Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
30
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 R 547/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 R 124/15
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 20.02.2012 und 20.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2013 zu der bescheidsmäßigen Feststellung verurteilt, dass der Kläger seine Aufgaben für die Beigeladene in selbständiger Tätigkeit erbracht hat.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägers und der Bei-geladenen zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist der versicherungsrechtliche Status des Klägers. Der am XX.XX.1972 geborene Kläger beantragte am 02.02.2011 bei der Beklagten die Wiederaufnahme eines Verfahrens, in dem für die Zeit ab 01.01.2011 sein sozialversiche-rungsrechtlicher Status im Hinblick auf seine Tätigkeit als Operationsfachkraft für das beigeladene mit dem Betrieb von Krankenhäusern befasste Unternehmen festgestellt werden sollte. Der Kläger teilte eine Selbstständigkeit als Operationsfachkraft bereits seit 2004 mit, früher mit eigenen Mitarbeitern, inzwischen nur noch mit seiner Ehefrau als Mitunternehmerin. Als Arbeitsorte wurden die jeweiligen Operationsräume der Kliniken benannt; die Verantwortung für die Einhaltung von Desinfektionsvorschriften obliege der jeweiligen Klinikverwaltung, die auch die entsprechenden Arbeitsmittel stellen müsse. Zur Erbringung seiner Dienstleistung benötige der Kläger zwingend einen PKW, um seine verschiedenen Einsatzorte bzw. Auftraggeber erreichen zu können. Er unterliege bei der Ausübung seiner Dienstleistungen grundsätzlich keinen Weisungen von Seiten der Auftraggeber. Es liege in der Natur der Sache, dass der operierende Arzt während einer Operation Weisungen geben müsse, die auch vom Kläger zu beachten sind. Die Honorierung erfolge nach Arbeitsstunden. Entsprechende Rechnungen mit Stundensätzen zwischen EUR 32,00 und EUR 38,00 waren beigefügt. Bereitschaftsdienste wurden mit EUR 20,40 abgerechnet. Ein Vertrag über freie Mitarbeit für die Zeit ab 01.11.2009 verpflichtete den Kläger zur höchstpersönlichen Erbringung seiner Arbeitsleistung. Die Hinzuziehung eigener Mitarbeiter oder die Vergabe von Unteraufträgen war der vor-herigen Zustimmung des Auftraggebers unterstellt. Der Stundensatz war zunächst mit EUR 34,00 und für die Zeit ab 01.01.2010 mit EUR 36,00 festgelegt. Das Statusfeststellungsverfahren wurde in paralleler Form mehrfach betrieben, weil der Kläger nach dem Stand vom 24.03.2011 in zwölf Kliniken tätig war. Zur Akte genommen wurde ein Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd vom 09.08.2007, der beim Kläger für seine Tätigkeit im Kreiskrankenhaus Starnberg GmbH im Ergebnis einer Betriebsprüfung eine abhängige Beschäftigung verneint hatte. Am 18.05.2011 stellte die Beklagte drei klinikbetreibenden Firmen jeweils 21 Fragen zu den Bedingungen der Leistungserbringung durch den Kläger. Die Beigeladene erwiderte u. a. mit den Informationen, der Kläger sei dort erstmals am 07.03.2007 und letztmals am 31.01.2011 tätig gewesen. Auf der Grundlage der schriftlichen Verträge seien jeweils mündlich konkrete Aufträge erteilt worden. Die Tätigkeit habe in der Instrumentierung und in der Operationsvorbereitung bestanden. Sie sei dort ausgeübt worden, wo sich ein Patient aufgrund eigener Entscheidung einer Operation unterzogen habe. Die Dauer der Arbeitszeit sei nicht vorgeschrieben gewesen. Der Beginn der Tätigkeit sei Gegenstand einer Vereinbarung gewesen, nicht einer Weisung. Eine Vertretungsregelung habe es nicht gegeben. Im Fall einer Verhinderung des Klägers habe die Operation ausfallen müssen. Weisungen seien allenfalls durch den Operateur erfolgt. Der Kläger habe mit Operateuren und Anästhesisten zusammengearbeitet. Am 19.01.2012 hörte die Beklagte den Kläger und die Beigeladene zu ihrer Absicht an, für den Kläger das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses festzustellen. Der Kläger unterliege hinsichtlich der Ausführung der zu erbringenden Leistung den Einschränkungen durch die Pflege- und Pflegetherapiestandards der Kliniken der Beigeladenen und den Anweisungen des ärztlichen Personals. Die Arbeitszeit sei faktisch durch die Aufträge begrenzt. Als Tätigkeitsort sei der Betriebssitz des Auftraggebers bestimmt. Es bestehe die Verpflichtung, die vom Auftraggeber gestellte Kleidung zu tragen. Es werde ein stündliches Pauschalhonorar gezahlt. Es bestehe die Verpflichtung, die Leistung persönlich zu erbringen. Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit seien lediglich das Recht, Aufträge ohne Angabe von Gründen abzulehnen, und die Befugnis einer Tätigkeit für weitere Auftraggeber. Gegenvorstellungen widersprachen der Interpretation, dass es sich bei den Interventionen des Operateurs um Weisungen handele.
