Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
57
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 57 AL 1275/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 07.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2010 verurteilt, dem Kläger Insolvenzgeld zu gewähren.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Bewilligung von Insolvenzgeld.
Der Kläger war gemeinsam mit einer weiteren Person alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der F. GmbH und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Alleiniger Gesellschafter der F.GmbH war seit 01.04.2007 die F. Deutschland AG und das Stammkapital wurde zu 100 % von dieser gehalten. Gegenstand des Unternehmens ist der Vertrieb und die Entwicklung von EDV-Software, Beratung und Konzeptentwicklung für softwaregestützte Prozesse sowie die Wartung und Pflege von Programmen. Gegründet hatte die GmbH im Jahr 2002 der Kläger und sie im Jahr 2006 an die F. Corporation veräußert.
Laut Anstellungsvertrag vom 01.12.2006 bedurfte der Kläger für alle Geschäfte und Maßnahmen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbereich der Gesellschaft hinausgehen, der ausdrücklichen vorherigen Zustimmung der Gesellschafter, wobei der Vertrag eine Aufzählung bestimmter Geschäfte enthielt. Die regelmäßige Arbeitszeit betrug zuletzt 28 Stunden pro Woche, wobei er sich verpflichtete, soweit erforderlich auch über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus für die Gesellschaft tätig zu sein. Dem Kläger standen zudem 30 Urlaubstage zu. Es war ein festes Jahresgehalt zahlbar in 12 Monatsraten vereinbart (bei Vertragsbeginn 60.000 EUR, später 7.000 EUR pro Monat) sowie eine variable Vergütung. Laut Satzung der Gesellschaft hatten die Geschäftsführer der Gesellschaft den Jahresabschluss, bestehend aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung aufzustellen. Über die Ergebnisverwendung beschloss die Gesellschafterversammlung (§ 12 der Satzung). Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 06.10.2009 wurde der Kläger mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer abberufen. Mit Schreiben vom 20.10.2009 wurde dem Kläger auf der Basis des Beschlusses der Gesellschafterversammlung vom 06.10.2009 zum 31.01.2010 gekündigt. Am 31.03.2010 wurde das Insolvenzverfahren gegen die F. GmbH eröffnet. Am 21.05.2010 beantragte der Kläger für die Zeit vom 01.11.2009 bis 31.01.2010 die Zahlung von Insolvenzgeld.
Mit Bescheid vom 07.09.2010 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Insolvenzgeld mit der Begründung ab, dass beim Kläger kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen habe und ihm somit die Arbeitnehmereigenschaft fehle. Er hätte seine Tätigkeit in der Gesellschaft frei bestimmen und gestalten können, u.a. Personal selbständig einstellen und entlassen und sei vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB befreit gewesen. Da er als alleiniger Geschäftsführer über die Führung des Unternehmens erforderliche einschlägige Branchenkenntnisse verfügt habe, seien die Gesellschafter nicht oder kaum in der Lage gewesen, ihm Weisungen zu erteilen.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Als Begründung wurde auf den Ausgangsbescheid verwiesen. Zudem habe der Kläger in seinem Feststellungsbogen selbst angegeben, seit 01.01.1998 bis "heute" selbständig zu sein. Auch hieran müsse er sich messen lassen.
Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner Klage vom 27.12.2010. Er begehrt die Bewilligung von Insolvenzgeld. Er trägt vor, dass er Arbeitnehmer gewesen sei. Er habe die Firma G. GmbH zwar gegründet, allerdings im Jahre 2006 sämtliche Gesellschaftsanteile an die Firma F. AG veräußert. Im Zusammenhang mit der Veräußerung sei er als Geschäftsführer angestellt worden und zwar mit Anstellungsvertrag vom 01.12.2006. Anfang 2009 sei ein weiterer Geschäftsführer bestimmt worden, der im Laufe des Jahres die Geschäfte an sich gezogen und die Buchhaltung zur F. Deutschland AG verlagert habe. Er habe deshalb sein Amt als Geschäftsführer ausdrücklich niedergelegt. Der Anstellungsvertrag sei hiervon unberührt geblieben. Der Kläger beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 07.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2010 zu verurteilen, dem Kläger Insolvenzgeld zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung trägt sie vor, dass der Insolvenzverwalter und Beigeladene die Erstellung einer Insolvenzgeldbescheinigung mangels Arbeitnehmerqualität des Klägers verweigert habe. Auf das Geschäftsführergehalt des Klägers seien zudem keine Sozialabgaben entrichtet worden. Die von ihr geforderten Unterlagen zur weiteren Prüfung seien vom Kläger zudem nicht vorgelegt worden. Im Feststellungsbogen habe er zudem angegeben, eine selbständige Tätigkeit auszuüben.
