Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 26 SB 296/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 91/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 7. Februar 2013 geändert. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 3. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2010 in der Fassung des Ausführungsbescheides vom 10. April 2013 verpflichtet, für den Zeitraum vom 2. September 2009 bis zum 30. November 2014 zugunsten des Klägers einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten im vollen Umfang zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zuerkennung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).
Der im Jahre 1953 geborene Kläger ist alkoholkrank und leidet insbesondere auch an Erkrankungen der Wirbelsäule und der Psyche.
Am 2. September 2009 beantragte er die Feststellung eines GdB. Mit Bescheid vom 3. März 2010 stellte der Beklagte nach Durchführung medizinischer Ermittlungen zugunsten des Klägers einen GdB von 20 ab dem 2. September 2009 fest, lehnte die Zuerkennung eines höheren GdB jedoch ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 2010 erhöhte der Beklagte den GdB mit Wirkung vom 31. Mai 2010 auf den Wert von 30 und wies den Widerspruch im Übrigen zurück.
Im anschließenden Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Cottbus hat aufgrund richterlicher Beweisanordnung am 4. Juli 2012 der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. G ein medizinisches Sachverständigengutachten erstattet und darin den GdB auf den Wert von 40 eingeschätzt. Aufgrund eines vom Kläger angenommenen Teilanerkenntnisses des Beklagten vom 1. Oktober 2012 hat der Beklagte mit Ausführungsbescheid vom 10. April 2013 den GdB des Klägers mit Wirkung vom 5. Juni 2012 auf den Wert von 40 heraufgesetzt.
Mit Urteil vom 7. Februar 2013 hat das Sozialgericht die Klage, soweit sie nicht erledigt war, abgewiesen, weil die Voraussetzungen eines höheren GdB nicht nachgewiesen seien.
Im anschließenden Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat der Kläger sein Ziel weiterverfolgt, die Zuerkennung eines höheren GdB zu erreichen. Er meint, aufgrund der Wechselwirkungen zwischen seinen Behinderungskomplexen müsse der GdB auf den Wert von 50 bemessen werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 7. Februar 2013 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 3. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2010 in der Fassung des Ausführungsbescheides vom 10. April 2013 zu verpflichten, zugunsten des Klägers mit Wirkung vom 2. September 2009 einen GdB von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat aufgrund richterlicher Beweisanordnung der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P am 16. April 2014 ein medizinisches Sachverständigengutachten erstattet. Darin ist er zu der Einschätzung gelangt, bei dem Kläger bestehe ab September 2009 ein GdB von 50. Die wichtigsten Leiden seien das psychische Leiden (Einzel-GdB von 30), das Wirbelsäulenleiden (Einzel-GdB von 20) und die Alkoholkrankheit (Einzel-GdB von 20). Es bestünden starke Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Erkrankungen und darüber hinaus auch weiteren Erkrankungen, wie etwa den durch die Alkoholkrankheit ausgelösten Gleichgewichtsstörungen, weshalb insgesamt der Wert von 50 in Ansatz zu bringen sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die Verwaltungsakten des Beklagten, die im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie ist auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts und die angefochtenen Bescheide des Beklagten waren zu ändern, weil zur Überzeugung des Senats dem Kläger für die Zeit ab Antragstellung bis 30. November 2014 ein GdB von 50 zusteht.
Rechtsgrundlage ist § 69 Sozialgesetzbuch/Neuntes Buch (SGB IX). Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellt die zuständige Behörde auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Maßgeblich im Einzelnen ist hier die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV). Hiernach war der GdB des Klägers zunächst ab Antragstellung mit einem Wert von 50 zu bemessen. Beim Kläger sind im Wesentlichen drei Komplexe von Funktionsbeeinträchtigungen gegeben, nämlich zunächst ein psychisches Leiden nach B 3.7 Anlage VersMedV, das mit einem Einzel GdB von 30 zu bewerten ist, eine Alkoholkrankheit nach B 3.8 Anlage VersMedV mit einem Einzel GdB von 20 und ein Wirbelsäulenleiden nach B 18.9 Anlage VersMedV mit einem Einzel GdB von 20. Dabei war das psychische Leiden entsprechend dem Vorschlag des Sachverständigen Dr. P im Zeitraum jedenfalls bis zum 30. November 2014 weiterhin mit einem Einzel GdB von 30 zu belegen, obwohl zum Zeitpunkt der Untersuchung sich der psychische Zustand des Klägers bereits gebessert hatte und punktuell auf diesen Zeitpunkt bezogen ein Einzel GdB von 20 angemessen gewesen wäre. Denn zu Recht hat der Sachverständige ausgeführt, dass der Kläger, der erst seit etwa dem Jahresende 2012 abstinent war, in der längerfristigen Betrachtung mit einem höheren Einzel GdB einzuschätzen war. Ähnliches gilt auch im Hinblick auf die Alkoholkrankheit, denn seit Beginn der Alkohol-Abstinenz des Klägers Ende des Jahres 2012 war zum Zeitpunkt der Begutachtung des Klägers durch den Sachverständigen und auch noch darüber hinaus kein dauerhaftes Absinken der Alkoholkrankheit unter einen niedrigeren Wert festzustellen.
