L 13 R 5277/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 2409/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 5277/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. November 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Weitergewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30. September 2011 hinaus.

Die 1955 in der Türkei geborene Klägerin verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung und war zuletzt von 1999 bis 2006 als Arbeiterin bei der Firma E. Elektrokabel tätig. Seit diesem Zeitpunkt ist sie arbeitslos. Sie leidet nach eigenen Angaben vor allem an Müdigkeit, Erschöpfung und Schmerzen. Im Entlassbericht über ein stationäres Heilverfahren in der S.klinik B. über einen dortigen Aufenthalt vom 27. April 2005 bis 25. Mai 2005 sind als Beschwerden Schmerzfehlverarbeitung, degeneratives Wirbelsäumensyndrom, Osteopenie, metabolisches Syndrom sowie Zustand nach Carpaltunnelsyndrom festgehalten.

Mit Bescheid vom 29. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 16. Januar 2006 lehnte die Beklagte die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Das Sozialgericht Karlsruhe (SG) wies mit Urteil vom 30. Mai 2007 die hiergegen erhobene Klage (S 2 R 638/06) ab. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 10 R 4248/07) wies mit Beschluss vom 30. Mai 2007 die eingelegte Berufung zurück.

Mit Bescheid vom 16. April 2010 gewährte die Beklagte der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 1. August 2010 bis zum 30. April 2011. Die Beklagte ging von einem aufgehobenen Leistungsvermögen der Klägerin infolge einer Anämie mit einer Erniedrigung des Blutstoff-Farbgehalts. Nach Einschätzung des begutachtenden Internisten Dr. Mü. vom 9. April 2010 sei mit einer Besserung bis April 2011 zu rechnen.

Am 14. Januar 2011 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Weitergewährung der Rente wegen Erwerbsminderung. Daraufhin holte die Beklagte Befundberichte der behandelnden Ärzte ein und ließ sie durch den Internisten Dr. Mü. und den Psychiater Dr. Br. untersuchen und begutachten. Dr. Mü. stellte in seinem Gutachten vom 4. März 2011 unter Berücksichtigung der Ergebnisse von Dr. Br. vom 11. Februar 2011 die Diagnosen belastungsabhängige Atembeschwerden bei Zustand nach Lungenentzündung (04/2010) mit persistierendem Restinfiltrat im rechten apicalen Oberlappen und asthmoider Bronchitis, rezidivierende depressive Verstimmung, ohne Anhalt für überdauernde depressive Störung bei leicht histronischen Persönlichkeitszügen, Spondylose/Spondylarthrose mit Bandscheibenschädigung HWK 5/6, ohne neurologische Ausfälle, latentes Carpaltunnelsyndrom beidseits, rezidivierender benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel, gelegentlicher Migränekopfschmerz, erfolgreich behandeltes Restless-leg-Syndrom, Übergewicht, Rückenschmerzen, ohne wesentliche Bewegungseinschränkung und ohne neurologische Ausfälle. Beide Gutachter kamen jeweils zu dem Ergebnis, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte Tätigkeiten jetzt wieder über ein sechsstündiges Leistungsvermögen verfüge. Insbesondere Dr. Mü. stellte eine Verbesserung des Gesundheitszustands gegenüber der Vorbegutachtung im Jahr 2010 fest.

Mit Bescheid vom 16. März 2011 lehnte die Beklagte den hier streitgegenständlichen Rentenantrag ab. Nach den ärztlichen Untersuchungsergebnissen könnten mit dem vorhandenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wieder Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden.

Zur Begründung des hiergegen am 7. April 2014 erhobenen Widerspruchs trug die Klägerin vor, sie sei durch ihre körperliche und seelische Verfassung nicht mehr in der Lage, eine Berufstätigkeit auszuüben. Ihr sei es insbesondere auf Grund von erheblichen belastungsabhängigen Atembeschwerden und einer bestehenden depressiven Störung nicht mehr möglich sechs Stunden arbeitstäglich zu arbeiten.