Dieser teile dem Kläger lediglich seinen Bedarf für seine eigene Arbeitsleistung mit. Vorbereitung, Bereithaltung, Zählung der gereichten Instrumente, Dokumentation usw. erfolge im alleinigen Verantwortungsbereich der Operationspflegekraft. Mit Bescheiden vom 20.02.2012 an Kläger und Beigeladene stellte die Beklagte fest, dass der Kläger seine am 09.08.2007 aufgenommene Tätigkeit in abhängiger Beschäftigung ausübe und damit der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und im Recht der Arbeitsförderung unterliege. Zur Begründung wiederholte sie fast wortgleich die Argumente aus der Anhörung. Der Widerspruch der Beigeladenen verwies auf den vertraglich dokumentierten Parteiwillen. Erneut wurde erläutert, dass der Kläger keinen Weisungen des ärztlichen Personals unterliege. Im kollegialen System zwischen Operateur und Operationsfachkraft bestehe kein Über- bzw. Unterordnungsverhältnis. Die Standards der Kliniken seien keine dortigen Sonderstandards, sondern hätten allgemeine Gültigkeit. Ebenfalls in Wiederholung bisherigen Vorbringens wurde erläutert, dass das Zustandekommen der jeweiligen Leistung nach den Maßgaben von Ort und Zeit der freien Vereinbarung mit dem Kläger unterlegen habe. Dieser trete auch werbend im Internet auf. Der Kläger trage ein Unternehmerrisiko, indem er sich um eigene Aufträge bemühen müsse. Die Widerspruchsbescheide vom 19.02.2013 bestätigten die Ausgangsbescheide. Sie widersprachen ausführlich der Maßgeblichkeit des vertraglich dokumentierten Parteiwillens für die rechtliche Einschätzung der Aufgabenerbringung. Es komme vielmehr auf die tatsächlichen Umstände an. Der Kläger sei im einzelnen Behandlungsfall Erfüllungsgehilfe der Beigeladenen für die Erbringung der Leistungen aus dem jeweiligen Behandlungsvertrag. Schon aus haftungsrechtlicher Sicht müsse er in die in der Klinik üblicherweise bestehende Organisationsstruktur und Entscheidungshierarchie eingebunden sein. Er sei auch den Weisungen der Klinikärzte unterworfen gewesen. Er habe wie die angestellten Operationspfleger funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess der Klinik teilgenommen. Der Kläger trage kein Unternehmerrisiko, weil er eine feste Vergütung pro Arbeitsstunde erhalte. Die Klage hiergegen argumentiert mit einer im Vergleich zum fest angestellten Klinikpersonal deutlich anderen Position des Klägers. Er habe keine Wochenend-, Not- und Bereit-schaftsdienste, keine Überstunden und keine Nachtschichten leisten müssen, sei keiner einseitigen Dienstplanung unterworfen gewesen und zur Annahme einzelner Aufträge nicht verpflichtet gewesen. Die fraglichen Weisungen würde nicht die Beigeladene erteilen, sondern der jeweils operierende Arzt, der auch ein nicht in die Klinikorganisation eingebundener Beleg- oder Operationsarzt sein könne.
Es folgte eine nach Spalten aufgegliederte Übersicht über die Unterschiedlichkeiten zwischen angestellten und selbstständigen Operationspflegern unter den Aspekten von - Betreten des Klinikgebäudes und Kontaktaufnahme, - Sterilisation und Hygiene, - Vorbesprechung (an denen der Selbstständige im Gegensatz zum Hauspersonal nicht teilnimmt), - Durchschreiten der Operationsschleuse und Platzeinnahme (eigene Verantwortung des Selbstständigen für die Vollständigkeit von Instrumenten und Material, während sich angestelltes Personal auf die Vorarbeit des Teams verlassen kann, - Tätigkeit beim Einfahren des Patienten (der Selbstständige ist anders als das Dauer-personal hiermit nicht befasst), - Durchführung der Operation (nur beim Selbstständigen mit Tischaufbau, Stellung und Anreichen in eigener Regie), - Abschluss der Operation, - Ende des Arbeitstages.
