L 4 SO 62/13

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 43 SO 410/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 SO 62/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch über einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Beförderungspauschale als Leistung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen für den Zeitraum vom 2. August 2010 bis zum 30. April 2014.

Bei der 1932 geborenen Klägerin stellte das Versorgungsamt mit Wirkung ab 28. August 2009 einen Grad der Behinderung (GdB) von 70 fest, dabei wurde für Funktionsstörungen an Knien und Füßen ein Teil-GdB von 50 und für Funktionsstörungen der Wirbelsäule ein Teil-GdB von 40 berücksichtigt. Ferner waren die Merkzeichen G (erhebliche Gehbehinderung) und B (Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson) zuerkannt worden. Die Klägerin bezieht seit vielen Jahren Leistungen der Sozialhilfe.

Am 2. August 2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Beförderungsleistungen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben in Form der sog. Beförderungspauschale I (d.h. für Fahrten mit einem Kfz ohne Rampe) in Höhe von 82,- Euro im Monat. Sie wolle diese für Fahrten zu Bekannten bzw. zum Besuch eines Seniorenkreises nutzen; die Nutzung von Bussen und Bahnen des öffentlichen Personennahverkehrs sei ihr ohne Begleitung nicht möglich. Dem Antrag waren Quittungen über Taxifahrten zum Arzt beigefügt.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme ihres Gesundheitsamtes, Sozialpsychiatrischer Dienst, ein. Dieser teilte mit, eine Pauschale könne nicht befürwortet werden. Aufgrund der Behinderungen der Klägerin sei eine Beförderungspauschale zwar möglicherweise indiziert. Die vorgelegten Belege beträfen aber nur einen Arztbesuch, hierfür seien Leistungen der Krankenversicherung vorrangig. Belege über Beförderungskosten zur Teilhabe am öffentlichen Leben seien nicht vorgelegt worden.

Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 12. Oktober 2010 ab und führte zur Begründung aus, die Klägerin wolle nach ihren Angaben die Pauschale vorrangig für Fahrten zum Arzt nutzen. Bei der Beförderungspauschale handele es sich aber um eine Hilfe zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft.

Am 19. Oktober 2010 erhob die Klägerin Widerspruch. Sie benötige die Pauschale, um ihre Freundinnen in J. und W. besuchen zu können. Sie reichte ein Attest des behandelnden Arztes Dr. K. aus März 2011 ein, in dem dieser bescheinigte, sie sei nicht in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

Das Gesundheitsamt der Beklagten nahm erneut Stellung dahingehend, es sei nicht erkennbar, warum die Klägerin nicht in der Lage sei, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Die bei ihr festgestellten Merkzeichen G und B begründeten nicht generell einen Anspruch auf die Pauschale, dies sei nur bei dem Merkzeichen aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) der Fall. Auch das vorgelegte Attest belege nicht, dass es der Klägerin generell unmöglich sei, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Der Sozialpsychiatrische Dienst habe einen Hausbesuch durchführen wollen, die Klägerin habe aber den Zutritt zur Wohnung und das Gespräch verweigert.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Beförderungspauschale sei eine Leistung der Hilfe zur Teilnahme am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben. Dazu gehöre die Begegnung und der Umgang mit nichtbehinderten Menschen aber auch der Besuch von Veranstaltungen und Einrichtungen. Die Klägerin habe jedoch nicht nachgewiesen, dass sie gesundheitlich nicht in der Lage sei, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Außerdem dokumentierten die eingereichten Belege nur einen Bedarf für Krankenfahrten, hier seien Leistungen der Krankenversicherung vorrangig.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie leide an einer Gehbehinderung sowie einer chronischen Erkrankung der Atemwege und sei deshalb nicht in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

