Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 14 KR 333/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1021/15 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 19.02.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm eine wöchentliche LDL-Apheresebehandlung als Sachleistung zu gewähren.
Der 1960 geborene Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert. Er leidet unter einer schweren, genetisch mitbedingtem Lipidstoffwechselstörung (familiäre Hypercholesterinämie) mit generalisierter Atherosklerose. 2008 erfolgte eine 4fach-Bypass-Operation. Im Anschluss wurde eine lipidsenkende Therapie eingeleitet. Im Rahmen der Behandlung beantragten die behandelnden Ärzte des Antragstellers im Frühjahr 2014 die Genehmigung zur Durchführung einer Apheresebehandlung.
Der Antrag der behandelnden Ärzte des Antragstellers wurde in der Apherese-Kommission der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) beraten. Diese kam am 01.07.2014 zu dem Ergebnis, dass beim Antragsteller keine Indikation für eine Apheresebehandlung vorliege. Zur Begründung führte sie aus, dass eine Indikation zur Durchführung einer Apheresebehandlung nur bei absoluter Nikotinkarenz gegeben sei.
Mit Bescheid vom 17.07.2014 (Bl 4 Verwaltungsakte) lehnte die Antragsgegnerin die Genehmigung einer Apheresebehandlung ab. Zur Begründung bezog sie sich auf die Stellungnahme der Apherese-Kommission der KVBW.
Hiergegen erhob der Antragsteller am 31.07.2014 Widerspruch. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass er erstmals im Jahr 1997 im Universitätsklinikum Freiburg vorstellig geworden sei und mit einer kurzzeitigen medikamentösen Therapie zur Lipidsenkung begonnen habe. Nach einem erlittenen Myokardinfarkt sei im Jahr 2008 eine vierfache Bypass Operation und danach abermals eine lipidsenkende Therapie mit Medikamenten erfolgt. Aufgrund immer wieder auftretender Nebenwirkungen in Form starker Muskelschmerzen seien die zur Lipidsenkung verabreichten Medikamente vielfach umgestellt worden. Bisher habe nur eine völlig unzureichende Senkung des deutlich über dem Zielbereich liegenden LDL-Cholesterins erzielt werden können. Die Ausführungen der Apherese-Kommission zur fehlenden Indikation zur Durchführung der Apheresebehandlung seien nicht nachvollziehbar. Dass die Indikation zur Apheresebehandlung nur bei absoluter Nikotinkarenz gegeben sei, sei unzutreffend. Ein solcher Indikationsausschluss sei der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung nicht zu entnehmen. Die Apherese-Kommission lasse bei ihrer Entscheidung außer Betracht, dass er seinen Lebensstil bereits grundlegend geändert habe. Er habe seinen Nikotinkonsum drastisch reduziert, ernähre sich gesund und treibe regelmäßig Sport. Dennoch seien die LDL-Cholesterinwerte nach wie vor weit von dem Therapieziel entfernt. Überdies seien diätetische Maßnahmen bei Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie kaum wirksam. Zur weiteren Begründung seines Widerspruchs legte er medizinische Unterlagen vor.
Mit Schreiben vom 22.12.2014 (Bl 31 Verwaltungsakte) führte die Apherese-Kommission der KVBW aus, dass eine Apheresebehandlung nur als ultima ratio in Betracht komme. Die Indikation für eine Apheresebehandlung liege nicht vor, da bei einem fortgesetzten Nikotinkonsum nicht von einem therapierefraktären Verlauf auszugehen sei. Zudem sei nach den vorgelegten Unterlagen unklar, ob die medikamentösen Möglichkeiten lipidsenkender Therapie ausgeschöpft worden seien. Eine Dokumentation unerwünschter Arzneimittelwirkungen unter lipidsenkender Therapie durch entsprechende UAW-Meldung an das BfArM liege nicht vor. Die am 04.08.2014 vom Universitätsklinikum empfohlenen Therapieoptionen (zusätzliche Medikation mit Colesevelam und Steigerung von Zodin) seien nicht umgesetzt worden.