Der Beigeladene hat mitgeteilt, dass ihm ein Anstellungsvertrag nicht vorgelegen habe und nicht vorliege. Ihm sei auch nicht bekannt, welche Regelungen dort enthalten seien und insbesondere, wie das Dienstverhältnis zwischen dem Kläger und der Insolvenzschuldnerin tatsächlich gelebt worden sei. Aus dem ihm vorliegenden Lohnkontoauszügen des Klägers für das gesamte Jahr 2009 sei aber ersichtlich, dass für den Kläger im gesamten Jahr 2009 keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden seien. Es sei daher davon auszugehen, dass der Kläger nicht in einem sozialversicherungspflichten Beschäftigungsverhältnis gestanden habe und demnach keinen Anspruch auf Insolvenzgeld gehabt habe.
Die Beteiligten wurden mit Schreiben des Gerichts darüber informiert, dass das Gericht beabsichtigt, gem. § 105 SGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 07.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2010, mit dem die Beklagte die Bewilligung von Insolvenzgeld abgelehnt hat. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid erklärt.
1. Der Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Insolvenzgeld zu.
Anspruch auf Insolvenzgeld haben nach § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III Arbeitnehmer, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.
Der Kläger ist Arbeitnehmer im Sinne des § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III gewesen. Der durch die Insolvenzgeld-Vorschriften nicht geregelte Begriff des Arbeitnehmers ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) anhand der Vorschriften über die Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung zu konkretisieren (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 4. Juli 2007 – B 11a AL 5/06 R, SozR 4 – 2400 § 7 Nr. 8). Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III sind Personen versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Die Beschäftigung wird in § 7 SGB IV, der gemäß § 1 Abs. 1 SGB IV auch für die Arbeitsförderung gilt, gesetzlich definiert. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Arbeitnehmer ist hiernach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Erforderlich ist insbesondere eine Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung umfassendes Weisungsrecht des Arbeitgebers (BSG, Urteil vom 31. Juli 1974, 12 RK 26/72, BSGE 38, 53, 57 = SozR 4600 § 56 Nr. 1; Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R, SozR 4 - 2400 § 7 Nr. 7). Demgegenüber ist die selbständige Tätigkeit in erster Linie durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (siehe zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Nicht entscheidend ist bei dieser Abgrenzung, ob für den Beschäftigten Sozialversicherungsbeiträge gezahlt wurden oder nicht.
