Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 25 R 265/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 856/12
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die erklärte Absicht, in absehbarer Zeit Altersrente zu beantragen, ist per se kein Grund für die Ablehnung von Leistungen zur Teilhabe gemäß §§ 9 ff. Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch, SGB VI.
I. Die Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 7. August 2012 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte und Berufungsklägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin oder die Beklagte zuständiger Kostenträger einer stationären Heilbehandlung ist.
Der 1945 geborene Versicherte (A.,) hatte während eines stationären Aufenthaltes vom 15. bis 22.09.2009 in der "K.-Klinik ", Fachklinik für Kardiologie in B. L., wo er sich einer Herzoperation unterziehen musste, am 17.09.2009 zur Beklagten und Berufungsklägerin einen Antrag auf Anschlussheilbehandlung gestellt. Im Antragsformular hatte er hierbei angegeben, dass er als Facharbeiter eine Ganztagsbeschäftigung ausübe. Angaben zu einem (laufenden bzw. beabsichtigten) Rentenbezug enthält das Antragsformular nicht.
Am 22.09.2009 kontaktierte der zuständige Sachbearbeiter der Beklagten den Versicherten telefonisch und erhielt von ihm die Auskunft, dass er mit Vollendung des 65. Lebens- jahres Altersrente beanspruchen werde. Entsprechend ihrer Dienstanweisung (u.a. Beschluss der "Norddeutschen Rentenversicherungsträger" vom 06./07.05.2009), wonach bei einer beabsichtigten Altersrentenantragstellung (bzw. bei einem Rentenbeginn) innerhalb von sechs Monaten der Reha-Antrag gegebenenfalls an die gesetzliche Krankenversicherung abzugeben sei, leitete die Beklagte bereits am 22.09.2009 den Antrag des Versicherten nach § 14 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch SGB IX an die Klägerin mit der Begründung weiter, der Versicherte könne "auch nach Durchführung der Reha-Leistung nicht noch eine gewisse Zeit einer Erwerbstätigkeit nachgehen", so dass ihre Zuständigkeit nach §§ 9, 10 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch, SGB VI, nicht gegeben sei. Hierauf gewährte die Klägerin dem Versicherten vom 22.09.2009 bis 13.10.2009 in der K.-Klinik die beantragte stationäre Anschlussheilbehandlung.
Noch während des laufenden Heilverfahrens widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 12.10.2009 der Rechtsansicht der Beklagten, wonach die Krankenversicherung und nicht die Rentenversicherung der zuständige Leistungsträger sei. Zur Begründung führte sie aus, der Versicherte habe zum Zeitpunkt der Reha- Antragstellung weder die Altersrente bezogen noch beantragt. Laut herrschender Kommentierung zu § 12 SGB VI reiche es nicht aus, wenn der Versicherte nur beabsichtige, Altersrente zu beantragen.
Am 02.11.2009 beantragte der Versicherte schließlich Regelaltersrente, die ihm von der Beklagten ab 01.02.2010 zuerkannt wurde.
Nachdem die Beklagte zuletzt mit Schreiben vom 15.01.2010 die Kostenerstattung abgelehnt hatte, erhob die Krankenkasse (BKK) gegen die Deutsche Rentenversicherung (Braunschweig-Hannover) am 11.02.2010 zum SG München allgemeine Leistungsklage auf Erstattung eines Betrages in Höhe von 2.249,68 EUR. Sie führte aus, dass der Versicherte am 17.09.2009 zur Beklagten Antrag auf eine Anschlussheilbehandlung gestellt habe, den diese fristgerecht "aber unzutreffend" an die Klägerin weitergeleitet habe. Diese habe mit Schreiben vom 23.09.2009 als "zweitangegangener Träger" die vom 22.09. bis 13.10.2009 durchgeführte Leistung bewilligt und gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 12.10.2009 ihren Erstattungsanspruch nach § 14 SGB IX, angemeldet. Da die Beklagte die Erstattung unter Hinweis auf § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI weiterhin ablehne, der Versicherte aber bei Durchführung der Reha- Leistung weder Altersrente bezogen noch beantragt habe, sei Klage geboten. Denn eine jederzeit widerrufbare Absichtserklärung könne einer Antragstellung im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI nicht gleichgestellt werden.