Diesen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2011 mit näheren Erläuterungen der Rechtslage zurück. Es liege weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vor.

Am 1. Juni 2011 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie leide unter einer deutlich reduzierten Belastungsfähigkeit bei den Verrichtungen des täglichen Lebens.

Das SG hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts zunächst behandelnde Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständiger Zeugen gehört. Auf den Inhalt der sachverständigen Zeugenaussage des Nervenarztes Dr. Hu. vom 24. November 2011, des Orthopäden Dr. Lö. vom 11. Oktober 2011 und Allgemeinmediziners Dr. Ma. vom 2. Dezember 2011 sowie des Internisten Dr. Ro. vom 21. Juni 2013 wird Bezug genommen.

Daraufhin hat die Beklagte mit Schreiben vom 24. Januar 2012 ein Vergleichsangebot dahingehend unterbreitet, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30. April 2011 hinaus weiter bis 30. September 2011 zu gewähren. Sie gehe nunmehr davon, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin insbesondere auf internistischem Fachgebiet erst im September 2011 gebessert habe. Die Klägerin hat dieses Vergleichsangebot nicht angenommen.

Anschließend hat das SG die Untersuchung und Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Innere Medizin Dr. Su. und der Psychiaterin Dr. Hun. veranlasst. Dr. Su. hat in seinem Gutachten vom 18. September 2012 (Diagnosen: mäßige Adipositas, Überhöhung für Cholesterin und Triglyceride im Blutserum; Verdacht auf wenig enzymaktive Fettleber; Ausschluss einer relevanten Erkrankung des kardiopulmonale Systems; Verdacht auf Fibromyalgie) keine leistungseinschränkenden Krankheiten feststellen können. Dieser Gesundheitszustand habe sich seit der Stellung des Weitergewährungsantrages nicht verändert. Frau Dr. Hun. hat dem SG in ihrem Gutachten vom 7. März 2013 die Diagnosen anhaltende somatoforme Schmerzstörung, histrionische Persönlichkeitsakzentuierung, Zustand nach mittelschwerer Episode und Restless-leg-Syndrom mitgeteilt. Aus ihrer Sicht bestehe ein drei bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen. Dies liege in dem mangelnden Stressbewältigungsvermögen, der erhöhten Irritierbarkeit und vermehrten psychischen Vulnerabilität der Klägerin begründet.

Nachdem der Beratungsarzt der Beklagten Le. dem mit Stellungnahme vom 14. März 2013 entgegengetreten ist, hat Dr. Hun. in einer ergänzenden Stellungnahme vom 31. Juli 2013 ihre Auffassung bekräftigt.

Das SG hat mit Urteil vom 6. November 2013 der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30. April 2011 hinaus bis zum 30. September 2011 zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die weitere Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung seien nicht erfüllt. Nach dem Gesamtergebnis der medizinischen Sachverhaltsaufklärung sei die Klägerin in der Lage, jedenfalls leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben.