Im Laufe des gerichtlichen Verfahrens hat das Sozialgericht angeregt, eine Untersuchung durch Mitarbeiter des Gesundheitsamtes der Beklagten zu ermöglichen. Die Beklagte lud die Klägerin daraufhin zunächst für den 3. August 2012 zu einem Untersuchungstermin ein; die Klägerin nahm diesen Termin jedoch nicht wahr. Nachdem auch ein weiterer von der Beklagten für den 25. Juni 2013 anberaumter Untersuchungstermin von der Klägerin ohne weitere Begründung abgesagt worden war, schrieb die Beklagte die Klägerin am 25. Juni 2013 erneut an und bat sie, am 9. Juli 2013 zur Begutachtung zu erscheinen. Die Beklagte wies darauf hin, dass es sich nicht um eine psychiatrische Untersuchung handele, sondern um eine amtsärztliche, die das Beschwerdebild und den gesundheitlichen Zustand der Klägerin umfassend aufklären solle. Die Untersuchung erfolge primär aus organisatorischen Gründen in den Räumen des Sozialpsychiatrischen Dienstes. Die Klägerin sagte auch diesen Untersuchungstermin ab; ebenso einen von der Beklagten angebotenen Hausbesuch.

Mit Gerichtsbescheid vom 1. August 2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Die Klägerin trage die Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen. Hier habe der Gesundheitszustand aufgrund der fehlenden Mitwirkungsbereitschaft der Klägerin nicht festgestellt werden können, dies gehe zu ihren Lasten.

Die Klägerin hat am 30. August 2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, ab dem 28. November 2012 sei der GdB auf 90 erhöht worden. Mindestens ab diesem Datum stehe ihr die Beförderungspauschale zu. Behörde und Gericht hätten die Pflicht, den relevanten Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Das sei hier unterblieben. Sie habe ihre Mitwirkungspflichten nicht verletzt. Es treffe nicht zu, dass sie ärztliche Untersuchungen meide; sie habe lediglich nachgefragt, warum sie zu einem Psychiater geschickt werde, obwohl ihr Antrag mit orthopädischen Problemen begründet worden sei.

Am 13. August 2013 hat die Klägerin bei der Beklagten erneut die Gewährung der Beförderungspauschale beantragt. Die Beklagte hat dies mit Bescheid vom 17. Oktober 2013 wegen mangelnder Mitwirkung der Klägerin abgelehnt. Diese habe nicht dargelegt, wofür sie die Pauschale nutzen wolle.

Am 15. November 2013 hat die Klägerin einen Antrag auf Eilrechtsschutz gestellt (Az.: L 4 SO 89/13 ER). Nachdem die Klägerin der Bitte des Senats, ihr Einverständnis mit der Beiziehung der Schwerbehindertenakte zu erklären, nicht nachkam, hat der Senat den Eilantrag mit Beschluss vom 23. Dezember 2013 zurückgewiesen. Zur Begründung führte er aus, die Klägerin habe das Vorliegen der Voraussetzungen der beantragten Eingliederungshilfe nicht glaubhaft gemacht, da sie jegliche ärztliche Untersuchung verweigert habe.

Im April 2014 hat die Klägerin schließlich doch ihr Einverständnis mit der Heranziehung medizinischer Unterlagen erklärt. Der Senat hat die Schwerbehindertenakte der Klägerin beigezogen sowie Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. S. und B. eingeholt. Frau B. hat unter dem 9. Mai 2014 mitgeteilt, wegen der erheblichen Gehbehinderung komme die Klägerin nicht in die Sprechstunde, sondern sie mache dort Hausbesuche. Ihres Erachtens benötige die Klägerin einen Rollstuhl. Daraufhin hat die Beklagte mitgeteilt, dass nach Rücksprache mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst die Notwendigkeit der Beförderungspauschale Stufe I nunmehr anerkannt werden könne und hat diese mit Bescheid vom 2. Juni 2014 für den Zeitraum vom 1. Mai 2014 bis zum 30. April 2015 bewilligt.

