Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 1367/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 974/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 27. Januar 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab 1. August 2009.
Der am 2. Januar 1967 in der Türkei geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und reiste 1978 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach einer Ausbildung als Zimmermann war er als solcher bis zu seiner Kündigung im Oktober 1991 tätig. Anschließend übte er Tätigkeiten als Produktionshelfer und selbständig tätiger Holzmonteur aus und war von November 2006 bis November 2007 mit der Wartung von Taucherausrüstungen und von März 2009 bis zu einem Arbeitsunfall am 19. Mai 2009, bei dem er eine Beckenringfraktur sowie eine laterale Tibiakopffraktur links erlitt, als Helfer in einem Unternehmen der Sanitärtechnik versicherungspflichtig beschäftigt. Die Tätigkeiten wurden unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit. Mit Ausnahme des Zeitraums vom 12. September bis 6. Oktober 2011, für den der Versicherungsverlauf eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufweist, ist der Kläger seitdem arbeitslos.
Am 31. August 2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung führte er aus, an den Folgen des im Mai 2009 erlittenen Arbeitsunfalls zu leiden. Hieraus resultierten Knieprobleme links, Schäden am rechten Becken sowie ein Zustand nach Bandscheibenvorfällen der Lenden-/Halswirbelsäule 2001 und 2007. Die Beklagte zog daraufhin die auf Grund eines zuvor im März 2008 gestellten Antrags auf Gewährung von Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben bei der Beklagten angelegte Akte bei. Auf Veranlassung der Beklagten wurde der Kläger in der ärztlichen Untersuchungsstelle R. untersucht und begutachtet. Sozial- und Sportmediziner Dr. F. führte in seinem Gutachten vom 9. Mai 2008 aus, der Kläger leide an einer chronisch-rezidivierenden Lumboischialgie links bei Bandscheibenvorfall L 5/S 1, chronisch-rezidivierenden Brachialgien beidseits bei Bandscheibenvorfall C 5/6 rechts betont sowie an Somatisierungsstörungen und Übergewicht. Insgesamt seien qualitative Leistungsminderungen vorhanden, die sich insbesondere auf Grund der festgestellten Bandscheibenvorfälle cervikal und lumbal ergäben und somit bereits aus fürsorglichen Gründen schwere körperliche Arbeiten sowie Tätigkeiten mit entsprechenden Überkopfarbeiten, regelmäßigen Hebe-, Halte- und Tragetätigkeiten über 15 kg, häufigem Bücken sowie anhaltende Zwangs- und Fehlhaltungen als ungeeignet erschienen. Geeignet seien mittelschwere Tätigkeiten unter Meidung oben genannter Belastungsfaktoren. Im Ergebnis könne der Kläger sowohl seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Mechaniker als auch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich ausüben. Die Durchführung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme wurde empfohlen. Der Kläger hatte sich im Zeitraum vom 4. Juni bis 24. Juni 2008 im Rahmen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der B.-Klinik Ü. aufgehalten. Chefarzt Dr. E. führte in seinem Reha-Entlassungsbericht vom 30. Juni 2008 aus, der Kläger leide an einer chronischen Schmerzsymptomatik, einer statischen Überlastung bei Fehlhaltung mit Insuffizienz der Rumpfmuskulatur, muskulären Dysbalancen und Haltungsschwäche sowie degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit Osteochondrose L 5/S 1 und Bandscheibenvorfällen L 5/S1, NPP C 5/6 sowie C 4/5. Ferner liege bei ihm eine Adipositas vor. In seiner Tätigkeit als Servicetechniker sei der Kläger vollschichtig sechs Stunden und mehr täglich einsetzbar. Die Entlassung sei als arbeitsunfähig erfolgt. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien dem Kläger leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten in allen Schichtdienstformen im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Die Gang- und Standsicherheit sowie die Gebrauchsfähigkeit der Hände sollten beachtet werden, Zwangshaltungen vermieden werden. Das Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 15 kg sei dem Kläger nicht mehr zumutbar. Dies gelte auch für Tätigkeiten, die mit Erschütterungen, Vibrationen und mit erhöhter Unfallgefahr einhergingen.
Die Beklagte legte den Entlassungsbericht des Dr. E. sowie ein weiteres Attest des den Kläger behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. F. (vom 6. August 2009) ihrem Sozialmedizinischen Dienst zur Stellungnahme vor. Facharzt für Chirurgie und Sozialmedizin Dr. S. legte in seiner ärztlichen Stellungnahme vom 15. Oktober 2009 dar, der Kläger leide an degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenvorfall L 5/S 1, Bandscheibenvorfällen der Halswirbelsäule C 5/6, einer chronischen Schmerzsymptomatik, Übergewicht sowie einem Zustand nach Unfall mit Beckenbruch und Schienbeinkopfbruch. Aus diesem Grund solle er Zwangshaltungen sowie Arbeiten mit häufigen Überkopfarbeiten vermeiden. Gleichfalls ausgeschlossen seien Tätigkeiten unter besonderem Zeitdruck sowie solche in Nachtschicht. Im Ergebnis sei von einem Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr täglich für leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten auszugehen. Mit Bescheid vom 21. Oktober 2009 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag des Klägers ab. Den hiergegen ohne weitere Begründung eingelegten Widerspruch wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2010 (zur Post gegeben am 3. Mai 2010) zurück.
Der Kläger erhob am 4. Juni 2010 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG). Zur Begründung führte er aus, die Beklagte habe insbesondere das beim ihm vorliegende erhebliche Schmerzsyndrom nicht in ausreichendem Umfang gewürdigt. Dieses stehe für sich alleine auf Grund seiner Intensität einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit entgegen. Mittlerweile habe sich eine Depression herausgebildet, welche sein Restleistungsvermögen in quantitativer Hinsicht deutlich herabmindere.
Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage einer von zwei Stellungnahmen des Sozialmediziners Fischer vom 6. Juni 2011 und 13. September 2011 entgegen.
Das SG befragte zunächst die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Facharzt für Orthopädie Dr. M. legte dar (Auskunft vom 26. Januar 2011), den Kläger von 2009 bis Januar 2011 behandelt zu haben. Es bestünden Beschwerden von Seiten des lumbosakralen Übergangs wie auch der Schulter-Nacken-Region bei bekannter sternosymphysaler Belastungshaltung und ausgeprägtem Rundrücken. Dies gelte auch für Beschwerden von Seiten beider Kniegelenke bei bekannter Gonarthrose und retropatellarer Reizsymptomatik. Der Kläger könne leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten mindestens drei bis unter sechs Stunden täglich ausüben. Dr. F. führte unter dem 26. Januar 2011 aus, der Kläger leide an Insomnie, Verdacht auf Depression, Knieschmerzen, Rückenschmerzen, Hals-Brust-Lendenwirbelsäulen-Syndrom, Halswirbelsäulen-Schulter-Syndrom, Bronchitis, Hustenreiz, Brustwirbelsäulen-Blockierung, Brustwirbelsäulen-Syndrom, Lendenwirbelsäulen-Blockierung, Kreuzschmerzen, Lendenwirbelsäulen-Syndrom bei degenerativer Veränderung, Kniegelenkschädigung, Kniegelenkschmerzen, Bandscheibenhernie, Stress, psychosomatischen Beschwerden, Prostataverkalkung, Thorakalgie, Beinödem, Hyperlipoproteinämie, Hypercholesterinämie und Hypertriglyzeridämie. Auf Grund der beim Kläger vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei dieser nicht in der Lage, länger als eine Stunde am Stück zu sitzen, zu stehen oder zu laufen. Wenn der Kläger eine gebückte Haltung einnehme, sei er nicht in der Lage, sich normal aufzurichten; teilweise müsse er sich an Gegenständen hochziehen. Auf Grund des Halswirbelsäulen-Syndroms schliefen beide Hände ein, so dass der Kläger nicht in der Lage sei, Gegenstände sicher festzuhalten. Diese fielen ihm gelegentlich aus den Händen. Knieschmerzen und Kniegelenksinstabilität beeinträchtigten ihn beim längeren Steigen von Treppen. Außerdem klage der Kläger über Konzentrationsstörung, Vergesslichkeit und eine depressive Verstimmung. Leichte Tätigkeiten seien zwischen drei und sechs Stunden täglich möglich. Dabei sei zu beachten, dass der Kläger abwechselnd im Sitzen, Stehen und Gehen arbeite sowie hohe Anforderungen an die Konzentration nicht langfristig gestellt würden. Unter dem 8. Februar 2011 legte Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. dar, er habe den Kläger zuletzt im April 2010 untersucht. Auf Grund der vorhandenen chronischen Schmerzsymptomatik bestehe eine deutlich reduzierte Belastbarkeit hinsichtlich schwerer körperlicher Tätigkeiten. Aus seiner Sicht sei der Kläger in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Er empfehle ein ausführliches Gutachten.