Am 23.01.2015 hat der Antragsteller Antrag auf Eilrechtsschutz beim Sozialgericht Freiburg (SG) gestellt. Er hat zur Begründung vorgebracht, dass die wegen der starken Nebenwirkungen nur eingeschränkt mögliche medikamentöse Therapie unzureichend sei. Angesichts der bestehenden gesundheitlichen Situation könne es jederzeit zu einem neuen kardiovaskulären Ereignis kommen, weshalb ein Anspruch auf eine zumindest vorläufige Übernahme der Kosten für die Apheresebehandlung bestehe. Er sei nach wie vor intensiv damit beschäftigt, eine Kostenübernahme durch die Antragsgegnerin zu erwirken. Zwar sei das bei der Antragsgegnerin anhängige Widerspruchsverfahren zwischenzeitlich ruhend gestellt gewesen, dies sei jedoch vor dem Hintergrund erfolgt, dass der Antragsteller zunächst das von der Apherese-Kommission vorgeschlagene weitere Vorgehen von seinen behandelnden Ärzten prüfen lassen und, soweit medizinisch vertretbar, die entsprechenden Maßnahmen umsetzen wolle.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten.
Mit Beschluss vom 19.02.2015 hat das SG den Antrag abgelehnt. Es fehle am Anordnungsanspruch. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Apheresebehandlungen. Es sei nicht glaubhaft gemacht, dass beim Antragsteller ein therapierefraktärer Verlauf vorliege.
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 23.02.2015 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Beschluss des SG hat der Antragsteller am 19.03.2015 Beschwerde beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Aufgrund immer wieder auftretender Nebenwirkungen in Form starker Muskelschmerzen hätte die zur Lipidsenkung verabreichte Medikamentation mehrfach umgestellt werden müssen. Er habe seine Lebensweise konsequent umgestellt, ernähre sich fettreduziert, rauche nur noch 5-10 Zigaretten am Tag (früher 25) und treibe regelmäßig Sport. Ein Indikationsausschluss bei Nikotinkarenz existiere nicht. Eine Folgenabwägung müsse berücksichtigen, dass er Hochrisikopatient sei und jederzeit der Eintritt eines erneuten kardiovaskulären Ereignisses möglich sei, welches im schlimmsten Fall tödlich, jedoch mindestens mit schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen verbunden sei. Dies habe das SG verkannt.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 19.02.2015 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm eine wöchentliche LDL-Apheresebehandlung vorläufig, längstens für die Dauer eines Jahres als Sachleistung zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Nach § 86 Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige An-ordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechts-verhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen (Regelungsanordnung).
Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 der Zivilprozessordnung). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist ihnen allerdings in den Fällen, in denen es um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung für den Antragsteller geht, eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Sie haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen (vgl BVerfG [Kammer], 29.07.2003, 2 BvR 311/03, BVerfGK 1, 292, 296; 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, S 1236 f). Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, aaO, mwN); die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl BVerfG [Kammer], 22.11.2002, aaO, S 1237; 29.11.2007, 1 BvR 2496/07, NZS 2008, 365).
Zutreffend hat das SG entschieden, dass ein Anordnungsanspruch nicht vorliegt, da alternative und vorrangige medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft sind. Dies ist nicht das Ergebnis einer summarischen Prüfung, sondern steht nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen fest.
Nach § 27 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (Gesetzliche Krankenversicherung, SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V insbesondere die ärztliche Behandlung. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 SGB V Empfehlungen abgegeben hat über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit.
