S 14 VJ 30/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
14
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 14 VJ 30/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 VJ 46/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob beim Kläger als rheumatoide Arthritis zu diagnostizierende Gesundheitsstörungen als Impfschadensfolge nach den Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) anzuerkennen sind und ihm deshalb Versorgung zu gewähren ist.

Bei dem am 00.00.1938 geborenen Kläger erfolgten ausweislich seines Impfbuches am 23.03., 21.04. und 28.10.1998 Impfungen gegen Tetanus mit Tetanol, dabei am 23.03.1998 kombiniert mit Tetagam. Nach Angaben des Klägers handelte es sich um eine Auffrischungsimpfung ohne konkreten Verletzungsanlass, nach späteren Angaben der Ehefrau um eine Grundimpfung.

Mit seinem im Juni 2006 gestellten Antrag auf Gewährung von Versorgung unter Anerkennung eines Impfschadens machte der Kläger geltend, seit Juni 1998 seien bei ihm auffällig hohe BSG (Blutsenkungsgeschwindigkeit) und CRP (C-reaktives Protein) -Werte als Ausdruck einer entzündlichen Erkrankung festgestellt worden; er leide seitdem unter ständigen Schmerzen der Muskel, Füße, Beine, Knie, Schulter und Kopf, wobei Rheumafaktoren negativ gewesen seien.

Aus den vom Kläger vorgelegten und vom Beklagten beigezogenen ärztlichen Behandlungsunterlagen und eingeholten Berichten der den Kläger behandelnden Ärzte ergibt sich im Wesentlichen: Zu Pfingsten 1998 (Ende Mai) traten unvermittelt Schmerzen mit Ausstrahlung in den Rücken, Oberschenkel und beide Füße auf (Bericht des Krankenhauses S über dortige stationäre Behandlung des Klägers vom 22.11. bis 05.12.1998); bis Mai, so berichtete der Kläger, sei er vollständig gesund und leistungsfähig gewesen (Bericht der Schmerzklinik L über dortige Behandlung vom 02. bis 29.05.2001). Im Rahmen der Behandlung im Krankenhaus S wurde der Kläger mit Glucocortikoiden (Prednisolon) unter der Diagnosestellung einer Polymyalgia rheumatica (PMR) behandelt, worunter es zu einer raschen Besserung der Beschwerden kam. Seit 2001 beklagte der Kläger vermehrte Gelenkschwellungen in Hand, Fingern, Knien und Füßen, aufgrund derer nunmehr die Diagnose eine seronegativen Polyarthritis (auch rheumatoide Arthritis -RA-) bei rascher Progredienz gestellt wurde.

Nach Beiziehung der beim Versorgungsamt C geführten Schwerbehindertenakten sowie Einholung von Herstellerauskünften der verwendeten Impfseren (Auskünfte vom 13.12.2006 und 25.04.2007 der C1 GmbH, N) vertrat Dr. I, Ärztlicher Dienst des Versorgungsamtes C, die Auffassung, die Nebenwirkungen der verwandten Seren gingen über vorübergehende Beschwerden wie Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Unwohlsein, Übelkeit, Erbrechen sowie Gelenk- und Rückenschmerzen nicht hinaus; ein Zusammenhang einer Erkrankung des rheumatischen Formenkreises nach einer Tetanusimpfung sei in der medizinischen Wissenschaft nicht bekannt; die Ursachen solcher Erkrankungen seien ungeklärt, diskutiert werde ein Ursachenbündel, wobei eine genetische Disposition gesichert sei; in Anbetracht der Häufigkeit von Tetanus/Tetagam-Impfungen und auch der RA sei allein die Tatsache, dass ein Zusammenhang dieser nicht in der medizinischen Wissenschaft beschrieben werde, Beleg dafür, dass ein solcher nicht wahrscheinlich sei; im Übrigen hätten bereits ausweislich der Schwerbehindertenakten seit 1997 Beschwerden im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates bestanden, welche Ausdruck der untypisch beginnenden, deshalb zunächst als PMR diagnostizierten Erkrankung gewesen seien.

