. Die Anwendbarkeit des Steuerrechts auch im Sozialversicherungsrecht ergebe sich aus der zu wahrenden Einheit der Rechtsordnung. Der Gesetzgeber sehe es z.B. zum Gleichklang der Wertungen und Rechtsfolgen zwischen dem EStG und dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) als gerechtfertigt an, aus dem Ehrenamt zufließende Mittel auf zu leistende Grundsicherungsleistungen anzurechnen, da nur so das Spannungsverhältnis zwischen unentgeltlichem Ehrenamt und einer auf die Existenzsicherung begrenzten stattlichen Leistung vermieden werden könne. Die steuerrechtlichen Regelungen ständen dem Ziel, ehrenamtliche Tätigkeit zu fördern, auch nicht entgegen, da diese gerade unentgeltlich und ohne Gegenleistung erbracht werde. Der Begriff des "Erstrebens" umschreibe lediglich die objektive Einnahmeerzielung, wobei es ausreiche, wenn diese nur Nebenzweck sei. Die Klägerin habe Verdienstausfall und Entschädigungen in nicht unerheblicher Höhe erhalten, die sie als Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit versteuert habe. Der Verdienstausfall sei auch nicht wie die publizistische Tätigkeit zu behandeln, zumal die Klägerin nicht dargelegt habe, welche konkreten Aufträge sie infolge des Ehrenamts habe ablehnen müssen. Folge man der Auffassung der Klägerin, unterlägen Zahlungen nach der GemO NW für konkret ausgefallenes künstlerisches Entgelt im Übrigen der Künstlersozialabgabe. Ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz oder § 44 GemO NW sei nicht ersichtlich. Zwar habe der Gesetzgeber das KSVG zum Schutz bestimmter selbständiger Berufsgruppen erschaffen, sich dabei aber auch -wie aus den Ausschlussgründen des § 5 KSVG deutlich werde- am tatsächlichen Schutzbedürfnis orientiert. Die Klägerin begehre vielmehr, gegenüber anderen Künstlern, die auch eine andere als ihre künstlerische Tätigkeit ausübten, bessergestellt zu werden.

Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 4.12.2012): Die Klägerin sei aufgrund der Höhe ihrer aus der kommunalpolitischen Tätigkeit erzielten Einkünfte nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 KSVG versicherungsfrei. Dass die Klägerin den Verdienstausfall als Surrogat für ihre künstlerische Tätigkeit erhalte, sei unerheblich, da an die jeweils ausgeübte Tätigkeit angeknüpft werde. Eine ehrenamtliche Tätigkeit könne abhängige Beschäftigung sein, wenn man Verwaltungsaufgaben wahrnehme und eine den tatsächlichen Aufwand übersteigende Aufwandsentschädigung erhalte. Kommunale Mandatsträger seien demgegenüber unabhängig. Daraus folge, dass die Klägerin - auch im Einklang der sozialgerichtlichen und finanzgerichtlichen Rechtsprechung - eine selbständige Tätigkeit ausübe. Für eine Erwerbsmäßigkeit sei ausreichend, dass die Absicht zur Erzielung positiver Einkünfte als Nebenzweck vorliege, auch wenn die Klägerin in erster Linie ihrem politischen Auftrag gerecht werden wolle. Das Einkommen aus der Tätigkeit als Ratsmitglied und Fraktionsvorsitzende habe regelmäßig über der Geringfügigkeitsgrenze gelegen und zumindest auch den Lebensunterhalt der Klägerin gesichert. Da das mit ihrer selbständigen Tätigkeit einhergehende Risiko, dadurch versicherungsfrei in der KSV zu werden, für alle in der KSV Versicherte gleichermaßen bestehe, liege kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Der Schutzbereich des § 44 Abs. 1 Satz 1 und 2 GemO NW sei nicht eröffnet, da die mittelbaren sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen keine zielgerichteten Eingriffe seien.

Gegen das ihr am 7.1.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22.1.2013 Berufung eingelegt und ihren Anspruch weiterverfolgt. Aus der Entscheidung des BSG vom 23.7.1998 (B 11 AL 3/98 R) ergebe sich, dass Ratsmitglieder weder abhängig beschäftigt noch selbständig seien, da ihr Handeln sich nur nach dem Gemeinwohl richte. Es widerspreche dem Schutzgedanken des KSVG, wenn der entstandene Versicherungsschutz durch die Übernahme eines politischen Mandats wieder entfalle.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 4.12.2012 zu ändern und nach dem Klageantrag zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie betont, ihr sei neben der selbständigen und der abhängigen Beschäftigung kein weiterer sozialversicherungsrechtlicher Status bekannt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 25.6.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.12.2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten nach § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Klägerin ist nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 KSVG ab dem 1.7.2010 in der Kranken- und sozialen Pflegeversicherung der KSV versicherungsfrei.