Hierzu bestimmt die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung, im Folgenden "Richtlinie") in der Fassung vom 17.01.2006 (BAnz 2006 Nr 48, S 1523; zuletzt geändert am 18.12.2014, BAnz AT 05.03.2015 B3), dass für die in Anlage I.1 § 3 der Richtlinie (Indikationen) genannten Krankheitsbilder (ua Hypercholesterinämie) in der vertragsärztlichen Versorgung idR hochwirksame medikamentöse Standard-Therapien zur Verfügung stehen, sodass Apheresen nur in Ausnahmefällen als "ultima ratio" bei therapierefraktären Verläufen eingesetzt werden sollen (vgl Anlage I.1 § 1 Abs 2 Richtlinie). Zur Indikationsstellung müssen für jeden Einzelfall ua unerwünschte Arzneimittelwirkungen dokumentiert werden, die zu einer Änderung oder einem Absetzen der jeweiligen medikamentösen Therapie geführt haben, belegt durch UAW-Meldung an die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft oder an das BfArM.
Die Durchführung und Abrechnung von Apheresen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 2 der Richtlinie erst nach Erteilung der Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) zulässig. Die KVen richten zur Beratung der Indikationsstellungen zur Apherese fachkundige Kommissionen ein. Zur Prüfung durch die Kommission legt der indikationsstellende Arzt für jeden Einzelfall eine vollständige Dokumentation, eine ergänzende medizinische Beurteilung sowie eine schriftliche Einverständniserklärung des Patienten zur Übermittlung dieser personenbezogenen Angaben vor. Bei der Beratung der Einzelfall-Indikation hat die Kommission der leistungspflichtigen Krankenkasse Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und ihr zu bestätigen, dass die für ihre Entscheidung notwendigen Befunde vorgelegen haben. Über das Beratungsergebnis unterrichtet die Beratungs-Kommission der KV die leistungspflichtige Krankenkasse, die ihrerseits den Versicherten entsprechend informiert (vgl § 6 Abs 1 bis 3 der Richtlinie).
Im Hinblick auf Art 19 Abs 4 GG ist die Entscheidung der Beratungs-Kommission der KV im gerichtlichen Verfahren inzident zu überprüfen (vgl LSG Berlin-Brandenburg 10.02.2014, L 9 KR 293/13 B ER). Die Entscheidung der Apherese-Kommission der KV erweist sich als rechtmäßig.
Zwar haben die behandelnden Ärzte des Universitätsklinikums Freiburg noch mit Schreiben vom 24.03.2014 (Bl 21 Verwaltungsakte) eine Apheresebehandlung befürwortet, jedoch im Verlauf des Jahres (vgl Arztbrief vom 04.08.2014, Bl 18 Verwaltungsakte) eine "Therapieumstellung" unter Veränderung der Medikation als Therapieempfehlung genannt (Dosiserhöhung von Zodin auf 3x1000mg, Zugabe von Colesevelam). Der Arztbrief vom 04.08.2014 enthält keine Ausführungen mehr zur Notwendigkeit einer Apheresebehandlung. Danach erweist sich die Beurteilung der Apherese-Kommission als zutreffend. Insbesondere ist zunächst der Einsatz des Lipidsenkers Colesevelam durchzuführen, wie die Kommission im Schreiben vom 22.12.2014 zutreffend ausführt. Da alternative und vorrangige medikamentöse Behandlungsmethoden noch nicht ausgeschöpft sind (vgl BVerfG 06.02.2007, 1 BvR 3101/06, juris Rn 29), besteht kein Anspruch auf die Apherese-Behandlung.
Der Antragsteller kann sich auch nicht auf § 2 Abs 1a SGB V berufen. Diese Vorschrift setzt die Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss v 06.12.2005, 1 BvR 347/98, SozR 4-2500 § 27 Nr 5) und die diese Rechtsprechung konkretisierenden Entscheidungen des BSG (Urteile vom 04.04.2006, B 1 KR 12/04 R und B 1 KR 7/05 R; 16.12.2008, B 1 KR 11/08 R, jew juris) zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung um. Die Norm ist schon deshalb nicht einschlägig, da allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen in Form von hochwirksamen medikamentöse Standard-Therapien zur Verfügung stehen.
Auch eine sog Folgenabwägung, wie vom Antragsteller begehrt, war vorliegend nicht vorzunehmen, da der Sachverhalt geklärt ist (vgl BVerfG 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, 1236). Die vorliegenden Arztberichte des Universitätsklinikums Freiburg haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm eine wöchentliche LDL-Apheresebehandlung als Sachleistung zu gewähren.
