Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 89 KR 2044/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 156/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 21/15 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Auch bei funktionell Einäugigen besteht kein Anspruch gegen die GKV auf Versorgung mit Kontaktlinsen. Dies verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
Bemerkung
BSG: Revision (Urteil -) / Gehörsrüge: B 3 KR 5/16 C
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. April 2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenerstattung für eine Kontaktlinse.
Der 1941 geborene Kläger ist bei der Beklagten versichert. Wegen einer ausgeprägten Sehschwäche des rechten Auges ist er funktionell einäugig. Im Juni 2008 wurde zusätzlich sein linkes Auge verletzt. Durch Bescheid vom 3. Februar 2009 übernahm die Beklagte die Kosten für eine Versorgung des linken Auges mit einer Kontaktlinse in Höhe von 320,- EUR. Wegen einer nach der Verletzung des linken Auges bleibenden Schädigung der Hornhaut war eine Einzelanfertigung erforderlich.
Am 18. September 2009 verordnete der behandelnde Augenarzt Dr. D erneut eine Kontaktlinse für das linke Auge. Nach dem Kostenvoranschlag des Augenoptikers B (Kontaktlinseninstitut) vom 30. Oktober 2009 war die bisherige Linse unverschuldet zu Bruch gegangen. Für den Nachkauf sollte der reine Materialpreis in Höhe von 150,- EUR berechnet werden. Allerdings habe der Kläger nach der aktuellen Fassung der Hilfsmittel-Richtlinie keinen Versorgungsanspruch. Der von der Beklagten befragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) befand in seinem Gutachten vom 3. Dezember 2009, dass nach der letzten Änderung der Hilfsmittel-Richtlinie, in Kraft seit dem 7. Februar 2009, nunmehr die Abgabe von Kontaktlinsen bei funktioneller Einäugigkeit ausdrücklich ausgeschlossen sei. Stattdessen sei eine Versorgung mit Kunststoffgläsern als therapeutische Sehhilfe vorzunehmen.
Durch Bescheid vom 21. Dezember 2009 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Die Voraussetzungen für eine Versorgung mit Sehhilfen als Kassenleistung hätten sich zum 7. Februar 2009 geändert. Es könnten nunmehr nur noch die Kosten für Kunststoffbrillengläser übernommen werden.
Der Kläger legte Widerspruch ein, den die Beklagte nach nochmaliger Befragung des MDK durch Widerspruchsbescheid vom 31. August 2010 zurückwies. Die Voraussetzungen für eine Versorgung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung lägen nicht vor. Diese seien durch die Hilfsmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses konkretisiert worden. Eine schwere Sehbeeinträchtigung nach der WHO-Klassifikation, die Voraussetzung für einen Leistungsanspruch von Sehhilfen zur Verbesserung der Sehschärfe sei, liege nicht vor, weil der Kläger nach bestmöglicher Korrektur für das rechte Auge einen Visus von 0,05 und für das linke von 1,0 habe. Ein Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen als therapeutische Sehhilfen bestehe nicht, weil nach der Neufassung der Hilfsmittel-Richtlinie mit Wirkung ab dem 7. Februar 2009 Kontaktlinsen auch dann nicht mehr verordnungsfähig seien, wenn bei funktioneller Einäugigkeit zusätzlich die Notwendigkeit eines Refraktionsausgleich bestehe. Kunststoffgläser würden besser als Kontaktlinsen vor einer Verletzung des Auges schützen. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 31. August 2010 und 16. September 2010 jeweils als Einschreiben übersandt, das von dem Kläger indessen nicht abgeholt wurde. Mit Schreiben vom 4. Oktober 2010 übersandte die Beklagte den Widerspruchsbescheid schließlich als einfachen Brief.
Gegen die Ablehnung der Kostenübernahme richtet sich die am 1. November 2010 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangene Klage, mit welcher der Kläger Kostenerstattung begehrt. Er habe die Kontaktlinse am 7. Januar 2010 mündlich in Auftrag gegeben und die ihm am 21. Januar 2010 dafür in Rechnung gestellten 150,- EUR am selben Tag bar bezahlt.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 23. April 2013 abgewiesen. Die Klage sei zwar zulässig, da der Widerspruchsbescheid erst nach seiner Übersendung als einfacher Brief zugegangen sei. Der geltend gemachte Anspruch auf Kostenerstattung bestehe aber nicht, weil die Versorgung mit der Kontaktlinse nicht zu den von der Beklagten zu erbringenden Leistungen gehöre. Das Gesetz bestimme, dass Versicherte nach der Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Sehhilfen nur dann hätten, wenn sie auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung aufwiesen, die mindestens der Stufe 1 der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Klassifikation entspreche. Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen bestehe zudem nur in medizinisch zwingenden Ausnahmefällen. Die insoweit maßgeblichen Indikationen habe der Gemeinsame Bundesausschuss entsprechend dem Auftrag des Gesetzgebers in seiner Hilfsmittel-Richtlinie näher geregelt. Die vom Kläger begehrte Sehhilfe sei nach der Hilfsmittel-Richtlinie nur verordnungsfähig, wenn die Sehschärfe bei bestmöglicher Korrektur durch Brille oder Kontaktlinse auf dem besseren Auge &8804; 0,3 betrage oder das beidäugige Gesichtsfeld &8804; 10 Grad bei zentraler Fixation sei. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, weil die Sehschärfe des Klägers auf dem besseren Auge bei bestmöglicher Korrektur 1,0 betrage und eine relevante Einschränkung des Gesichtsfeldes nicht vorliege. Die Einschränkung der Verordnungsfähigkeit verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Ein Verstoß der Hilfsmittel-Richtlinie gegen höherrangiges Recht scheide aus, da auch das SGB V Bezug nehme auf die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlene Klassifizierung des Schweregrades der Sehbeeinträchtigung. Für die Annahme des Klägers, der Gesetzgeber habe auf die Sehschärfe vor einer Korrektur durch Brille oder Kontaktlinse abstellen wollen, fehlten hinreichende Anhaltspunkte. Es verstoße auch nicht gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes, wenn Sehhilfen nur für solche Versicherte verordnungsfähig seien, die auch nach bestmöglicher Korrektur noch erheblich sehbehindert blieben. Die Krankenkassen müssten nicht von Verfassung wegen alles leisten, was zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar sei (Hinweis auf BVerfG, Beschluss v. 12. Dezember 2012 – 1 BvR 69/09). Die Schwere der Erkrankung sei ein naheliegendes Kriterium zur Differenzierung innerhalb des Leistungskatalogs. Auch das im Grundgesetz und der UN-Behindertenkonvention formulierte Verbot der Diskriminierung von Behinderten sei nicht verletzt. Der Leistungskatalog der Krankenkassen dürfe auch von finanzpolitischen Erwägungen mitbestimmt werden. Angesichts der Vielzahl von Menschen mit Sehfehlern sei die Begrenzung des Leistungsanspruchs auf besonders schwer sehbeeinträchtigte erwachsene Versicherte nicht zu beanstanden. Wünschenswert sei allerdings eine Regelung, wonach Leistungen auch gewährt werden könnten, um das Sehvermögen mit der bestmöglichen Korrektur ganz oder teilweise wieder herzustellen.