In der mündlichen Verhandlung wies der Kläger auf die Üblichkeit hin, dass er Ärzte auf mögliche Fehler hinweist. Äußerstenfalls könne er im Konfliktfalle die weitere Mitarbeit verweigern. Insbesondere bei Implantaten gebe es inzwischen so viele Varianten, dass sich die Operationspfleger und -pflegerinnen besser auskennen würden als die Ärzte.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 20.02.2012 und 20.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2013 zu der bescheidsmäßigen Feststellung zu verurteilen, dass er seine Aufgaben für die Beigeladene zwischen dem 07.03.2007 und Januar 2011 in selbständiger Tätigkeit erbracht hat.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat die Akten der Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsver-fahrens form- und fristgerecht beim zuständigen Gericht erhoben. Weil der Kläger Adressat eines an ihn gerichteten Widerspruchsbescheides war, ist die Klage unabhängig von der Erhebung eines Widerspruchs durch ihn persönlich und nicht nur durch die Beigeladene somit zulässig. Die Klage ist in der Sache auch offenkundig begründet. § 7 a Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) ermöglicht ein Anfrageverfahren über die Frage einer strittigen Beschäftigung in Abgrenzung zu einer selbstständigen Tätigkeit. Abs. 1 S. 3 der Vorschrift begründet eine bundesweite Sonderzuständigkeit der Beklagten für entsprechende Statusfeststellungen. Nach Abs. 2 der Vorschrift entscheidet die Beklagte aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt. In der modernen Dienstleistungsgesellschaft ist es zur alltäglichen Erscheinung geworden, dass hoch qualifizierte Personen für mehrere Arbeitgeber oder Auftraggeber tätig werden, oftmals aus zwingenden Gründen an deren Betriebssitz oder an einem sich ansonsten aus der Natur der Sache ergebenden Einsatzort. Geradezu typisch ist es, mit eigener körperlicher Kraft, persönlichem Wissen, originärer organisatorischer Kompetenz, höchstpersönlicher künstlerischer oder technischer Befähigung und/oder selbst erstellter Software verschiedene Kunden, Betriebsstätten, Baustellen oder Auftrittsorte aufzusuchen. Zur Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und abhängiger Beschäftigung ist das Kriterium einer nur teilzeitigen Inanspruchnahme nicht geeignet. Begrenzte Aussagekraft hat auch das Tätigwerden in der betrieblichen Sphäre des Auftraggebers. Künstlerischer Auftritt, betriebliche Fortbildung, technischer Service oder Bauleistungen können naturgemäß nur dort erbracht werden und nicht in den Räumen des Dienstleisters. Auch die zeitliche Eingliederung der Dienstleistung in ein System des Stundenplans oder der mehr oder weniger flexiblen vorherigen Vereinbarungen ist für sich genommen noch nicht aussagekräftig. Der zu Reparaturen ins Haus gerufene Handwerker muss sich an einen vereinbarten Termin halten wie der Arzt, der seinen Patienten erwartet. Trotzdem sind beide selbstverständlich nicht Teilzeitarbeitnehmer ihrer Kunden. Unerlässlich ist die Abwägung, in welchem Maße die erbrachte Leistung selbstgestaltet oder vor- und fremdbestimmt ist, inwieweit sie spezifischer Ausfluss eines eigenen unternehmerischen Profils oder aber austauschbare und standardisierte Abfolge vorgegebener Arbeitsschritte ist.
Der ins betriebliche Fortbildungsseminar geladene Kommunikationswissenschaftler, der aus einer bestimmten beruflichen Praxis heraus zu speziellen Lehraufträgen in die Hoch-schule berufene Dozent oder der zu öffentlichem Auftritt geladene Kabarettist, Schriftsteller oder Vortragskünstler hat seinen Auftrag jeweils wegen einer unverwechselbaren persönlichen Kompetenz erhalten, die vielfach auch ihren unmittelbaren Ausdruck im frei vereinbarten Honorar findet. Typisch für den Einsatz dieser Personen, der in selbstständiger Tätigkeit erbracht wird, ist die verlangte und erbrachte komplette persönliche, körpersprachliche und stimmliche Präsenz. Der eigene Name ist jeweils Markenzeichen. Ohne den Bezug zum Namen und zur oftmals auch visuellen Bekanntheit von Gestalt und Gesicht ist die Beauftragung eines öffentlich auftretenden literarischen Vortragskünstlers oder referierenden Politikers nicht vorstellbar. Je enger und schematischer jedoch das Spektrum der zu erfüllenden Aufgaben ist und je selbstverständlicher die herangezogene Dienstleistungskraft austauschbar ist, umso weniger ist ein unternehmerisches Profil als Grundlage einer Selbstständigkeit beschreibbar. Die erkennende Kammer hatte und hat immer wieder unter dem Aspekt der Statusfeststellung die Position von Taxifahrern, LKW-Fahrern, Busfahrern, Bedienern von Bau- und Forstwirtschaftsmaschinen, Hausmeistern, Buchhaltungskräften, Teilzeitpflegekräften usw. zu beurteilen, von denen jeweils nur der Nachweis des entsprechenden Führerscheins oder der formalen beruflichen Qualifikation gefordert wird und die bei der Erfüllung ihrer Aufgaben weder irgendeinen nennenswerten zeitlichen und inhaltlichen Spielraum noch auch nur die rechtliche Befugnis zu irgendeiner kreativen Ausgestaltung ihrer Dienstleistung haben. Dass ein mit fremdem Fahrzeug arbeitender Kurierdienstfahrer seine Fahrtrouten selbst bestimmen kann und dass sich der Hausmeister eines Grundbestandes eigenen Werkzeugs bedient, genügt zur Anerkennung einer Selbstständigkeit nicht. Vorliegend ist sehr ausführlich und sorgfältig dargelegt und auch unschwer erkennbar, dass die Dienstleistung des Klägers ausgesprochen spezialisiert und individualisiert ist. Er wird offenkundig genau wegen eines beim Beigeladenen bekannten Profils persönlicher und fachlicher Eigenschaften für genau die Operationen herangezogen, bei denen er unter allen Aspekten von Zuverlässigkeit und Schnelligkeit die besten Ergebnisse garantieren und die Risiken minimieren kann. Seine fachliche Souveränität gibt er keineswegs an der Klinikpforte auf, sondern bringt diese auch gegenüber dem Operateur verantwortungsbewusst zur Geltung.