Anschließend holte das SG von Amts wegen ein orthopädisches Sachverständigengutachten beim Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. B. ein. In seinem Gutachten vom 31. Juli 2011 führte Dr. B. aus, der Kläger leide an einem chronisch ortsständigen degenerativen zervikalen Wirbelsäulensyndrom ohne Funktionsbehinderung der Halswirbelsäule und ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallerscheinungen der oberen Extremitäten bei zervikalem Bandscheibenschaden (C 3/4 und C 5/6), einem chronisch ortsständigen degenerativen thorakalen Wirbelsäulensyndrom ohne Funktionsbehinderung der Brustwirbelsäule bei Wirbelsäulenfehlstatik sowie einem chronisch ortsständigen degenerativen lumbalen Wirbelsäulensyndrom bei geringfügiger Funktionsbehinderung der Lendenwirbelsäule ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallserscheinung der unteren Extremitäten bei Bandscheibenschaden der Lendenwirbelsäule (L 5/S 1). Ferner bestehe beim Kläger eine Epicondylitis humeri radialis beidseits ohne Funktionsbehinderung der Ellenbogengelenke sowie ferner eine folgenlos ausgeheilte, knöchern konsolidierte Beckenfraktur. Des Weiteren leide der Kläger an einer funktionellen Coxalgie beidseits ohne Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke bei unauffälligem radiologischem Befund sowie einer funktionellen Gonalgie links bei Zustand nach osteosynthetischer Versorgung der Tibiakopffraktur links, in anatomisch gerechter Stellung vollständig knöchern konsolidiert, ohne chronisch synoviale Reizerscheinungen und ohne Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks bei bislang fehlendem radiologischem Nachweis einer posttraumatischen Sekundärarthrose. Ebenso besteht beim Kläger eine Spreizfuß-Deformität ohne Funktionsbehinderung der Füße. Auf nicht orthopädischem Fachgebiet leide der Kläger an einem chronischen Spannungskopfschmerz, einem chronisch somatoformen Schmerzsyndrom, einem Verdacht auf Anpassungsstörung sowie einem Verdacht auf reaktives depressives Syndrom. Des Weiteren bestehe eine Insomnie, eine familiäre Konfliktsituation, rezidivierende Magenfunktionsstörungen sowie eine Fettstoffwechselstörung bei Adipositas. Hieraus ergäben sich vielschichtige Einschränkungen des qualitativen Leistungsvermögens. Nicht mehr leidensgerecht und nicht mehr dauerhaft zumutbar seien Arbeiten mit Heben, Tragen und/oder Bewegen von Lasten über 10 kg ohne mechanische Hilfsmittel, Arbeiten in gebückter, vorn übergebeugter oder sonstiger Zwangshaltung des Achsorgans, Arbeiten in Rückneigung des Kopfes (Überkopftätigkeit), ständig stehende und gehende Tätigkeiten, Arbeiten in kniender und hockender Stellung sowie Arbeiten und Einfluss vertikaler Teil- oder Ganzkörperschwingungen. Ferner sollte der Kläger Tätigkeiten die mit dem Besteigen von Leitern und Gerüsten verbunden sind sowie Arbeiten mit häufiger oder ständiger Exposition von Nässe, Kälte und/oder Zugluft ebenso vermeiden wie Arbeiten an gefährdenden Maschinen sowie Arbeiten unter hohem Zeitdruck und hoher Stressbelastung (z.B. Akkord- und Fließbandarbeit, Nachtschichttätigkeit). Sämtliche übrigen leichten bis gelegentlich mittelschweren körperlichen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne der Kläger mit seinem vorhandenen Restleistungsvermögen sechs Stunden und mehr täglich bei fünf Tagen in der Woche verrichten. Hierbei sollte berücksichtigt werden, dass die Arbeiten im Wechselrhythmus von Sitzen, Stehen und Gehen, vorzugsweise in Tag- oder Wechselschicht sowie in geschlossenen und temperierten Räumen in Betracht zu ziehen seien. Dem Kläger sei es gesundheitlich möglich und zumutbar, arbeitstäglich vierfach eine Wegstrecke von über 500 m in einem Zeitaufwand von unter 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen. Insoweit lägen weder beim Achsorgan noch an den unteren Extremitäten funktionelle Beeinträchtigungen vor, welche die Wegefähigkeit im sozialrechtlich relevanten Sinne beeinträchtigten. Inwieweit die psychische Situation einen limitierenden Faktor darstelle, müsse im Rahmen einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Begutachtung evaluiert werden. Insoweit empfehle er die Einholung eines entsprechenden Gutachtens.
Mit Bescheid vom 24. August 2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Abklärung der beruflichen Eignung und Arbeitserprobung. Die Beklagte legte den Bericht über die durchgeführte Berufsfindung und Arbeitserprobung im Berufsförderungswerk S. vom 30. September 2011 vor. Im Ergebnis sei beim Kläger eine Umschulung zum Teilezeichner oder eine Teilnahme an einer Integrationsmaßnahme, wie z.B. RehaStep, zu empfehlen. Er sei sowohl aus psychologischer als auch aus berufspraktischer Sicht geeignet und motiviert, eine berufliche Rehabilitation durchzuführen.
Anschließend beauftragte das SG Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und spezielle Schmerztherapie Dr. H. mit der Erstattung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens. Dieser führte in seinem Gutachten vom 30. November 2011 aus, der Kläger leide an einer undifferenzierten Somatisierungsstörung, einer allenfalls leichten depressiven Episode sowie an Wirbelsäulenbeschwerden bei degenerativen Veränderungen ohne Funktionseinschränkung und ohne radikuläre Symptomatik sowie an Knorpelschäden des linken Kniegelenks ohne Funktionseinschränkung. Die Gesundheitsstörungen wirkten sich im Einzelnen auf die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers nicht schwerwiegend aus. Unzumutbar seien körperliche Schwerarbeiten, ständiges Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, Zwangshaltungen, auch Kälte, Zugluft und Nässe. Darüber hinaus bestünden keine relevanten funktionellen Leistungseinschränkungen. Der Kläger sei demnach noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Auch könne er arbeitstäglich 4-fach eine Wegstrecke von über 500 m in jeweils höchstens 20 Minuten zu Fuß zurücklegen. Beim vom Gutachter durchgeführten SFSS (strukturierter Fragebogen simulierter Symptome)-Test, bei dem es sich um einen Selbsteinschätzungsfragebogen handele, der eine leicht handhabbare Screening-Methode zur Erfassung vom Simulation und einer Vielzahl simulierter Symptome darstelle, erreichte der Kläger ein Gesamt-SFSS-Score mit 45. Hieraus seien ganz erhebliche Hinweise auf nicht authentisches Verhalten abzulesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 27. Januar 2012 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Auch habe der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, da er 1967 und damit nach dem maßgeblichen Stichtag des § 240 Abs. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) geboren worden sei. Das SG stützte seine Entscheidung auf die im Verfahren eingeholten Gutachten des Dr. H. und des Dr. B ... Dr. H. sei als erfahren bekannt. Er habe den Krankheitsverlauf ausführlich geschildert, sei den Beschwerden des Klägers nachgegangen und habe diesen sorgfältig und umfassend untersucht. Zudem habe er diverse Zusatzuntersuchungen wie beispielsweise den SFSS-Test durchgeführt. Auch Dr. B. habe den Kläger ausführlich untersucht und begutachtet. Die Ausführungen der Sachverständigen seien in sich schlüssig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Im Ergebnis sei der Kläger daher unter Beachtung gewisser qualitativer Leistungseinschränkungen in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Auch das Berufsbildungswerk S. nehme keine aufgehobenes Leistungsvermögen des Klägers an. Den Aussagen der behandelnden Ärzte sei demgegenüber nicht zu folgen. Die Aussage des Dr. M. sei durch ein Gutachten des Dr. B. widerlegt. Dr. F. habe angegeben, dass der Kläger noch leichte Tätigkeiten drei bis sechs Stunden täglich ausüben könne. Diese Formulierung umfasse grundsätzlich auch eine Leistungsfähigkeit von sechs Stunden. Aus der Aussage des Dr. R. ließe sich keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens ableiten.