Gegen das ihm am 14. Mai 2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 29. Mai 2013 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene, von dem Sozialgericht ausdrücklich zugelassene Berufung des Klägers. Das Urteil des Sozialgerichts sei fehlerhaft. Der Gesetzgeber habe zwar den Leistungsanspruch für Erwachsene auf zwingend notwendige medizinische Ausnahmefälle beschränken wollen. Seine Begründung betreffe aber nicht Kontaktlinsen, sondern ausschließlich Brillen. Erwachsene Versicherte würden durch die Ausgrenzung der Brillen aus der Versorgung grundsätzlich finanziell nicht überfordert. Das sei bei Kontaktlinsen anders. Die Erstversorgung mit zwei formstabilen Kontaktlinsen überschreite regelmäßig einen Betrag von 500,- EUR. Außerdem sei dem Hilfsmittelrecht die Erwägung grundsätzlich fremd, dass ein Hilfsmittel versagt wird, wenn es geeignet ist, die Behinderung zu überwinden. Das habe das Sozialgericht Dresden zutreffend erkannt und entsprechend auf das Ausmaß der Sehschwäche vor einer Korrektur durch Sehhilfen abgestellt (Hinweis auf Urt. v. 23. November 2011 – S 18 KR 597/08). Den Gesetzesmaterialien lasse sich nicht entnehmen, dass sich der Gesetzgeber den Konsequenzen einer gegenteiligen Handhabung bewusst gewesen sei. Es sei mit dem Grundgesetz unvereinbar, einem schwer sehbehinderten Mensch eine kostspielige Kontaktlinsenversorgung vorzuenthalten, obwohl er mit diesem Hilfsmittel seine Behinderung vollständig ausgleichen könne. Es verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, nicht für jeden erschwingliche Sehhilfen wie Kontaktlinsen aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen herauszunehmen, nur weil sie den gewünschten Erfolg herbeiführten. Im Übrigen verweist der Kläger auf den Aufsatz von Michael Wrase in der Zeitschrift "Gesundheit und Pflege" 2014, S. 58ff.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. April 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die für die Beschaffung einer Kontaktlinse entstandenen Kosten in Höhe von 150,- EUR abzüglich Zuzahlung in Höhe von 10,- EUR zu erstatten. Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts Berlin für zutreffend. An die geltenden Gesetze, Rechtsverordnungen sowie die höchst- und verfassungsrechtliche Rechtsprechung sei sie gebunden. Das Urteil des Sozialgerichts Dresden sei zu der alten Fassung der Hilfsmittel-Richtlinie (vor 2008) ergangen, seine Übertragbarkeit auf den vorliegenden Sachverhalt daher fraglich.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts ist zutreffend. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihm die für die Beschaffung einer Kontaktlinse entstandenen Kosten in Höhe von 150,- EUR abzüglich einer Zuzahlung in Höhe von 10,- EUR erstattet.
Als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers kommt nur § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Nach dieser Vorschrift sind Versicherten Kosten zu erstatten, die dadurch entstanden sind, dass die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind vorliegend nicht erfüllt, weil die Beklagte nicht die Versorgung des Klägers mit einer Kontaktlinse zu Unrecht abgelehnt hat.
Die Versorgung der Versicherten mit Sehhilfen, zu denen auch eine Kontaktlinse gehört, hat der Gesetzgeber in § 33 Abs. 2 und 3 SGB V besonders geregelt. Nach § 33 Abs. 2 SGB V besteht für Versicherte, welche – wie der Kläger - das 18. Lebensjahr vollendet haben, nur Anspruch auf die Versorgung mit Sehhilfen, wenn sie aufgrund ihrer Sehschwäche oder Blindheit, entsprechend der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Klassifikation des Schweregrades der Sehbeeinträchtigung, auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 aufweisen. Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Für danach anspruchsberechtigte Versicherte besteht gemäß § 33 Abs. 3 SGB V Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen nur in medizinisch zwingenden Ausnahmefällen, deren Indikationen vom Gemeinsamen Bundesausschuss bestimmt werden. Der Anspruch eines Versicherten auf Versorgung mit Kontaktlinsen setzt demnach voraus, dass er entweder an einer schweren Sehbeeinträchtigung leidet, die mindestens der Stufe 1 in der Klassifikationsskala der Weltgesundheitsorganisation entspricht, oder dass er Sehhilfen zur Therapie von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen benötigt. Zusätzlich muss ein medizinisch zwingender Ausnahmefall vorliegen, welcher die Versorgung gerade mit Kontaktlinsen erforderlich macht. Alleine die medizinisch begründete Notwendigkeit von Kontaktlinsen reicht also gerade nicht aus, um einen Anspruch auf Versorgung gegen die gesetzliche Krankenversicherung zu begründen. Dass ergibt sich daraus, dass § 33 Abs. 3 SGB V ausdrücklich auf die nach § 33 Abs. 2 SGB V Berechtigten abstellt, also entweder eine schwere Sehbeeinträchtigung (im Sinne der Vorschrift) oder die therapeutische Notwendigkeit der Versorgung mit Sehhilfen voraussetzt.
Der Kläger leidet weder an einer schweren Sehbeeinträchtigung noch an Blindheit im Sinne der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation. Er benötigt auch keine Kontaktlinse zur Therapie. Ausweislich der Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 15/1525) wollte der Gesetzgeber für die Definition einer schweren Sehbeeinträchtigung die damals noch aktuelle Fassung der von der Weltgesundheitsorganisation herausgegebenen Klassifikation in Bezug nehmen (Hinweis auf WHO Technical Report Series Nr. 518, 1973). Maßgebend war danach die Sehbeeinträchtigung, welche nach der bestmöglichen Korrektur der Sehschärfe noch verbleibt. Dass in der aktuellen ab dem Jahre 2010 geltenden Fassung der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (zu recherchieren unter apps.who.int) auf eine vorhandene Korrektur der Sehschärfe abgestellt wird, hat demgegenüber keine Bedeutung. Es ist nämlich schon fraglich, ob der Gesetzgeber in § 33 Abs. 2 SGB V eine dynamische Verweisung auf die Definition der schweren Sehbehinderung durch die Weltgesundheitsorganisation in der jeweils aktuellen Fassung aussprechen wollte. Jedenfalls aber führt die veränderte Fassung der Klassifikation zu keinen erheblichen Rechtsfolgen. Bei einer dynamischen Verweisung wäre hier zwar die ab dem 1. Januar 2010 geltende Fassung anzuwenden. Denn entscheidend für einen auf § 13 Abs. 3 SGB V gestützten Erstattungsanspruch ist die zur Zeit der Rechnungslegung für die abgelehnte Leistung geltende Rechtslage (BSG, Urt. v. 18. Mai 2011 – B 3 KR 12/10 R – juris Rn. 8). Der Kläger muss sich aber so behandeln lassen, als sei er mit einer optimalen Sehhilfe versorgt. Denn durch § 33 Abs. 2 und 3 SGB V wird die Versorgung der Versicherten mit Sehhilfen, soweit sie nicht in die Zuständigkeit der Krankenversicherung übernommen wird, dem Bereich der Eigenvorsorge der Versicherten überantwortet (BT-Drs 15/1525 S. 85). Das verstößt auch nicht – wie noch zu zeigen sein wird – gegen höherrangiges Recht.