Mit irgendwelchen im Klinikbetrieb erforderlich werdenden ergänzenden Hilfsleistungen, Vor- und Nacharbeiten etwa in Vertretung oder Ergänzung der für Sterilisierung, Patien-tentransport, Anästhesie, Medikation usw. zuständigen Kräfte hat er sich nicht zu befassen. Niemand kommt auf den Gedanken, ihm entsprechende Aufträge zu erteilen. Die Beklagte ignoriert unbeeindruckt von Anhörungsergebnis, Widerspruchsvorbringen und Klagebegründung vollkommen die ausführlich veranschaulichte vertragliche Situation, in der es nicht nur die Klinik und den Patienten gibt, sondern mit Klinik, externem Operationspfleger und Patienten durchaus auch drei bzw. bei Tätigwerden eines Belegarztes auch vier Partner eines durchaus komplizierten Vertragssystems. Rechnet man die jeweils leistungsverpflichtete Krankenversicherung ein, kommt man sogar auf fünf eigen-ständige Rechtsträger. Klägerseitig ist gut veranschaulicht worden, dass der Kläger in der Operationssituation nicht in einem hierarchischen Sinne weisungsgebunden ist. Es sollte der Beklagten möglich sein, die "Weisung" eines Vorgesetzten von den Aufforderungen zu unterscheiden, die in der gemeinsamen Erbringung einer dem Kollektiv gestellten Aufgabe unverzichtbar sind. Ein Filmregisseur steuert den Einsatz der Schauspieler, ein Dirigent leitet sein Orchester, der verantwortliche Ingenieur eines Bauvorhabens koordiniert die Tätigkeiten der einzelnen Handwerkssparten und der Fahrdienstleiter im Bereich "Netz" der Deutschen Bahn die Gleisbelegung durch private Eisenbahnverkehrsunternehmen, und doch sind all diese Träger gebündelter Verantwortung nicht "Chefs" von "Untergebenen". So hat man sich auch das Zusammenwirken des Teams mindestens von Operateur, Anästhesisten und Operationspfleger während einer Operation abseits hierarchischer Strukturen vorzustellen. Die von der Beklagten immer wieder herangezogenen Kriterien "Kapitaleinsatz" und "Unternehmerrisiko" sind bei der Beurteilung von Dienstleistungen wenig aussagekräftig. Der eindeutig selbstständige bzw. freiberufliche Schriftsteller, Psychotherapeut, Unternehmensberater oder Rechtsanwalt setzt genauso wenig "Kapital" ein wie der bei einer Zeitung vollzeitbeschäftigte Journalist oder der leitende Angestellte eines Unternehmens. Die für viele geistig-kommerziell-kommunikative Berufe notwendige Vorhaltung eines häuslichen Büros mit PC, Telefon und Schreibtisch sowie der Besitz eines Autos sind so selbstverständlich geworden, dass sich aus einer solchen Infrastruktur und ihrer mehr oder weniger intensiven beruflichen Nutzung keine bedeutsamen Schlüsse ziehen lassen. Auch die Mehrzahl der zweifellos nicht selbstständigen Tageszeitungsredakteure, Gymnasiallehrer, Hochschulprofessoren und Richter halten sich zuhause eine wissen-schaftlich-schreibtechnisch-kommunikative Arbeitsbasis.