Das BSG hat diese Grundsätze in ständiger Rechtsprechung auch bei Organen juristischer Personen angewandt. Auch insoweit ist entscheidend, ob sie von der Gesellschaft persönlich abhängig sind. Bei den Organen juristischer Personen, zu denen auch Geschäftsführer einer GmbH gehören, ist eine abhängige Beschäftigung im Sinne der Sozialversicherung nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil sie gemäß § 5 Abs 1 Satz 3 ArbGG arbeitsrechtlich nicht als Arbeitnehmer der Gesellschaft gelten. Diese Regelung beschränkt sich auf das ArbGG und hat keine Bedeutung für das Sozialversicherungsrecht (BSG, Urteil vom 24. Juni 1982 - 12 RK 45/80 in USK 82160, S 728 zum Geschäftsführer einer GmbH; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 18 zum Vorstand eines eingetragenen Vereins). Ebenso wenig steht der Zugehörigkeit von Geschäftsführern oder Vorständen einer juristischen Person zu ihren Beschäftigten entgegen, dass sie im Verhältnis zu sonstigen Arbeitnehmern Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (BSG, Urteil vom 24. Juni 1982 - 12 RK 45/80 in USK 82160, S 728; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 18) und sie in der Regel keinen Weisungen Dritter bezüglich Zeit, Art und Ort ihrer Arbeitsleistung unterliegen. Das BSG hat demgemäß bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH, die also am Kapital der Gesellschaft nicht beteiligt sind, regelmäßig eine abhängige Beschäftigung angenommen (BSG SozR Nr 22 zu § 3 AVG; zustimmend BSG, Urteil vom 24. Juni 1982 - 12 RK 45/80 in USK 82160, S 729 und BSG, Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 10/01). Es hat sie bei diesem Personenkreis nur unter besonderen Umständen verneint (BSGE 66, 168, 171 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4 mwN), insbesondere bei Geschäftsführern, die mit den Gesellschaftern familiär verbunden waren und die Geschäfte faktisch wie Alleininhaber nach eigenem Gutdünken führten (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1987 - 7 RAr 25/86 in USK 87170, S 827). An einer abhängigen Beschäftigung kann es daher fehlen, wenn ein externer Geschäftsführer in der GmbH "schalten und walten" kann, wie er will, weil er die Gesellschafter persönlich dominiert oder weil sie wirtschaftlich von ihm abhängig ist (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 – B 12 KR 10/01 R –, juris).
Im vorliegenden Fall ist unter Anwendung dieser Grundsätze von einer abhängigen Beschäftigung des Klägers auszugehen. Der Kläger erhält eine feste monatliche Vergütung und er hat Anspruch auf bezahlten jährlichen Erholungsurlaub. Er ist am Stammkapital der Gesellschaft nicht beteiligt. Er kann zwar im täglichen Dienstbetrieb im Wesentlichen frei walten und schalten und was Ort, Zeit und Dauer seiner Arbeitsleistung betrifft, weitgehend weisungsfrei agieren sowie kann Personal eigenverantwortlich einstellen, dies spricht jedoch nicht gegen eine abhängige Beschäftigung, wenn es sich wie hier um Dienste höherer Art handelt, die fremdbestimmt bleiben, sie also in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (vgl. BSG SozR 3-2940 § 3 Nr 2 S 9; BSG v. 18.12.2001 – B 12 KR 10/01 R). Weiterhin hat er auf die Ergebnisverwendung der Gewinne der Gesellschaft keinen Einfluss. Für alle Geschäfte und Maßnahmen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbereich der Gesellschaft hinausgehen sowie für verschiedene andere Rechtsgeschäfte, wie etwa bei Veräußerung des Unternehmens im Ganzen oder von wesentlichen Teilen, den Erwerb und alle Verfügungen über Grundstücke, Aufnahme eines neuen Geschäftszweigs, die Errichtung und Aufhebung von Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften, die Aufnahme und Kündigung von Darlehen und sonstigen Krediten für die Gesellschaft sowie die Übernahme fremder Verbindlichkeiten, bedarf er der Zustimmung der Gesellschafter. Damit verfügte der Kläger - unabhängig von der eingeräumten Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierungszwangs (§ 181 BGB) – nicht über eine Rechtsposition, in der er weitgehend schalten und walten konnte, wie er wollte. Diese Gesamtumstände sprechen vorliegend eindeutig für eine abhängige Beschäftigung und die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers.
Der Anstellungsvertrag des Klägers wurde zum 31.01.2010 gekündigt. Da er unter Fortzahlung seiner Vergütung freigestellt worden war, besaß er bis zu diesen Zeitpunkt auch einen Anspruch auf Arbeitsentgelt. Diese Arbeitsentgeltzahlungen wurden gegenüber dem Kläger auch nicht beglichen, wie die von ihm vorgelegten Kontoauszüge belegen. Der Insolvenzgeldzeitraum umfasst damit die Zeit vom 01.11.2009 bis 31.01.2010.
Die Klage ist daher begründet.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
3. Die Berufung ist statthaft, da der dem Klagebegehren zugrundeliegende Streitgegenstand die Berufungssumme von 750 EUR überschreitet (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG).