Eine schwere Sehbeeinträchtigung setzt nach der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation voraus, dass auf beiden Augen nach bestmöglicher Korrektur nur eine Sehschärfe von höchstens 0,3 verbleibt. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht, da er ausweislich der Auskunft seines behandelnden Arztes und der seines Optikers nach Versorgung mit einer geeigneten Kontaktlinse auf dem linken Auge eine Sehschärfe von 1,0 erreicht. Insoweit ergibt sich bereits unmittelbar aus dem Gesetz, dass der Kläger keinen Anspruch auf Versorgung haben kann. Auf die Hilfsmittel-Richtlinie kommt es deswegen nicht an, auch wenn sie – wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat – zu demselben Ergebnis führen würde.
Die Kontaktlinse dient auch nicht der Behandlung einer Augenerkrankung oder Augenverletzung. Die eingetretene Verletzung der Hornhaut als solche wird durch die Verwendung einer Kontaktlinse nicht beeinflusst. Der Kläger benötigt zwar gleichwohl eine Sehhilfe aus therapeutischen Gründen. Denn wegen der funktionellen Einäugigkeit muss das verbliebene Auge besonders vor Verletzungen geschützt werden. Angesprochen ist damit der in § 27 Abs. 1 SGB V genannte Behandlungszweck, die Verschlimmerung einer Erkrankung zu verhüten. Ein Anspruch auf Versorgung gerade mit einer Kontaktlinse besteht nach § 33 Abs. 3 SGB V aber nur, soweit ein medizinisch zwingender Ausnahmefall vorliegt, dessen Voraussetzungen der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 33 Abs. 3 Satz 2 SGB V in seinen Richtlinien bestimmen soll. Insoweit bestimmt § 17 Abs. 1 Nr. 16 Hilfsmittel-Richtlinie aber eindeutig, dass verordnungsfähig bei besonderer Sturzgefahr wegen funktioneller Einäugigkeit nur Kunststoffgläser sind. Kontaktlinsen sind auch nicht deswegen verordnungsfähig, weil neben dem Schutz des Auges vor Verletzungen auch noch die Notwendigkeit eines Refraktionsausgleiches besteht. Die Hilfsmittel-Richtlinie verstößt mit diesen Festlegungen nicht gegen die gesetzlichen Vorgaben in § 33 Abs. 2 und 3 SGB V. Vielmehr steht mit dem Zweck des Gesetzes in Übereinstimmung, dass die medizinische Notwendigkeit für die Versorgung mit Kontaktlinsen mit Bezug auf den Anlass beurteilt wird, der eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen erst begründet. Der rechtlich erhebliche Behandlungszweck erschöpft sich hier aber in dem Schutz des Auges vor Verletzungen. Dieser Schutz wird nicht dadurch verbessert, dass durch die Verwendung einer Kontaktlinse eine höhere Sehschärfe erreicht wird. Eine andere in der Hilfsmittel-Richtlinie formulierte therapeutische Indikation für die Versorgung mit einer Sehhilfe liegt nicht vor.
Das Gesetz lässt sich – entgegen dem Sozialgericht Dresden (Urt. v. 23. November 2011 – S 18 KR 597/08) - auch nicht korrigierend dahingehend auslegen, dass es für die Schwere der Sehbehinderung auf die ohne Korrektur vorhandene Sehschärfe ankommt. Dagegen spricht der eindeutige Verweis des Gesetzgebers auf die von der Weltgesundheitsorganisation verwendete Klassifikation. Diese stellt auf die nach bestmöglicher (bzw. vorhandener) Korrektur erreichbare Sehschärfe ab. Die Annahme einer verdeckten Lücke, die sich daraus ergeben soll, dass der historische Gesetzgeber sich den Inhalt der von der Weltgesundheitsorganisation verwandten Klassifikation nicht vergegenwärtigt habe, ist nicht gerechtfertigt. Es lässt sich nämlich gerade nicht belegen, dass das Abstellen auf die von der Weltgesundheitsorganisation verwendete Definition der eigentlichen Absicht des Gesetzgebers zuwider läuft. Im Rahmen der für die Versorgung der Versicherten mit Sehhilfen verfolgten Konzeption ist es vielmehr folgerichtig, dass der Gesetzgeber für die krankenversicherungsrechtlich erhebliche Beurteilung der Sehfähigkeit auf den Zustand der Versicherten nach ihrer Versorgung mit Sehhilfen abstellt. Denn er hat die Sehhilfen aus dem Leistungskatalog herausgenommen, weil die Versicherten diese in der Vergangenheit tatsächlich im Wesentlichen selbst finanziert hatten (BT-Drs 15/1525 S. 85). Daraus hat er geschlossen, dass typischerweise keine Notwendigkeit besteht, Sehhilfen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung mit aufzunehmen. Dann ist es aber nur konsequent, für die Bestimmung der der gesetzlichen Krankenversicherung noch verbleibenden Leistungspflicht an das Niveau anzuknüpfen, dass sich die Versicherten im Regelfall selbst schaffen. Selbst Kritiker der geltenden Fassung der Hilfsmittel-Richtlinie gestehen zu, dass das Abstellen auf die vor einer Korrektur erreichten Werte einen erheblichen Teil der Versicherten wieder in die Leistungsberechtigung zurückholen könnte (Wrase, GUP 2014, S. 58ff). Das wollte der Gesetzgeber aber offensichtlich für den Bereich der Versorgung der Versicherten mit Sehhilfen gerade nicht erreichen. Er wollte den Leistungsanspruch ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs 15/1525 S. 85) auf eng begrenzte Ausnahmefälle beschränken. Damit unterscheidet sich das Recht der Versorgung mit Sehhilfen erheblich von dem sonstigen Hilfsmittelrecht. Aus diesem Grund kann – entgegen dem Sozialgericht Dresden und der Rechtsauffassung des Bevollmächtigten des Klägers – aus den für andere Hilfsmittel geltenden Regelungen nichts für einen Anspruch des Klägers auf die Versorgung mit Sehhilfen abgeleitet werden.
Dem Gesetz lässt sich - entgegen der Rechtsauffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers - auch nicht entnehmen, dass regelmäßig nur Brillen von der Versorgung ausgeschlossen sein sollen. Entsprechend ist bei der Bestimmung einer schweren Sehbeeinträchtigung nicht nur die Sehschärfe zu berücksichtigen, welche nach einer Versorgung mit Brillen erreicht werden kann. Der Senat kann insoweit dahingestellt sein lassen, ob der nur mit einer Brille versorgte Kläger im Sinne der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation als schwer sehbehindert anzusehen wäre. Zwar hat der Optiker am 30. Oktober 2009 bestätigt, dass der Kläger bei der Versorgung mit Brille auf dem linken Auge nur einen Visus von 0,3 erreicht. Ausweislich des in der Verwaltungsakte der Beklagten enthaltenen Arztberichts der Augenpoliklinik Charité vom 20. November 2008 erreichte der Kläger mit Brille aber einen Visus von 0,8, womit auch bei Verwendung einer Brille die Voraussetzungen einer schweren Sehbeeinträchtigung nicht vorlägen.