Hinsichtlich des Unternehmerrisikos müsste die Beklagte zur Kenntnis nehmen, dass im Dienstleistungsbereich gewiss nicht die einzelne vereinbarte Arbeitsstunde oder der einzelne Arbeitstag in der Ungewissheit über einen Erlös begonnen werden, sondern dass das typische Risiko hier in der Ungewissheit künftiger Aufträge besteht. Eine betriebswirtschaftliche Risikokalkulation kann im Dienstleistungsbereich naturgemäß nicht in dersel-ben Weise stattfinden wie sie bei der Produktion von Waren möglich ist, bei der die Wahrscheinlichkeiten eines schnellen Abverkaufs, eines zögernden Verkaufs erst nach wiederum kostspieliger Lagerhaltung, einer billigen Abgabe von Überbeständen und schließlich einer vollständigen Abschreibung des unverkäuflichen Rests mit betriebswirtschaftlichen Kurven aufgezeichnet werden können. Unstrittig unterliegt der Kläger einem Risiko künftiger Beauftragung, das durch keinen Kündigungsschutz und durch keine sonstige Bestandsgarantie abgefedert ist. Um den Preis der wünschenswerten Abkehr von einer rein schematischen Betrachtungsweise würde die Beklagte erkennen, dass die Beigeladene für den Kläger keine Arbeitgeberin ist, sondern Infrastruktur bereitstellt, in der auch der Kläger seine Leistung optimal erbringen kann. Nach alledem ist beim Kläger mit großer Deutlichkeit die Selbstständigkeit bewiesen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägers und der Bei-geladenen zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist der versicherungsrechtliche Status des Klägers. Der am XX.XX.1972 geborene Kläger beantragte am 02.02.2011 bei der Beklagten die Wiederaufnahme eines Verfahrens, in dem für die Zeit ab 01.01.2011 sein sozialversiche-rungsrechtlicher Status im Hinblick auf seine Tätigkeit als Operationsfachkraft für das beigeladene mit dem Betrieb von Krankenhäusern befasste Unternehmen festgestellt werden sollte. Der Kläger teilte eine Selbstständigkeit als Operationsfachkraft bereits seit 2004 mit, früher mit eigenen Mitarbeitern, inzwischen nur noch mit seiner Ehefrau als Mitunternehmerin. Als Arbeitsorte wurden die jeweiligen Operationsräume der Kliniken benannt; die Verantwortung für die Einhaltung von Desinfektionsvorschriften obliege der jeweiligen Klinikverwaltung, die auch die entsprechenden Arbeitsmittel stellen müsse. Zur Erbringung seiner Dienstleistung benötige der Kläger zwingend einen PKW, um seine verschiedenen Einsatzorte bzw. Auftraggeber erreichen zu können. Er unterliege bei der Ausübung seiner Dienstleistungen grundsätzlich keinen Weisungen von Seiten der Auftraggeber. Es liege in der Natur der Sache, dass der operierende Arzt während einer Operation Weisungen geben müsse, die auch vom Kläger zu beachten sind. Die Honorierung erfolge nach Arbeitsstunden. Entsprechende Rechnungen mit Stundensätzen zwischen EUR 32,00 und EUR 38,00 waren beigefügt. Bereitschaftsdienste wurden mit EUR 20,40 abgerechnet. Ein Vertrag über freie Mitarbeit für die Zeit ab 01.11.2009 verpflichtete den Kläger zur höchstpersönlichen Erbringung seiner Arbeitsleistung. Die Hinzuziehung eigener Mitarbeiter oder die Vergabe von Unteraufträgen war der vor-herigen Zustimmung des Auftraggebers unterstellt. Der Stundensatz war zunächst mit EUR 34,00 und für die Zeit ab 01.01.2010 mit EUR 36,00 festgelegt. Das Statusfeststellungsverfahren wurde in paralleler Form mehrfach betrieben, weil der Kläger nach dem Stand vom 24.03.2011 in zwölf Kliniken tätig war. Zur Akte genommen wurde ein Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd vom 09.08.2007, der beim Kläger für seine Tätigkeit im Kreiskrankenhaus Starnberg GmbH im Ergebnis einer Betriebsprüfung eine abhängige Beschäftigung verneint hatte. Am 18.05.2011 stellte die Beklagte drei klinikbetreibenden Firmen jeweils 21 Fragen zu den Bedingungen der Leistungserbringung durch den Kläger. Die Beigeladene erwiderte u. a. mit den Informationen, der Kläger sei dort erstmals am 07.03.2007 und letztmals am 31.01.2011 tätig gewesen. Auf der Grundlage der schriftlichen Verträge seien jeweils mündlich konkrete Aufträge erteilt worden. Die Tätigkeit habe in der Instrumentierung und in der Operationsvorbereitung bestanden. Sie sei dort ausgeübt worden, wo sich ein Patient aufgrund eigener Entscheidung einer Operation unterzogen habe. Die Dauer der Arbeitszeit sei nicht vorgeschrieben gewesen. Der Beginn der Tätigkeit sei Gegenstand einer Vereinbarung gewesen, nicht einer Weisung. Eine Vertretungsregelung habe es nicht gegeben. Im Fall einer Verhinderung des Klägers habe die Operation ausfallen müssen. Weisungen seien allenfalls durch den Operateur erfolgt. Der Kläger habe mit Operateuren und Anästhesisten zusammengearbeitet. Am 19.01.2012 hörte die Beklagte den Kläger und die Beigeladene zu ihrer Absicht an, für den Kläger das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses festzustellen. Der Kläger unterliege hinsichtlich der Ausführung der zu erbringenden Leistung den Einschränkungen durch die Pflege- und Pflegetherapiestandards der Kliniken der Beigeladenen und den Anweisungen des ärztlichen Personals. Die Arbeitszeit sei faktisch durch die Aufträge begrenzt. Als Tätigkeitsort sei der Betriebssitz des Auftraggebers bestimmt. Es bestehe die Verpflichtung, die vom Auftraggeber gestellte Kleidung zu tragen. Es werde ein stündliches Pauschalhonorar gezahlt. Es bestehe die Verpflichtung, die Leistung persönlich zu erbringen. Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit seien lediglich das Recht, Aufträge ohne Angabe von Gründen abzulehnen, und die Befugnis einer Tätigkeit für weitere Auftraggeber. Gegenvorstellungen widersprachen der Interpretation, dass es sich bei den Interventionen des Operateurs um Weisungen handele.