Mit Bescheid vom 27.02.2007 lehnte das Versorgungsamt C daraufhin die Anerkennung der geltend gemachten Gesundheitsstörungen als Impfschaden und die Gewährung von Versorgung ab. Der hiergegen erhobene Widerspruch, mit welchem der Kläger geltend machte, andere ursächliche Erklärungen für die in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit den Impfungen aufgetretenen Beschwerden seien nicht ersichtlich, im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass er unnötigerweise anfänglich einer Kombinationsimpfung unterzogen wurde, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2007 zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die am 12.10.2007 erhobene Klage, mit welcher der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und seinen bisherigen Sachvortrag wiederholt.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 27.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2007 zu verurteilen, ihm unter Anerkennung seiner chronischen Polyarthritis als Impfschaden Versorgungsleistungen nach dem IfSG i.V.m. dem BVG nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bekräftigt seine Auffassung, ein ursächlicher Zusammenhang sei weder wahrscheinlich noch sei eine Anerkennung der geltend gemachten Gesundheitsstörungen im Rahmen der sog. Kannversorgung möglich; das betreffende Krankheitsbild sei als Folgeerscheinung einer Tetanusimpfung nicht bekannt, wissenschaftlich fundierte, einen Zusammenhang stützende Arbeitshypothesen lägen nicht vor. Dabei stützt er sich auf gutachterliche Stellungnahmen nach Aktenlage der leitenden Landesmedizinaldirektorin Dr. C2 am P-P1 (vom 02.03.2010 und 27.09.2010).

Das Gericht hat hinsichtlich des anfänglichen Beschwerde-/Erkrankungsverlaufes zunächst den Kläger persönlich gehört und sodann weitere Behandlungsberichte der den Kläger behandelnden Ärzte, insbesondere des Städtischen Krankenhauses H, in welchem der Kläger im August 1998 stationär behandelt worden war, ebenso wie die über ihn geführten Schwerbehindertenakten beigezogen. Nach Maßgabe der Beweisanordnungen vom 23.03.2009 und 24.11.2009 erhob das Gericht Beweis und holte von Amts wegen von Prof. Dr. T, Klinik für Immunologie und Rheumatologie der Medizinischen Hochschule I1, sowie auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz -SGG- von Dr. I2, X, fachärztliche Gutachten ein, in welchem diese hinsichtlich der Diagnostizierung der beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen als rheumatoide Arthritis mit polymyalgischem Vorstadium übereinstimmten, hinsichtlich der fraglichen Zusammenhangsbeurteilung jedoch divergierten. Prof. Dr. T vertrat die Auffassung, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Tetanusimpfung und RA sei nach aktuellem wissenschaftlichem Stand nicht belegt; die Ätiologie der Erkrankung sei multifaktoriell, die Auslösung der Autoimmunerkrankung durch einzelne Ursachen nicht begründbar; es handele sich um eine häufige Erkrankung des rheumatischen Formenkreises, welche sich auch im Falle des Klägers zum typischen Zeitpunkt manifestiert habe; epidemiologisch gesicherte, einen Zusammenhang nachweisende Studien fehlten. Demgegenüber vertrat Dr. I2 die Auffassung, der Zusammenhang zwischen Tetanusimpfung und rheumatoider Arthritis sei im Falle des Klägers zwar nicht mit Ergebnissen aus kontrollierten klinischen Studien zu belegen, was an der Seltenheit derartiger Ereignisse liege, im Falle einer Einzelfallbewertung sei jedoch ein Zusammenhang bei auch plausibelem Zeitintervall des Auftretens erster Symptome zur Tetanusimpfung wahrscheinlich; experimentelle Untersuchungen belegten sowohl, dass auch in Tetanusimpfstoff enthaltene Immunverstärker Einfluss auf die Immunabwehr auswirkten, als auch im Impfstoff enthaltene Quecksilberverbindungen als Konservierungsmittel autoimmune Erkrankungen auslösten; insoweit sei eine entscheidende Mitwirkung dieser Faktoren im Entstehungsprozess der Autoimmunerkrankung wahrscheinlich, auch wenn im Hinblick auf die Kombination dieser Faktoren hinreichende Untersuchungen deren Immunsystem schädigenden Potentials fehlten; in Tierversuchen sei jedoch belegt, dass beide Inhaltsstoffe autoimmune Erkrankungen auslösen könnten. Auf den näheren Inhalt der Gutachten von Prof. Dr. T vom 14.08.2009 nebst Ergänzung vom 08.10.2010 und Dr. I2 vom 10.02.2010 nebst Ergänzung vom 10.09.2010 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Richtiger Klagegegner ist seit dem 01.01.2008 der für den Kläger örtlich zuständige Landschaftsverband X1-M (vgl. BSG, Urteil vom 11.12.2008 -B 9 VS 1/08 R-).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der bei ihm als rheumatoide Arthritis diagnostizierten Gesundheitsstörungen als Folge der in 1998 durchgeführten Tetanusimpfungen. Er erfüllt weder die Voraussetzungen für die Gewährung einer Versorgung als Pflichtleistung gemäß § 60 Abs. 1 i.V.m. § 61 Satz 1 IfSG noch die der Kannversorgung nach § 60 Abs. 1 i.V.m. § 61 Satz 2 IfSG. Er ist von daher durch den angefochtenen Bescheid vom 27.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2007 nicht in seinen Rechten verletzt (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Gemäß § 60 Abs. 1 i.V.m. § 61 Satz 1 des am 01.01.2001 in Kraft getretenen Infektionsschutzgesetzes erhält derjenige, der durch eine Schutzimpfung, die von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde, einen Impfschaden erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieses Impfschadens auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Impfschaden ist nach der Legaldefinition des § 2 Nr. 11 IfSG eine über die übliche Impfreaktion hinausgehender Gesundheitsschaden. Der Versorgungsanspruch setzt voraus, dass durch eine Impfung eine gesundheitliche (Primär-) Schädigung eingetreten ist und dass Gesundheitsstörungen vorliegen, die als deren Folgen zu bewerten sind. Die Impfung als das schädigende Ereignis, der Impfschaden als die (Primär-) Schädigung und die Schädigungsfolgen müssen mit an Sicherheit grenzender, ernste, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit erwiesen sein (BSG, SozR 3850 § 51 Nr. 9). Lediglich für den Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und der (Primär-) Schädigung sowie zwischen dieser und den Schädigungsfolgen genügt es, wenn die Kausalität wahrscheinlich gemacht ist. Wahrscheinlich in diesem Sinne ist die Kausalität dann, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen sie spricht, d.h. die für den Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen und ernste Zweifel einer anderen Verursachung ausscheiden.