Die Vorstellung des Klägers, die bestehende Beeinträchtigung des Sehvermögens auf der Grundlage der bei einer Versorgung mit Brillen erreichbaren Sehschärfe zu bewerten, verstößt jedenfalls gegen § 33 Abs. 2 SGB V. Den Gesetzgebungsmaterialien lässt sich nämlich nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber nur Brillen grundsätzlich von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausnehmen wollte. Die Erwägungen des Gesetzgebers über die Zumutbarkeit der Selbstversorgung beziehen sich nicht im besonderen auf Brillen, sondern nur allgemein auf Sehhilfen (BT-Drs 15/1525 S. 85), zu denen nach dem deutschen krankenversicherungsrechtlichen Sprachgebrauch auch Kontaktlinsen gehören. Die Annahme, dass der Gesetzgeber eigentlich eine abweichende Behandlung von Kontaktlinsen gewollt habe, auch wenn er dies so nicht gesagt habe, überzeugt nicht. Aus den für Sehhilfen geltenden Festbeträgen (zu recherchieren unter www.gkv-spitzenverband.de) ergibt sich schon kein Beleg dafür, dass Kontaktlinsen regelmäßig Aufwendungen verursachen, die weit über die 150,- EUR hinausgingen, welche die Versicherten in der Vergangenheit nach den Feststellungen des Gesetzgebers durchschnittlich für ihre Versorgung mit Sehhilfen aufgewandt haben (BT-Drs 15/1525 S. 85). Die Festbeträge belegen vielmehr, dass es auch hochpreisige Brillen gibt. Selbst wenn im Regelfall höhere Preise für Kontaktlinsen anfallen, begründet dies nicht, dass die Versicherten in der Vergangenheit nicht bereit waren, den Mehrpreis aus eigener Tasche zu zahlen. Dann ist aber der Grund für die Herausnahme von Sehhilfen aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung gleichermaßen für Kontaktlinsen gegeben. Der Feststellung, dass Kontaktlinsen anders als Brillen in der Vergangenheit von den Versicherten im Wesentlichen nur genutzt worden sind, wenn wegen einer entsprechenden medizinischen Indikation die Krankenkassen die Mehrkosten getragen haben, hat der Gesetzgeber gerade nicht getroffen. Dem entspricht es, den Ausschluss der Leistungspflicht bei Sehhilfen gleichermaßen auf Brillen und Kontaktlinsen zu beziehen.
Die Beschränkung der ausnahmsweise noch bestehenden Leistungspflicht der Krankenkassen auf Fälle, in denen nach der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation eine erhebliche Sehstörung vorliegt, verstößt weiter nicht gegen höherrangiges Recht. Auch der Ausschluss des Klägers von Leistungsansprüchen in Bezug auf die Versorgung mit einer Kontaktlinse ist mit höherrangigem Recht vereinbar.
Insbesondere verstößt es nicht gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG, nur solchen Versicherten Leistungsansprüche gegen die gesetzliche Krankenversicherung einzuräumen, welche auch nach der Versorgung mit einer Sehhilfe noch ein erheblich reduziertes Sehvermögen haben. Denn die Schwere einer Erkrankung ist grundsätzlich ein sachgerechtes Kriterium für eine Differenzierung der innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung bestehenden Leistungsansprüche (BSG, Urt. v. 6. März 2012 – B 1 KR 24/10 R – juris Rn 34). Schon auf den ersten Blick erschließt sich, dass eine Augenerkrankung schwerwiegender sein muss, wenn sie auch durch die Versorgung mit Sehhilfen nicht behoben werden kann, als im gegenteiligen Falle. Entgegen Wrase (GUP 2014, S. 58ff) sind beide Fälle vor der Versorgung keineswegs als gleich schwerwiegende Erkrankungen einzuordnen. Ein Kranker, dem noch geholfen werden kann, ist weniger krank als derjenige, bei dem diese Möglichkeit nicht mehr besteht. Zudem kann es dem Gesetzgeber nicht als fehlerhaft vorgehalten werden, wenn er für die Einschätzung, wann eine schwerwiegende Sehstörung vorliegt, auf die Definition der Weltgesundheitsorganisation abstellt, deren diesbezügliche Sachkunde außer Frage steht.
Zwar erschiene es angesichts der Entscheidung des Gesetzgebers, die Versicherten deswegen von Versorgungsansprüchen ausschließt, weil ihnen die Selbstversorgung mit Sehhilfen zuzumuten ist, grundsätzlich auch angemessen, eine Ausnahmeregelung für diejenigen Versicherten zu schaffen, welche aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sind, die erforderliche Versorgung mit eigenen Mitteln sicherzustellen. Es ist aber Sache des gesetzgeberischen Ermessens, über die Sachangemessenheit von weiteren Ausnahmeregelungen zu befinden. Der finanzielle Ausgleich für Versicherte ohne ausreichende eigene Mittel muss auch nicht notwendig im SGB V selbst geregelt werden (BSG, Urt. v. 2. September 2014 – B 1 KR 12/13 R - juris Rn 19). Die vom Gesetzgeber im SGB V getroffene Ausnahmeregelung ist also nicht deswegen gleichheitswidrig, weil sie Fälle nicht berücksichtigt, in denen ein bestehender medizinischer Bedarf nicht durch eigene Mittel des Versicherten gedeckt werden kann.
Ob der Gesetzgeber im Sozialhilferecht bzw. im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende die erforderlichen Regelungen geschaffen hat, um Versicherten ohne ausreichende eigene Mittel die Versorgung mit medizinisch notwendigen Sehhilfen auch dann zu ermöglichen, wenn sie einen höheren Preis haben, kann der Senat hier dahingestellt sein lassen. Jedenfalls für den Kläger ist nämlich nicht ersichtlich, dass er nicht in der Lage gewesen wäre, sich die benötigte Kontaktlinse auch außerhalb des Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung zu verschaffen. Im Übrigen würden sich entsprechende Kostenübernahmeansprüche nicht gegen die Beklagte, sondern gegen die Träger der Grundsicherung richten.
§ 33 Abs. 2 SGB V verstößt auch nicht gegen das sich aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ergebende Benachteiligungsverbot. Dagegen spricht schon, dass der Ausschluss des Anspruches nicht an das Vorliegen einer Behinderung anknüpft, sondern jegliche Art von Erkrankungen betrifft, insbesondere auch solche vorübergehender Natur. Eine direkte Diskriminierung erfolgt nicht, weil das Vorliegen einer Behinderung nicht zum Ausschluss des Anspruchs auf Versorgung mit Sehhilfen führt. Dass der Ausschluss insbesondere behinderte Menschen betrifft, reicht nicht aus. Insoweit verlangt das Grundgesetz nur, dass behinderte Menschen keinen unbilligen oder unverhältnismäßigen Belastungen ausgesetzt werden (BSG, Urt. v. 6. März 2012 – B 1 KR 10/11 R - juris Rn. 33). Der Gesetzgeber verfolgt aber mit der Beschränkung des Leistungsanspruches das legitime Ziel, die Ausgaben der Krankenkassen zu einzugrenzen. Ihm ist es unbenommen, bei der Ausgestaltung des Leistungsrechts den Bereich der Eigenvorsorge auszuweiten, insbesondere wenn sich daraus preisdämpfende Auswirkungen ergeben, was etwa bei der Versorgung mit Brillen zu beobachten war (BSG, Urt. v. 6. März 2012 – B 1 KR 24/10 R – juris Rn 33). Der den Ausschluss der Sehhilfen rechtfertigende Grund, dass die Versicherten typischerweise nicht auf die Leistungen der Krankenversicherung angewiesen waren, um sich mit Hilfsmitteln zu versorgen und die Versorgung auch tatsächlich überwiegend aus eigenen Mitteln finanziert haben, gilt grundsätzlich für alle Versicherten. Ausnahmen davon betreffen nicht speziell behinderte Menschen, sondern Versicherte, denen ausreichende eigene finanzielle Mittel fehlen.