Die Beklagte berief sich demgegenüber auf den Ausschlussgrund nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI sowie auf den Wiedereingliederungsgedanken (iSd §§ 9 ff. SGB VI), der bei einem alsbald beabsichtigten Altersrentenantrag nicht mehr realisierbar sei.
Auf die mündliche Verhandlung vom 07.08.2012 hat das SG die Beklagte zur Erstattung des geforderten Betrages und zur Kostentragung für das Verfahren verurteilt sowie die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen. Die Klägerin habe nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX einen Erstattungsanspruch gegen die für die Rehabilitationsleistung zuständige Beklagte. Die reine Absichtserklärung, innerhalb von sechs Monaten eine Altersrente zu beantragen, sei kein Ausschlussgrund im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI, zumal von der Absicht der Antragstellung, gegebenenfalls nach erfolgreicher Durchführung der medizinischen Reha, wieder abgerückt werden könne. Das SG-Urteil ist der Beklagten und Berufungsklägerin am 13.09.2012 zugestellt worden.
Die hiergegen am 01.10.2012 beim Bayerischen LSG eingelegte Berufung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 20.11.2012 im Wesentlichen damit begründet, dass der Rentenversicherungsträger nach § 9 SGB VI für Leistungen zuständig sei, die ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben verhinderten bzw. die Wiedereingliederung in dieses ermöglichten. Diese Zielvorgaben seien aber bei dem zum Zeitpunkt der Reha- Antragstellung bereits 64-1/2-jährigen Versicherten nicht mehr zu erfüllen gewesen. Bei Prüfung des Erstattungsanspruches nach § 14 Abs. 4 SGB IX komme es zudem nicht nur auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung, sondern auf die Situation nach Bewilligung der Reha- Leistung also auf den Zeitpunkt der Geltendmachung der Erstattungsforderung an.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.08.2012 aufzuheben und die Klage auf Erstattung der Kosten für die Anschlussheilbehandlung in Höhe von 2.249,68 EUR abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akten der Beteiligten, des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die vom zuständigen Sozialgericht (vgl. § 57 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz SGG ) zugelassene, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151, 153 SGG), sachlich jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG entschieden, dass die Klägerin (und nunmehr Berufungsbeklagte) einen Erstattungsanspruch aus § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX hat. Diese Vorschrift bestimmt, dass der für die Leistung zuständige Rehabilitationsträger dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Vorschriften zu erstatten hat. Rehabilitationsträger im Sinne dieser Bestimmung sind nach §§ 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 4, 5 Nr. 1 SGB IX die Klägerin als gesetzliche Krankenkasse und die Beklagte als gesetzlicher Rentenversicherungsträger.
"§ 14 SGB IX räumt dem zweitangegangenen Träger einen spezialgesetzlichen Erstattungsanspruch gegen den materiell-rechtlich originär zuständigen Reha-Träger ein. Dieser spezielle Anspruch geht den allgemeinen Erstattungsansprüchen nach dem SGB X vor. Er ist begründet, soweit der Versicherte vom Träger, der ohne die Regelung in § 14 SGB IX zuständig wäre, die gewährte Maßnahme hätte beanspruchen können. Die Regelung begründet einen Ausgleich dafür, dass der zweitangegangene Reha-Träger bei Vorliegen eines entsprechenden Reha-Bedarfs die erforderlichen Reha-Leistungen (spätestens nach drei Wochen) selbst dann erbringen muss, wenn er der Meinung ist, hierfür nicht zuständig zu sein. Dabei handelt es sich um eine gleichsam "aufgedrängte Zuständigkeit". Diese in § 14 Abs. 2 Sätze 1 und 3 SGB IX geregelte Zuständigkeitszuweisung erstreckt sich im Außenverhältnis zum Versicherten auf alle Rechtsgrundlagen, die in dieser Bedarfssituation für Reha-Träger vorgesehen sind. Im Verhältnis zum behinderten Menschen wird dadurch eine eigene gesetzliche Verpflichtung des zweitangegangenen Trägers begründet, die vergleichbar der Regelung des § 107 SGB X einen endgültigen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung in diesem Rechtsverhältnis bildet. Im Verhältnis der Reha-Träger untereinander ist jedoch eine Lastenverschiebung ohne Ausgleich nicht bezweckt. Den Ausgleich bewirkt der Anspruch nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX" (vgl. hierzu Urteil des 1. Senats des BSG vom 08.09.2009, B 1 KR 9/09 R m.w.N.).