Dieser teile dem Kläger lediglich seinen Bedarf für seine eigene Arbeitsleistung mit. Vorbereitung, Bereithaltung, Zählung der gereichten Instrumente, Dokumentation usw. erfolge im alleinigen Verantwortungsbereich der Operationspflegekraft. Mit Bescheiden vom 20.02.2012 an Kläger und Beigeladene stellte die Beklagte fest, dass der Kläger seine am 09.08.2007 aufgenommene Tätigkeit in abhängiger Beschäftigung ausübe und damit der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und im Recht der Arbeitsförderung unterliege. Zur Begründung wiederholte sie fast wortgleich die Argumente aus der Anhörung. Der Widerspruch der Beigeladenen verwies auf den vertraglich dokumentierten Parteiwillen. Erneut wurde erläutert, dass der Kläger keinen Weisungen des ärztlichen Personals unterliege. Im kollegialen System zwischen Operateur und Operationsfachkraft bestehe kein Über- bzw. Unterordnungsverhältnis. Die Standards der Kliniken seien keine dortigen Sonderstandards, sondern hätten allgemeine Gültigkeit. Ebenfalls in Wiederholung bisherigen Vorbringens wurde erläutert, dass das Zustandekommen der jeweiligen Leistung nach den Maßgaben von Ort und Zeit der freien Vereinbarung mit dem Kläger unterlegen habe. Dieser trete auch werbend im Internet auf. Der Kläger trage ein Unternehmerrisiko, indem er sich um eigene Aufträge bemühen müsse. Die Widerspruchsbescheide vom 19.02.2013 bestätigten die Ausgangsbescheide. Sie widersprachen ausführlich der Maßgeblichkeit des vertraglich dokumentierten Parteiwillens für die rechtliche Einschätzung der Aufgabenerbringung. Es komme vielmehr auf die tatsächlichen Umstände an. Der Kläger sei im einzelnen Behandlungsfall Erfüllungsgehilfe der Beigeladenen für die Erbringung der Leistungen aus dem jeweiligen Behandlungsvertrag. Schon aus haftungsrechtlicher Sicht müsse er in die in der Klinik üblicherweise bestehende Organisationsstruktur und Entscheidungshierarchie eingebunden sein. Er sei auch den Weisungen der Klinikärzte unterworfen gewesen. Er habe wie die angestellten Operationspfleger funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess der Klinik teilgenommen. Der Kläger trage kein Unternehmerrisiko, weil er eine feste Vergütung pro Arbeitsstunde erhalte. Die Klage hiergegen argumentiert mit einer im Vergleich zum fest angestellten Klinikpersonal deutlich anderen Position des Klägers. Er habe keine Wochenend-, Not- und Bereit-schaftsdienste, keine Überstunden und keine Nachtschichten leisten müssen, sei keiner einseitigen Dienstplanung unterworfen gewesen und zur Annahme einzelner Aufträge nicht verpflichtet gewesen. Die fraglichen Weisungen würde nicht die Beigeladene erteilen, sondern der jeweils operierende Arzt, der auch ein nicht in die Klinikorganisation eingebundener Beleg- oder Operationsarzt sein könne.
Es folgte eine nach Spalten aufgegliederte Übersicht über die Unterschiedlichkeiten zwischen angestellten und selbstständigen Operationspflegern unter den Aspekten von - Betreten des Klinikgebäudes und Kontaktaufnahme, - Sterilisation und Hygiene, - Vorbesprechung (an denen der Selbstständige im Gegensatz zum Hauspersonal nicht teilnimmt), - Durchschreiten der Operationsschleuse und Platzeinnahme (eigene Verantwortung des Selbstständigen für die Vollständigkeit von Instrumenten und Material, während sich angestelltes Personal auf die Vorarbeit des Teams verlassen kann, - Tätigkeit beim Einfahren des Patienten (der Selbstständige ist anders als das Dauer-personal hiermit nicht befasst), - Durchführung der Operation (nur beim Selbstständigen mit Tischaufbau, Stellung und Anreichen in eigener Regie), - Abschluss der Operation, - Ende des Arbeitstages.