Die Klägerin beantragt nunmehr, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 1. August 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. September 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 2. August 2010 bis zum 30. April 2014 Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Beförderungspauschale Stufe I zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf die erstinstanzliche Entscheidung und führt ergänzend aus, eine Gewährung der Beförderungspauschale für die Zeit vor dem 1. Mai 2014 komme nicht in Betracht. Erst durch Vorlage der ärztlichen Unterlagen vom 9. Mai 2014 seien die Voraussetzungen für die Gewährung nachgewiesen. Für die Zeit davor lasse sich dies anhand der vorliegenden Unterlagen nicht feststellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Akten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

I. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin (§ 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

II. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Zulässiger Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist lediglich der Zeitraum bis zum 12. August 2013. Am 13. August 2013 hat die Klägerin einen neuen Antrag auf Gewährung der Beförderungspauschale gestellt; diesen hat die Beklagte mit Bescheid vom 17. Oktober 2013 abgelehnt. Für den von dem neuen Bescheid vom 17. Oktober 2013 erfassten Zeitraum ab dem 13. August 2013 hat sich der angefochtene Ablehnungsbescheid vom 12. Oktober 2010 erledigt, § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) (zur Erledigung eines Ablehnungsbescheids durch einen neuen Ablehnungsbescheid vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 11.12.2007 – B 8/9b SO 12/06 R). Der Bescheid vom 17. Oktober 2013 ist nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Gerichtsverfahrens geworden (vgl. Bundessozialgericht aaO).

2. Bezüglich des Zeitraums bis zum 12. August 2013 ist die Klage zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat für diesen Zeitraum keinen Anspruch auf die Beförderungspauschale.

Als gesetzliche Anspruchsgrundlage kommen allein die §§ 53 Abs. 1, 3 und 4, 54 Abs. 1 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) iVm § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 7 und § 58 Nr. 1 und 2 des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IX) in Betracht. Deren Voraussetzungen liegen für den genannten Zeitraum jedoch nicht vor.

Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Personen, die durch eine Behinderung i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, am Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen, eingeschränkt sind, wenn Aussicht besteht, dass hierdurch die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Eine solche, nach § 1 Nr. 1 der Eingliederungshilfe-Verordnung wesentliche Behinderung liegt hier vor, da die Bewegungsfähigkeit der Klägerin durch Beeinträchtigung des Stütz- und Bewegungssystems – hier in Form von der Funktionsstörungen der Wirbelsäule und der unteren Extremitäten – in erheblichem Umfang eingeschränkt war.

Ein Anspruch auf die begehrte Beförderungspauschale scheidet jedoch aus, da sich nicht zur Überzeugung des Senats feststellen lässt, dass diese im genannten Zeitraum erforderlich war, um die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen.

Aufgabe der Eingliederungshilfe ist nach § 53 Abs. 3 SGB XII insbesondere die Verhütung einer drohenden Behinderung, die Beseitigung oder Milderung einer Behinderung oder deren Folgen und die Eingliederung der behinderten Menschen in die Gesellschaft. Zur "Eingliederung in die Gesellschaft" gehört es, dem behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern. Gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 7 und § 58 Nr. 1 und 2 SGB IX, anwendbar über § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII, umfassen die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auch Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben; hierzu gehören insbesondere Hilfen zur Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen sowie Hilfen zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienen. Dazu können auch Kosten für die Beförderung zu den Orten dieser Anlässe gehören (vgl. Luthe, in: jurisPK-SGB IX, § 58 Rn. 16 f.; Dalichau, in: Wiegand, Rehabilitationsrecht, § 58 SGB IX, Rn. 16).