Die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin und Berufungsbeklagte hat die Reha-Maßnahme als zweitangegangener Reha-Träger nach § 14 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 SGB IX bewilligt. Die erstangegangene Beklagte und Berufungsklägerin hat als rechtlich selbständige öffentlich-rechtliche Körperschaft den Antrag mit Schreiben vom 22.09.2009 an die Klägerin und Berufungsbeklagte weitergeleitet. Nach § 14 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit Satz 1 und Satz 2 SGB IX hatte die Klägerin und Berufungsbeklagte den Rehabilitationsbedarf unverzüglich festzustellen. Unstreitig ist die Klägerin und Berufungsbeklagte ihrer entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung ohne Verzug nachgekommen, indem sie ab 22.09.2009 die Anschlussheilbehandlung durchgeführt hat. Zuständig für die Reha-Maßnahme im Sinne des § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX war dagegen die Beklagte und Berufungsklägerin. Denn der Versicherte hätte die Reha-Maßnahme ihrer Art nach von der Beklagten und Berufungsklägerin nach materiellem Recht beanspruchen können. Der Versicherte hatte ohne die Regelung in § 14 Abs. 2 SGB IX nur gegen die Beklagte und Berufungsklägerin Anspruch auf die stationäre Reha-Maßnahme nach §§ 9 ff. SGB VI. Denn grundsätzlich trifft den Rentenversicherungsträger die Pflicht, medizinische Reha-Maßnahmen zu leisten (§ 9 SGB VI). Nach § 40 Abs. 4 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, SGB V werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation von der Krankenkasse nur erbracht, wenn nach den für andere Träger der Sozialversicherung geltenden Vorschriften solche Leistungen nicht erbracht werden können.
Der Einwand der Beklagten und Berufungsklägerin, Leistungen zur Teilhabe seien nach der gesetzlichen Regelung des § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI ausgeschlossen gewesen, greift dagegen nicht durch. Denn der Versicherte hatte bei Durchführung der Leistungen zur Rehabilitation weder Rente wegen Alters von wenigstens zwei Drittel der Vollrente bezogen noch eine entsprechende Rente beantragt.
Im Hinblick auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut ist es auch ausgeschlossen, im Wege der Analogie die bloße Absicht, binnen sechs Monaten einen Rentenantrag zu stellen oder entsprechende Rente zu beziehen, dem Rentenbezug oder der konkreten Antragstellung gleichzustellen. Von einer Gesetzeslücke, welche die von der Beklagten und Berufungsklägerin gewünschte Auslegung überhaupt erst ermöglichen würde, kann auch unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien nicht ausgegangen werden (vgl. hierzu Urteil des 1.Senats des BSG v. 02.11.2010, B 1 KR 9/10 R, und Urteil des 5. Senats des Bayerischen LSG vom 25.07.2006, L 5 KR 83/06 m.w.N.).
Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen dürfen nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt (vgl. § 31 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch, SGB I und Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz). Demzufolge führt die (Renten-)Antragstellung (nach §16 SGB I) und nicht eine unverbindliche Absichtserklärung ggf. nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI zum Ausschluss von Leistungen zur Teilhabe.