Der 1960 geborene Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert. Er leidet unter einer schweren, genetisch mitbedingtem Lipidstoffwechselstörung (familiäre Hypercholesterinämie) mit generalisierter Atherosklerose. 2008 erfolgte eine 4fach-Bypass-Operation. Im Anschluss wurde eine lipidsenkende Therapie eingeleitet. Im Rahmen der Behandlung beantragten die behandelnden Ärzte des Antragstellers im Frühjahr 2014 die Genehmigung zur Durchführung einer Apheresebehandlung.
Der Antrag der behandelnden Ärzte des Antragstellers wurde in der Apherese-Kommission der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) beraten. Diese kam am 01.07.2014 zu dem Ergebnis, dass beim Antragsteller keine Indikation für eine Apheresebehandlung vorliege. Zur Begründung führte sie aus, dass eine Indikation zur Durchführung einer Apheresebehandlung nur bei absoluter Nikotinkarenz gegeben sei.
Mit Bescheid vom 17.07.2014 (Bl 4 Verwaltungsakte) lehnte die Antragsgegnerin die Genehmigung einer Apheresebehandlung ab. Zur Begründung bezog sie sich auf die Stellungnahme der Apherese-Kommission der KVBW.
Hiergegen erhob der Antragsteller am 31.07.2014 Widerspruch. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass er erstmals im Jahr 1997 im Universitätsklinikum Freiburg vorstellig geworden sei und mit einer kurzzeitigen medikamentösen Therapie zur Lipidsenkung begonnen habe. Nach einem erlittenen Myokardinfarkt sei im Jahr 2008 eine vierfache Bypass Operation und danach abermals eine lipidsenkende Therapie mit Medikamenten erfolgt. Aufgrund immer wieder auftretender Nebenwirkungen in Form starker Muskelschmerzen seien die zur Lipidsenkung verabreichten Medikamente vielfach umgestellt worden. Bisher habe nur eine völlig unzureichende Senkung des deutlich über dem Zielbereich liegenden LDL-Cholesterins erzielt werden können. Die Ausführungen der Apherese-Kommission zur fehlenden Indikation zur Durchführung der Apheresebehandlung seien nicht nachvollziehbar. Dass die Indikation zur Apheresebehandlung nur bei absoluter Nikotinkarenz gegeben sei, sei unzutreffend. Ein solcher Indikationsausschluss sei der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung nicht zu entnehmen. Die Apherese-Kommission lasse bei ihrer Entscheidung außer Betracht, dass er seinen Lebensstil bereits grundlegend geändert habe. Er habe seinen Nikotinkonsum drastisch reduziert, ernähre sich gesund und treibe regelmäßig Sport. Dennoch seien die LDL-Cholesterinwerte nach wie vor weit von dem Therapieziel entfernt. Überdies seien diätetische Maßnahmen bei Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie kaum wirksam. Zur weiteren Begründung seines Widerspruchs legte er medizinische Unterlagen vor.
Mit Schreiben vom 22.12.2014 (Bl 31 Verwaltungsakte) führte die Apherese-Kommission der KVBW aus, dass eine Apheresebehandlung nur als ultima ratio in Betracht komme. Die Indikation für eine Apheresebehandlung liege nicht vor, da bei einem fortgesetzten Nikotinkonsum nicht von einem therapierefraktären Verlauf auszugehen sei. Zudem sei nach den vorgelegten Unterlagen unklar, ob die medikamentösen Möglichkeiten lipidsenkender Therapie ausgeschöpft worden seien. Eine Dokumentation unerwünschter Arzneimittelwirkungen unter lipidsenkender Therapie durch entsprechende UAW-Meldung an das BfArM liege nicht vor. Die am 04.08.2014 vom Universitätsklinikum empfohlenen Therapieoptionen (zusätzliche Medikation mit Colesevelam und Steigerung von Zodin) seien nicht umgesetzt worden.