Die Beklagte hat die Leistungen zur individuellen Beförderung von Menschen mit Behinderung in ihrer Fachanweisung zu § 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 und 2 Nr. 7 und § 58 SGB IX vom 1. Januar 2013 näher konkretisiert. Leistungen erhalten danach Menschen, die zum Personenkreis des § 53 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 SGB XII gehören und die einen tatsächlichen Beförderungsbedarf haben. Die von der Klägerin begehrte Beförderungspauschale I wird in Höhe von monatlich 82,- Euro für Fahrten mit Taxen oder anderen geeigneten nicht absenkbaren Fahrzeugen ohne Rampe gewährt, wenn wegen der Art und der Schwere der Behinderung die Benutzung anderer öffentlicher Verkehrsmittels, insbesondere des Öffentlichen Personennahverkehrs, nicht möglich und zumutbar ist und kein eigenes Kraftfahrzeug bzw. kein Kraftfahrzeug von Angehörigen genutzt werden kann. Unabhängig von der Frage der Bindungswirkung dieser Fachanweisung lässt sich nicht zur Überzeugung des Senats feststellen, dass die Klägerin im Zeitraum vom 2. August 2010 bis zum 12. August 2013 auf die Übernahme von Beförderungskosten angewiesen war, um die Teilhabeziele angemessen zu verwirklichen. Aus den vorliegenden Unterlagen ergibt sich nicht mit hinreichender Sicherheit, dass es der Klägerin schon in diesem Zeitraum nicht möglich bzw. nicht zumutbar war, zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen:

Die Feststellung eines GdB von 70 ist insoweit für sich genommen nicht aussagekräftig. Auch aus der Zuerkennung der Merkzeichen G und B folgt nicht automatisch, dass der Klägerin die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zur Verwirklichung der Teilhabeziele unmöglich oder unzumutbar wäre. Das Merkzeichen G (§ 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) bezieht sich auf die (Un-)Fähigkeit, Strecken zu gehen, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden, d.h. etwa zwei Kilometer innerhalb einer halben Stunde; bezüglich der Möglichkeit bzw. Zumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel lassen sich aus seiner Zuerkennung keine Rückschlüsse ziehen. Das Merkzeichen B (§ 146 Abs. 2 SGB IX) berechtigt zur Mitnahme einer Begleitperson bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel und wird zuerkannt, wenn der behinderte Mensch infolge seiner Behinderung bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig auf Hilfe angewiesen ist. Die Feststellung dieses Merkzeichens bedeutet nach der ausdrücklichen Regelung in § 146 Abs. 2 Satz 2 SGB IX jedoch nicht, dass die schwerbehinderte Person, wenn sie nicht in Begleitung ist, eine Gefahr für sich oder für andere darstellt. Auch aus der Feststellung dieses Merkzeichens lässt sich nach Auffassung des Senats nicht automatisch auf die Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel schließen. Vielmehr kommt es auch in diesen Fällen auf die konkreten Umstände an.

Aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen lässt sich nicht ableiten, dass die Klägerin zur Verwirklichung der Teilhabeziele nicht auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel verwiesen werden konnte. Das Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit im Sinne des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XI) vom 14. August 2009 beschreibt: "Gehen in der Wohnung ohne Hilfsmittel selbständig, Gangbild verlangsamt, die Vers. stützt sich an Mobiliar und Wände ab". Dort wird im Bereich "Mobilität" ein Hilfebedarf lediglich für den Ein- und Ausstieg in die bzw. aus der Wanne beschrieben, hingegen kein Hilfebedarf für das Gehen, Treppensteigen und Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung. In dem in der Schwerbehindertenakte befindlichen Entlassungsbericht der Diana Klinik, in der die Klägerin im April 2012 zur Durchführung einer stationären Reha-Behandlung war, wird im Abschlussbefund ein sicheres Gangbild am Rollator genannt. Dr. S. berichtet gegenüber dem Versorgungsamt am 17. April 2013 zwar "Gehstrecke 0m", führt aber gleichzeitig aus, dass die Klägerin einen Rollator benutze; Angaben zu Gehstrecke und Gangbild am Rollator fehlen. Der ebenfalls gegenüber dem Versorgungsamt erstellte Befundbericht der Ärztin B. vom 23. Juni 2013 benennt zwar eine "stark eingeschränkte Mobilität", konkretisiert dies jedoch nicht näher. Weiter führt dieser Bericht aus, die Klägerin bewege sich zu Hause mit Hilfe von einem Rollator, ohne Hilfe könne sie kaum einzelne Schritte gehen. Angaben zur Sicherheit des Gangs am Rollator oder der mit Rollator möglichen Gehstrecke finden sich nicht. Demgegenüber beschreibt der im Berufungsverfahren erstellte Bericht der Ärztin B. vom 9. Mai 2014, der die Beklagte zu einer Anerkennung der begehrten Leistungen für die Zukunft veranlasste, deutlich stärkere Einschränkungen. So wird dort erstmals berichtet, dass wegen der erheblichen Gehbehinderung ärztliche Hausbesuche die persönlichen Kontakte in der Praxis ersetzten. Ebenfalls erstmals wird dort ein Rollstuhl für notwendig erachtet. Bei einer Gesamtbetrachtung erscheint es zwar nicht ausgeschlossen, dass der Klägerin die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel bereits zu einem früheren Zeitpunkt als Mai 2014 nicht möglich bzw. nicht zumutbar war, mit für die Überzeugungsbildung hinreichender Wahrscheinlichkeit lässt sich dies aber nicht feststellen. Dies geht zu Lasten der Klägerin, die für die anspruchsbegründenden Tatsachen beweisbelastet ist (zur materiellen Beweislast vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 103 Rn. 19a).