In der mündlichen Verhandlung wies der Kläger auf die Üblichkeit hin, dass er Ärzte auf mögliche Fehler hinweist. Äußerstenfalls könne er im Konfliktfalle die weitere Mitarbeit verweigern. Insbesondere bei Implantaten gebe es inzwischen so viele Varianten, dass sich die Operationspfleger und -pflegerinnen besser auskennen würden als die Ärzte.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 20.02.2012 und 20.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2013 zu der bescheidsmäßigen Feststellung zu verurteilen, dass er seine Aufgaben für die Beigeladene zwischen dem 07.03.2007 und Januar 2011 in selbständiger Tätigkeit erbracht hat.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat die Akten der Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsver-fahrens form- und fristgerecht beim zuständigen Gericht erhoben. Weil der Kläger Adressat eines an ihn gerichteten Widerspruchsbescheides war, ist die Klage unabhängig von der Erhebung eines Widerspruchs durch ihn persönlich und nicht nur durch die Beigeladene somit zulässig. Die Klage ist in der Sache auch offenkundig begründet. § 7 a Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) ermöglicht ein Anfrageverfahren über die Frage einer strittigen Beschäftigung in Abgrenzung zu einer selbstständigen Tätigkeit. Abs. 1 S. 3 der Vorschrift begründet eine bundesweite Sonderzuständigkeit der Beklagten für entsprechende Statusfeststellungen. Nach Abs. 2 der Vorschrift entscheidet die Beklagte aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt. In der modernen Dienstleistungsgesellschaft ist es zur alltäglichen Erscheinung geworden, dass hoch qualifizierte Personen für mehrere Arbeitgeber oder Auftraggeber tätig werden, oftmals aus zwingenden Gründen an deren Betriebssitz oder an einem sich ansonsten aus der Natur der Sache ergebenden Einsatzort. Geradezu typisch ist es, mit eigener körperlicher Kraft, persönlichem Wissen, originärer organisatorischer Kompetenz, höchstpersönlicher künstlerischer oder technischer Befähigung und/oder selbst erstellter Software verschiedene Kunden, Betriebsstätten, Baustellen oder Auftrittsorte aufzusuchen. Zur Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und abhängiger Beschäftigung ist das Kriterium einer nur teilzeitigen Inanspruchnahme nicht geeignet. Begrenzte Aussagekraft hat auch das Tätigwerden in der betrieblichen Sphäre des Auftraggebers. Künstlerischer Auftritt, betriebliche Fortbildung, technischer Service oder Bauleistungen können naturgemäß nur dort erbracht werden und nicht in den Räumen des Dienstleisters. Auch die zeitliche Eingliederung der Dienstleistung in ein System des Stundenplans oder der mehr oder weniger flexiblen vorherigen Vereinbarungen ist für sich genommen noch nicht aussagekräftig. Der zu Reparaturen ins Haus gerufene Handwerker muss sich an einen vereinbarten Termin halten wie der Arzt, der seinen Patienten erwartet. Trotzdem sind beide selbstverständlich nicht Teilzeitarbeitnehmer ihrer Kunden. Unerlässlich ist die Abwägung, in welchem Maße die erbrachte Leistung selbstgestaltet oder vor- und fremdbestimmt ist, inwieweit sie spezifischer Ausfluss eines eigenen unternehmerischen Profils oder aber austauschbare und standardisierte Abfolge vorgegebener Arbeitsschritte ist.
Der ins betriebliche Fortbildungsseminar geladene Kommunikationswissenschaftler, der aus einer bestimmten beruflichen Praxis heraus zu speziellen Lehraufträgen in die Hoch-schule berufene Dozent oder der zu öffentlichem Auftritt geladene Kabarettist, Schriftsteller oder Vortragskünstler hat seinen Auftrag jeweils wegen einer unverwechselbaren persönlichen Kompetenz erhalten, die vielfach auch ihren unmittelbaren Ausdruck im frei vereinbarten Honorar findet. Typisch für den Einsatz dieser Personen, der in selbstständiger Tätigkeit erbracht wird, ist die verlangte und erbrachte komplette persönliche, körpersprachliche und stimmliche Präsenz. Der eigene Name ist jeweils Markenzeichen. Ohne den Bezug zum Namen und zur oftmals auch visuellen Bekanntheit von Gestalt und Gesicht ist die Beauftragung eines öffentlich auftretenden literarischen Vortragskünstlers oder referierenden Politikers nicht vorstellbar. Je enger und schematischer jedoch das Spektrum der zu erfüllenden Aufgaben ist und je selbstverständlicher die herangezogene Dienstleistungskraft austauschbar ist, umso weniger ist ein unternehmerisches Profil als Grundlage einer Selbstständigkeit beschreibbar. Die erkennende Kammer hatte und hat immer wieder unter dem Aspekt der Statusfeststellung die Position von Taxifahrern, LKW-Fahrern, Busfahrern, Bedienern von Bau- und Forstwirtschaftsmaschinen, Hausmeistern, Buchhaltungskräften, Teilzeitpflegekräften usw. zu beurteilen, von denen jeweils nur der Nachweis des entsprechenden Führerscheins oder der formalen beruflichen Qualifikation gefordert wird und die bei der Erfüllung ihrer Aufgaben weder irgendeinen nennenswerten zeitlichen und inhaltlichen Spielraum noch auch nur die rechtliche Befugnis zu irgendeiner kreativen Ausgestaltung ihrer Dienstleistung haben. Dass ein mit fremdem Fahrzeug arbeitender Kurierdienstfahrer seine Fahrtrouten selbst bestimmen kann und dass sich der Hausmeister eines Grundbestandes eigenen Werkzeugs bedient, genügt zur Anerkennung einer Selbstständigkeit nicht. Vorliegend ist sehr ausführlich und sorgfältig dargelegt und auch unschwer erkennbar, dass die Dienstleistung des Klägers ausgesprochen spezialisiert und individualisiert ist. Er wird offenkundig genau wegen eines beim Beigeladenen bekannten Profils persönlicher und fachlicher Eigenschaften für genau die Operationen herangezogen, bei denen er unter allen Aspekten von Zuverlässigkeit und Schnelligkeit die besten Ergebnisse garantieren und die Risiken minimieren kann. Seine fachliche Souveränität gibt er keineswegs an der Klinikpforte auf, sondern bringt diese auch gegenüber dem Operateur verantwortungsbewusst zur Geltung.