Die im Rahmen der gerichtlichen Beweisaufnahme ermittelten Gesundheitsstörungen mit Schwerpunkt auf psychiatrischem und internistischem Gebiet würden das qualitative Leistungsvermögen der Klägerin einschränken, berührten aber ihre quantitative körperliche und geistige Leistungsfähigkeit für die Verrichtung leichter Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ab dem 1. Oktober 2011 nicht. Das SG mache sich diesbezüglich die Einschätzung von Dr. Su., Dr. Mü., Dr. Br. und des Dr. Lö. nach eigener kritischer Urteils- und Überzeugungsbildung zu eigen. Die bereits im Verwaltungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. Br. und Dr. Su. verwerte das SG dabei im Wege des Urkundsbeweises. Maßgeblich für die Beurteilung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit der Klägerin sowie ihrer Anpassungsfähigkeit im Hinblick auf eine möglicherweise wieder aufzunehmende versicherungspflichtige Beschäftigung sei für das SG dabei der Umstand, dass auf internistischem Gebiet die Leistungsfähigkeit der Klägerin nach dem 30. September 2011 nicht mehr quantitativ eingeschränkt sei. Nach Überzeugung des SG sei das Leistungsvermögen der Klägerin infolge einer Anämie bis zum 30. September 2011 auf drei bis unter sechs Stunden gefallen. So habe der Hausarzt Dr. Ma. erst im September 2011 eine deutliche Erholung der Anämie feststellen können. Zuvor sei es immer wieder zu einem Abfallen des maßgeblichen Blutwertes gekommen. Allerdings liege nach diesem Zeitpunkt zur Überzeugung des SG keine Krankheit auf internistischem Fachgebiet vor, die eine Einschränkung des Leistungsvermögens begründen könnte. Dr. Su. habe eine mäßige Überhöhung der Blutkörperchensenkungs-Geschwindigkeit feststellen können, welche der gelegentlichen Kontrolle bedürfe. Im Rahmen der Begutachtung sei die Lungenfunktion unauffällig gewesen, die Befunde seien zum Teil oberhalb des altersentsprechenden Soll-Wertes gelegen. Eine Erkrankung des kardiopulmonalen Systems sei nicht objektivierbar gewesen. Zwar habe die Klägerin das von Dr. Su. durchgeführte Belastungs-EKG bei 25 Watt abgebrochen. Allerdings habe sie dies mit Hüftbeschwerden begründet. Sonstige Beschwerden, insbesondere Herzrhythmusstörungen oder Atemnot, seien nicht aufgetreten. Es bestünden ebenfalls keine Leistungseinschränkungen infolge des Morbus Crohn. Bei der Klägerin würden einmal wöchentlich Schübe dieser Krankheit verbunden mit abdominellen Krämpfen und Diarrhoe auftreten. Es werde eine medikamentöse Therapie durchgeführt. Nach Überzeugung des SG ergebe sich hieraus keine Leistungseinschränkung. Der behandelnde Arzt Dr. Ro. habe festgehalten, dass das aus seiner Sicht aufgehobene Leistungsvermögen nicht auf dieser Krankheit beruhe, sondern auf den neurologischen Symptomen.

Das Leistungsvermögen der Klägerin sei ferner infolge eines Cervikalsyndroms und degenerativer Veränderungen an der Wirbelsäule nur qualitativ eingeschränkt. Vermieden werden solltenkörperlich mittelschwere und schwere Tätigkeiten, Heben, Halten und Transportieren vonschweren Lasten, längeres dauerndes Überkopfarbeiten, längere Zwangshaltungen, Arbeiten aufschwierigem unebenem Untergrund. Aus Sicht des behandelnden Orthopäden Dr. Lö. sei das Leistungsvermögen nicht auf Grund der orthopädischen Beschwerden beeinträchtigt. Dafür spreche auch, dass sich die Klägerin im Jahr 2011 nur einmal in fachärztliche Behandlung bei Dr. Lö. begeben habe. Eine medikamentöse oder sonstige Behandlung sei von Dr. Lö. nicht verordnet worden.

Die psychischen Leiden (anhaltende somatoforme Schmerzstörung, histrionische Persönlichkeitsakzentuierung und Restless-legs-Syndrom) würden nach Überzeugung des SG lediglich qualitative Leistungseinschränkungen bedingen. Die Klägerin könne infolge dieser Krankheiten keinen Tätigkeiten mit erhöhtem Zeitdruck, erhöhten Ansprüchen an Konzentration und Verantwortung, mit Konfliktpotential und Schicht-, Akkord- oder Nachtarbeit mehr nachgehen. Das quantitative Leistungsvermögen hingegen sei nicht beeinträchtigt. So habe die Gutachterin Dr. Hun. im Rahmen der Begutachtung eine ausgeglichene Stimmung, eine gut erhaltene emotionale Schwingungsfähigkeit, keine kognitiven Defizite, einen ungestörten Antrieb sowie einen geordneten Gedankengang festgestellt. Die Klägerin sei nach ihrer eigenen Schilderung noch in der Lage, ihren Tagesablauf hinreichend zu strukturieren, Tätigkeiten in ihrem Haushalt zu übernehmen, ihrem Hobby Lesen nachzugehen und soziale Kontakte aufrechtzuerhalten. Eine ambulante Psychotherapie nehme die Klägerin nicht wahr. Die mehrstündige Begutachtung durch Dr. Hun. habe sie ohne erkennbare Zeichen der Ermüdung und Erschöpfung bewältigen können. Dies spreche gegen eine das quantitative Leistungsvermögen beeinträchtigende Störung der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet.