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die Beklagte auch nicht ihre Amtsermittlungspflicht verletzt. Die in § 20 SGB X geregelte Pflicht zur Amtsermittlung steht im Zusammenhang mit den Mitwirkungspflichten der Beteiligten (vgl. hierzu Luthe, in: jurisPK-SGB X, § 20 Rn. 23 ff.; Vogelgesang in: Hauck/Noftz, SGB X K § 20, Rn. 12 ff.). Hier hat die Beklagte die Klägerin sowohl im Widerspruchs- als auch während des gerichtlichen Verfahrens wiederholt auf die Notwendigkeit einer ärztlichen Begutachtung hingewiesen. Die hierfür angebotenen Termine hat die Klägerin nicht wahrgenommen, ohne hinreichende Gründe hierfür zu nennen. Sofern die Klägerin im Berufungsverfahren hierzu mitteilt, sie habe nicht jegliche ärztliche Untersuchung verweigert, sondern lediglich nicht verstanden, dass sie trotz orthopädischer Probleme von einem Psychiater begutachtet werden solle, kann sie hiermit nicht durchdringen. Die Beklagte hatte sie jedenfalls mit Schreiben vom 25. Juni 2013 darauf hingewiesen, dass es sich nicht um eine psychiatrische Untersuchung handele, sondern um eine amtsärztliche, die das Beschwerdebild und den gesundheitlichen Zustand der Klägerin umfassend aufklären solle und die lediglich aus organisatorischen Gründen in den Räumen des Sozialpsychiatrischen Dienstes erfolgen solle. Infolge der beharrlichen Weigerung der Klägerin, die Begutachtungsangebote der Beklagten wahrzunehmen, musste sich auch das Sozialgericht nicht veranlasst sehen, seinerseits einen medizinischen Sachverständigen mit einer Begutachtung zu beauftragen. Auch der Senat hatte keinen Anlass, eine Untersuchung der Klägerin durchführen zu lassen. Die fehlende zeitnahe Untersuchung der Klägerin lässt sich durch eine vom Senat in Auftrag gegebene Begutachtung im Rahmen des Berufungsverfahrens nicht ersetzen, da eine solche nicht geeignet ist, um den hier allein noch entscheidenden gesundheitlichen Zustand der Klägerin im vergangenen, streitgegenständlichen Zeitraum festzustellen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dass die Beklagte im Laufe des Berufungsverfahrens die beantragte Beförderungspauschale für die Zeit ab dem 1. Mai 2014 gewährt hat, führt nicht dazu, dass ihr die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin (anteilig) aufzuerlegen wären. Denn zum einen liegt der Zeitpunkt, ab dem anerkannt wurde, außerhalb des Zeitraums, der zulässig Streitgegenstand des Gerichtsverfahrens ist; zum anderen basierte das Anerkenntnis auf neuen, erst im Rahmen des Berufungsverfahrens vorgelegten, medizinischen Unterlagen.

Die Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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