Am 23.01.2015 hat der Antragsteller Antrag auf Eilrechtsschutz beim Sozialgericht Freiburg (SG) gestellt. Er hat zur Begründung vorgebracht, dass die wegen der starken Nebenwirkungen nur eingeschränkt mögliche medikamentöse Therapie unzureichend sei. Angesichts der bestehenden gesundheitlichen Situation könne es jederzeit zu einem neuen kardiovaskulären Ereignis kommen, weshalb ein Anspruch auf eine zumindest vorläufige Übernahme der Kosten für die Apheresebehandlung bestehe. Er sei nach wie vor intensiv damit beschäftigt, eine Kostenübernahme durch die Antragsgegnerin zu erwirken. Zwar sei das bei der Antragsgegnerin anhängige Widerspruchsverfahren zwischenzeitlich ruhend gestellt gewesen, dies sei jedoch vor dem Hintergrund erfolgt, dass der Antragsteller zunächst das von der Apherese-Kommission vorgeschlagene weitere Vorgehen von seinen behandelnden Ärzten prüfen lassen und, soweit medizinisch vertretbar, die entsprechenden Maßnahmen umsetzen wolle.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten.
Mit Beschluss vom 19.02.2015 hat das SG den Antrag abgelehnt. Es fehle am Anordnungsanspruch. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Apheresebehandlungen. Es sei nicht glaubhaft gemacht, dass beim Antragsteller ein therapierefraktärer Verlauf vorliege.
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 23.02.2015 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Beschluss des SG hat der Antragsteller am 19.03.2015 Beschwerde beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Aufgrund immer wieder auftretender Nebenwirkungen in Form starker Muskelschmerzen hätte die zur Lipidsenkung verabreichte Medikamentation mehrfach umgestellt werden müssen. Er habe seine Lebensweise konsequent umgestellt, ernähre sich fettreduziert, rauche nur noch 5-10 Zigaretten am Tag (früher 25) und treibe regelmäßig Sport. Ein Indikationsausschluss bei Nikotinkarenz existiere nicht. Eine Folgenabwägung müsse berücksichtigen, dass er Hochrisikopatient sei und jederzeit der Eintritt eines erneuten kardiovaskulären Ereignisses möglich sei, welches im schlimmsten Fall tödlich, jedoch mindestens mit schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen verbunden sei. Dies habe das SG verkannt.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 19.02.2015 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm eine wöchentliche LDL-Apheresebehandlung vorläufig, längstens für die Dauer eines Jahres als Sachleistung zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Nach § 86 Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige An-ordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechts-verhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen (Regelungsanordnung).
Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 der Zivilprozessordnung). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist ihnen allerdings in den Fällen, in denen es um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung für den Antragsteller geht, eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Sie haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen (vgl BVerfG [Kammer], 29.07.2003, 2 BvR 311/03, BVerfGK 1, 292, 296; 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, S 1236 f). Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, aaO, mwN); die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl BVerfG [Kammer], 22.11.2002, aaO, S 1237; 29.11.2007, 1 BvR 2496/07, NZS 2008, 365).
Zutreffend hat das SG entschieden, dass ein Anordnungsanspruch nicht vorliegt, da alternative und vorrangige medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft sind. Dies ist nicht das Ergebnis einer summarischen Prüfung, sondern steht nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen fest.
Nach § 27 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (Gesetzliche Krankenversicherung, SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V insbesondere die ärztliche Behandlung. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 SGB V Empfehlungen abgegeben hat über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit.