Aus den bei dem Kläger vorliegenden Behinderungen, insbesondere dem psychischen Leiden mit einem Einzel GdB von 30, dem Wirbelsäulenleiden mit einem Einzel GdB von 20 und der Alkoholkrankheit mit einem weiteren Einzel GdB von 20, war nach A 3. Anlage VersMedV ein Gesamt GdB zu bilden. Dies führte dazu, dass nach A 3. Buchstabe c von dem höchsten Einzelgrad - der psychischen Beeinträchtigung mit dem Wert von 30 - auszugehen und sodann sowohl wegen des Wirbelsäulenleidens als auch wegen der Alkoholkrankheit jeweils eine weitere Erhöhung um einen Zehnergrad vorzunehmen. Dies entspricht dem Vorschlag des Sachverständigen Dr. P und trägt dem Umstand Rechnung, dass die drei Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers insbesondere durch die verbindende Wirkung der Alkoholkrankheit jeweils verstärkend aufeinander einwirken.
Im Übrigen jedoch war die Berufung zurückzuweisen. Für die Zeit nach dem 30. November 2014 war der beantragte GdB von 50 dem Kläger nicht mehr zuzuerkennen, denn ab diesem Zeitpunkt spätestens lagen die Voraussetzungen nicht mehr vor. Wie sich bereits aus der umfassenden Untersuchung und Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. P ergeben hat, war der Kläger seit etwa Ende des Jahres 2012 alkoholabstinent, was zugleich zu einer Besserung des psychischen Leidens mit einer dauerhaft niedrigeren Bewertung von nur noch einem Einzelgrad von 20 geführt hat. Dies bedeutet gleichzeitig, dass nach den vorbezeichneten Grundsätzen der GdB von 50 für den Kläger nicht mehr erreichbar war und insoweit seine Berufung keinen Erfolg haben konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger mit dem weit überwiegenden Teil seines Begehrens Erfolg gehabt hat.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorlagen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zuerkennung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).
Der im Jahre 1953 geborene Kläger ist alkoholkrank und leidet insbesondere auch an Erkrankungen der Wirbelsäule und der Psyche.
Am 2. September 2009 beantragte er die Feststellung eines GdB. Mit Bescheid vom 3. März 2010 stellte der Beklagte nach Durchführung medizinischer Ermittlungen zugunsten des Klägers einen GdB von 20 ab dem 2. September 2009 fest, lehnte die Zuerkennung eines höheren GdB jedoch ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 2010 erhöhte der Beklagte den GdB mit Wirkung vom 31. Mai 2010 auf den Wert von 30 und wies den Widerspruch im Übrigen zurück.
Im anschließenden Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Cottbus hat aufgrund richterlicher Beweisanordnung am 4. Juli 2012 der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. G ein medizinisches Sachverständigengutachten erstattet und darin den GdB auf den Wert von 40 eingeschätzt. Aufgrund eines vom Kläger angenommenen Teilanerkenntnisses des Beklagten vom 1. Oktober 2012 hat der Beklagte mit Ausführungsbescheid vom 10. April 2013 den GdB des Klägers mit Wirkung vom 5. Juni 2012 auf den Wert von 40 heraufgesetzt.
Mit Urteil vom 7. Februar 2013 hat das Sozialgericht die Klage, soweit sie nicht erledigt war, abgewiesen, weil die Voraussetzungen eines höheren GdB nicht nachgewiesen seien.