Zu Recht weist das Sozialgericht im angefochtenen Urteil darauf hin, dass z.B. nach erfolgreicher Durchführung der medizinischen Rehabilitation von der ursprünglichen Absicht, Altersrente im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV in Anspruch zu nehmen, wieder abgewichen werden kann. Maßgeblich hierfür können u.a. finanzielle Gründe, wie etwa die Erhöhung des Zugangsfaktors (nach § 77 Abs. 2 Nr. 2b SGB VI) bei späterer Inanspruchnahme der Altersrente, sein oder gegebenenfalls auch arbeitsrechtliche bzw. gesellschaftspolitische Motive, z.B. im Hinblick auf die verlängerte Lebensarbeitszeit, doch noch weiterhin am Arbeitsleben teilzunehmen zu können und zu wollen.
Soweit sich die Beklagte pauschal auf die Zielsetzung der §§ 9 ff. SGB VI beruft und im Hinblick auf das Lebensalter des Versicherten bei Antritt der Reha-Maßnahme die Leistung zur Teilhabe versagen möchte, entbehrt diese Argumentation der Rechtsgrundlage. Denn unstreitig handelte es sich bei der durchgeführten stationären Anschlussheilbehandlung um eine geeignete Maßnahme zur Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten und weder das Lebensalter noch die Absichtserklärung, Altersrente innerhalb einer bestimmten Frist zu beantragen, sind durch Gesetz geregelte Ausschlussgründe.
Schließlich steht auch die Einlassung der Beklagten, dass bei Feststellung der persönlichen K.-Klinik Voraussetzungen auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Geltendmachung der Erstattungsforderung abzustellen sei, dem erhobenen Anspruch nicht grundsätzlich entgegen. Denn bereits die Verlängerung der Rentenbeitragszahlung um wenige Monate kann im Einzelfall auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten (§ 13 Abs.1 SGB VI) die Gewährung von Leistungen zur Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigen. Im Übrigen ist die Zuständigkeitsfrage vor Abgabe nach § 14 SGB IX zu klären.
Nach alledem ist der Berufung der Beklagten der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs.2 Nrn. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich, zumal der 1.Senat des BSG im Urteil vom 02.11.2010 (a.a.O.) grundsätzliche Aussagen zum Ausschluss von Leistungen zur Teilhabe durch einen Rentenversicherungsträger bereits getroffen hat.
II. Die Beklagte und Berufungsklägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin oder die Beklagte zuständiger Kostenträger einer stationären Heilbehandlung ist.
Der 1945 geborene Versicherte (A.,) hatte während eines stationären Aufenthaltes vom 15. bis 22.09.2009 in der "K.-Klinik ", Fachklinik für Kardiologie in B. L., wo er sich einer Herzoperation unterziehen musste, am 17.09.2009 zur Beklagten und Berufungsklägerin einen Antrag auf Anschlussheilbehandlung gestellt. Im Antragsformular hatte er hierbei angegeben, dass er als Facharbeiter eine Ganztagsbeschäftigung ausübe. Angaben zu einem (laufenden bzw. beabsichtigten) Rentenbezug enthält das Antragsformular nicht.
Am 22.09.2009 kontaktierte der zuständige Sachbearbeiter der Beklagten den Versicherten telefonisch und erhielt von ihm die Auskunft, dass er mit Vollendung des 65. Lebens- jahres Altersrente beanspruchen werde. Entsprechend ihrer Dienstanweisung (u.a. Beschluss der "Norddeutschen Rentenversicherungsträger" vom 06./07.05.2009), wonach bei einer beabsichtigten Altersrentenantragstellung (bzw. bei einem Rentenbeginn) innerhalb von sechs Monaten der Reha-Antrag gegebenenfalls an die gesetzliche Krankenversicherung abzugeben sei, leitete die Beklagte bereits am 22.09.2009 den Antrag des Versicherten nach § 14 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch SGB IX an die Klägerin mit der Begründung weiter, der Versicherte könne "auch nach Durchführung der Reha-Leistung nicht noch eine gewisse Zeit einer Erwerbstätigkeit nachgehen", so dass ihre Zuständigkeit nach §§ 9, 10 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch, SGB VI, nicht gegeben sei. Hierauf gewährte die Klägerin dem Versicherten vom 22.09.2009 bis 13.10.2009 in der K.-Klinik die beantragte stationäre Anschlussheilbehandlung.