Weitgehendere Anforderungen als aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ergeben sich auch nicht aus der UN-Behindertenkonvention (BSG, Urt. v. 6. März 2012 – B 1 KR 10/11 R - juris Rn. 33).
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache nach § 160 Abs. 2 SGG zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenerstattung für eine Kontaktlinse.
Der 1941 geborene Kläger ist bei der Beklagten versichert. Wegen einer ausgeprägten Sehschwäche des rechten Auges ist er funktionell einäugig. Im Juni 2008 wurde zusätzlich sein linkes Auge verletzt. Durch Bescheid vom 3. Februar 2009 übernahm die Beklagte die Kosten für eine Versorgung des linken Auges mit einer Kontaktlinse in Höhe von 320,- EUR. Wegen einer nach der Verletzung des linken Auges bleibenden Schädigung der Hornhaut war eine Einzelanfertigung erforderlich.
Am 18. September 2009 verordnete der behandelnde Augenarzt Dr. D erneut eine Kontaktlinse für das linke Auge. Nach dem Kostenvoranschlag des Augenoptikers B (Kontaktlinseninstitut) vom 30. Oktober 2009 war die bisherige Linse unverschuldet zu Bruch gegangen. Für den Nachkauf sollte der reine Materialpreis in Höhe von 150,- EUR berechnet werden. Allerdings habe der Kläger nach der aktuellen Fassung der Hilfsmittel-Richtlinie keinen Versorgungsanspruch. Der von der Beklagten befragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) befand in seinem Gutachten vom 3. Dezember 2009, dass nach der letzten Änderung der Hilfsmittel-Richtlinie, in Kraft seit dem 7. Februar 2009, nunmehr die Abgabe von Kontaktlinsen bei funktioneller Einäugigkeit ausdrücklich ausgeschlossen sei. Stattdessen sei eine Versorgung mit Kunststoffgläsern als therapeutische Sehhilfe vorzunehmen.
Durch Bescheid vom 21. Dezember 2009 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Die Voraussetzungen für eine Versorgung mit Sehhilfen als Kassenleistung hätten sich zum 7. Februar 2009 geändert. Es könnten nunmehr nur noch die Kosten für Kunststoffbrillengläser übernommen werden.
Der Kläger legte Widerspruch ein, den die Beklagte nach nochmaliger Befragung des MDK durch Widerspruchsbescheid vom 31. August 2010 zurückwies. Die Voraussetzungen für eine Versorgung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung lägen nicht vor. Diese seien durch die Hilfsmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses konkretisiert worden. Eine schwere Sehbeeinträchtigung nach der WHO-Klassifikation, die Voraussetzung für einen Leistungsanspruch von Sehhilfen zur Verbesserung der Sehschärfe sei, liege nicht vor, weil der Kläger nach bestmöglicher Korrektur für das rechte Auge einen Visus von 0,05 und für das linke von 1,0 habe. Ein Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen als therapeutische Sehhilfen bestehe nicht, weil nach der Neufassung der Hilfsmittel-Richtlinie mit Wirkung ab dem 7. Februar 2009 Kontaktlinsen auch dann nicht mehr verordnungsfähig seien, wenn bei funktioneller Einäugigkeit zusätzlich die Notwendigkeit eines Refraktionsausgleich bestehe. Kunststoffgläser würden besser als Kontaktlinsen vor einer Verletzung des Auges schützen. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 31. August 2010 und 16. September 2010 jeweils als Einschreiben übersandt, das von dem Kläger indessen nicht abgeholt wurde. Mit Schreiben vom 4. Oktober 2010 übersandte die Beklagte den Widerspruchsbescheid schließlich als einfachen Brief.
Gegen die Ablehnung der Kostenübernahme richtet sich die am 1. November 2010 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangene Klage, mit welcher der Kläger Kostenerstattung begehrt. Er habe die Kontaktlinse am 7. Januar 2010 mündlich in Auftrag gegeben und die ihm am 21. Januar 2010 dafür in Rechnung gestellten 150,- EUR am selben Tag bar bezahlt.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 23. April 2013 abgewiesen. Die Klage sei zwar zulässig, da der Widerspruchsbescheid erst nach seiner Übersendung als einfacher Brief zugegangen sei. Der geltend gemachte Anspruch auf Kostenerstattung bestehe aber nicht, weil die Versorgung mit der Kontaktlinse nicht zu den von der Beklagten zu erbringenden Leistungen gehöre. Das Gesetz bestimme, dass Versicherte nach der Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Sehhilfen nur dann hätten, wenn sie auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung aufwiesen, die mindestens der Stufe 1 der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Klassifikation entspreche. Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen bestehe zudem nur in medizinisch zwingenden Ausnahmefällen. Die insoweit maßgeblichen Indikationen habe der Gemeinsame Bundesausschuss entsprechend dem Auftrag des Gesetzgebers in seiner Hilfsmittel-Richtlinie näher geregelt. Die vom Kläger begehrte Sehhilfe sei nach der Hilfsmittel-Richtlinie nur verordnungsfähig, wenn die Sehschärfe bei bestmöglicher Korrektur durch Brille oder Kontaktlinse auf dem besseren Auge &8804; 0,3 betrage oder das beidäugige Gesichtsfeld &8804; 10 Grad bei zentraler Fixation sei. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, weil die Sehschärfe des Klägers auf dem besseren Auge bei bestmöglicher Korrektur 1,0 betrage und eine relevante Einschränkung des Gesichtsfeldes nicht vorliege. Die Einschränkung der Verordnungsfähigkeit verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Ein Verstoß der Hilfsmittel-Richtlinie gegen höherrangiges Recht scheide aus, da auch das SGB V Bezug nehme auf die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlene Klassifizierung des Schweregrades der Sehbeeinträchtigung. Für die Annahme des Klägers, der Gesetzgeber habe auf die Sehschärfe vor einer Korrektur durch Brille oder Kontaktlinse abstellen wollen, fehlten hinreichende Anhaltspunkte. Es verstoße auch nicht gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes, wenn Sehhilfen nur für solche Versicherte verordnungsfähig seien, die auch nach bestmöglicher Korrektur noch erheblich sehbehindert blieben. Die Krankenkassen müssten nicht von Verfassung wegen alles leisten, was zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar sei (Hinweis auf BVerfG, Beschluss v. 12. Dezember 2012 – 1 BvR 69/09). Die Schwere der Erkrankung sei ein naheliegendes Kriterium zur Differenzierung innerhalb des Leistungskatalogs. Auch das im Grundgesetz und der UN-Behindertenkonvention formulierte Verbot der Diskriminierung von Behinderten sei nicht verletzt. Der Leistungskatalog der Krankenkassen dürfe auch von finanzpolitischen Erwägungen mitbestimmt werden. Angesichts der Vielzahl von Menschen mit Sehfehlern sei die Begrenzung des Leistungsanspruchs auf besonders schwer sehbeeinträchtigte erwachsene Versicherte nicht zu beanstanden. Wünschenswert sei allerdings eine Regelung, wonach Leistungen auch gewährt werden könnten, um das Sehvermögen mit der bestmöglichen Korrektur ganz oder teilweise wieder herzustellen.