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Bewilligung von Insolvenzgeld.
Der Kläger war gemeinsam mit einer weiteren Person alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der F. GmbH und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Alleiniger Gesellschafter der F.GmbH war seit 01.04.2007 die F. Deutschland AG und das Stammkapital wurde zu 100 % von dieser gehalten. Gegenstand des Unternehmens ist der Vertrieb und die Entwicklung von EDV-Software, Beratung und Konzeptentwicklung für softwaregestützte Prozesse sowie die Wartung und Pflege von Programmen. Gegründet hatte die GmbH im Jahr 2002 der Kläger und sie im Jahr 2006 an die F. Corporation veräußert.
Laut Anstellungsvertrag vom 01.12.2006 bedurfte der Kläger für alle Geschäfte und Maßnahmen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbereich der Gesellschaft hinausgehen, der ausdrücklichen vorherigen Zustimmung der Gesellschafter, wobei der Vertrag eine Aufzählung bestimmter Geschäfte enthielt. Die regelmäßige Arbeitszeit betrug zuletzt 28 Stunden pro Woche, wobei er sich verpflichtete, soweit erforderlich auch über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus für die Gesellschaft tätig zu sein. Dem Kläger standen zudem 30 Urlaubstage zu. Es war ein festes Jahresgehalt zahlbar in 12 Monatsraten vereinbart (bei Vertragsbeginn 60.000 EUR, später 7.000 EUR pro Monat) sowie eine variable Vergütung. Laut Satzung der Gesellschaft hatten die Geschäftsführer der Gesellschaft den Jahresabschluss, bestehend aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung aufzustellen. Über die Ergebnisverwendung beschloss die Gesellschafterversammlung (§ 12 der Satzung). Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 06.10.2009 wurde der Kläger mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer abberufen. Mit Schreiben vom 20.10.2009 wurde dem Kläger auf der Basis des Beschlusses der Gesellschafterversammlung vom 06.10.2009 zum 31.01.2010 gekündigt. Am 31.03.2010 wurde das Insolvenzverfahren gegen die F. GmbH eröffnet. Am 21.05.2010 beantragte der Kläger für die Zeit vom 01.11.2009 bis 31.01.2010 die Zahlung von Insolvenzgeld.
Mit Bescheid vom 07.09.2010 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Insolvenzgeld mit der Begründung ab, dass beim Kläger kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen habe und ihm somit die Arbeitnehmereigenschaft fehle. Er hätte seine Tätigkeit in der Gesellschaft frei bestimmen und gestalten können, u.a. Personal selbständig einstellen und entlassen und sei vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB befreit gewesen. Da er als alleiniger Geschäftsführer über die Führung des Unternehmens erforderliche einschlägige Branchenkenntnisse verfügt habe, seien die Gesellschafter nicht oder kaum in der Lage gewesen, ihm Weisungen zu erteilen.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Als Begründung wurde auf den Ausgangsbescheid verwiesen. Zudem habe der Kläger in seinem Feststellungsbogen selbst angegeben, seit 01.01.1998 bis "heute" selbständig zu sein. Auch hieran müsse er sich messen lassen.
Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner Klage vom 27.12.2010. Er begehrt die Bewilligung von Insolvenzgeld. Er trägt vor, dass er Arbeitnehmer gewesen sei. Er habe die Firma G. GmbH zwar gegründet, allerdings im Jahre 2006 sämtliche Gesellschaftsanteile an die Firma F. AG veräußert. Im Zusammenhang mit der Veräußerung sei er als Geschäftsführer angestellt worden und zwar mit Anstellungsvertrag vom 01.12.2006. Anfang 2009 sei ein weiterer Geschäftsführer bestimmt worden, der im Laufe des Jahres die Geschäfte an sich gezogen und die Buchhaltung zur F. Deutschland AG verlagert habe. Er habe deshalb sein Amt als Geschäftsführer ausdrücklich niedergelegt. Der Anstellungsvertrag sei hiervon unberührt geblieben. Der Kläger beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 07.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2010 zu verurteilen, dem Kläger Insolvenzgeld zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung trägt sie vor, dass der Insolvenzverwalter und Beigeladene die Erstellung einer Insolvenzgeldbescheinigung mangels Arbeitnehmerqualität des Klägers verweigert habe. Auf das Geschäftsführergehalt des Klägers seien zudem keine Sozialabgaben entrichtet worden. Die von ihr geforderten Unterlagen zur weiteren Prüfung seien vom Kläger zudem nicht vorgelegt worden. Im Feststellungsbogen habe er zudem angegeben, eine selbständige Tätigkeit auszuüben.