Gegen den dem Bevollmächtigten des Klägers am Freitag, den 3. Februar 2012 zugestellten Gerichtsbescheid, hat der Kläger am Montag, den 5. März 2012 Berufung beim Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Entgegen der Auffassung des SG sei er nicht mehr in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten. Schwere und mittelschwere Tätigkeiten seien bereits auf Grund der erheblichen Beeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet auszuschließen. Dr. B. habe insoweit die Auswirkungen der durch die orthopädischen Beeinträchtigungen hervorgerufenen Schmerzzustände auf den psychischen Befund und die hierdurch erfolgte Reduzierung auch des quantitativen Restleistungsvermögens verkannt. Entsprechendes sei auch Dr. H. entgegenzuhalten. Er verweise auf die auf fachorthopädischem Gebiet eingeholten Gutachten des Dr. R. vom 25. Juli 2012 in den Verfahren vor dem LSG L 3 SB 3845/11 und L 6 U 2530/11. Im Übrigen erachte er die zusätzliche Einholung eines Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf orthopädischem Sachgebiet für zweckmäßig.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 27. Januar 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. August 2009 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Sie hat den Versicherungsverlauf vom 6. Februar 2015 vorgelegt und nimmt weiter Bezug auf die sozialmedizinischen Stellungnahmen ihres Ärztlichen Dienstes durch den Sozialmediziner F. vom 31. Oktober und 26. November 2012, die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. L. vom 17. Juli 2013 sowie den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie B. vom 31. Oktober 2014. Sozialmediziner F. hat dargelegt, Dr. H. sei durchaus qualifiziert, sich zum schmerzhaften Beschwerdebild beim Kläger zu äußern, da er nicht nur die Fachqualifikation in Neurologie und Psychiatrie, sondern auch zusätzliche Qualifikationen unter anderem in den Bereichen Sozialmedizin und spezieller Schmerz-Behandlung aufweise. Ferner habe Dr. H. die Diagnose einer undifferenzierten Somatisierungsstörung an die erste Stelle seiner Diagnose im Rahmen der Begutachtung gesetzt. Im Übrigen solle Berücksichtigung finden, dass nicht nur bei den Begutachtungen des Dr. B. und des Dr. H., sondern auch bei der ganztätig ambulanten Heil-Behandlung in der B.-Klinik Ü. im Juni 2008 und bei der Berufsfindungs- und Arbeitserprobungsmaßnahme im Spätsommer 2011 im Berufsförderungswerk S. beim Kläger nicht von quantitativer Beeinträchtigung der Belastbarkeit im Berufsleben ausgegangen worden sei. Bei der durch den Begutachter Dr. R. mit Begutachtungsabschluss am 25. Juli 2012 erstatteten Begutachtung ergäben sich keine Hinweise für wesentliche Befundänderungen gegenüber dem Vorverfahren. Dr. L. hat ausgeführt, auch das durch Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. B. unter dem 3. Juni 2013 erstattete psychiatrisch-schmerzpsychologische Sachverständigengutachten nach § 109 SGG führe nicht zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Die gesamte Begutachtung sei insgesamt inkonstant, unvollständig und auch inhaltlich kaum nachvollziehbar, so dass die von Prof. Dr. B. angenommene verminderte erwerbsbezogene Leistungsfähigkeit auf unter drei Stunden täglich nicht nachvollziehbar sei. Arzt B. hat ausgeführt, hieran ändere sich auch nach Vorlage dessen ergänzender Stellungnahme nichts.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat der Senat ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. B. eingeholt. Dieser hat unter Bezugnahme auf sein im Verfahren L 3 SB 3845/11 erstattetes Gutachten (vom 14. Januar 2013) in seinem Gutachten vom 3. Juni 2014 ausgeführt, der Kläger leide an einer Traumafolgestörung mit Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung auf dem Boden eines Berufsunfalls (5/2009) verknüpft mit Intrusionen, Flashbacks und typisch vegetativer Symptomatik (Herzrasen, Schweißausbrüche, Hyperventilationsneigung), einer mittelschwer depressiven Symptomatik sowie einem Nikotinabusus. Des Weiteren bestehe beim Kläger ein chronifiziertes Schmerzsyndrom nach Gerbershagen polytop (lumbal, muskuloskelettal, zephalobrachial) sowie ein chronifiziertes Kopfschmerzsyndrom mit Spannungskomponente, migränoider und medikamenteninduzierter Komponente sowie eine somatoforme Schmerzstörungskomponente. Auf neurologischem Gebiet (fachfremd) bestehe ein mittelschweres Restless-Legs-Syndrom sowie auf HNO-ärztlichem Fachgebiet ein Tinnitus. Der Kläger sei allgemein noch mit Mühe alltags- und reisefähig. Auf Grund der Medikation einerseits aber auch auf Grund der psychiatrischen Beeinträchtigungen andererseits sei er verlangsamt, habe Konzentrations-störungen, leide unter Vergesslichkeit. Der vitale Elan , die spontane Impulsbildung, das Durchhaltevermögen, die Adaptionsfähigkeit, die kognitive Wendigkeit und die Kreativität seien deutlich reduziert. Die Abwehr von Suizidgedanken koste ihn psychische Energie. Dennoch seien Tätigkeiten ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit in kompensierten Phasen möglich. Insoweit könne nach Untersuchung und Befragung festgehalten werden, dass er an 4-5 Tagen im Monat in einer etwas besseren Befindlichkeit sei und sich in diesen Tagen auch eine Tätigkeit von zwei bis drei Stunden im Sitzen (z.B. leichte Sortiertätigkeiten, Pförtnertätigkeiten) vorstellen könne. In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 9. September 2014 hat Prof. Dr. B. sein Gutachten gegen die Einwände der Beklagten verteidigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akten des SG, auch im Verfahren S 9 R 1108/09, die Akten des LSG, auch in den Verfahren L 6 U 2530/11 und L 3 SB 3845/11 sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zu-lässig. Gemäß § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Das Urteil des SG - mit zutreffender Rechtsmittelbelehrung (§ 66 SGG) - ist dem Bevollmächtigten des Klägers ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 3. Februar 2012 zugestellt worden. Die einmonatige Berufungsfrist begann am 4. Februar 2012 (§ 64 Abs. 1 SGG) und wäre eigentlich am 3. März 2012 abgelaufen (§ 64 Abs. 2 Satz 1 SGG). Da dies ein Samstag war, endete die Frist erst am darauffolgenden Montag, dem 5. März 2012 (§ 64 Abs. 3 SGG). Die an diesem Tag per Telefax beim LSG eingegangene Berufung erfolgte somit fristwahrend. Sie ist auch statthaft, da der Kläger Leistungen von mehr als einem Jahr begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat seit 1. August 2009 keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Nach diesen Maßstäben ist der Kläger, wie das SG zutreffend entschieden hat, weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen der Beklagten im Verwaltungsverfahren sowie der vom SG und vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger noch in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als sechs Stunden täglich zu verrichten. Der Senat entnimmt dies dem bereits im Verwaltungsverfahren beigezogenen Gutachten des Dr. F. vom 9. Mai 2008, dem beigezogenen Reha-Entlassungsbericht des Dr. E. vom 30. Juni 2008 sowie den im Verfahren vor dem SG von Dr. B. und Dr. H. erstatteten Gutachten vom 31. Juli 2011 und vom 30. November 2011.
a) Der Kläger leidet auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet an einem chronisch degenerativen zervikalen Wirbelsäulensyndrom ohne Funktionsbehinderung der Halswirbelsäule und ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallerscheinungen der oberen Extremitäten bei zervikalem Bandscheibenschaden (C 3/4 und C 5/6), einem chronisch degenerativen thorakalen Wirbelsäulensyndrom ohne Funktionsbehinderung der Brustwirbelsäule bei Wirbelsäulen-fehlstatik sowie einem chronisch degenerativen lumbalen Wirbelsäulensyndrom bei gering¬fügiger Funktionsbehinderung der Lendenwirbelsäule ohne radikuläre Reiz- oder Ausfalls¬erscheinung der unteren Extremitäten bei Bandscheibenschaden der Lendenwirbelsäule (L 5/S 1). Ferner besteht beim Kläger eine Epicondylitis humeri radialis beidseits ohne Funktionsbehinderung der Ellenbogengelenke sowie eine folgenlos ausgeheilte, knöchern konsolidierte Beckenfraktur. Des Weiteren leidet der Kläger an einer funktionellen Coxalgie beidseits ohne Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke bei unauffälligem radiologischem Befund sowie einer funktionellen Gonalgie links bei Zustand nach osteosynthetischer Versorgung der Tibiakopffraktur links, in anatomisch gerechter Stellung vollständig knöchern konsolidiert, ohne chronisch synoviale Reizerscheinungen und ohne Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks bei bislang fehlendem radiologischem Nachweis einer posttraumatischen Sekundärarthrose. Ebenso besteht beim Kläger eine Spreizfuß-Deformität ohne Funktionsbehinderung der Füße. Dies folgt aus dem im Verwaltungsverfahren beigezogenen Gutachten des Dr. F. vom 9. Mai 2008, dem beigezogenen Reha-Entlassungsbericht des Dr. E. vom 30. Juni 2008 der im Verfahren vor dem SG abgegebenen sachverständigen Zeugenauskünften des Dr. M. und des Dr. F. vom 26. Januar 2011 sowie den im SG-Verfahren von Dr. B. und Dr. H. erstatteten Gutachten vom 31. Juli 2011 und vom 30. November 2011.
Auf neurologisch-psychiatrischem und schmerztherapeutischem Fachgebiet leidet der Kläger an einer undifferenzierten Somatisierungsstörung und einer allenfalls leichten depressiven Episode sowie einem chronischen Spannungskopfschmerz. Des Weiteren besteht eine Insomnie. Für den Senat ergibt sich dies aus dem im Verwaltungsverfahren beigezogenen Gutachten des Dr. F. vom 9. Mai 2008, dem beigezogenen Reha-Entlassungsbericht des Dr. E. vom 30. Juni 2008, im Verfahren vor dem SG eingeholten Gutachten des Dr. B. vom 31. Juli 2011 und des Dr. H. vom 30. November 2011 sowie der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. F. vom 26. Januar 2011.
Internistischerseits leidet der Kläger an einer rezidivierenden Magenfunktionsstörungen, einer Fettstoffwechselstörung bei Adipositas, einem Beinödem, Hyperlipoproteinämie, Hypercholesterinämie und Hypertriglyzeridämie. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. F. vom 9. Mai 2008, dem Reha-Entlassungsbericht des Dr. E. vom 30. Juni 2008 sowie der im Verfahren vor dem SG eingeholten sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. F. vom 26. Januar 2011.