Gegen das ihm am 14. Mai 2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 29. Mai 2013 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene, von dem Sozialgericht ausdrücklich zugelassene Berufung des Klägers. Das Urteil des Sozialgerichts sei fehlerhaft. Der Gesetzgeber habe zwar den Leistungsanspruch für Erwachsene auf zwingend notwendige medizinische Ausnahmefälle beschränken wollen. Seine Begründung betreffe aber nicht Kontaktlinsen, sondern ausschließlich Brillen. Erwachsene Versicherte würden durch die Ausgrenzung der Brillen aus der Versorgung grundsätzlich finanziell nicht überfordert. Das sei bei Kontaktlinsen anders. Die Erstversorgung mit zwei formstabilen Kontaktlinsen überschreite regelmäßig einen Betrag von 500,- EUR. Außerdem sei dem Hilfsmittelrecht die Erwägung grundsätzlich fremd, dass ein Hilfsmittel versagt wird, wenn es geeignet ist, die Behinderung zu überwinden. Das habe das Sozialgericht Dresden zutreffend erkannt und entsprechend auf das Ausmaß der Sehschwäche vor einer Korrektur durch Sehhilfen abgestellt (Hinweis auf Urt. v. 23. November 2011 – S 18 KR 597/08). Den Gesetzesmaterialien lasse sich nicht entnehmen, dass sich der Gesetzgeber den Konsequenzen einer gegenteiligen Handhabung bewusst gewesen sei. Es sei mit dem Grundgesetz unvereinbar, einem schwer sehbehinderten Mensch eine kostspielige Kontaktlinsenversorgung vorzuenthalten, obwohl er mit diesem Hilfsmittel seine Behinderung vollständig ausgleichen könne. Es verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, nicht für jeden erschwingliche Sehhilfen wie Kontaktlinsen aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen herauszunehmen, nur weil sie den gewünschten Erfolg herbeiführten. Im Übrigen verweist der Kläger auf den Aufsatz von Michael Wrase in der Zeitschrift "Gesundheit und Pflege" 2014, S. 58ff.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. April 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die für die Beschaffung einer Kontaktlinse entstandenen Kosten in Höhe von 150,- EUR abzüglich Zuzahlung in Höhe von 10,- EUR zu erstatten. Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts Berlin für zutreffend. An die geltenden Gesetze, Rechtsverordnungen sowie die höchst- und verfassungsrechtliche Rechtsprechung sei sie gebunden. Das Urteil des Sozialgerichts Dresden sei zu der alten Fassung der Hilfsmittel-Richtlinie (vor 2008) ergangen, seine Übertragbarkeit auf den vorliegenden Sachverhalt daher fraglich.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts ist zutreffend. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihm die für die Beschaffung einer Kontaktlinse entstandenen Kosten in Höhe von 150,- EUR abzüglich einer Zuzahlung in Höhe von 10,- EUR erstattet.
Als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers kommt nur § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Nach dieser Vorschrift sind Versicherten Kosten zu erstatten, die dadurch entstanden sind, dass die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind vorliegend nicht erfüllt, weil die Beklagte nicht die Versorgung des Klägers mit einer Kontaktlinse zu Unrecht abgelehnt hat.
Die Versorgung der Versicherten mit Sehhilfen, zu denen auch eine Kontaktlinse gehört, hat der Gesetzgeber in § 33 Abs. 2 und 3 SGB V besonders geregelt. Nach § 33 Abs. 2 SGB V besteht für Versicherte, welche – wie der Kläger - das 18. Lebensjahr vollendet haben, nur Anspruch auf die Versorgung mit Sehhilfen, wenn sie aufgrund ihrer Sehschwäche oder Blindheit, entsprechend der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Klassifikation des Schweregrades der Sehbeeinträchtigung, auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 aufweisen. Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Für danach anspruchsberechtigte Versicherte besteht gemäß § 33 Abs. 3 SGB V Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen nur in medizinisch zwingenden Ausnahmefällen, deren Indikationen vom Gemeinsamen Bundesausschuss bestimmt werden. Der Anspruch eines Versicherten auf Versorgung mit Kontaktlinsen setzt demnach voraus, dass er entweder an einer schweren Sehbeeinträchtigung leidet, die mindestens der Stufe 1 in der Klassifikationsskala der Weltgesundheitsorganisation entspricht, oder dass er Sehhilfen zur Therapie von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen benötigt. Zusätzlich muss ein medizinisch zwingender Ausnahmefall vorliegen, welcher die Versorgung gerade mit Kontaktlinsen erforderlich macht. Alleine die medizinisch begründete Notwendigkeit von Kontaktlinsen reicht also gerade nicht aus, um einen Anspruch auf Versorgung gegen die gesetzliche Krankenversicherung zu begründen. Dass ergibt sich daraus, dass § 33 Abs. 3 SGB V ausdrücklich auf die nach § 33 Abs. 2 SGB V Berechtigten abstellt, also entweder eine schwere Sehbeeinträchtigung (im Sinne der Vorschrift) oder die therapeutische Notwendigkeit der Versorgung mit Sehhilfen voraussetzt.
Der Kläger leidet weder an einer schweren Sehbeeinträchtigung noch an Blindheit im Sinne der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation. Er benötigt auch keine Kontaktlinse zur Therapie. Ausweislich der Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 15/1525) wollte der Gesetzgeber für die Definition einer schweren Sehbeeinträchtigung die damals noch aktuelle Fassung der von der Weltgesundheitsorganisation herausgegebenen Klassifikation in Bezug nehmen (Hinweis auf WHO Technical Report Series Nr. 518, 1973). Maßgebend war danach die Sehbeeinträchtigung, welche nach der bestmöglichen Korrektur der Sehschärfe noch verbleibt. Dass in der aktuellen ab dem Jahre 2010 geltenden Fassung der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (zu recherchieren unter apps.who.int) auf eine vorhandene Korrektur der Sehschärfe abgestellt wird, hat demgegenüber keine Bedeutung. Es ist nämlich schon fraglich, ob der Gesetzgeber in § 33 Abs. 2 SGB V eine dynamische Verweisung auf die Definition der schweren Sehbehinderung durch die Weltgesundheitsorganisation in der jeweils aktuellen Fassung aussprechen wollte. Jedenfalls aber führt die veränderte Fassung der Klassifikation zu keinen erheblichen Rechtsfolgen. Bei einer dynamischen Verweisung wäre hier zwar die ab dem 1. Januar 2010 geltende Fassung anzuwenden. Denn entscheidend für einen auf § 13 Abs. 3 SGB V gestützten Erstattungsanspruch ist die zur Zeit der Rechnungslegung für die abgelehnte Leistung geltende Rechtslage (BSG, Urt. v. 18. Mai 2011 – B 3 KR 12/10 R – juris Rn. 8). Der Kläger muss sich aber so behandeln lassen, als sei er mit einer optimalen Sehhilfe versorgt. Denn durch § 33 Abs. 2 und 3 SGB V wird die Versorgung der Versicherten mit Sehhilfen, soweit sie nicht in die Zuständigkeit der Krankenversicherung übernommen wird, dem Bereich der Eigenvorsorge der Versicherten überantwortet (BT-Drs 15/1525 S. 85). Das verstößt auch nicht – wie noch zu zeigen sein wird – gegen höherrangiges Recht.
Eine schwere Sehbeeinträchtigung setzt nach der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation voraus, dass auf beiden Augen nach bestmöglicher Korrektur nur eine Sehschärfe von höchstens 0,3 verbleibt. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht, da er ausweislich der Auskunft seines behandelnden Arztes und der seines Optikers nach Versorgung mit einer geeigneten Kontaktlinse auf dem linken Auge eine Sehschärfe von 1,0 erreicht. Insoweit ergibt sich bereits unmittelbar aus dem Gesetz, dass der Kläger keinen Anspruch auf Versorgung haben kann. Auf die Hilfsmittel-Richtlinie kommt es deswegen nicht an, auch wenn sie – wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat – zu demselben Ergebnis führen würde.