Noch während des laufenden Heilverfahrens widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 12.10.2009 der Rechtsansicht der Beklagten, wonach die Krankenversicherung und nicht die Rentenversicherung der zuständige Leistungsträger sei. Zur Begründung führte sie aus, der Versicherte habe zum Zeitpunkt der Reha- Antragstellung weder die Altersrente bezogen noch beantragt. Laut herrschender Kommentierung zu § 12 SGB VI reiche es nicht aus, wenn der Versicherte nur beabsichtige, Altersrente zu beantragen.
Am 02.11.2009 beantragte der Versicherte schließlich Regelaltersrente, die ihm von der Beklagten ab 01.02.2010 zuerkannt wurde.
Nachdem die Beklagte zuletzt mit Schreiben vom 15.01.2010 die Kostenerstattung abgelehnt hatte, erhob die Krankenkasse (BKK) gegen die Deutsche Rentenversicherung (Braunschweig-Hannover) am 11.02.2010 zum SG München allgemeine Leistungsklage auf Erstattung eines Betrages in Höhe von 2.249,68 EUR. Sie führte aus, dass der Versicherte am 17.09.2009 zur Beklagten Antrag auf eine Anschlussheilbehandlung gestellt habe, den diese fristgerecht "aber unzutreffend" an die Klägerin weitergeleitet habe. Diese habe mit Schreiben vom 23.09.2009 als "zweitangegangener Träger" die vom 22.09. bis 13.10.2009 durchgeführte Leistung bewilligt und gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 12.10.2009 ihren Erstattungsanspruch nach § 14 SGB IX, angemeldet. Da die Beklagte die Erstattung unter Hinweis auf § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI weiterhin ablehne, der Versicherte aber bei Durchführung der Reha- Leistung weder Altersrente bezogen noch beantragt habe, sei Klage geboten. Denn eine jederzeit widerrufbare Absichtserklärung könne einer Antragstellung im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI nicht gleichgestellt werden.
Die Beklagte berief sich demgegenüber auf den Ausschlussgrund nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI sowie auf den Wiedereingliederungsgedanken (iSd §§ 9 ff. SGB VI), der bei einem alsbald beabsichtigten Altersrentenantrag nicht mehr realisierbar sei.
Auf die mündliche Verhandlung vom 07.08.2012 hat das SG die Beklagte zur Erstattung des geforderten Betrages und zur Kostentragung für das Verfahren verurteilt sowie die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen. Die Klägerin habe nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX einen Erstattungsanspruch gegen die für die Rehabilitationsleistung zuständige Beklagte. Die reine Absichtserklärung, innerhalb von sechs Monaten eine Altersrente zu beantragen, sei kein Ausschlussgrund im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI, zumal von der Absicht der Antragstellung, gegebenenfalls nach erfolgreicher Durchführung der medizinischen Reha, wieder abgerückt werden könne. Das SG-Urteil ist der Beklagten und Berufungsklägerin am 13.09.2012 zugestellt worden.
Die hiergegen am 01.10.2012 beim Bayerischen LSG eingelegte Berufung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 20.11.2012 im Wesentlichen damit begründet, dass der Rentenversicherungsträger nach § 9 SGB VI für Leistungen zuständig sei, die ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben verhinderten bzw. die Wiedereingliederung in dieses ermöglichten. Diese Zielvorgaben seien aber bei dem zum Zeitpunkt der Reha- Antragstellung bereits 64-1/2-jährigen Versicherten nicht mehr zu erfüllen gewesen. Bei Prüfung des Erstattungsanspruches nach § 14 Abs. 4 SGB IX komme es zudem nicht nur auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung, sondern auf die Situation nach Bewilligung der Reha- Leistung also auf den Zeitpunkt der Geltendmachung der Erstattungsforderung an.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.08.2012 aufzuheben und die Klage auf Erstattung der Kosten für die Anschlussheilbehandlung in Höhe von 2.249,68 EUR abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akten der Beteiligten, des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die vom zuständigen Sozialgericht (vgl. § 57 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz SGG ) zugelassene, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151, 153 SGG), sachlich jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG entschieden, dass die Klägerin (und nunmehr Berufungsbeklagte) einen Erstattungsanspruch aus § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX hat. Diese Vorschrift bestimmt, dass der für die Leistung zuständige Rehabilitationsträger dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Vorschriften zu erstatten hat. Rehabilitationsträger im Sinne dieser Bestimmung sind nach §§ 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 4, 5 Nr. 1 SGB IX die Klägerin als gesetzliche Krankenkasse und die Beklagte als gesetzlicher Rentenversicherungsträger.