Im anschließenden Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat der Kläger sein Ziel weiterverfolgt, die Zuerkennung eines höheren GdB zu erreichen. Er meint, aufgrund der Wechselwirkungen zwischen seinen Behinderungskomplexen müsse der GdB auf den Wert von 50 bemessen werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 7. Februar 2013 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 3. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2010 in der Fassung des Ausführungsbescheides vom 10. April 2013 zu verpflichten, zugunsten des Klägers mit Wirkung vom 2. September 2009 einen GdB von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat aufgrund richterlicher Beweisanordnung der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P am 16. April 2014 ein medizinisches Sachverständigengutachten erstattet. Darin ist er zu der Einschätzung gelangt, bei dem Kläger bestehe ab September 2009 ein GdB von 50. Die wichtigsten Leiden seien das psychische Leiden (Einzel-GdB von 30), das Wirbelsäulenleiden (Einzel-GdB von 20) und die Alkoholkrankheit (Einzel-GdB von 20). Es bestünden starke Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Erkrankungen und darüber hinaus auch weiteren Erkrankungen, wie etwa den durch die Alkoholkrankheit ausgelösten Gleichgewichtsstörungen, weshalb insgesamt der Wert von 50 in Ansatz zu bringen sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die Verwaltungsakten des Beklagten, die im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie ist auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts und die angefochtenen Bescheide des Beklagten waren zu ändern, weil zur Überzeugung des Senats dem Kläger für die Zeit ab Antragstellung bis 30. November 2014 ein GdB von 50 zusteht.
Rechtsgrundlage ist § 69 Sozialgesetzbuch/Neuntes Buch (SGB IX). Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellt die zuständige Behörde auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Maßgeblich im Einzelnen ist hier die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV). Hiernach war der GdB des Klägers zunächst ab Antragstellung mit einem Wert von 50 zu bemessen. Beim Kläger sind im Wesentlichen drei Komplexe von Funktionsbeeinträchtigungen gegeben, nämlich zunächst ein psychisches Leiden nach B 3.7 Anlage VersMedV, das mit einem Einzel GdB von 30 zu bewerten ist, eine Alkoholkrankheit nach B 3.8 Anlage VersMedV mit einem Einzel GdB von 20 und ein Wirbelsäulenleiden nach B 18.9 Anlage VersMedV mit einem Einzel GdB von 20. Dabei war das psychische Leiden entsprechend dem Vorschlag des Sachverständigen Dr. P im Zeitraum jedenfalls bis zum 30. November 2014 weiterhin mit einem Einzel GdB von 30 zu belegen, obwohl zum Zeitpunkt der Untersuchung sich der psychische Zustand des Klägers bereits gebessert hatte und punktuell auf diesen Zeitpunkt bezogen ein Einzel GdB von 20 angemessen gewesen wäre. Denn zu Recht hat der Sachverständige ausgeführt, dass der Kläger, der erst seit etwa dem Jahresende 2012 abstinent war, in der längerfristigen Betrachtung mit einem höheren Einzel GdB einzuschätzen war. Ähnliches gilt auch im Hinblick auf die Alkoholkrankheit, denn seit Beginn der Alkohol-Abstinenz des Klägers Ende des Jahres 2012 war zum Zeitpunkt der Begutachtung des Klägers durch den Sachverständigen und auch noch darüber hinaus kein dauerhaftes Absinken der Alkoholkrankheit unter einen niedrigeren Wert festzustellen.
Aus den bei dem Kläger vorliegenden Behinderungen, insbesondere dem psychischen Leiden mit einem Einzel GdB von 30, dem Wirbelsäulenleiden mit einem Einzel GdB von 20 und der Alkoholkrankheit mit einem weiteren Einzel GdB von 20, war nach A 3. Anlage VersMedV ein Gesamt GdB zu bilden. Dies führte dazu, dass nach A 3. Buchstabe c von dem höchsten Einzelgrad - der psychischen Beeinträchtigung mit dem Wert von 30 - auszugehen und sodann sowohl wegen des Wirbelsäulenleidens als auch wegen der Alkoholkrankheit jeweils eine weitere Erhöhung um einen Zehnergrad vorzunehmen. Dies entspricht dem Vorschlag des Sachverständigen Dr. P und trägt dem Umstand Rechnung, dass die drei Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers insbesondere durch die verbindende Wirkung der Alkoholkrankheit jeweils verstärkend aufeinander einwirken.
Im Übrigen jedoch war die Berufung zurückzuweisen. Für die Zeit nach dem 30. November 2014 war der beantragte GdB von 50 dem Kläger nicht mehr zuzuerkennen, denn ab diesem Zeitpunkt spätestens lagen die Voraussetzungen nicht mehr vor. Wie sich bereits aus der umfassenden Untersuchung und Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. P ergeben hat, war der Kläger seit etwa Ende des Jahres 2012 alkoholabstinent, was zugleich zu einer Besserung des psychischen Leidens mit einer dauerhaft niedrigeren Bewertung von nur noch einem Einzelgrad von 20 geführt hat. Dies bedeutet gleichzeitig, dass nach den vorbezeichneten Grundsätzen der GdB von 50 für den Kläger nicht mehr erreichbar war und insoweit seine Berufung keinen Erfolg haben konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger mit dem weit überwiegenden Teil seines Begehrens Erfolg gehabt hat.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorlagen.
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