Der Kläger leidet zudem an einer Prostataverkalkung. Dies ergibt sich aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. F. vom 26. Januar 2011.
b) Aufgrund der genannten Gesundheitsbeeinträchtigungen ergeben sich - wie im Gutachten des Dr. B. vom 31. Juli 2011 schlüssig und nachvollziehbar dargelegt - vielschichtige Einschränkungen des qualitativen Leistungsvermögens. Nicht mehr leidensgerecht und nicht mehr dauerhaft zumutbar sind Arbeiten mit Heben, Tragen und/oder Bewegen von Lasten über 10 kg ohne mechanische Hilfsmittel, Arbeiten in gebückter, vorn übergebeugter oder sonstiger Zwangshaltung des Achsorgans, Arbeiten in Rückneigung des Kopfes (Überkopftätigkeit), ständig stehende und gehende Tätigkeiten, Arbeiten in kniender und hockender Stellung sowie Arbeiten und Einfluss vertikaler Teil- oder Ganzkörperschwingungen. Ferner sollte der Kläger Tätigkeiten die mit dem Besteigen von Leitern und Gerüsten verbunden sind sowie Arbeiten mit häufiger oder ständiger Exposition von Nässe, Kälte und/oder Zugluft ebenso vermeiden wie Arbeiten an gefährdenden Maschinen sowie Arbeiten unter hohem Zeitdruck und hoher Stressbelastung (z.B. Akkord- und Fließbandarbeit, Nachtschichttätigkeit). Berücksichtigung finden sollte, dass Tätigkeiten im Wechselrhythmus von Sitzen, Stehen und Gehen, vorzugsweise in Tag- oder Wechselschicht sowie in geschlossenen und temperierten Räumen ausgeübt werden.
Die beim Kläger als rentenrechtlich relevant zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen führen nach Überzeugung des Senats jedoch zu keiner Einschränkung des Leistungsvermögens in quantitativer Hinsicht. Der Kläger ist vielmehr in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich an fünf Tagen in der Woche zu verrichten.
Insoweit ergibt sich auch aus den von Prof. Dr. B. im Rahmen der im April 2013 erfolgten Begutachtung des Klägers (unter Bezugnahme auf das im Verfahren L 3 SB 3845/11 eingeholte Gutachten) erhobenen Befunde keine quantitative Leistungsreduzierung. Prof. Dr. B. hatte insoweit ausgeführt, der Kläger leide an einer Traumafolgestörung mit Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung auf dem Boden eines Berufsunfalls (5/2009) verknüpft mit Intrusionen, Flashbacks und typisch vegetativer Symptomatik (Herzrasen, Schweißausbrüche, Hyperventilationsneigung), einer mittelschwer depressiven Symptomatik sowie Nikotinabusus. Des Weiteren bestehe beim Kläger ein chronifiziertes Schmerzsyndrom nach Gerbershagen polytop (lumbal, muskuloskelettal, zephalobrachial) sowie ein chronifiziertes Kopfschmerz-syndrom mit Spannungskomponente, migränoider und medikamenteninduzierter Komponente sowie eine somatoforme Schmerzstörungskomponente. Auf neurologischem Gebiet (fachfremd) bestehe ein mittelschweres Restless-Legs-Syndrom sowie auf HNO-ärztlichem Fachgebiet ein Tinnitus. Der Kläger sei allgemein noch mit Mühe alltags- und reisefähig. Auf Grund der Medikation einerseits aber auch auf Grund der psychiatrischen Beeinträchtigungen andererseits sei er verlangsamt, habe Konzentrationsstörungen, leide unter Vergesslichkeit. Der Elan sei vital, die spontane Impulsbildung, Durchhaltevermögen, Adaptionsfähigkeit, kognitive Wendigkeit und Kreativität seien deutlich reduziert. Die Abwehr von Suizidgedanken koste ihn psychische Energie. Dennoch seien Tätigkeiten ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit in kompensierten Phasen möglich. Insoweit könne nach Untersuchung und Befragung festgehalten werden, dass er an 4-5 Tagen im Monat in einer etwas besseren Befindlichkeit sei und sich in diesen Tagen auch eine Tätigkeit von zwei bis drei Stunden im Sitzen (z.B. leichte Sortiertätigkeiten, Pförtnertätigkeiten) vorstellen könne.
Nicht nachvollziehbar ist für den Senat, weshalb die Diagnose der Traumafolgestörung mit Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung auf dem Boden eines Berufsunfalls (5/2009) erstmals eine so zentrale Rolle spielt, obschon sie in keiner der vorherigen Begutachtungssituationen bislang deutlich thematisiert worden war. Auch ist der durch den Sachverständigen Prof. Dr. B. erhobene körperliche Untersuchungsbefund einschließlich der neurologischen Prüfung unauffällig. Dies wird im Rahmen der Beurteilung des beim Kläger vorhandenen Restleistungsvermögens jedoch nicht weiter berücksichtigt. Nicht nachvollziehbar ist für den Senat zudem die Diskrepanz zwischen der Verhaltensbeobachtung in den psychologischen Testverfahren und der Einschätzung des Sachverständigen, die Konzentration des Klägers sei gemindert. Denn trotz zahlreicher psychologischer Testverfahren erledigte der Kläger nach den Feststellungen im Gutachten des Sachverständigen "ohne größere Beschwerden". Auch weicht die nach ICD-10 F32.0 als "erstmalig auftretende leichte depressive Episode" verschlüsselte Erkrankung von der tatsächlich gestellten Diagnose einer "mittelschweren depressiven Symptomatik, welche anhält" ab. Eine nachvollziehbare Begründung dieser abweichenden Beurteilung liefert der Sachverständige auch im Rahmen seiner ergänzenden Stellungnahme vom 9. September 2014 hierzu nicht. Offen bleibt auch, aus welchen Befunden der Sachverständige ein im Übrigen fachfremd angenommenes mittelschweres Restless-Legs-Syndrom herleitet. Nicht klar ist zudem, weswegen der Sachverständige von einem "austherapierten" Patienten ausgeht, wo der Kläger noch im Rahmen der Anamnese schilderte, keine Psychotherapie in Anspruch zu nehmen. Aus den vorliegenden Akten ergibt sich nur eine einmalige Untersuchung bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. am 11. Januar 2011 (Arztbrief vom 25. Januar 2011). Selbst unter Berücksichtigung eines vom Sachverständigen fachfremd diagnostizierten Tinnitus ist im Ergebnis nicht von einer quantitativen Leistungsminderung auf unter sechs Stunden täglich auszugehen.
Entgegenstehende ärztliche Äußerungen führen ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung des dem Kläger verbliebenen Restleistungsvermögens. Der den Kläger behandelnde Dr. R. hat sich außer Stande gesehen, eine Einschätzung zum bestehenden Restleistungsvermögen des Klägers abzugeben. Dr. M. hat keine nachvollziehbare Begründung für die von ihm angenommene zeitliche Einschränkung auf drei bis unter sechs Stunden angegeben. Dr. F. hat angenommen, dass der Kläger noch leichte Tätigkeiten drei bis sechs Stunden täglich ausüben könne. Diese Formulierung umfasst grundsätzlich auch eine Leistungsfähigkeit für die Ausübung einer angemessenen Beschäftigung von täglich sechs Stunden.
Im Hinblick auf die überzeugenden und übereinstimmenden Ausführungen der Dres. F., E., B. und H. führt auch der Vortrag des Klägers, den beim LSG geführten Rechtsstreiten in der Unfallversicherungs- und Schwerbehindertenangelegenheit könne entnommen werden, dass ihm auch eine quantitative Leistungsminderung zuerkannt werden müsse, nicht zu einer abweichenden sozialmedizinischen Beurteilung. Die dort festgestellten Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes des Klägers wurden im vorliegenden Verfahren umfänglich erfasst und führen lediglich zu einer qualitativen Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Klägers. Zu berücksichtigen ist hierbei auch, dass die Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) im Unfallversicherungsrecht und der Grad der Behinderung (GdB) im Bereich der Feststellung einer Schwerbehinderteneigenschaft einem anderen Bewertungsregime als demjenigen des Rentenversicherungsrechts folgt und insoweit keine Übertragung entsprechender Leistungsbeurteilungen erfolgen kann.
c) Ob dem Kläger ein Arbeitsplatz vermittelt werden kann oder nicht, ist für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht erheblich. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Maßgebend ist, ob der Kläger mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, er also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann (vgl. z.B. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 13 R 78/09 R -; in juris). Dies bejaht der Senat wie zuvor dargelegt.
d) Eine konkrete Verweisungstätigkeit müsste dem Kläger nur benannt werden, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG a.a.O.). In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten. Dies ist nicht der Fall. Beim Kläger liegen zwar - wie dargelegt - einige qualitative Leistungseinschränkungen vor, diese sind jedoch nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können - unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände - beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R -; in juris m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist beim Kläger vorhanden.
e) Auch die rentenrechtlich relevante Wegefähigkeit ist nicht beeinträchtigt. Der Kläger kann in zumutbarer Zeit (innerhalb von 20 Minuten) einen üblichen Weg zur Arbeitsstelle oder zu Haltestellen von öffentlichen Verkehrsmitteln zu Fuß (über 500 Meter, viermal täglich) zurücklegen und öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Für eine aufgehobene Wegefähigkeit erbrachte keine der gutachterlichen Untersuchungen objektive Befunde. Der Senat stützt sich insoweit auf die Gutachten des Dr. B. vom 31. Juli 2011 und des Dr. H. vom 30. November 2011.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
4. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab 1. August 2009.