"§ 14 SGB IX räumt dem zweitangegangenen Träger einen spezialgesetzlichen Erstattungsanspruch gegen den materiell-rechtlich originär zuständigen Reha-Träger ein. Dieser spezielle Anspruch geht den allgemeinen Erstattungsansprüchen nach dem SGB X vor. Er ist begründet, soweit der Versicherte vom Träger, der ohne die Regelung in § 14 SGB IX zuständig wäre, die gewährte Maßnahme hätte beanspruchen können. Die Regelung begründet einen Ausgleich dafür, dass der zweitangegangene Reha-Träger bei Vorliegen eines entsprechenden Reha-Bedarfs die erforderlichen Reha-Leistungen (spätestens nach drei Wochen) selbst dann erbringen muss, wenn er der Meinung ist, hierfür nicht zuständig zu sein. Dabei handelt es sich um eine gleichsam "aufgedrängte Zuständigkeit". Diese in § 14 Abs. 2 Sätze 1 und 3 SGB IX geregelte Zuständigkeitszuweisung erstreckt sich im Außenverhältnis zum Versicherten auf alle Rechtsgrundlagen, die in dieser Bedarfssituation für Reha-Träger vorgesehen sind. Im Verhältnis zum behinderten Menschen wird dadurch eine eigene gesetzliche Verpflichtung des zweitangegangenen Trägers begründet, die vergleichbar der Regelung des § 107 SGB X einen endgültigen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung in diesem Rechtsverhältnis bildet. Im Verhältnis der Reha-Träger untereinander ist jedoch eine Lastenverschiebung ohne Ausgleich nicht bezweckt. Den Ausgleich bewirkt der Anspruch nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX" (vgl. hierzu Urteil des 1. Senats des BSG vom 08.09.2009, B 1 KR 9/09 R m.w.N.).
Die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs nach § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin und Berufungsbeklagte hat die Reha-Maßnahme als zweitangegangener Reha-Träger nach § 14 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 SGB IX bewilligt. Die erstangegangene Beklagte und Berufungsklägerin hat als rechtlich selbständige öffentlich-rechtliche Körperschaft den Antrag mit Schreiben vom 22.09.2009 an die Klägerin und Berufungsbeklagte weitergeleitet. Nach § 14 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit Satz 1 und Satz 2 SGB IX hatte die Klägerin und Berufungsbeklagte den Rehabilitationsbedarf unverzüglich festzustellen. Unstreitig ist die Klägerin und Berufungsbeklagte ihrer entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung ohne Verzug nachgekommen, indem sie ab 22.09.2009 die Anschlussheilbehandlung durchgeführt hat. Zuständig für die Reha-Maßnahme im Sinne des § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX war dagegen die Beklagte und Berufungsklägerin. Denn der Versicherte hätte die Reha-Maßnahme ihrer Art nach von der Beklagten und Berufungsklägerin nach materiellem Recht beanspruchen können. Der Versicherte hatte ohne die Regelung in § 14 Abs. 2 SGB IX nur gegen die Beklagte und Berufungsklägerin Anspruch auf die stationäre Reha-Maßnahme nach §§ 9 ff. SGB VI. Denn grundsätzlich trifft den Rentenversicherungsträger die Pflicht, medizinische Reha-Maßnahmen zu leisten (§ 9 SGB VI). Nach § 40 Abs. 4 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, SGB V werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation von der Krankenkasse nur erbracht, wenn nach den für andere Träger der Sozialversicherung geltenden Vorschriften solche Leistungen nicht erbracht werden können.