Nicht folgen könne das SG hingegen der Leitungseinschätzung der Gutachterin Dr. Hun. Diese gehe von einem drei- bis unter sechsstündigen Leistungsvermögen infolge eines mangelnden Stressbewältigungsvermögens, einer erhöhten Irritierbarkeit sowie einer vermehrten psychischen Vulnerabilität aus. Für das SG sei deren Gutachten weder schlüssig noch nachvollziehbar. So habe sie keinerlei auffällige Befunde im psychischen Bereich erhoben, sondern stelle im Gegenteil eine gut erhaltene emotionale Schwingungsfähigkeit, einen ungestörten Antrieb sowie keine kognitiven Defizite fest. Warum die Gutachterin hieraus dann ein eingeschränktes Stressbewältigungsvermögen ableiten wolle, erschließe sich dem SG nicht. Dem stehe zum einen entgegen, dass die Klägerin die mehrstündige Begutachtung gemeistert habe, ohne dass es zu psychisch auffälligen Befunden gekommen sei. Die Gutachterin habe immerhin selbst mitgeteilt, dass keine kognitiven Störungen aufgetreten seien, sie durchgehend konzentriert gewesen sei und alle Fragen adäquat und prompt beantwortet habe. Ihre Einschätzung begründe diese Gutachterin damit, dass die Klägerin vermehrt irritierbar, psychisch vulnerabel sowie in ihrer Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit beeinträchtigt "wirkte". Eine nähere Erläuterung, aufgrund welcher Befunde sie zu dieser Auffassung gelange, habe die Gutachterin auch in ihrer ergänzenden Stellungnahme nicht geboten. Auch hier habe sie sich lediglich auf ihren Eindruck sowie die aus ihrer Sicht glaubhaften Ausführungen der Klägerin bezogen. Die von der Gutachterin erhobenen Befunde würden nach Überzeugung der Kammer nicht mit ihrer Beurteilung übereinstimmen.

Der Einschätzung des behandelnden Psychiaters Dr. Hu. könne sich das SG ebenfalls nicht anschließen. Er sei von einem aufgehobenen Leistungsvermögen infolge kognitiver Einschränkungen der Klägerin ausgegangen. Dem sei entgegenzuhalten, dass weder Dr. Br. noch Dr. Hun. kognitive Einschränkungen objektivieren konnten, sondern im Gegenteil gerade ausgeschlossen hätten.

Auch die Wegefähigkeit der Klägerin sei erhalten. Sie sei noch in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 m binnen höchsten 15 Minuten zu Fuß zurückzulegen und darüber hinaus auch zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel selbständig zu benutzen.

Über den 30. September 2011 hinaus stehe der Klägerin keine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu, da sie einer leichten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden arbeitstäglich im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche nachgehen könne. Ihre Klage habe daher nur teilweise Erfolg. Der Klägerin stehe auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu, weil sie entsprechend den Darlegungen ab dem 30. September 2011 körperlich leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeitstäglich über sechs und mehr Stunden ohne Gefahr für ihre Restgesundheit verrichten könne.

