S 12 AS 4290/09 abgeändert und die der Erinnerun

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Nordhausen (FST)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 12 AS 4290/09 abgeändert und die der Erinnerun
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Im Rahmen der Kostenfestsetzung nach § 197 Abs. 1 Satz 1 SGG hat der Kostenschuldner nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG die Unbilligkeit der geltend
gemachten Gebühren einzuwenden und darzulegen (so BGH, Beschluss
vom 20. Januar 2011 - V ZB 216/10; a.A. SG Braunschweig, Beschluss
vom 29. September 2011 - S 47 SF 320/09 E).

2. Zum Darlegungserfordernis im Einzelnen.

3. Die Folge fehlender Einlassung resp. Darlegung des Kostenschuldners
zur Unbillligkeit ist die Festsetzung in beantragter Höhe.
1. Auf die Erinnerung vom 5. Juli 2012 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30. Mai 2012 zum Verfahren S 12 AS 4290/09 abgeändert und die der Erinnerungsführerin vom Erinnerungsgegner zu erstattenden Kosten auf 500,60 Euro zzgl. Zinsen i.H.v. 5 v.H. über dem Basiszinssatz ab 22. Februar 2011 festgesetzt. Bereits erfolgte Zahlungen sind anzurechnen. 2. Der Erinnerungsgegner hat der Erinnerungsführerin die Kosten für das Erinne-rungsverfahren zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Höhe der von dem Erinnerungsgegner zu tragenden Kosten der Erinnerungsführerin. Die Erinnerungsführerin war Klägerin und der Erinnerungsgegner der Beklagte des Klagever-fahrens S 12 AS 4290/09. Dort einigten sich die Beteiligten bezüglich der Kosten, dass der Erinnerungsgegner die außergerichtlichen Kosten zur Hälfte erstattet. Unter dem 22. Februar 2011 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsführerin in deren Namen und unter Berücksichtigung der genannten Kostenquote die Festsetzung der Gebühren insgesamt (Vorverfahren und Klageverfahren) in Höhe von 500,60 Euro. Mit Verfügung vom 20. April 2011 wurde der Antrag an den Erinnerungsgegner zur Stel-lungnahme (mit Fristsetzung binnen 4 Wochen) weitergeleitet. Dieser hat mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2011 ausgeführt, dass hinsichtlich der Vergütung des Vorverfahrens gegen die geltend gemachten Kosten auf Basis der Mittelgebühr Bedenken bestehen. Die angemessenen Gebühren seien um mehr als 20 % überschritten, sodass die Kostenbestimmung des Rechtsanwaltes keine Verbindlichkeit entfache. Der Aufwand der Tätigkeit sei gering, was zur Folge hätte, dass sich dies auf sämtliche der fünf zu berücksichtigenden Kriterien auswirken müsse. Zu den einzelnen Kriterien führte der Erinnerungsgegner u.a. wie folgt aus: Der Umfang sei unterdurchschnittlich. Der hiesige Rechtsstreit sei vor allem von kurzen Schriftsätzen geprägt, allenfalls könne eine kurze Besprechung mit der Mandantschaft unterstellt werden. Die Schreiben seien weitestgehend standardisiert, jedenfalls seien kaum individualisierte Wider-spruchschreiben oder Klagen ersichtlich, sodass keine Vorarbeiten oder eine zeitraubende Auseinandersetzung mit Sach- und Rechtsfragen erkennbar seien. Hinsichtlich der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sei eine besondere Komplexität des zu erfassenden Sachverhaltes nicht dargelegt und auch nicht erkennbar. Die standardisierten Rügen mittels Musterschriftsätzen hätten jedenfalls zu einer Rationalisierung geführt, was gleichfalls für eine unterdurchschnittliche Schwierigkeit spräche. Bei der Bedeutung der Angelegenheit sei unter Berücksichtigung des konkreten Klageerfolges allenfalls von einer bedingt durchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit auszugehen. Haftungsrisiko und Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien unterdurchschnittlich. Insgesamt sei daher nicht auf Grundlage der Mittelgebühr abzurechnen, sondern eine Orientierung an der Mindestgebühr vorzunehmen. Zu den Kosten des Klageverfahrens führte der Erinnerungsgegner aus, dass hinsichtlich der Verfahrensgebühr und der Terminsgebühr auf die Ausführungen zu den Vorverfahrenskosten verwiesen wird. Zu den übrigen geltend gemachten Gebühren erfolgte keine Stellungnahme. Mit Beschluss vom 30. Mai 2012 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die anteilig zu erstattenden Gebühren auf 248,94 Euro fest. Am 5. Juli 2012 hat die Erinnerungsführerin gegen den Festsetzungsbeschluss Erinnerung eingelegt. Die Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß, den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30. Mai 2012 abzuändern und die zu erstattenden Gebühren auf 500,60 Euro zzgl. Zinsen i.H.v. 5 v.H. über dem Basiszinssatz festzusetzen. Der Erinnerungsgegner beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen. Er hält die Festsetzung für zutreffend. Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Ge-richtsakte Bezug genommen.