Der Beigeladene hat mitgeteilt, dass ihm ein Anstellungsvertrag nicht vorgelegen habe und nicht vorliege. Ihm sei auch nicht bekannt, welche Regelungen dort enthalten seien und insbesondere, wie das Dienstverhältnis zwischen dem Kläger und der Insolvenzschuldnerin tatsächlich gelebt worden sei. Aus dem ihm vorliegenden Lohnkontoauszügen des Klägers für das gesamte Jahr 2009 sei aber ersichtlich, dass für den Kläger im gesamten Jahr 2009 keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden seien. Es sei daher davon auszugehen, dass der Kläger nicht in einem sozialversicherungspflichten Beschäftigungsverhältnis gestanden habe und demnach keinen Anspruch auf Insolvenzgeld gehabt habe.
Die Beteiligten wurden mit Schreiben des Gerichts darüber informiert, dass das Gericht beabsichtigt, gem. § 105 SGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 07.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2010, mit dem die Beklagte die Bewilligung von Insolvenzgeld abgelehnt hat. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid erklärt.
1. Der Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Insolvenzgeld zu.
Anspruch auf Insolvenzgeld haben nach § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III Arbeitnehmer, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.
Der Kläger ist Arbeitnehmer im Sinne des § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III gewesen. Der durch die Insolvenzgeld-Vorschriften nicht geregelte Begriff des Arbeitnehmers ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) anhand der Vorschriften über die Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung zu konkretisieren (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 4. Juli 2007 – B 11a AL 5/06 R, SozR 4 – 2400 § 7 Nr. 8). Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III sind Personen versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Die Beschäftigung wird in § 7 SGB IV, der gemäß § 1 Abs. 1 SGB IV auch für die Arbeitsförderung gilt, gesetzlich definiert. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Arbeitnehmer ist hiernach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Erforderlich ist insbesondere eine Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung umfassendes Weisungsrecht des Arbeitgebers (BSG, Urteil vom 31. Juli 1974, 12 RK 26/72, BSGE 38, 53, 57 = SozR 4600 § 56 Nr. 1; Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R, SozR 4 - 2400 § 7 Nr. 7). Demgegenüber ist die selbständige Tätigkeit in erster Linie durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (siehe zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Nicht entscheidend ist bei dieser Abgrenzung, ob für den Beschäftigten Sozialversicherungsbeiträge gezahlt wurden oder nicht.