Der Einwand der Beklagten und Berufungsklägerin, Leistungen zur Teilhabe seien nach der gesetzlichen Regelung des § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI ausgeschlossen gewesen, greift dagegen nicht durch. Denn der Versicherte hatte bei Durchführung der Leistungen zur Rehabilitation weder Rente wegen Alters von wenigstens zwei Drittel der Vollrente bezogen noch eine entsprechende Rente beantragt.
Im Hinblick auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut ist es auch ausgeschlossen, im Wege der Analogie die bloße Absicht, binnen sechs Monaten einen Rentenantrag zu stellen oder entsprechende Rente zu beziehen, dem Rentenbezug oder der konkreten Antragstellung gleichzustellen. Von einer Gesetzeslücke, welche die von der Beklagten und Berufungsklägerin gewünschte Auslegung überhaupt erst ermöglichen würde, kann auch unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien nicht ausgegangen werden (vgl. hierzu Urteil des 1.Senats des BSG v. 02.11.2010, B 1 KR 9/10 R, und Urteil des 5. Senats des Bayerischen LSG vom 25.07.2006, L 5 KR 83/06 m.w.N.).
Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen dürfen nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt (vgl. § 31 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch, SGB I und Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz). Demzufolge führt die (Renten-)Antragstellung (nach §16 SGB I) und nicht eine unverbindliche Absichtserklärung ggf. nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI zum Ausschluss von Leistungen zur Teilhabe.
Zu Recht weist das Sozialgericht im angefochtenen Urteil darauf hin, dass z.B. nach erfolgreicher Durchführung der medizinischen Rehabilitation von der ursprünglichen Absicht, Altersrente im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV in Anspruch zu nehmen, wieder abgewichen werden kann. Maßgeblich hierfür können u.a. finanzielle Gründe, wie etwa die Erhöhung des Zugangsfaktors (nach § 77 Abs. 2 Nr. 2b SGB VI) bei späterer Inanspruchnahme der Altersrente, sein oder gegebenenfalls auch arbeitsrechtliche bzw. gesellschaftspolitische Motive, z.B. im Hinblick auf die verlängerte Lebensarbeitszeit, doch noch weiterhin am Arbeitsleben teilzunehmen zu können und zu wollen.
Soweit sich die Beklagte pauschal auf die Zielsetzung der §§ 9 ff. SGB VI beruft und im Hinblick auf das Lebensalter des Versicherten bei Antritt der Reha-Maßnahme die Leistung zur Teilhabe versagen möchte, entbehrt diese Argumentation der Rechtsgrundlage. Denn unstreitig handelte es sich bei der durchgeführten stationären Anschlussheilbehandlung um eine geeignete Maßnahme zur Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten und weder das Lebensalter noch die Absichtserklärung, Altersrente innerhalb einer bestimmten Frist zu beantragen, sind durch Gesetz geregelte Ausschlussgründe.
Schließlich steht auch die Einlassung der Beklagten, dass bei Feststellung der persönlichen K.-Klinik Voraussetzungen auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Geltendmachung der Erstattungsforderung abzustellen sei, dem erhobenen Anspruch nicht grundsätzlich entgegen. Denn bereits die Verlängerung der Rentenbeitragszahlung um wenige Monate kann im Einzelfall auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten (§ 13 Abs.1 SGB VI) die Gewährung von Leistungen zur Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigen. Im Übrigen ist die Zuständigkeitsfrage vor Abgabe nach § 14 SGB IX zu klären.
Nach alledem ist der Berufung der Beklagten der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs.2 Nrn. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich, zumal der 1.Senat des BSG im Urteil vom 02.11.2010 (a.a.O.) grundsätzliche Aussagen zum Ausschluss von Leistungen zur Teilhabe durch einen Rentenversicherungsträger bereits getroffen hat.
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