Der Gesetzgeber hat in § 5 Abs. 1 KSVG einen Katalog von Gründen, die zum Ausschluss der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung nach dem KSVG führen, benannt. Orientiert am sozialen Schutzbedürfnis hat er Personen, die bereits einen Kranken- und Pflegeversicherungsschutz haben, sowie Personen, die typischerweise nach ihrer Einkommenssituation gegen Krankheit und Pflegebedürftigkeit gesichert sein können, vom Versicherungsschutz ausgenommen, um der ungerechtfertigten Inanspruchnahme der preisgünstigen Kranken- und Pflegeversicherung nach dem KSVG entgegenzuwirken (Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 4. Auflage 2009, § 5 Rz.1). Dies gilt unabhängig davon, ob und wie der anderweitig Selbstständige im Einzelfall für den Krankheitsfall gesichert ist, da es nach dem Grundgedanken des Gesetzgebers genügt, dass sich derartige Personen typischerweise anders absichern können (Finke/Brachmann/Nordhausen, a.a.O. Rz.19).

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 KSVG ist in der gesetzlichen Kranken- und in der sozialen Pflegeversicherung versicherungsfrei, wer eine nicht unter § 2 fallende selbstständige Tätigkeit erwerbsmäßig ausübt, es sei denn, diese ist geringfügig im Sinne des § 8 SGB IV. Diese Voraussetzungen sind bei der Klägerin erfüllt.

Nach § 2 KSVG ist Künstler, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Publizist im Sinne dieses Gesetzes ist, wer als Schriftsteller, Journalist oder in anderer Weise publizistisch tätig ist oder Publizistik lehrt. Als Ratsmitglied und Fraktionsvorsitzende übt die Klägerin unstreitig keine künstlerische oder publizistische Tätigkeit aus. Auf ihre publizistische Tätigkeit, die zu ihrer Aufnahme in die KSV geführt hat, kommt es dabei nicht an.

Die ehrenamtliche Tätigkeit der Klägerin als Ratsmitglied und Fraktionsvorsitzende ist einer selbständigen Tätigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 5 KSVG zuzuordnen. Nach den über § 36a Satz 1 KSVG anzuwendenden Vorschriften des SGB IV (hier: Zweiter Titel) kann die Tätigkeit nur abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit sein (so auch Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG § 1 Rn. 10). Bei einem Ehrenamt ist die Abgrenzung nach der Rechtsprechung des BSG anhand einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Ausgestaltung des Ehrenamts in der kommunalen Verfassung des jeweiligen Bundeslands vorzunehmen (BSG, Urteil vom 15.7.2009 -B 12 KR 1/09 R- m.w.N.). Eine abhängige Beschäftigung kann nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV auch in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis vorliegen, wenn der Betreffende über Repräsentationsaufgaben hinaus dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Verwaltungsaufgaben weisungsgebunden wahrnimmt und hierfür einen den tatsächlichen Aufwand übersteigende pauschale Aufwandsentschädigung erhält (abhängige Beschäftigung z.B.: Kreisbrandmeister: BSG, Urteil vom 15.7.2009, a.a.O.; Kreisbrandrat: BSG, Urteil vom 4.4.2006 -B 12 KR 76/05 B-; Ehrenamtlicher Bürgermeister einer verbandsangehörigen Gemeinde in Sachsen mit Verwaltungsaufgaben: BSG, Urteil vom 25.1.2006 -B 12 KR 12/05 R-; Beigeordneter einer Gemeinde mit eigenem Geschäftsbereich (Sozialamt): BSG, Urteil vom 22.2.1996 -12 RK 6/95-; Ehrenamtlicher Bürgermeister in Sachsen-Anhalt mit Verwaltungsaufgaben und einer den tatsächlichen Aufwand übersteigender Aufwandsentschädigung: LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17.5.2010 -L 3 KR 18/10 B ER-; unabhängige Beschäftigung z.B.: stellvertretender Vorsitzender eines Landesverbands einer Gewerkschaft: SG Hannover, Urteil vom 17.2.2014 -S 6 R 521/11-; ehrenamtlich tätiger Friedensrichter: SG Dresden, Urteil vom 13.3.2008 -S 16 KR 401/05-; Kommunalpolitischer Mandatsträger und Fraktionsvorsitzender: SG Duisburg, Urteil vom 11.3.2005 -S 9 KR 121/03-).