Das BSG hat diese Grundsätze in ständiger Rechtsprechung auch bei Organen juristischer Personen angewandt. Auch insoweit ist entscheidend, ob sie von der Gesellschaft persönlich abhängig sind. Bei den Organen juristischer Personen, zu denen auch Geschäftsführer einer GmbH gehören, ist eine abhängige Beschäftigung im Sinne der Sozialversicherung nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil sie gemäß § 5 Abs 1 Satz 3 ArbGG arbeitsrechtlich nicht als Arbeitnehmer der Gesellschaft gelten. Diese Regelung beschränkt sich auf das ArbGG und hat keine Bedeutung für das Sozialversicherungsrecht (BSG, Urteil vom 24. Juni 1982 - 12 RK 45/80 in USK 82160, S 728 zum Geschäftsführer einer GmbH; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 18 zum Vorstand eines eingetragenen Vereins). Ebenso wenig steht der Zugehörigkeit von Geschäftsführern oder Vorständen einer juristischen Person zu ihren Beschäftigten entgegen, dass sie im Verhältnis zu sonstigen Arbeitnehmern Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (BSG, Urteil vom 24. Juni 1982 - 12 RK 45/80 in USK 82160, S 728; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 18) und sie in der Regel keinen Weisungen Dritter bezüglich Zeit, Art und Ort ihrer Arbeitsleistung unterliegen. Das BSG hat demgemäß bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH, die also am Kapital der Gesellschaft nicht beteiligt sind, regelmäßig eine abhängige Beschäftigung angenommen (BSG SozR Nr 22 zu § 3 AVG; zustimmend BSG, Urteil vom 24. Juni 1982 - 12 RK 45/80 in USK 82160, S 729 und BSG, Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 10/01). Es hat sie bei diesem Personenkreis nur unter besonderen Umständen verneint (BSGE 66, 168, 171 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4 mwN), insbesondere bei Geschäftsführern, die mit den Gesellschaftern familiär verbunden waren und die Geschäfte faktisch wie Alleininhaber nach eigenem Gutdünken führten (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1987 - 7 RAr 25/86 in USK 87170, S 827). An einer abhängigen Beschäftigung kann es daher fehlen, wenn ein externer Geschäftsführer in der GmbH "schalten und walten" kann, wie er will, weil er die Gesellschafter persönlich dominiert oder weil sie wirtschaftlich von ihm abhängig ist (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 – B 12 KR 10/01 R –, juris).
Im vorliegenden Fall ist unter Anwendung dieser Grundsätze von einer abhängigen Beschäftigung des Klägers auszugehen. Der Kläger erhält eine feste monatliche Vergütung und er hat Anspruch auf bezahlten jährlichen Erholungsurlaub. Er ist am Stammkapital der Gesellschaft nicht beteiligt. Er kann zwar im täglichen Dienstbetrieb im Wesentlichen frei walten und schalten und was Ort, Zeit und Dauer seiner Arbeitsleistung betrifft, weitgehend weisungsfrei agieren sowie kann Personal eigenverantwortlich einstellen, dies spricht jedoch nicht gegen eine abhängige Beschäftigung, wenn es sich wie hier um Dienste höherer Art handelt, die fremdbestimmt bleiben, sie also in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (vgl. BSG SozR 3-2940 § 3 Nr 2 S 9; BSG v. 18.12.2001 – B 12 KR 10/01 R). Weiterhin hat er auf die Ergebnisverwendung der Gewinne der Gesellschaft keinen Einfluss. Für alle Geschäfte und Maßnahmen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbereich der Gesellschaft hinausgehen sowie für verschiedene andere Rechtsgeschäfte, wie etwa bei Veräußerung des Unternehmens im Ganzen oder von wesentlichen Teilen, den Erwerb und alle Verfügungen über Grundstücke, Aufnahme eines neuen Geschäftszweigs, die Errichtung und Aufhebung von Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften, die Aufnahme und Kündigung von Darlehen und sonstigen Krediten für die Gesellschaft sowie die Übernahme fremder Verbindlichkeiten, bedarf er der Zustimmung der Gesellschafter. Damit verfügte der Kläger - unabhängig von der eingeräumten Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierungszwangs (§ 181 BGB) – nicht über eine Rechtsposition, in der er weitgehend schalten und walten konnte, wie er wollte. Diese Gesamtumstände sprechen vorliegend eindeutig für eine abhängige Beschäftigung und die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers.
Der Anstellungsvertrag des Klägers wurde zum 31.01.2010 gekündigt. Da er unter Fortzahlung seiner Vergütung freigestellt worden war, besaß er bis zu diesen Zeitpunkt auch einen Anspruch auf Arbeitsentgelt. Diese Arbeitsentgeltzahlungen wurden gegenüber dem Kläger auch nicht beglichen, wie die von ihm vorgelegten Kontoauszüge belegen. Der Insolvenzgeldzeitraum umfasst damit die Zeit vom 01.11.2009 bis 31.01.2010.
Die Klage ist daher begründet.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
3. Die Berufung ist statthaft, da der dem Klagebegehren zugrundeliegende Streitgegenstand die Berufungssumme von 750 EUR überschreitet (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
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