Der Kläger hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keinen Impfschaden im Sinne einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden Gesundheitsschädigung erlitten. Welche Impfreaktionen als Impfschaden anzusehen sind, lässt sich im Allgemeinen den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht entnehmen. Diese AHP geben den der herrschenden medizinischen Lehrmeinung entsprechenden aktuellen Kenntnis- und Wissenstand, u.a. über die Auswirkungen und Ursachen von Gesundheitsstörungen nach Impfungen, wieder. Die als medizinische Sachverständige tätigen Gutachter sind dabei an die in den AHP enthaltenen Erkenntnisse für Begutachtungen gebunden; sie wirken wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit und haben insoweit normähnlichen Charakter und sind im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen heranzuziehen (BSG, Urteil vom 27.08.1998 - B 9 VJ 2/97 R -).

In Ziffer 57.13 AHP 2005 sind Impfschäden nach Tetanus-Schutzimpfung insoweit beschrieben als: "Sehr selten Neuritis, Guillan-barre-Syndrom". Ein solcher Impfschaden steht hier nicht zu Diskussion, vielmehr die vom Kläger geltend gemachten, im Sinne einer chronischen Polyarthritis mit polymyalgischem Vorstadium diagnostizierten Gesundheitsstörungen. Diese Gesundheitsstörungen sind nach der derzeit herrschenden medizinischen Lehrmeinung nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die erfolgten Tetanus-Schutzimpfungen zurückzuführen. In diesem Sinne stimmen beide Sachverständige darin überein, dass die Ätiologie der rheumatoiden Arthritis als Autoimmunerkrankung ungeklärt ist und insoweit lediglich bekannt ist, dass es sich um eine fehlgesteuerte Immunreaktion handelt, bei welcher aufgrund der Multifaktorität verschiedene prädispotive Faktoren und Auslöser in Betracht kommen. Ein insoweit wissenschaftlich belegbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen einer durchgeführten Tetanusimpfung und der rheumatoiden Arthritis ist dabei nicht belegt und stellt jedenfalls keine herrschende ärztlich-wissenschaftliche Lehrmeinung, welche nach oben Ausgeführtem erforderlich wäre, dar. Epidemiologische Studien, welche einen derartigen Zusammenhang stützen könnten, bestehen nicht, was Prof. Dr. T insbesondere in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 08.04.2010 eingehend und überzeugend dargelegt hat. Soweit Dr. I2 hierzu bei grundsätzlicher Übereinstimmung anmerkt, dies liege an der "Seltenheit solcher Ereignisse", ist im Gegenteil hierzu darauf hinzuweisen, dass in Anbetracht der Häufigkeit des Auftretens der rheumatoiden Arthritis und des Umstandes, dass die Tetanus-Schutzimpfung eine der häufigsten durchgeführten Impfungen darstellt, dies gerade nicht greift; hierauf hatte bereits Dr. I in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.05.2007 zutreffend hingewiesen. Dass diese Darlegungen auch dem aktuellen Stand noch entsprechen ergibt sich ferner aus den Veröffentlichungen der ständigen Impfkommission (STIKO). Der jeweilige aktuelle Stand der Wissenschaft kann insoweit deren Arbeitsergebnissen entnommen werden, wie sie im epidemioloischen Bulletin veröffentlicht werden; zutreffend weist hier Dr. C2 am P-P1 daraufhin, dass die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen weder als Komplikationen noch Krankheitserscheinungen in ungeklärtem ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung hier diskutiert werden.

Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen für die Gewährung einer "Kannversorgung" gemäß § 60 Abs. 1 IfSG i.V.m. § 61 Satz 2 IfSG. Eine Versorgung als Kannleistung ist nach diesen Vorschriften mit Zustimmung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Nordrhein-Westfalen zu gewähren, wenn ein ursächlicher Zusammenhang nur deshalb als nicht wahrscheinlich angenommen werden kann, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht. Nach Teil 4 C Nr. 4 b der versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG), welche zum 01.01.2009 in Kraft getreten sind und die AHP in Form einer Rechtsverordnung nunmehr abgelöst haben, ist eine Kannversorgung dann zu prüfen, wenn über die Ätiologie und Pathogenese des als Schädigungsfolge geltend gemachten Leidens keine durch Forschung und Erfahrung genügend gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Auffassung herrscht und entsprechend die ursachliche Bedeutung von Schädigungstatbeständen für die Entstehung oder den Verlauf des Leidens nicht mit Wahrscheinlichkeit beurteilt werden kann. In diesen Fällen ist die Kannversorgung (mit Zustimmung des Ministeriums) zu gewähren, wenn ein ursächlicher Einfluss des geltend gemachten schädigenden Tatbestandes in den wissenschaftlichen Arbeitshypothesen als theoretisch begründet in Erwägung gezogen wird. Dabei reicht die Möglichkeit eines Ursachenzusammenhanges nicht aus; vielmehr muss es wenigstens eine wissenschaftliche Lehrmeinung geben, die die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhanges vertritt. Insoweit genügt es nicht, wenn ein Arzt oder auch mehrere Ärzte einen Ursachenzusammenhang behaupten; vielmehr ist auch hier erforderlich, dass die Behauptung medizinisch-biologisch nachvollziehbar begründet und durch wissenschaftliche Fakten, in der Regel statistische Erhebungen untermauert ist; abweichend von den Voraussetzungen der Pflichtversorgung müssen diese Fakten lediglich noch nicht so beschaffen sein, dass sie bereits der Überzeugung der überwiegenden medizinischen Fachwelt dienen und sich in der wissenschaftlichen Medizin insoweit noch nicht zur allgemeinen Lehrmeinung verdichtet hat.

In diesem Sinne stellt, auch in Anbetracht des Gutachtens von Dr. I2, die Erkrankung des Klägers eine solche dar, deren Ätiologie und Pathogenese weiterhin zu großen Teilen ungewiss ist und hinsichtlich derer es im Hinblick auf die als schädigende Ereignisse angenommenen Impfungen des Klägers an einer fundierten, einen Ursachenzusammenhang bejahenden medizinischen Lehrmeinung fehlt. Dies zeigen bereits die oben angegebenen, von der STIKO im epidemiologischen Bulletin veröffentlichten Arbeitsergebnisse und belegen die eigenen Ausführungen des Sachverständigen, welcher die im Versorgungsrecht geltenden Beweisgrundsätze verkennt. Das Gericht schließt sich insoweit der zutreffenden Kritik am Sachverständigengutachten durch Prof. Dr. T ausweislich dessen ergänzender Stellungnahme an und muss feststellen, dass Dr. I2 keine, einen Zusammenhang ernsthaft belegende Studie beibringen kann. Seine eigenen Ausführungen beinhalten lediglich die Benennung möglicher Ursachenzusammenhänge, als er im Hinblick auf alluminiumhaltige Immunverstärker auf experimentelle Untersuchungen hinweist, die die Einflussnahme auf die zelloläre Immunabwehr belegten bzw. experimentelle Untersuchungen hinweist , wonach Quecksilberverbindungen geeignet seien, autoimmune Erkrankungen auszulösen; dabei konstatiert er selbst, dass hinreichende wissenschaftliche Untersuchungen abgesehen von Tierversuchen hinsichtlich des immunologisch wirksamen Potentials nicht vorliegen und schon gar nicht in Bezug auf die hier streitige Erkrankung. Diese Ausführungen sind in Anbetracht der geltenden Beweisanforderungen, auch im Rahmen einer Kannversorgung, nicht geeignet, dass klägerische Begehren zu stützen, was Prof. Dr. T zutreffend dargelegt hat. Das Gericht schließt sich insoweit vollumfänglich den kritischen Anmerkungen von Prof. Dr. T an. Ein anderes Ergebnis kann auch nicht dadurch gewonnen werden, dass der Sachverständige Dr. I2 einen Ursachenzusammenhang im Einzelfall für wahrscheinlich hält; seine Auffassung stellt insoweit lediglich eine persönliche dar, welcher es an hinreichenden wissenschaftlichen Argumenten und Belegen fehlt.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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