II.

Die nach § 197 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Erinnerung ist begründet. Die Kostenfestsetzung des Urkundsbeamten war zu korrigieren, eine Abänderung der beantragten Kosten war nicht zulässig. Nach § 197 Abs. 1 Satz 1 SGG setzt der Urkundsbeamte auf Antrag der Beteiligten oder ihrer Bevollmächtigten den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. Bei Rahmengebühren, wie sie in der vorliegenden sozialrechtlichen Streitigkeit entstehen, bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers nach billigem Ermessen. Diese Vorschrift gilt jedoch lediglich für das Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten; dass die Bestimmung der Billigkeit entspricht, hat der Rechtsanwalt darzulegen und im Streitfall zu beweisen (Bundesgerichtshof -BGH-, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 216/10). Ist die Gebühr aber - wie hier - von einem Dritten zu ersetzen, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Im Unter-schied zu der in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG enthaltenen Regelung ist hier die Billigkeit der Bestimmung kein anspruchsbegründendes Merkmal des anwaltlichen Gebührenanspruchs, sondern die Unbilligkeit ist eine Einwendung des Dritten im Rahmen des Erstattungsverfahrens. Deshalb trägt nicht der Rechtsanwalt, sondern der Dritte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es an der Billigkeit fehlt (BGH a.a.O.). Eine inhaltliche Prüfung und Absenkung der geforderten Gebühr hatte vorliegend nicht zu erfolgen. Ist der erstattungspflichtige Dritte der vom Rechtsanwalt des Erstattungsberechtigten getroffenen Bestimmung der Gebühren nicht entgegengetreten, so kann das Gericht die getroffene Bestimmung nicht als unbillig bezeichnen, sondern hat die geltend gemachte Gebühr - ohne Prüfung - festzusetzen (vgl. BGH a.a.O. sowie auch Enders in Har-tung/Schons/Enders, RVG, 2. Auflage 2013, § 14 Rn. 8 und Winkler in Mayer/Kroiß, RVG, 6. Auflage 2013, § 14 Rn. 61; a.A. SG Braunschweig, Beschluss vom 29. September 2011 – S 47 SF 320/09 E). Gleichfalls kommt ein Abweichen von der Gebührenforderung auch dann nicht in Betracht, wenn der Dritte - wie hier - im Festsetzungsverfahren nicht die Unbilligkeit darlegt. Hier ist der Erinnerungsgegner Dritter im Sinne der Vorschrift und daher darlegungs- und beweispflichtig für ein Abweichen von der beanspruchten Gebühr. Insoweit ist hier zu konsta-tieren, dass der Erinnerungsgegner - wenn auch weit außerhalb der Frist zur Stellungnahme - zwar mit fünfseitigen Schriftsatz vom 7. Oktober 2011 zum Kostenantrag ausgeführt hat, hierbei aber die eigentliche Funktion seiner Stellungnahme offenbar verkannt, jedenfalls aber nicht wahrgenommen hat. Bei der Festsetzung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG ist es der Erinnerungsgegner, dem es obliegt, zur Billigkeit darzulegen. Darlegung meint damit nicht, das pauschale oder ins Blaue hinein Behaupten der Unbilligkeit, sondern es erfordert eine substantiierte Auseinandersetzungen mit den Umständen des konkreten Falles, die im Falles des Be-streitens gar zu Beweis gestellt werden müssten. Im Ergebnis dessen ist zu fordern, dass der Erinnerungsgegner mit individuellem Verfahrensbezug die nach seiner Auffassung billigen Gebühren beziffert, oder diese jedenfalls ohne weiteres bezifferbar sein lässt. Dabei sind an die