Ob die Klägerin eine den tatsächlichen Aufwand übersteigende Aufwandspauschale erhält, kann dahinstehen. Sie nimmt weder als Ratsmitglied noch als Vorsitzende eines Organs der Selbstverwaltung Verwaltungsaufgaben der Exekutive wahr, noch ist sie nach der GemO NW weisungsgebunden. Nach § 40 Abs. 1 und 2 GemO NW wird die Verwaltung der Gemeinde ausschließlich durch den Willen der Bürger bestimmt, die durch die Mitglieder des Rates vertreten werden. Die Ratsmitglieder sind nach § 43 Abs. 1 GemO NW verpflichtet, in ihrer Tätigkeit ausschließlich nach dem Gesetz und ihrer freien, nur durch Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung zu handeln; sie sind an Aufträge nicht gebunden. Die Klägerin ist nicht nur als Ratsmitglied, sondern auch als Fraktionsvorsitzende weisungsfrei. Fraktionen sind freiwillige Vereinigungen von Ratsmitgliedern oder von Mitgliedern einer Bezirksvertretung, die sich auf der Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung zu möglichst gleichgerichtetem Wirken zusammengeschlossen haben (§ 65 Abs. 1 Satz 1 GemO NW). Sie wirken bei der Willensbildung und Entscheidungsfindung in der Vertretung mit (Abs. 2, 1 Hs.). Ihre innere Ordnung muss demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen. Sie geben sich ein Statut, in dem das Abstimmungsverfahren, die Aufnahme und der Ausschluss aus der Fraktion geregelt werden (§ 56 Abs. 2 und 3 GemO NW). Die Klägerin wirkt folglich an der Bildung eines gleichgerichteten Willens innerhalb der Fraktion mit und präsentiert diesen als Fraktionsvorsitzende nach außen. Nach ihren Angaben vertritt sie faktisch in Abstimmungen regelmäßig die Fraktionsmeinung; nur in "Herzensangelegenheiten" stimmt sie schon einmal anders ab. Auch wenn die Klägerin, die sich ja ihren politischen Ansichten entsprechend einer bestimmten Fraktion angeschlossen hat, dabei hin und wieder entgegen ihrer eigenen Überzeugung den demokratisch gebildeten Willen der Fraktion nach außen vertreten muss, ergibt sich daraus kein Weisungsrecht der Fraktion. Denn die nach demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen gebildete Fraktion hat keine rechtliche Handhabe, die nur an das Gesetz und das öffentliche Wohl gebundene Klägerin im Konfliktfall zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten zu zwingen.

Die Klägerin nimmt ihre ehrenamtliche selbständige Tätigkeit nicht unentgeltlich wahr, sondern erhält nach der GemO NW Verdienstausfall, Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder: Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 GemO NW hat ein Ratsmitglied, ein Mitglied einer Bezirksvertretung oder ein Mitglied eines Ausschusses Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalles, der ihm durch die Mandatsausübung entsteht, soweit sie während der Arbeitszeit erforderlich ist. Als Ersatz des Verdienstausfalls wird mindestens ein in der Hauptsatzung festzulegender Regelstundensatz gezahlt ( ). Darüber hinaus wird (1) abhängig Erwerbstätigen auf Antrag anstelle des Regelstundensatzes der tatsächlich entstandene und nachgewiesene Verdienstausfall und (2) Selbständigen auf Antrag anstelle des Regelstundensatzes eine Verdienstausfallpauschale je Stunde, die im Einzelfall auf der Grundlage des glaubhaft gemachten Einkommens nach billigem Ermessen festgesetzt wird, gewährt (§ 45 Abs. 2 GemO NW). Daneben besteht ein Anspruch auf angemessene Aufwandsentschädigung; einem Ratsmitglied oder einem Mitglied einer Bezirksvertretung kann die Aufwandsentschädigung teilweise als Sitzungsgeld für Rats-, Bezirksvertretungs-, Ausschuss- und Fraktionssitzungen gezahlt werden (§ 45 Abs. 1 Satz 1 GemO NW). Nach § 46 GemO NW erhalten u.a. Fraktionsvorsitzende neben den Entschädigungen, die den Ratsmitgliedern nach § 45 zustehen, eine vom für Inneres zuständigen Ministerium festzusetzende angemessene Aufwandsentschädigung.