Die Kontaktlinse dient auch nicht der Behandlung einer Augenerkrankung oder Augenverletzung. Die eingetretene Verletzung der Hornhaut als solche wird durch die Verwendung einer Kontaktlinse nicht beeinflusst. Der Kläger benötigt zwar gleichwohl eine Sehhilfe aus therapeutischen Gründen. Denn wegen der funktionellen Einäugigkeit muss das verbliebene Auge besonders vor Verletzungen geschützt werden. Angesprochen ist damit der in § 27 Abs. 1 SGB V genannte Behandlungszweck, die Verschlimmerung einer Erkrankung zu verhüten. Ein Anspruch auf Versorgung gerade mit einer Kontaktlinse besteht nach § 33 Abs. 3 SGB V aber nur, soweit ein medizinisch zwingender Ausnahmefall vorliegt, dessen Voraussetzungen der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 33 Abs. 3 Satz 2 SGB V in seinen Richtlinien bestimmen soll. Insoweit bestimmt § 17 Abs. 1 Nr. 16 Hilfsmittel-Richtlinie aber eindeutig, dass verordnungsfähig bei besonderer Sturzgefahr wegen funktioneller Einäugigkeit nur Kunststoffgläser sind. Kontaktlinsen sind auch nicht deswegen verordnungsfähig, weil neben dem Schutz des Auges vor Verletzungen auch noch die Notwendigkeit eines Refraktionsausgleiches besteht. Die Hilfsmittel-Richtlinie verstößt mit diesen Festlegungen nicht gegen die gesetzlichen Vorgaben in § 33 Abs. 2 und 3 SGB V. Vielmehr steht mit dem Zweck des Gesetzes in Übereinstimmung, dass die medizinische Notwendigkeit für die Versorgung mit Kontaktlinsen mit Bezug auf den Anlass beurteilt wird, der eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen erst begründet. Der rechtlich erhebliche Behandlungszweck erschöpft sich hier aber in dem Schutz des Auges vor Verletzungen. Dieser Schutz wird nicht dadurch verbessert, dass durch die Verwendung einer Kontaktlinse eine höhere Sehschärfe erreicht wird. Eine andere in der Hilfsmittel-Richtlinie formulierte therapeutische Indikation für die Versorgung mit einer Sehhilfe liegt nicht vor.
Das Gesetz lässt sich – entgegen dem Sozialgericht Dresden (Urt. v. 23. November 2011 – S 18 KR 597/08) - auch nicht korrigierend dahingehend auslegen, dass es für die Schwere der Sehbehinderung auf die ohne Korrektur vorhandene Sehschärfe ankommt. Dagegen spricht der eindeutige Verweis des Gesetzgebers auf die von der Weltgesundheitsorganisation verwendete Klassifikation. Diese stellt auf die nach bestmöglicher (bzw. vorhandener) Korrektur erreichbare Sehschärfe ab. Die Annahme einer verdeckten Lücke, die sich daraus ergeben soll, dass der historische Gesetzgeber sich den Inhalt der von der Weltgesundheitsorganisation verwandten Klassifikation nicht vergegenwärtigt habe, ist nicht gerechtfertigt. Es lässt sich nämlich gerade nicht belegen, dass das Abstellen auf die von der Weltgesundheitsorganisation verwendete Definition der eigentlichen Absicht des Gesetzgebers zuwider läuft. Im Rahmen der für die Versorgung der Versicherten mit Sehhilfen verfolgten Konzeption ist es vielmehr folgerichtig, dass der Gesetzgeber für die krankenversicherungsrechtlich erhebliche Beurteilung der Sehfähigkeit auf den Zustand der Versicherten nach ihrer Versorgung mit Sehhilfen abstellt. Denn er hat die Sehhilfen aus dem Leistungskatalog herausgenommen, weil die Versicherten diese in der Vergangenheit tatsächlich im Wesentlichen selbst finanziert hatten (BT-Drs 15/1525 S. 85). Daraus hat er geschlossen, dass typischerweise keine Notwendigkeit besteht, Sehhilfen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung mit aufzunehmen. Dann ist es aber nur konsequent, für die Bestimmung der der gesetzlichen Krankenversicherung noch verbleibenden Leistungspflicht an das Niveau anzuknüpfen, dass sich die Versicherten im Regelfall selbst schaffen. Selbst Kritiker der geltenden Fassung der Hilfsmittel-Richtlinie gestehen zu, dass das Abstellen auf die vor einer Korrektur erreichten Werte einen erheblichen Teil der Versicherten wieder in die Leistungsberechtigung zurückholen könnte (Wrase, GUP 2014, S. 58ff). Das wollte der Gesetzgeber aber offensichtlich für den Bereich der Versorgung der Versicherten mit Sehhilfen gerade nicht erreichen. Er wollte den Leistungsanspruch ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs 15/1525 S. 85) auf eng begrenzte Ausnahmefälle beschränken. Damit unterscheidet sich das Recht der Versorgung mit Sehhilfen erheblich von dem sonstigen Hilfsmittelrecht. Aus diesem Grund kann – entgegen dem Sozialgericht Dresden und der Rechtsauffassung des Bevollmächtigten des Klägers – aus den für andere Hilfsmittel geltenden Regelungen nichts für einen Anspruch des Klägers auf die Versorgung mit Sehhilfen abgeleitet werden.
Dem Gesetz lässt sich - entgegen der Rechtsauffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers - auch nicht entnehmen, dass regelmäßig nur Brillen von der Versorgung ausgeschlossen sein sollen. Entsprechend ist bei der Bestimmung einer schweren Sehbeeinträchtigung nicht nur die Sehschärfe zu berücksichtigen, welche nach einer Versorgung mit Brillen erreicht werden kann. Der Senat kann insoweit dahingestellt sein lassen, ob der nur mit einer Brille versorgte Kläger im Sinne der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation als schwer sehbehindert anzusehen wäre. Zwar hat der Optiker am 30. Oktober 2009 bestätigt, dass der Kläger bei der Versorgung mit Brille auf dem linken Auge nur einen Visus von 0,3 erreicht. Ausweislich des in der Verwaltungsakte der Beklagten enthaltenen Arztberichts der Augenpoliklinik Charité vom 20. November 2008 erreichte der Kläger mit Brille aber einen Visus von 0,8, womit auch bei Verwendung einer Brille die Voraussetzungen einer schweren Sehbeeinträchtigung nicht vorlägen.