Gegen das ihr am 12. November 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 9. Dezember 2013 Berufung eingelegt. Sie hat geltend gemacht, ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien - unter Darlegung des dortigen Inhalts im Einzelnen- im Gutachten der Dr. Hun. ausführlich und nachvollziehbar mit einer geminderten Leistungseinschätzung versehen worden. Die Einwände des Beratungsarztes Le. vom 14. März 2013 seien durch die ergänzende Stellungnahme der Dr. Hun. vom 31. Juli 2013 entkräftet worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. November 2013 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 19. Mai 2011 zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung über den 30. September 2011 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt letztlich die Auffassung, aus dem Vorbringen im Berufungsverfahren ergäben sich keine Gesichtspunkte, die eine Änderung des bisherigen Standpunktes zuließen. Mit Bescheid vom 23. Januar 2014 sei der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis 30. September 2011 weiter gewährt worden.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Nervenarzt Dr. Wi., Karlsruhe. In seinem Gutachten vom 12. September 2014 hat er für sein Fachgebiet bei "gewissen Verdeutlichungstendenzen" die Diagnosen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, einer leichten überwiegend reaktiven depressiven Verstimmtheit und einer histrionischen Persönlichkeitsakzentuierung gestellt. Leichte Tätigkeiten seien unter Beachtung näher bezeichneter qualitativer Einschränkungen vollschichtig möglich. Ohne unmittelbare Gefährdung des Gesundheit könne die Klägerin leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen die Woche auszuüben. Der von ihm festgestellte Gesundheitszustand bestehe seit 1. Oktober 2011. Eine nachhaltige Besserung sei nicht zu erwarten. Da die Klägerin sich innerlich auf einen Rentenbeginn im Herbst 2015 eingestellt habe, seien Maßnahmen wie ein psychosomatisches Heilverfahren nicht erfolgversprechend. Dem Vorgutachten der Dr. Hun. könne aus - im Einzelnen näher dargelegten - vielen Gründen nicht zugestimmt werden. Diese stütze ihre Annahme einer quantitativen Leistungseinschränkung im Wesentlichen auf die subjektiven Angaben der Klägerin, obwohl der neurologische und der psychiatrische Befund weitgehend normal seien. Die Klägerin hat daraufhin ein fachärztliches Attest des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Hu. vom 4. November 2014 zu den Akten reichen lassen. Die Klägerin befinde sich seit dem 5. Mai 2005 bei ihm in fachärztlicher Behandlung. Aus der Anamnese sei eine depressive Erkrankung erkennbar, zusätzlich eine Schmerzentwicklung. Diese habe die Klägerin in ambulante als auch stationäre Behandlung geführt. Aufgrund der Einschränkungen durch die genannten Leiden sei die Belastbarkeit im sozialmedizinischen Sinne reduziert. Die Klägerin sei "derzeit" allenfalls noch unter drei Stunden täglich belastbar, auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Die Beklagte ist dem mit sozialmedizinischer Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Ne. vom 12. Dezember 2014 entgegengetreten. Dr. Br. habe am 11. Februar 2011 eine Empfehlung für ein vollschichtiges Leistungsvermögen abgegeben. Dem als halbschichtig angenommenen Leistungsvermögen im sehr therapeutisch orientierten Gutachten der Dr. Hun. sei Medizinaldirektor Le. mit seiner Stellungnahme vom 14. März 2013 überzeugend entgegengetreten. Dr. Wi. habe glaubhaft und nachvollziehbar die diagnostische Zuordnung erneut einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung mit einer leichten überwiegend reaktiven depressiven Verstimmtheit und einer histrionischen Persönlichkeitsakzentuierung vorgenommen und auf ein quantitatives Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich geschlossen. Dem Attest des Dr. Hu. seien bei im wesentlichen bekannten Diagnosen hingegen keine Befunde zu entnehmen, die die abweichende Leistungsbeurteilung dieses behandelnden Arztes belegten und für das postulierte Leistungsvermögen sprächen.

Der Senat hat die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, nachdem die Beteiligten Gelegenheit hatten, sich hierzu zu äußern.