Diese Zahlungen erhält die Klägerin entgegen ihrer Auffassung nicht aus ihrer publizistischen, sondern aus ihrer selbständigen Tätigkeit. Dies gilt insbesondere auch für den Verdienstausfall, da Rechtsgrundlage der Zahlungen die GemO NW und nicht etwa der mit einem Verlag geschlossene Vertrag ist. Auch ist die Zahlung des pauschalen Verdienstausfalls nicht an den konkreten Nachweis einer dadurch nicht ausübbaren publizistischen Tätigkeit geknüpft. Betrachtete man den Verdienstausfall als publizistische Tätigkeit, führte dies darüber hinaus zu den widersinnigen Ergebnis, dass der Rat der Stadt E nach den §§ 23 ff. KSVG zur Künstlersozialabgabe heranzuziehen wäre.

Die Klägerin übt ihre ehrenamtliche selbständige Tätigkeit erwerbsmäßig aus. Eine Tätigkeit wird erwerbsmäßig ausgeübt, wenn sie "mindestens auch dem Zwecke des Broterwerbs" dient (Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, § 1 Rn. 21). Nach ständiger Rechtsprechung der Finanzgerichtsbarkeit sind die Einkünfte von Ratsmitgliedern nach der GemO NW gem. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG Einkünfte aus einer "sonstigen selbständigen Tätigkeit", auch wenn die Gewinnerzielung nur ein Nebenzweck ist und gegenüber dem politischen Auftrag in den Hintergrund tritt (BFH, Urteil vom 8.8.1996 -XI B 187/95- und zum Oberbürgermeister einer Stadt in NRW, Urteil vom 3.12.1987 -IV R 41/85-; FG Köln, Urteil vom 2.9.3005 -5 K 1290/05-). Dieser Maßstab ist nach Ansicht des Senats auch bei der Beurteilung der Erwerbsmäßigkeit i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 5 KSVG zu Grunde zu legen. Denn sowohl § 15 Abs. 1 SGB IV als auch das KSVG (z.B. bei der Frage, was nach § 3 "Arbeitseinkommen" ist) knüpfen bei der Bewertung von "Einkommen" an die Vorschriften des EStG an. Dies ist angesichts des Umstands, dass zwar die Finanzverwaltung, nicht aber die Künstlersozialkasse über entsprechende Ermittlungsmöglichkeiten und Sachkunde verfügt, auch sachgerecht (so im Ergebnis auch der 13. Senat des LSG NRW, der die Feststellung, dass die einer Fraktionsvorsitzenden und kommunalen Abgeordneten gezahlte Aufwandsentschädigung als Einkommen nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG anzusehen ist, durch die finanzgerichtliche Rechtsprechung als geklärt ansieht: LSG NRW, Beschluss vom 18.8.2013 -L 13 EG 22/13 NZB-). Nach diesen Grundsätzen dienen die in Rede stehenden Einkünfte der Klägerin auch ihrem Lebensunterhalt. Die zunächst den Schwerpunkt ihres Einkommens ausmachenden Einkünfte aus publizistischer Tätigkeit sind von 2004 bis 2010 ungefähr um 1/3 bis 1/2 gesunken. Die Einkünfte aus ehrenamtlicher selbständiger Tätigkeit sind im Gegensatz dazu proportional angestiegen und machen zumindest seit 2007 etwa ein Drittel des Gesamteinkommens aus.

Den Ausschlussgrund der Geringfügigkeit kann die Klägerin nicht für sich in Anspruch nehmen. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 SGB IV liegt eine geringfügige Beschäftigung bzw. selbständige Tätigkeit vor, wenn das daraus erzielte Arbeitsentgelt regelmäßig monatlich 400 EUR nicht übersteigt oder die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 400 Euro im Monat übersteigt. Da die Klägerin ihre Tätigkeit als Ratsmitglied und Fraktionsvorsitzende regelmäßig ausübt, käme ohnehin nur eine Geringfügigkeit nach Nr. 1 in Betracht. Regelmäßiges Arbeitsentgelt im Sinne der Nr. 1 sind alle laufenden Entgeltzahlungen sowie jährliche Sonderzahlungen. Bei der Berechnung des regelmäßig im Monat erzielten Arbeitsentgelts sind Sonderzahlungen auf die einzelnen Monate des Jahres zu verteilen. Ob Geringfügigkeit besteht, ist bei Aufnahme der Beschäftigung vorausschauend zu beurteilen. Prognosegrundlage können neben Vereinbarungen auch Erfahrungswerte der Vergangenheit sein (Schlegel in jurisPK-SGB IV, § 8 Rz. 38-43). Sowohl der monatliche Verdienstausfall (2004: 1.296,08 Euro, 2005: 630 Euro, 2006: 602,50 Euro, 2007: 837,50 Euro, 2008: hochgerechnet ca. 1.000 Euro, 2009: 1.233,16 Euro und (hochgerechnet für) 2010: ca. 1.155,51 Euro) als auch die monatlichen Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder (2005: 558,75 Euro, 2006: 562,86 Euro, 2007: 671,92 Euro, 2008: 1.200,33 Euro, 2009: 1.232,25 Euro und 2010: 1.209,40 Euro) überschreiten die Schwelle der Geringfügigkeit. Zwar führte die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum von den Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgeldern entsprechend der Beitrags- und Kassenordnung des Kreisverbandes Bündnis 90/ Die Grünen alle monatlich über 350 Euro liegenden Beträge an die Fraktionskasse ab. Da der Klägerin als Gläubigerin die Zahlungen aber auf ihrem Konto zufließen, sind sie (unabhängig davon, wofür die Klägerin sie dann in welcher Weise verwendet) in voller Höhe als regelmäßiges Arbeitsentgelt zu werten. Schließlich setzt die Klägerin die an die Fraktion weitergegebenen Zahlungen auch als Betriebsausgaben steuermindernd ab (siehe hierzu FG Münster, Urteil vom 4.2.1988 -II 591/83 -).

Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG liegt nach Ansicht des Senats im Ergebnis nicht vor. Die Klägerin begreift den Verlust der (kostengünstigeren) sozialen Absicherung nach dem KSVG als ungerechtfertigte Benachteiligung von ehrenamtlichen Mandatsträgern und befürchtet, dass Künstler sich dadurch von der Ausübung eines politischen Mandats abhalten lassen könnten. Zwar mag diese Gefahr durchaus bestehen. Es liegt jedoch keine Ungleichbehandlung vor, da der Verlust sozialer Ansprüche oder Vergünstigungen durch die Ausübung eines Ehrenamts nicht ausschließlich Künstler betrifft: Bezieher von Leistungen nach dem SGB II können durch Einkünfte aus einer ehrenamtlichen Tätigkeit u.a. ebenfalls die kostenlose Absicherung im Krankheitsfall verlieren. Der Gesetzgeber hat ab dem 21.9.2010 mit § 302 Abs. 7 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI [in der ab dem 1.7.2014 geltenden Fassung wurde die Übergangsfrist noch einmal bis zum 30.9.2017 verlängert]) festgelegt, dass bei einem Anspruch auf eine Rente wegen Alters eine Aufwandsentschädigung für kommunale Ehrenbeamte grundsätzlich als Hinzuverdienst anrechenbar ist, wenn konkreter Verdienstausfall ersetzt wird. Bei nicht konkret ersetztem Verdienstausfall besteht aus Vertrauensschutzgesichtspunkten diesbezüglich lediglich eine Übergangsfrist. Nach § 118a Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) - in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung- konnte die Arbeitslosigkeit und damit der Anspruch auf Leistungen nach dem SGB III allein durch die Ausübung eines die berufliche Eingliederung des Arbeitslosen beeinträchtigendes Ehrenamt entfallen.

Auch eine Verletzung von § 44 Abs. 1 GemO NW sieht der Senat nicht als gegeben an. Danach darf niemand daran gehindert werden, sich um ein Mandat als Ratsmitglied, Mitglied einer Bezirksvertretung oder Mitglied eines Ausschusses zu bewerben, es anzunehmen oder auszuüben. Benachteiligungen am Arbeitsplatz im Zusammenhang mit der Bewerbung, der Annahme oder der Ausübung eines Mandats sind unzulässig. Entgegenstehende Vereinbarungen sind nichtig. Kündigungen oder Entlassungen aus Anlass der Bewerbung, Annahme oder Ausübung eines Mandats sind unzulässig. Unabhängig von der Frage, ob die Norm nur auf abhängig Beschäftigte oder auch auf selbständig Tätige anzuwenden ist, liegt in den eben dargelegten möglichen sozialrechtlichen Auswirkungen kein von § 44 Abs. 1 GemO NW als unzulässig bewertetes Verhalten. Der Verlust sozialrechtlicher Vorteile/ Ansprüche soll die Aufnahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit nicht zielgerichtet verhindern. Sie ist nur Folge einer freiwillig vom Versicherten zu treffenden Entscheidung, im Rahmen derer er die sozialen und finanziellen Auswirkungen abzuwägen hat. Dieser Prozess vollzieht sich bei jeder Veränderung einer Erwerbstätigkeit (z.B. Verlust der Familienversicherung bei Aufnahme einer besser dotierten Stelle nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat im Hinblick auf die von der Klägerin geltend gemachte (und vom Senat verneinte) Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes die Revision zugelassen; § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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