Der am 2. Januar 1967 in der Türkei geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und reiste 1978 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach einer Ausbildung als Zimmermann war er als solcher bis zu seiner Kündigung im Oktober 1991 tätig. Anschließend übte er Tätigkeiten als Produktionshelfer und selbständig tätiger Holzmonteur aus und war von November 2006 bis November 2007 mit der Wartung von Taucherausrüstungen und von März 2009 bis zu einem Arbeitsunfall am 19. Mai 2009, bei dem er eine Beckenringfraktur sowie eine laterale Tibiakopffraktur links erlitt, als Helfer in einem Unternehmen der Sanitärtechnik versicherungspflichtig beschäftigt. Die Tätigkeiten wurden unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit. Mit Ausnahme des Zeitraums vom 12. September bis 6. Oktober 2011, für den der Versicherungsverlauf eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufweist, ist der Kläger seitdem arbeitslos.
Am 31. August 2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung führte er aus, an den Folgen des im Mai 2009 erlittenen Arbeitsunfalls zu leiden. Hieraus resultierten Knieprobleme links, Schäden am rechten Becken sowie ein Zustand nach Bandscheibenvorfällen der Lenden-/Halswirbelsäule 2001 und 2007. Die Beklagte zog daraufhin die auf Grund eines zuvor im März 2008 gestellten Antrags auf Gewährung von Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben bei der Beklagten angelegte Akte bei. Auf Veranlassung der Beklagten wurde der Kläger in der ärztlichen Untersuchungsstelle R. untersucht und begutachtet. Sozial- und Sportmediziner Dr. F. führte in seinem Gutachten vom 9. Mai 2008 aus, der Kläger leide an einer chronisch-rezidivierenden Lumboischialgie links bei Bandscheibenvorfall L 5/S 1, chronisch-rezidivierenden Brachialgien beidseits bei Bandscheibenvorfall C 5/6 rechts betont sowie an Somatisierungsstörungen und Übergewicht. Insgesamt seien qualitative Leistungsminderungen vorhanden, die sich insbesondere auf Grund der festgestellten Bandscheibenvorfälle cervikal und lumbal ergäben und somit bereits aus fürsorglichen Gründen schwere körperliche Arbeiten sowie Tätigkeiten mit entsprechenden Überkopfarbeiten, regelmäßigen Hebe-, Halte- und Tragetätigkeiten über 15 kg, häufigem Bücken sowie anhaltende Zwangs- und Fehlhaltungen als ungeeignet erschienen. Geeignet seien mittelschwere Tätigkeiten unter Meidung oben genannter Belastungsfaktoren. Im Ergebnis könne der Kläger sowohl seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Mechaniker als auch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich ausüben. Die Durchführung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme wurde empfohlen. Der Kläger hatte sich im Zeitraum vom 4. Juni bis 24. Juni 2008 im Rahmen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der B.-Klinik Ü. aufgehalten. Chefarzt Dr. E. führte in seinem Reha-Entlassungsbericht vom 30. Juni 2008 aus, der Kläger leide an einer chronischen Schmerzsymptomatik, einer statischen Überlastung bei Fehlhaltung mit Insuffizienz der Rumpfmuskulatur, muskulären Dysbalancen und Haltungsschwäche sowie degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit Osteochondrose L 5/S 1 und Bandscheibenvorfällen L 5/S1, NPP C 5/6 sowie C 4/5. Ferner liege bei ihm eine Adipositas vor. In seiner Tätigkeit als Servicetechniker sei der Kläger vollschichtig sechs Stunden und mehr täglich einsetzbar. Die Entlassung sei als arbeitsunfähig erfolgt. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien dem Kläger leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten in allen Schichtdienstformen im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Die Gang- und Standsicherheit sowie die Gebrauchsfähigkeit der Hände sollten beachtet werden, Zwangshaltungen vermieden werden. Das Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 15 kg sei dem Kläger nicht mehr zumutbar. Dies gelte auch für Tätigkeiten, die mit Erschütterungen, Vibrationen und mit erhöhter Unfallgefahr einhergingen.
Die Beklagte legte den Entlassungsbericht des Dr. E. sowie ein weiteres Attest des den Kläger behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. F. (vom 6. August 2009) ihrem Sozialmedizinischen Dienst zur Stellungnahme vor. Facharzt für Chirurgie und Sozialmedizin Dr. S. legte in seiner ärztlichen Stellungnahme vom 15. Oktober 2009 dar, der Kläger leide an degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenvorfall L 5/S 1, Bandscheibenvorfällen der Halswirbelsäule C 5/6, einer chronischen Schmerzsymptomatik, Übergewicht sowie einem Zustand nach Unfall mit Beckenbruch und Schienbeinkopfbruch. Aus diesem Grund solle er Zwangshaltungen sowie Arbeiten mit häufigen Überkopfarbeiten vermeiden. Gleichfalls ausgeschlossen seien Tätigkeiten unter besonderem Zeitdruck sowie solche in Nachtschicht. Im Ergebnis sei von einem Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr täglich für leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten auszugehen. Mit Bescheid vom 21. Oktober 2009 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag des Klägers ab. Den hiergegen ohne weitere Begründung eingelegten Widerspruch wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2010 (zur Post gegeben am 3. Mai 2010) zurück.
Der Kläger erhob am 4. Juni 2010 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG). Zur Begründung führte er aus, die Beklagte habe insbesondere das beim ihm vorliegende erhebliche Schmerzsyndrom nicht in ausreichendem Umfang gewürdigt. Dieses stehe für sich alleine auf Grund seiner Intensität einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit entgegen. Mittlerweile habe sich eine Depression herausgebildet, welche sein Restleistungsvermögen in quantitativer Hinsicht deutlich herabmindere.
Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage einer von zwei Stellungnahmen des Sozialmediziners Fischer vom 6. Juni 2011 und 13. September 2011 entgegen.
Das SG befragte zunächst die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Facharzt für Orthopädie Dr. M. legte dar (Auskunft vom 26. Januar 2011), den Kläger von 2009 bis Januar 2011 behandelt zu haben. Es bestünden Beschwerden von Seiten des lumbosakralen Übergangs wie auch der Schulter-Nacken-Region bei bekannter sternosymphysaler Belastungshaltung und ausgeprägtem Rundrücken. Dies gelte auch für Beschwerden von Seiten beider Kniegelenke bei bekannter Gonarthrose und retropatellarer Reizsymptomatik. Der Kläger könne leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten mindestens drei bis unter sechs Stunden täglich ausüben. Dr. F. führte unter dem 26. Januar 2011 aus, der Kläger leide an Insomnie, Verdacht auf Depression, Knieschmerzen, Rückenschmerzen, Hals-Brust-Lendenwirbelsäulen-Syndrom, Halswirbelsäulen-Schulter-Syndrom, Bronchitis, Hustenreiz, Brustwirbelsäulen-Blockierung, Brustwirbelsäulen-Syndrom, Lendenwirbelsäulen-Blockierung, Kreuzschmerzen, Lendenwirbelsäulen-Syndrom bei degenerativer Veränderung, Kniegelenkschädigung, Kniegelenkschmerzen, Bandscheibenhernie, Stress, psychosomatischen Beschwerden, Prostataverkalkung, Thorakalgie, Beinödem, Hyperlipoproteinämie, Hypercholesterinämie und Hypertriglyzeridämie. Auf Grund der beim Kläger vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei dieser nicht in der Lage, länger als eine Stunde am Stück zu sitzen, zu stehen oder zu laufen. Wenn der Kläger eine gebückte Haltung einnehme, sei er nicht in der Lage, sich normal aufzurichten; teilweise müsse er sich an Gegenständen hochziehen. Auf Grund des Halswirbelsäulen-Syndroms schliefen beide Hände ein, so dass der Kläger nicht in der Lage sei, Gegenstände sicher festzuhalten. Diese fielen ihm gelegentlich aus den Händen. Knieschmerzen und Kniegelenksinstabilität beeinträchtigten ihn beim längeren Steigen von Treppen. Außerdem klage der Kläger über Konzentrationsstörung, Vergesslichkeit und eine depressive Verstimmung. Leichte Tätigkeiten seien zwischen drei und sechs Stunden täglich möglich. Dabei sei zu beachten, dass der Kläger abwechselnd im Sitzen, Stehen und Gehen arbeite sowie hohe Anforderungen an die Konzentration nicht langfristig gestellt würden. Unter dem 8. Februar 2011 legte Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. dar, er habe den Kläger zuletzt im April 2010 untersucht. Auf Grund der vorhandenen chronischen Schmerzsymptomatik bestehe eine deutlich reduzierte Belastbarkeit hinsichtlich schwerer körperlicher Tätigkeiten. Aus seiner Sicht sei der Kläger in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Er empfehle ein ausführliches Gutachten.