Mit irgendwelchen im Klinikbetrieb erforderlich werdenden ergänzenden Hilfsleistungen, Vor- und Nacharbeiten etwa in Vertretung oder Ergänzung der für Sterilisierung, Patien-tentransport, Anästhesie, Medikation usw. zuständigen Kräfte hat er sich nicht zu befassen. Niemand kommt auf den Gedanken, ihm entsprechende Aufträge zu erteilen. Die Beklagte ignoriert unbeeindruckt von Anhörungsergebnis, Widerspruchsvorbringen und Klagebegründung vollkommen die ausführlich veranschaulichte vertragliche Situation, in der es nicht nur die Klinik und den Patienten gibt, sondern mit Klinik, externem Operationspfleger und Patienten durchaus auch drei bzw. bei Tätigwerden eines Belegarztes auch vier Partner eines durchaus komplizierten Vertragssystems. Rechnet man die jeweils leistungsverpflichtete Krankenversicherung ein, kommt man sogar auf fünf eigen-ständige Rechtsträger. Klägerseitig ist gut veranschaulicht worden, dass der Kläger in der Operationssituation nicht in einem hierarchischen Sinne weisungsgebunden ist. Es sollte der Beklagten möglich sein, die "Weisung" eines Vorgesetzten von den Aufforderungen zu unterscheiden, die in der gemeinsamen Erbringung einer dem Kollektiv gestellten Aufgabe unverzichtbar sind. Ein Filmregisseur steuert den Einsatz der Schauspieler, ein Dirigent leitet sein Orchester, der verantwortliche Ingenieur eines Bauvorhabens koordiniert die Tätigkeiten der einzelnen Handwerkssparten und der Fahrdienstleiter im Bereich "Netz" der Deutschen Bahn die Gleisbelegung durch private Eisenbahnverkehrsunternehmen, und doch sind all diese Träger gebündelter Verantwortung nicht "Chefs" von "Untergebenen". So hat man sich auch das Zusammenwirken des Teams mindestens von Operateur, Anästhesisten und Operationspfleger während einer Operation abseits hierarchischer Strukturen vorzustellen. Die von der Beklagten immer wieder herangezogenen Kriterien "Kapitaleinsatz" und "Unternehmerrisiko" sind bei der Beurteilung von Dienstleistungen wenig aussagekräftig. Der eindeutig selbstständige bzw. freiberufliche Schriftsteller, Psychotherapeut, Unternehmensberater oder Rechtsanwalt setzt genauso wenig "Kapital" ein wie der bei einer Zeitung vollzeitbeschäftigte Journalist oder der leitende Angestellte eines Unternehmens. Die für viele geistig-kommerziell-kommunikative Berufe notwendige Vorhaltung eines häuslichen Büros mit PC, Telefon und Schreibtisch sowie der Besitz eines Autos sind so selbstverständlich geworden, dass sich aus einer solchen Infrastruktur und ihrer mehr oder weniger intensiven beruflichen Nutzung keine bedeutsamen Schlüsse ziehen lassen. Auch die Mehrzahl der zweifellos nicht selbstständigen Tageszeitungsredakteure, Gymnasiallehrer, Hochschulprofessoren und Richter halten sich zuhause eine wissen-schaftlich-schreibtechnisch-kommunikative Arbeitsbasis.
Hinsichtlich des Unternehmerrisikos müsste die Beklagte zur Kenntnis nehmen, dass im Dienstleistungsbereich gewiss nicht die einzelne vereinbarte Arbeitsstunde oder der einzelne Arbeitstag in der Ungewissheit über einen Erlös begonnen werden, sondern dass das typische Risiko hier in der Ungewissheit künftiger Aufträge besteht. Eine betriebswirtschaftliche Risikokalkulation kann im Dienstleistungsbereich naturgemäß nicht in dersel-ben Weise stattfinden wie sie bei der Produktion von Waren möglich ist, bei der die Wahrscheinlichkeiten eines schnellen Abverkaufs, eines zögernden Verkaufs erst nach wiederum kostspieliger Lagerhaltung, einer billigen Abgabe von Überbeständen und schließlich einer vollständigen Abschreibung des unverkäuflichen Rests mit betriebswirtschaftlichen Kurven aufgezeichnet werden können. Unstrittig unterliegt der Kläger einem Risiko künftiger Beauftragung, das durch keinen Kündigungsschutz und durch keine sonstige Bestandsgarantie abgefedert ist. Um den Preis der wünschenswerten Abkehr von einer rein schematischen Betrachtungsweise würde die Beklagte erkennen, dass die Beigeladene für den Kläger keine Arbeitgeberin ist, sondern Infrastruktur bereitstellt, in der auch der Kläger seine Leistung optimal erbringen kann. Nach alledem ist beim Kläger mit großer Deutlichkeit die Selbstständigkeit bewiesen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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