Darlegung umso so größere Anforderungen zu stellen, da im Rahmen der Kostenfestsetzung eine Beweisbarkeit regelmäßig nicht oder nur unter besonderen Erschwernissen möglich erscheint. Vorliegende Konstellation der Kostenfestsetzung zwischen den Beteiligten ist insoweit zu unterscheiden zur Kostenfestsetzung im Rahmen des PKH-Verfahrens. Beim Vergütungsan-spruch des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts ist die Billigkeit der geforderten Gebühren bei der Festsetzung von Amts wegen von der Urkundsbeamtin der Ge-schäftsstelle auch ohne Vortrag des Gegners zu prüfen (vgl. Thüringer Landessozialgericht -LSG-, Beschluss vom 21. Januar 2013 - L 6 SF 1578/12 B). Denn die Staatskasse ist nicht Dritter im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG, sie ist vielmehr Vergütungsschuldnerin des Rechtsanwalts; in dieser Konstellation scheidet eine Darlegungs- und Beweislast aus (vgl. Thüringer LSG a.a.O.). Vorliegend besteht hingegen die Darlegungs- und Beweislast des Erinnerungsgegners unbeschränkt. Denn der Erinnerungsgegner soll dem Urkundsbeamten keine Entscheidungshilfe, sondern muss ihm eine Entscheidungsgrundlage geben. Sinn des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG ist, dass der Dritte - hier also der Erinnerungsgegner - als Kostenschuldner die nach seinem Dafürhalten billigen Gebühren benennt oder gar sein Einverständnis zu den geltend gemachten Gebühren erklärt. Nur im Streitfalle darf der Urkundsbeamte - ggf. im Wege einer Darlegungs- oder Beweislastentscheidung - eine eigene Festsetzung treffen (a.A. ohne jedoch Berücksichtigung von BGH a.a.O. Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 21. Auflage 2013, § 14 Rn. 33) ; sind die Beteiligten sich einig, hat der Urkundsbeamte die entsprechenden Gebühren - ohne eigene Würdigung, sondern nur mit Willkür- resp. Missbrauchsprüfung - festzusetzen bzw. ist eine förmliche Kostenfestsetzung bei regulärem Beteiligtenverhalten gar entbehrlich. Mit dem Schriftsatz vom 7. Oktober 2011 wird der Erinnerungsgegner seiner Darlegungslast jedenfalls nicht gerecht. Dem Schriftsatz, der im Übrigen inhaltsgleich und nahezu wortidentisch Gegenstand einer Vielzahl auch anderer Kostenfestsetzungsverfahren ist, fehlt letztlich jeglicher konkreter Bezug zum individuellen Fall. Er ist vielmehr erkennbar darauf ausgerichtet, als standardisierter Musterschriftsatz unter Verwendung von Textbausteinen den Eindruck zu erwecken, dass eine Auseinandersetzung mit dem konkreten Fall erfolgt und so der Einwand der Unbilligkeit erhoben wäre. Der Darlegung der Unbilligkeit wird aber das Bestehen von "Bedenken" ebenso wenig gerecht, wie eine "Orientierung" an der Mindestgebühr. Gleiches gilt für die pauschale Behauptung, dass die geltend gemachten Gebühren 20 % über den angemessenen resp. billigen Gebühren liegen - insoweit hätte es der Bestimmung der billigen Gebühren bedurft. Die unterbliebene Darlegung der Unbilligkeit der geltend gemachten Kosten führt dazu, dass dem Kostenfestsetzungsantrag in vollem Umfang stattzugeben ist. Die Kosten waren daher antragsgemäß festzusetzen. Bereits erfolgte Zahlungen sind anzurechnen.

Hinsichtlich der in entsprechender Anwendung des § 193 SGG getroffenen Kostenentscheidung wird auf Ziffer 3501 VV RVG Bezug genommen.

Der Beschluss ist unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
Saved