Anschließend holte das SG von Amts wegen ein orthopädisches Sachverständigengutachten beim Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. B. ein. In seinem Gutachten vom 31. Juli 2011 führte Dr. B. aus, der Kläger leide an einem chronisch ortsständigen degenerativen zervikalen Wirbelsäulensyndrom ohne Funktionsbehinderung der Halswirbelsäule und ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallerscheinungen der oberen Extremitäten bei zervikalem Bandscheibenschaden (C 3/4 und C 5/6), einem chronisch ortsständigen degenerativen thorakalen Wirbelsäulensyndrom ohne Funktionsbehinderung der Brustwirbelsäule bei Wirbelsäulenfehlstatik sowie einem chronisch ortsständigen degenerativen lumbalen Wirbelsäulensyndrom bei geringfügiger Funktionsbehinderung der Lendenwirbelsäule ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallserscheinung der unteren Extremitäten bei Bandscheibenschaden der Lendenwirbelsäule (L 5/S 1). Ferner bestehe beim Kläger eine Epicondylitis humeri radialis beidseits ohne Funktionsbehinderung der Ellenbogengelenke sowie ferner eine folgenlos ausgeheilte, knöchern konsolidierte Beckenfraktur. Des Weiteren leide der Kläger an einer funktionellen Coxalgie beidseits ohne Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke bei unauffälligem radiologischem Befund sowie einer funktionellen Gonalgie links bei Zustand nach osteosynthetischer Versorgung der Tibiakopffraktur links, in anatomisch gerechter Stellung vollständig knöchern konsolidiert, ohne chronisch synoviale Reizerscheinungen und ohne Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks bei bislang fehlendem radiologischem Nachweis einer posttraumatischen Sekundärarthrose. Ebenso besteht beim Kläger eine Spreizfuß-Deformität ohne Funktionsbehinderung der Füße. Auf nicht orthopädischem Fachgebiet leide der Kläger an einem chronischen Spannungskopfschmerz, einem chronisch somatoformen Schmerzsyndrom, einem Verdacht auf Anpassungsstörung sowie einem Verdacht auf reaktives depressives Syndrom. Des Weiteren bestehe eine Insomnie, eine familiäre Konfliktsituation, rezidivierende Magenfunktionsstörungen sowie eine Fettstoffwechselstörung bei Adipositas. Hieraus ergäben sich vielschichtige Einschränkungen des qualitativen Leistungsvermögens. Nicht mehr leidensgerecht und nicht mehr dauerhaft zumutbar seien Arbeiten mit Heben, Tragen und/oder Bewegen von Lasten über 10 kg ohne mechanische Hilfsmittel, Arbeiten in gebückter, vorn übergebeugter oder sonstiger Zwangshaltung des Achsorgans, Arbeiten in Rückneigung des Kopfes (Überkopftätigkeit), ständig stehende und gehende Tätigkeiten, Arbeiten in kniender und hockender Stellung sowie Arbeiten und Einfluss vertikaler Teil- oder Ganzkörperschwingungen. Ferner sollte der Kläger Tätigkeiten die mit dem Besteigen von Leitern und Gerüsten verbunden sind sowie Arbeiten mit häufiger oder ständiger Exposition von Nässe, Kälte und/oder Zugluft ebenso vermeiden wie Arbeiten an gefährdenden Maschinen sowie Arbeiten unter hohem Zeitdruck und hoher Stressbelastung (z.B. Akkord- und Fließbandarbeit, Nachtschichttätigkeit). Sämtliche übrigen leichten bis gelegentlich mittelschweren körperlichen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne der Kläger mit seinem vorhandenen Restleistungsvermögen sechs Stunden und mehr täglich bei fünf Tagen in der Woche verrichten. Hierbei sollte berücksichtigt werden, dass die Arbeiten im Wechselrhythmus von Sitzen, Stehen und Gehen, vorzugsweise in Tag- oder Wechselschicht sowie in geschlossenen und temperierten Räumen in Betracht zu ziehen seien. Dem Kläger sei es gesundheitlich möglich und zumutbar, arbeitstäglich vierfach eine Wegstrecke von über 500 m in einem Zeitaufwand von unter 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen. Insoweit lägen weder beim Achsorgan noch an den unteren Extremitäten funktionelle Beeinträchtigungen vor, welche die Wegefähigkeit im sozialrechtlich relevanten Sinne beeinträchtigten. Inwieweit die psychische Situation einen limitierenden Faktor darstelle, müsse im Rahmen einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Begutachtung evaluiert werden. Insoweit empfehle er die Einholung eines entsprechenden Gutachtens.
Mit Bescheid vom 24. August 2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Abklärung der beruflichen Eignung und Arbeitserprobung. Die Beklagte legte den Bericht über die durchgeführte Berufsfindung und Arbeitserprobung im Berufsförderungswerk S. vom 30. September 2011 vor. Im Ergebnis sei beim Kläger eine Umschulung zum Teilezeichner oder eine Teilnahme an einer Integrationsmaßnahme, wie z.B. RehaStep, zu empfehlen. Er sei sowohl aus psychologischer als auch aus berufspraktischer Sicht geeignet und motiviert, eine berufliche Rehabilitation durchzuführen.
Anschließend beauftragte das SG Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und spezielle Schmerztherapie Dr. H. mit der Erstattung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens. Dieser führte in seinem Gutachten vom 30. November 2011 aus, der Kläger leide an einer undifferenzierten Somatisierungsstörung, einer allenfalls leichten depressiven Episode sowie an Wirbelsäulenbeschwerden bei degenerativen Veränderungen ohne Funktionseinschränkung und ohne radikuläre Symptomatik sowie an Knorpelschäden des linken Kniegelenks ohne Funktionseinschränkung. Die Gesundheitsstörungen wirkten sich im Einzelnen auf die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers nicht schwerwiegend aus. Unzumutbar seien körperliche Schwerarbeiten, ständiges Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, Zwangshaltungen, auch Kälte, Zugluft und Nässe. Darüber hinaus bestünden keine relevanten funktionellen Leistungseinschränkungen. Der Kläger sei demnach noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Auch könne er arbeitstäglich 4-fach eine Wegstrecke von über 500 m in jeweils höchstens 20 Minuten zu Fuß zurücklegen. Beim vom Gutachter durchgeführten SFSS (strukturierter Fragebogen simulierter Symptome)-Test, bei dem es sich um einen Selbsteinschätzungsfragebogen handele, der eine leicht handhabbare Screening-Methode zur Erfassung vom Simulation und einer Vielzahl simulierter Symptome darstelle, erreichte der Kläger ein Gesamt-SFSS-Score mit 45. Hieraus seien ganz erhebliche Hinweise auf nicht authentisches Verhalten abzulesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 27. Januar 2012 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Auch habe der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, da er 1967 und damit nach dem maßgeblichen Stichtag des § 240 Abs. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) geboren worden sei. Das SG stützte seine Entscheidung auf die im Verfahren eingeholten Gutachten des Dr. H. und des Dr. B ... Dr. H. sei als erfahren bekannt. Er habe den Krankheitsverlauf ausführlich geschildert, sei den Beschwerden des Klägers nachgegangen und habe diesen sorgfältig und umfassend untersucht. Zudem habe er diverse Zusatzuntersuchungen wie beispielsweise den SFSS-Test durchgeführt. Auch Dr. B. habe den Kläger ausführlich untersucht und begutachtet. Die Ausführungen der Sachverständigen seien in sich schlüssig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Im Ergebnis sei der Kläger daher unter Beachtung gewisser qualitativer Leistungseinschränkungen in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Auch das Berufsbildungswerk S. nehme keine aufgehobenes Leistungsvermögen des Klägers an. Den Aussagen der behandelnden Ärzte sei demgegenüber nicht zu folgen. Die Aussage des Dr. M. sei durch ein Gutachten des Dr. B. widerlegt. Dr. F. habe angegeben, dass der Kläger noch leichte Tätigkeiten drei bis sechs Stunden täglich ausüben könne. Diese Formulierung umfasse grundsätzlich auch eine Leistungsfähigkeit von sechs Stunden. Aus der Aussage des Dr. R. ließe sich keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens ableiten.