Die Vorstellung des Klägers, die bestehende Beeinträchtigung des Sehvermögens auf der Grundlage der bei einer Versorgung mit Brillen erreichbaren Sehschärfe zu bewerten, verstößt jedenfalls gegen § 33 Abs. 2 SGB V. Den Gesetzgebungsmaterialien lässt sich nämlich nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber nur Brillen grundsätzlich von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausnehmen wollte. Die Erwägungen des Gesetzgebers über die Zumutbarkeit der Selbstversorgung beziehen sich nicht im besonderen auf Brillen, sondern nur allgemein auf Sehhilfen (BT-Drs 15/1525 S. 85), zu denen nach dem deutschen krankenversicherungsrechtlichen Sprachgebrauch auch Kontaktlinsen gehören. Die Annahme, dass der Gesetzgeber eigentlich eine abweichende Behandlung von Kontaktlinsen gewollt habe, auch wenn er dies so nicht gesagt habe, überzeugt nicht. Aus den für Sehhilfen geltenden Festbeträgen (zu recherchieren unter www.gkv-spitzenverband.de) ergibt sich schon kein Beleg dafür, dass Kontaktlinsen regelmäßig Aufwendungen verursachen, die weit über die 150,- EUR hinausgingen, welche die Versicherten in der Vergangenheit nach den Feststellungen des Gesetzgebers durchschnittlich für ihre Versorgung mit Sehhilfen aufgewandt haben (BT-Drs 15/1525 S. 85). Die Festbeträge belegen vielmehr, dass es auch hochpreisige Brillen gibt. Selbst wenn im Regelfall höhere Preise für Kontaktlinsen anfallen, begründet dies nicht, dass die Versicherten in der Vergangenheit nicht bereit waren, den Mehrpreis aus eigener Tasche zu zahlen. Dann ist aber der Grund für die Herausnahme von Sehhilfen aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung gleichermaßen für Kontaktlinsen gegeben. Der Feststellung, dass Kontaktlinsen anders als Brillen in der Vergangenheit von den Versicherten im Wesentlichen nur genutzt worden sind, wenn wegen einer entsprechenden medizinischen Indikation die Krankenkassen die Mehrkosten getragen haben, hat der Gesetzgeber gerade nicht getroffen. Dem entspricht es, den Ausschluss der Leistungspflicht bei Sehhilfen gleichermaßen auf Brillen und Kontaktlinsen zu beziehen.
Die Beschränkung der ausnahmsweise noch bestehenden Leistungspflicht der Krankenkassen auf Fälle, in denen nach der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation eine erhebliche Sehstörung vorliegt, verstößt weiter nicht gegen höherrangiges Recht. Auch der Ausschluss des Klägers von Leistungsansprüchen in Bezug auf die Versorgung mit einer Kontaktlinse ist mit höherrangigem Recht vereinbar.
Insbesondere verstößt es nicht gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG, nur solchen Versicherten Leistungsansprüche gegen die gesetzliche Krankenversicherung einzuräumen, welche auch nach der Versorgung mit einer Sehhilfe noch ein erheblich reduziertes Sehvermögen haben. Denn die Schwere einer Erkrankung ist grundsätzlich ein sachgerechtes Kriterium für eine Differenzierung der innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung bestehenden Leistungsansprüche (BSG, Urt. v. 6. März 2012 – B 1 KR 24/10 R – juris Rn 34). Schon auf den ersten Blick erschließt sich, dass eine Augenerkrankung schwerwiegender sein muss, wenn sie auch durch die Versorgung mit Sehhilfen nicht behoben werden kann, als im gegenteiligen Falle. Entgegen Wrase (GUP 2014, S. 58ff) sind beide Fälle vor der Versorgung keineswegs als gleich schwerwiegende Erkrankungen einzuordnen. Ein Kranker, dem noch geholfen werden kann, ist weniger krank als derjenige, bei dem diese Möglichkeit nicht mehr besteht. Zudem kann es dem Gesetzgeber nicht als fehlerhaft vorgehalten werden, wenn er für die Einschätzung, wann eine schwerwiegende Sehstörung vorliegt, auf die Definition der Weltgesundheitsorganisation abstellt, deren diesbezügliche Sachkunde außer Frage steht.
Zwar erschiene es angesichts der Entscheidung des Gesetzgebers, die Versicherten deswegen von Versorgungsansprüchen ausschließt, weil ihnen die Selbstversorgung mit Sehhilfen zuzumuten ist, grundsätzlich auch angemessen, eine Ausnahmeregelung für diejenigen Versicherten zu schaffen, welche aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sind, die erforderliche Versorgung mit eigenen Mitteln sicherzustellen. Es ist aber Sache des gesetzgeberischen Ermessens, über die Sachangemessenheit von weiteren Ausnahmeregelungen zu befinden. Der finanzielle Ausgleich für Versicherte ohne ausreichende eigene Mittel muss auch nicht notwendig im SGB V selbst geregelt werden (BSG, Urt. v. 2. September 2014 – B 1 KR 12/13 R - juris Rn 19). Die vom Gesetzgeber im SGB V getroffene Ausnahmeregelung ist also nicht deswegen gleichheitswidrig, weil sie Fälle nicht berücksichtigt, in denen ein bestehender medizinischer Bedarf nicht durch eigene Mittel des Versicherten gedeckt werden kann.
Ob der Gesetzgeber im Sozialhilferecht bzw. im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende die erforderlichen Regelungen geschaffen hat, um Versicherten ohne ausreichende eigene Mittel die Versorgung mit medizinisch notwendigen Sehhilfen auch dann zu ermöglichen, wenn sie einen höheren Preis haben, kann der Senat hier dahingestellt sein lassen. Jedenfalls für den Kläger ist nämlich nicht ersichtlich, dass er nicht in der Lage gewesen wäre, sich die benötigte Kontaktlinse auch außerhalb des Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung zu verschaffen. Im Übrigen würden sich entsprechende Kostenübernahmeansprüche nicht gegen die Beklagte, sondern gegen die Träger der Grundsicherung richten.
§ 33 Abs. 2 SGB V verstößt auch nicht gegen das sich aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ergebende Benachteiligungsverbot. Dagegen spricht schon, dass der Ausschluss des Anspruches nicht an das Vorliegen einer Behinderung anknüpft, sondern jegliche Art von Erkrankungen betrifft, insbesondere auch solche vorübergehender Natur. Eine direkte Diskriminierung erfolgt nicht, weil das Vorliegen einer Behinderung nicht zum Ausschluss des Anspruchs auf Versorgung mit Sehhilfen führt. Dass der Ausschluss insbesondere behinderte Menschen betrifft, reicht nicht aus. Insoweit verlangt das Grundgesetz nur, dass behinderte Menschen keinen unbilligen oder unverhältnismäßigen Belastungen ausgesetzt werden (BSG, Urt. v. 6. März 2012 – B 1 KR 10/11 R - juris Rn. 33). Der Gesetzgeber verfolgt aber mit der Beschränkung des Leistungsanspruches das legitime Ziel, die Ausgaben der Krankenkassen zu einzugrenzen. Ihm ist es unbenommen, bei der Ausgestaltung des Leistungsrechts den Bereich der Eigenvorsorge auszuweiten, insbesondere wenn sich daraus preisdämpfende Auswirkungen ergeben, was etwa bei der Versorgung mit Brillen zu beobachten war (BSG, Urt. v. 6. März 2012 – B 1 KR 24/10 R – juris Rn 33). Der den Ausschluss der Sehhilfen rechtfertigende Grund, dass die Versicherten typischerweise nicht auf die Leistungen der Krankenversicherung angewiesen waren, um sich mit Hilfsmitteln zu versorgen und die Versorgung auch tatsächlich überwiegend aus eigenen Mitteln finanziert haben, gilt grundsätzlich für alle Versicherten. Ausnahmen davon betreffen nicht speziell behinderte Menschen, sondern Versicherte, denen ausreichende eigene finanzielle Mittel fehlen.
Weitgehendere Anforderungen als aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ergeben sich auch nicht aus der UN-Behindertenkonvention (BSG, Urt. v. 6. März 2012 – B 1 KR 10/11 R - juris Rn. 33).
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache nach § 160 Abs. 2 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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BRB
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