Hierzu bestimmt die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung, im Folgenden "Richtlinie") in der Fassung vom 17.01.2006 (BAnz 2006 Nr 48, S 1523; zuletzt geändert am 18.12.2014, BAnz AT 05.03.2015 B3), dass für die in Anlage I.1 § 3 der Richtlinie (Indikationen) genannten Krankheitsbilder (ua Hypercholesterinämie) in der vertragsärztlichen Versorgung idR hochwirksame medikamentöse Standard-Therapien zur Verfügung stehen, sodass Apheresen nur in Ausnahmefällen als "ultima ratio" bei therapierefraktären Verläufen eingesetzt werden sollen (vgl Anlage I.1 § 1 Abs 2 Richtlinie). Zur Indikationsstellung müssen für jeden Einzelfall ua unerwünschte Arzneimittelwirkungen dokumentiert werden, die zu einer Änderung oder einem Absetzen der jeweiligen medikamentösen Therapie geführt haben, belegt durch UAW-Meldung an die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft oder an das BfArM.
Die Durchführung und Abrechnung von Apheresen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 2 der Richtlinie erst nach Erteilung der Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) zulässig. Die KVen richten zur Beratung der Indikationsstellungen zur Apherese fachkundige Kommissionen ein. Zur Prüfung durch die Kommission legt der indikationsstellende Arzt für jeden Einzelfall eine vollständige Dokumentation, eine ergänzende medizinische Beurteilung sowie eine schriftliche Einverständniserklärung des Patienten zur Übermittlung dieser personenbezogenen Angaben vor. Bei der Beratung der Einzelfall-Indikation hat die Kommission der leistungspflichtigen Krankenkasse Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und ihr zu bestätigen, dass die für ihre Entscheidung notwendigen Befunde vorgelegen haben. Über das Beratungsergebnis unterrichtet die Beratungs-Kommission der KV die leistungspflichtige Krankenkasse, die ihrerseits den Versicherten entsprechend informiert (vgl § 6 Abs 1 bis 3 der Richtlinie).
Im Hinblick auf Art 19 Abs 4 GG ist die Entscheidung der Beratungs-Kommission der KV im gerichtlichen Verfahren inzident zu überprüfen (vgl LSG Berlin-Brandenburg 10.02.2014, L 9 KR 293/13 B ER). Die Entscheidung der Apherese-Kommission der KV erweist sich als rechtmäßig.
Zwar haben die behandelnden Ärzte des Universitätsklinikums Freiburg noch mit Schreiben vom 24.03.2014 (Bl 21 Verwaltungsakte) eine Apheresebehandlung befürwortet, jedoch im Verlauf des Jahres (vgl Arztbrief vom 04.08.2014, Bl 18 Verwaltungsakte) eine "Therapieumstellung" unter Veränderung der Medikation als Therapieempfehlung genannt (Dosiserhöhung von Zodin auf 3x1000mg, Zugabe von Colesevelam). Der Arztbrief vom 04.08.2014 enthält keine Ausführungen mehr zur Notwendigkeit einer Apheresebehandlung. Danach erweist sich die Beurteilung der Apherese-Kommission als zutreffend. Insbesondere ist zunächst der Einsatz des Lipidsenkers Colesevelam durchzuführen, wie die Kommission im Schreiben vom 22.12.2014 zutreffend ausführt. Da alternative und vorrangige medikamentöse Behandlungsmethoden noch nicht ausgeschöpft sind (vgl BVerfG 06.02.2007, 1 BvR 3101/06, juris Rn 29), besteht kein Anspruch auf die Apherese-Behandlung.
Der Antragsteller kann sich auch nicht auf § 2 Abs 1a SGB V berufen. Diese Vorschrift setzt die Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss v 06.12.2005, 1 BvR 347/98, SozR 4-2500 § 27 Nr 5) und die diese Rechtsprechung konkretisierenden Entscheidungen des BSG (Urteile vom 04.04.2006, B 1 KR 12/04 R und B 1 KR 7/05 R; 16.12.2008, B 1 KR 11/08 R, jew juris) zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung um. Die Norm ist schon deshalb nicht einschlägig, da allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen in Form von hochwirksamen medikamentöse Standard-Therapien zur Verfügung stehen.
Auch eine sog Folgenabwägung, wie vom Antragsteller begehrt, war vorliegend nicht vorzunehmen, da der Sachverhalt geklärt ist (vgl BVerfG 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, 1236). Die vorliegenden Arztberichte des Universitätsklinikums Freiburg haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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