Gegen den dem Bevollmächtigten des Klägers am Freitag, den 3. Februar 2012 zugestellten Gerichtsbescheid, hat der Kläger am Montag, den 5. März 2012 Berufung beim Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Entgegen der Auffassung des SG sei er nicht mehr in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten. Schwere und mittelschwere Tätigkeiten seien bereits auf Grund der erheblichen Beeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet auszuschließen. Dr. B. habe insoweit die Auswirkungen der durch die orthopädischen Beeinträchtigungen hervorgerufenen Schmerzzustände auf den psychischen Befund und die hierdurch erfolgte Reduzierung auch des quantitativen Restleistungsvermögens verkannt. Entsprechendes sei auch Dr. H. entgegenzuhalten. Er verweise auf die auf fachorthopädischem Gebiet eingeholten Gutachten des Dr. R. vom 25. Juli 2012 in den Verfahren vor dem LSG L 3 SB 3845/11 und L 6 U 2530/11. Im Übrigen erachte er die zusätzliche Einholung eines Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf orthopädischem Sachgebiet für zweckmäßig.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 27. Januar 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. August 2009 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Sie hat den Versicherungsverlauf vom 6. Februar 2015 vorgelegt und nimmt weiter Bezug auf die sozialmedizinischen Stellungnahmen ihres Ärztlichen Dienstes durch den Sozialmediziner F. vom 31. Oktober und 26. November 2012, die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. L. vom 17. Juli 2013 sowie den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie B. vom 31. Oktober 2014. Sozialmediziner F. hat dargelegt, Dr. H. sei durchaus qualifiziert, sich zum schmerzhaften Beschwerdebild beim Kläger zu äußern, da er nicht nur die Fachqualifikation in Neurologie und Psychiatrie, sondern auch zusätzliche Qualifikationen unter anderem in den Bereichen Sozialmedizin und spezieller Schmerz-Behandlung aufweise. Ferner habe Dr. H. die Diagnose einer undifferenzierten Somatisierungsstörung an die erste Stelle seiner Diagnose im Rahmen der Begutachtung gesetzt. Im Übrigen solle Berücksichtigung finden, dass nicht nur bei den Begutachtungen des Dr. B. und des Dr. H., sondern auch bei der ganztätig ambulanten Heil-Behandlung in der B.-Klinik Ü. im Juni 2008 und bei der Berufsfindungs- und Arbeitserprobungsmaßnahme im Spätsommer 2011 im Berufsförderungswerk S. beim Kläger nicht von quantitativer Beeinträchtigung der Belastbarkeit im Berufsleben ausgegangen worden sei. Bei der durch den Begutachter Dr. R. mit Begutachtungsabschluss am 25. Juli 2012 erstatteten Begutachtung ergäben sich keine Hinweise für wesentliche Befundänderungen gegenüber dem Vorverfahren. Dr. L. hat ausgeführt, auch das durch Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. B. unter dem 3. Juni 2013 erstattete psychiatrisch-schmerzpsychologische Sachverständigengutachten nach § 109 SGG führe nicht zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Die gesamte Begutachtung sei insgesamt inkonstant, unvollständig und auch inhaltlich kaum nachvollziehbar, so dass die von Prof. Dr. B. angenommene verminderte erwerbsbezogene Leistungsfähigkeit auf unter drei Stunden täglich nicht nachvollziehbar sei. Arzt B. hat ausgeführt, hieran ändere sich auch nach Vorlage dessen ergänzender Stellungnahme nichts.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat der Senat ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. B. eingeholt. Dieser hat unter Bezugnahme auf sein im Verfahren L 3 SB 3845/11 erstattetes Gutachten (vom 14. Januar 2013) in seinem Gutachten vom 3. Juni 2014 ausgeführt, der Kläger leide an einer Traumafolgestörung mit Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung auf dem Boden eines Berufsunfalls (5/2009) verknüpft mit Intrusionen, Flashbacks und typisch vegetativer Symptomatik (Herzrasen, Schweißausbrüche, Hyperventilationsneigung), einer mittelschwer depressiven Symptomatik sowie einem Nikotinabusus. Des Weiteren bestehe beim Kläger ein chronifiziertes Schmerzsyndrom nach Gerbershagen polytop (lumbal, muskuloskelettal, zephalobrachial) sowie ein chronifiziertes Kopfschmerzsyndrom mit Spannungskomponente, migränoider und medikamenteninduzierter Komponente sowie eine somatoforme Schmerzstörungskomponente. Auf neurologischem Gebiet (fachfremd) bestehe ein mittelschweres Restless-Legs-Syndrom sowie auf HNO-ärztlichem Fachgebiet ein Tinnitus. Der Kläger sei allgemein noch mit Mühe alltags- und reisefähig. Auf Grund der Medikation einerseits aber auch auf Grund der psychiatrischen Beeinträchtigungen andererseits sei er verlangsamt, habe Konzentrations-störungen, leide unter Vergesslichkeit. Der vitale Elan , die spontane Impulsbildung, das Durchhaltevermögen, die Adaptionsfähigkeit, die kognitive Wendigkeit und die Kreativität seien deutlich reduziert. Die Abwehr von Suizidgedanken koste ihn psychische Energie. Dennoch seien Tätigkeiten ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit in kompensierten Phasen möglich. Insoweit könne nach Untersuchung und Befragung festgehalten werden, dass er an 4-5 Tagen im Monat in einer etwas besseren Befindlichkeit sei und sich in diesen Tagen auch eine Tätigkeit von zwei bis drei Stunden im Sitzen (z.B. leichte Sortiertätigkeiten, Pförtnertätigkeiten) vorstellen könne. In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 9. September 2014 hat Prof. Dr. B. sein Gutachten gegen die Einwände der Beklagten verteidigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akten des SG, auch im Verfahren S 9 R 1108/09, die Akten des LSG, auch in den Verfahren L 6 U 2530/11 und L 3 SB 3845/11 sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zu-lässig. Gemäß § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Das Urteil des SG - mit zutreffender Rechtsmittelbelehrung (§ 66 SGG) - ist dem Bevollmächtigten des Klägers ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 3. Februar 2012 zugestellt worden. Die einmonatige Berufungsfrist begann am 4. Februar 2012 (§ 64 Abs. 1 SGG) und wäre eigentlich am 3. März 2012 abgelaufen (§ 64 Abs. 2 Satz 1 SGG). Da dies ein Samstag war, endete die Frist erst am darauffolgenden Montag, dem 5. März 2012 (§ 64 Abs. 3 SGG). Die an diesem Tag per Telefax beim LSG eingegangene Berufung erfolgte somit fristwahrend. Sie ist auch statthaft, da der Kläger Leistungen von mehr als einem Jahr begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat seit 1. August 2009 keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Nach diesen Maßstäben ist der Kläger, wie das SG zutreffend entschieden hat, weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen der Beklagten im Verwaltungsverfahren sowie der vom SG und vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger noch in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als sechs Stunden täglich zu verrichten. Der Senat entnimmt dies dem bereits im Verwaltungsverfahren beigezogenen Gutachten des Dr. F. vom 9. Mai 2008, dem beigezogenen Reha-Entlassungsbericht des Dr. E. vom 30. Juni 2008 sowie den im Verfahren vor dem SG von Dr. B. und Dr. H. erstatteten Gutachten vom 31. Juli 2011 und vom 30. November 2011.
a) Der Kläger leidet auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet an einem chronisch degenerativen zervikalen Wirbelsäulensyndrom ohne Funktionsbehinderung der Halswirbelsäule und ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallerscheinungen der oberen Extremitäten bei zervikalem Bandscheibenschaden (C 3/4 und C 5/6), einem chronisch degenerativen thorakalen Wirbelsäulensyndrom ohne Funktionsbehinderung der Brustwirbelsäule bei Wirbelsäulen-fehlstatik sowie einem chronisch degenerativen lumbalen Wirbelsäulensyndrom bei gering¬fügiger Funktionsbehinderung der Lendenwirbelsäule ohne radikuläre Reiz- oder Ausfalls¬erscheinung der unteren Extremitäten bei Bandscheibenschaden der Lendenwirbelsäule (L 5/S 1). Ferner besteht beim Kläger eine Epicondylitis humeri radialis beidseits ohne Funktionsbehinderung der Ellenbogengelenke sowie eine folgenlos ausgeheilte, knöchern konsolidierte Beckenfraktur. Des Weiteren leidet der Kläger an einer funktionellen Coxalgie beidseits ohne Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke bei unauffälligem radiologischem Befund sowie einer funktionellen Gonalgie links bei Zustand nach osteosynthetischer Versorgung der Tibiakopffraktur links, in anatomisch gerechter Stellung vollständig knöchern konsolidiert, ohne chronisch synoviale Reizerscheinungen und ohne Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks bei bislang fehlendem radiologischem Nachweis einer posttraumatischen Sekundärarthrose. Ebenso besteht beim Kläger eine Spreizfuß-Deformität ohne Funktionsbehinderung der Füße. Dies folgt aus dem im Verwaltungsverfahren beigezogenen Gutachten des Dr. F. vom 9. Mai 2008, dem beigezogenen Reha-Entlassungsbericht des Dr. E. vom 30. Juni 2008 der im Verfahren vor dem SG abgegebenen sachverständigen Zeugenauskünften des Dr. M. und des Dr. F. vom 26. Januar 2011 sowie den im SG-Verfahren von Dr. B. und Dr. H. erstatteten Gutachten vom 31. Juli 2011 und vom 30. November 2011.
Auf neurologisch-psychiatrischem und schmerztherapeutischem Fachgebiet leidet der Kläger an einer undifferenzierten Somatisierungsstörung und einer allenfalls leichten depressiven Episode sowie einem chronischen Spannungskopfschmerz. Des Weiteren besteht eine Insomnie. Für den Senat ergibt sich dies aus dem im Verwaltungsverfahren beigezogenen Gutachten des Dr. F. vom 9. Mai 2008, dem beigezogenen Reha-Entlassungsbericht des Dr. E. vom 30. Juni 2008, im Verfahren vor dem SG eingeholten Gutachten des Dr. B. vom 31. Juli 2011 und des Dr. H. vom 30. November 2011 sowie der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. F. vom 26. Januar 2011.
Internistischerseits leidet der Kläger an einer rezidivierenden Magenfunktionsstörungen, einer Fettstoffwechselstörung bei Adipositas, einem Beinödem, Hyperlipoproteinämie, Hypercholesterinämie und Hypertriglyzeridämie. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. F. vom 9. Mai 2008, dem Reha-Entlassungsbericht des Dr. E. vom 30. Juni 2008 sowie der im Verfahren vor dem SG eingeholten sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. F. vom 26. Januar 2011.