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg, denn sie hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung für den streitigen Zeitraum nach dem 30. September 2011.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-2600 § 44 Nr. 7) ist der den Rentenantrag der Klägerin (Weitergewährung) vom 14. Januar 2011 ablehnende Bescheid vom 16. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 19. Mai 2011. Kein Streitgegenstand ist der Bescheid vom 23. Januar 2014, welcher einen Ausführungsbescheid zum Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. November 2013 darstellt. Ein solcher Ausführungsbescheid wird anerkanntermaßen nicht gem. § 96 SGG Gegenstand dieses Rechtsstreits (Meyer-Ladewig/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 96 Rdnr. 4b). Denn besagter Bescheid ist in Ausführung des noch nicht rechtskräftigen Urteils vom 6. November 2013 ergangen. Der Antrag auf Anerkennung einer weiteren Anrechnungszeit vom 12. November 2009 bis 20. Januar 2010 sowie der hierzu gem. § 44 SGB X ergangene Bescheid vom 22. Mai 2014 sind ebenfalls kein Gegenstand dieses Rechtsstreits.

Der streitgegenständlichen Bescheid erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach diesem Zeitpunkt.

Wegen der Rechtsgrundlagen des geltend gemachten Anspruchs und der Beweiswürdigung wird auf die zutreffende Entscheidung des SG vom 6. November 2013 verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG), dem sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt. Der Senat hält nach dieser eigenen Prüfung der Sach- und Rechtslage die Entscheidung des SG für zutreffend. Die gegen die Entscheidung - auf die der Senat um unnötige Wiederholungen zu vermeiden in vollem Umfang Bezug nimmt- vorgebrachten Einwendungen vermögen eine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage auch nach Durchführung weiterer Beweiserhebung nicht zu begründen. Die Klägerin ist zur Überzeugung des Senats nach dem 30. September 2011 gesundheitlich in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten und ist damit nicht voll erwerbsgemindert. Eine quantitative Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens jedenfalls für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auf ein unter sechsstündiges Maß ist nicht gegeben. Es ist auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren. Dies hat das SG in nicht zu beanstandender Würdigung der erhobenen Beweise nachvollziehbar und ausführlich begründet geschlussfolgert und hierbei schlüssig dargelegt.

Ergänzend ist anzumerken, dass auch die Beweiserhebung des Senats eine vollschichtige Leistungseinschätzung nicht erschüttert hat. Auch die im Berufungsverfahren ergänzend durchgeführten Ermittlungen haben keine quantitative Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit der Klägerin ergeben. Diese hat vielmehr für den nervenärztlichen Bereich auch weiterhin lediglich geringfügige qualitative Einschränkungen belegt, die eine Aufhebung des quantitativen Leistungsvermögens gerade nicht begründen. Der Senat stützt sich hierbei maßgeblich auf das ausführliche Sachverständigengutachten von Dr. Wi ... Danach bestehen lediglich leichtgradige Beeinträchtigungen. Bei der Klägerin bestehen auch unter nervenärztlichen Gesichtspunkten jedoch keine schwerwiegenden krankhaften Störungen. Es bestehen somit nach Auffassung des genannten Sachverständigen zwar näher bezeichnete qualitative Einschränkungen. Eine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens ist somit weder aus dem nervenärztlichen noch aus dem orthopädischen Bereich heraus nachweisbar. Der Sachverhalt ist angesichts der durchgeführten Ermittlungen geklärt.

Änderungen haben sich auch nach Vorlage des Attest von Dr. Hu. nicht ergeben. Denn für dessen abweichende Leistungseinschätzung, welcher der Senat nicht folgt, lassen sich keine veränderten Befunde und Diagnosen anführen. Ein weitergehender Ermittlungsbedarf besteht daher nicht.

Die bei Klägerin dokumentierten Gesundheitsstörungen führen zu keinen zusätzlichen qualitativen oder wesentlichen quantitativen Einschränkungen. Insbesondere liegen keine Einschränkungen vor, die einen Anhalt dafür bieten würden, dass eine schwere spezifische Leistungsminderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegen, welche die Benennung einer Verweisungstätigkeit für den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich machen würde.

Damit ist der Senat - unter Betrachtung der Gesundheitsstörungen im Einzelnen und auch in deren Zusammenschau - zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Einschränkungen ab Oktober 2011 in der Lage ist, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten.

Da das SG somit zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 197a SGG Rdnr. 3; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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