Der Kläger leidet zudem an einer Prostataverkalkung. Dies ergibt sich aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. F. vom 26. Januar 2011.
b) Aufgrund der genannten Gesundheitsbeeinträchtigungen ergeben sich - wie im Gutachten des Dr. B. vom 31. Juli 2011 schlüssig und nachvollziehbar dargelegt - vielschichtige Einschränkungen des qualitativen Leistungsvermögens. Nicht mehr leidensgerecht und nicht mehr dauerhaft zumutbar sind Arbeiten mit Heben, Tragen und/oder Bewegen von Lasten über 10 kg ohne mechanische Hilfsmittel, Arbeiten in gebückter, vorn übergebeugter oder sonstiger Zwangshaltung des Achsorgans, Arbeiten in Rückneigung des Kopfes (Überkopftätigkeit), ständig stehende und gehende Tätigkeiten, Arbeiten in kniender und hockender Stellung sowie Arbeiten und Einfluss vertikaler Teil- oder Ganzkörperschwingungen. Ferner sollte der Kläger Tätigkeiten die mit dem Besteigen von Leitern und Gerüsten verbunden sind sowie Arbeiten mit häufiger oder ständiger Exposition von Nässe, Kälte und/oder Zugluft ebenso vermeiden wie Arbeiten an gefährdenden Maschinen sowie Arbeiten unter hohem Zeitdruck und hoher Stressbelastung (z.B. Akkord- und Fließbandarbeit, Nachtschichttätigkeit). Berücksichtigung finden sollte, dass Tätigkeiten im Wechselrhythmus von Sitzen, Stehen und Gehen, vorzugsweise in Tag- oder Wechselschicht sowie in geschlossenen und temperierten Räumen ausgeübt werden.
Die beim Kläger als rentenrechtlich relevant zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen führen nach Überzeugung des Senats jedoch zu keiner Einschränkung des Leistungsvermögens in quantitativer Hinsicht. Der Kläger ist vielmehr in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich an fünf Tagen in der Woche zu verrichten.
Insoweit ergibt sich auch aus den von Prof. Dr. B. im Rahmen der im April 2013 erfolgten Begutachtung des Klägers (unter Bezugnahme auf das im Verfahren L 3 SB 3845/11 eingeholte Gutachten) erhobenen Befunde keine quantitative Leistungsreduzierung. Prof. Dr. B. hatte insoweit ausgeführt, der Kläger leide an einer Traumafolgestörung mit Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung auf dem Boden eines Berufsunfalls (5/2009) verknüpft mit Intrusionen, Flashbacks und typisch vegetativer Symptomatik (Herzrasen, Schweißausbrüche, Hyperventilationsneigung), einer mittelschwer depressiven Symptomatik sowie Nikotinabusus. Des Weiteren bestehe beim Kläger ein chronifiziertes Schmerzsyndrom nach Gerbershagen polytop (lumbal, muskuloskelettal, zephalobrachial) sowie ein chronifiziertes Kopfschmerz-syndrom mit Spannungskomponente, migränoider und medikamenteninduzierter Komponente sowie eine somatoforme Schmerzstörungskomponente. Auf neurologischem Gebiet (fachfremd) bestehe ein mittelschweres Restless-Legs-Syndrom sowie auf HNO-ärztlichem Fachgebiet ein Tinnitus. Der Kläger sei allgemein noch mit Mühe alltags- und reisefähig. Auf Grund der Medikation einerseits aber auch auf Grund der psychiatrischen Beeinträchtigungen andererseits sei er verlangsamt, habe Konzentrationsstörungen, leide unter Vergesslichkeit. Der Elan sei vital, die spontane Impulsbildung, Durchhaltevermögen, Adaptionsfähigkeit, kognitive Wendigkeit und Kreativität seien deutlich reduziert. Die Abwehr von Suizidgedanken koste ihn psychische Energie. Dennoch seien Tätigkeiten ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit in kompensierten Phasen möglich. Insoweit könne nach Untersuchung und Befragung festgehalten werden, dass er an 4-5 Tagen im Monat in einer etwas besseren Befindlichkeit sei und sich in diesen Tagen auch eine Tätigkeit von zwei bis drei Stunden im Sitzen (z.B. leichte Sortiertätigkeiten, Pförtnertätigkeiten) vorstellen könne.
Nicht nachvollziehbar ist für den Senat, weshalb die Diagnose der Traumafolgestörung mit Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung auf dem Boden eines Berufsunfalls (5/2009) erstmals eine so zentrale Rolle spielt, obschon sie in keiner der vorherigen Begutachtungssituationen bislang deutlich thematisiert worden war. Auch ist der durch den Sachverständigen Prof. Dr. B. erhobene körperliche Untersuchungsbefund einschließlich der neurologischen Prüfung unauffällig. Dies wird im Rahmen der Beurteilung des beim Kläger vorhandenen Restleistungsvermögens jedoch nicht weiter berücksichtigt. Nicht nachvollziehbar ist für den Senat zudem die Diskrepanz zwischen der Verhaltensbeobachtung in den psychologischen Testverfahren und der Einschätzung des Sachverständigen, die Konzentration des Klägers sei gemindert. Denn trotz zahlreicher psychologischer Testverfahren erledigte der Kläger nach den Feststellungen im Gutachten des Sachverständigen "ohne größere Beschwerden". Auch weicht die nach ICD-10 F32.0 als "erstmalig auftretende leichte depressive Episode" verschlüsselte Erkrankung von der tatsächlich gestellten Diagnose einer "mittelschweren depressiven Symptomatik, welche anhält" ab. Eine nachvollziehbare Begründung dieser abweichenden Beurteilung liefert der Sachverständige auch im Rahmen seiner ergänzenden Stellungnahme vom 9. September 2014 hierzu nicht. Offen bleibt auch, aus welchen Befunden der Sachverständige ein im Übrigen fachfremd angenommenes mittelschweres Restless-Legs-Syndrom herleitet. Nicht klar ist zudem, weswegen der Sachverständige von einem "austherapierten" Patienten ausgeht, wo der Kläger noch im Rahmen der Anamnese schilderte, keine Psychotherapie in Anspruch zu nehmen. Aus den vorliegenden Akten ergibt sich nur eine einmalige Untersuchung bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. am 11. Januar 2011 (Arztbrief vom 25. Januar 2011). Selbst unter Berücksichtigung eines vom Sachverständigen fachfremd diagnostizierten Tinnitus ist im Ergebnis nicht von einer quantitativen Leistungsminderung auf unter sechs Stunden täglich auszugehen.
Entgegenstehende ärztliche Äußerungen führen ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung des dem Kläger verbliebenen Restleistungsvermögens. Der den Kläger behandelnde Dr. R. hat sich außer Stande gesehen, eine Einschätzung zum bestehenden Restleistungsvermögen des Klägers abzugeben. Dr. M. hat keine nachvollziehbare Begründung für die von ihm angenommene zeitliche Einschränkung auf drei bis unter sechs Stunden angegeben. Dr. F. hat angenommen, dass der Kläger noch leichte Tätigkeiten drei bis sechs Stunden täglich ausüben könne. Diese Formulierung umfasst grundsätzlich auch eine Leistungsfähigkeit für die Ausübung einer angemessenen Beschäftigung von täglich sechs Stunden.
Im Hinblick auf die überzeugenden und übereinstimmenden Ausführungen der Dres. F., E., B. und H. führt auch der Vortrag des Klägers, den beim LSG geführten Rechtsstreiten in der Unfallversicherungs- und Schwerbehindertenangelegenheit könne entnommen werden, dass ihm auch eine quantitative Leistungsminderung zuerkannt werden müsse, nicht zu einer abweichenden sozialmedizinischen Beurteilung. Die dort festgestellten Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes des Klägers wurden im vorliegenden Verfahren umfänglich erfasst und führen lediglich zu einer qualitativen Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Klägers. Zu berücksichtigen ist hierbei auch, dass die Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) im Unfallversicherungsrecht und der Grad der Behinderung (GdB) im Bereich der Feststellung einer Schwerbehinderteneigenschaft einem anderen Bewertungsregime als demjenigen des Rentenversicherungsrechts folgt und insoweit keine Übertragung entsprechender Leistungsbeurteilungen erfolgen kann.
c) Ob dem Kläger ein Arbeitsplatz vermittelt werden kann oder nicht, ist für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht erheblich. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Maßgebend ist, ob der Kläger mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, er also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann (vgl. z.B. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 13 R 78/09 R -; in juris). Dies bejaht der Senat wie zuvor dargelegt.
d) Eine konkrete Verweisungstätigkeit müsste dem Kläger nur benannt werden, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG a.a.O.). In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten. Dies ist nicht der Fall. Beim Kläger liegen zwar - wie dargelegt - einige qualitative Leistungseinschränkungen vor, diese sind jedoch nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können - unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände - beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R -; in juris m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist beim Kläger vorhanden.
e) Auch die rentenrechtlich relevante Wegefähigkeit ist nicht beeinträchtigt. Der Kläger kann in zumutbarer Zeit (innerhalb von 20 Minuten) einen üblichen Weg zur Arbeitsstelle oder zu Haltestellen von öffentlichen Verkehrsmitteln zu Fuß (über 500 Meter, viermal täglich) zurücklegen und öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Für eine aufgehobene Wegefähigkeit erbrachte keine der gutachterlichen Untersuchungen objektive Befunde. Der Senat stützt sich insoweit auf die Gutachten des Dr. B. vom 31. Juli 2011 und des Dr. H. vom 30. November 2011.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
4. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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