Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 2 VJ 90003/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 VE 5/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Ansprüche des Klägers nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG).
Der am ... 1986 geborene Kläger beantragte am 14. Dezember 2005 beim Beklagten die Gewährung von Versorgung wegen eines Impfschadens und ließ vortragen, er habe am 15. April 1987 in der Kreispoliklinik S. von der Fachärztin für Kinderkrankheiten Dr. M. eine Masernschutzimpfung erhalten. Zuvor sei er in diesem Krankenhaus am 25. März 1987 wegen Fieber und einer starken Erkältung behandelt worden. Am 27. April 1987 sei er in die Behandlung der Kinderärztin Dr. W. gekommen, wo er auch Medikamente bekommen habe. Er sei dann für einige Zeit im Krankenhaus T. gewesen, wo er unter ständigem Fieber von 39 bis 40 Grad Celsius gelitten habe. Als Ursache sei zunächst an eine Bronchitis, dann an eine Lungenentzündung gedacht worden. Schließlich habe man ihn in die Kinderklinik der Medizinischen Akademie M. verlegt. Auf dem Transport im Krankenwagen sei ein anderes Kind gestorben. Für ihn habe es dann mit Krämpfen und Koma einen schlimmen Verlauf genommen. Wegen der Impfung sei er an einer Enzephalitis erkrankt. Der Schaden bestehe in einer Persönlichkeitsstörung, für die der Beklagte mit Bescheid vom 19. Januar 2006 einen Grad der Behinderung (GdB) von 20 festgestellt habe.
Der Beklagte zog medizinische Unterlagen bei, unter denen sich u.a. der Impfausweis des Klägers und Behandlungsunterlagen der Kinderabteilung des Krankenhauses T. über einen stationären Aufenthalt vom 23. Mai bis 9. Juni 1987 und eines weiteren Krankenhauses (vermutlich Medizinische Akademie M., Kinderklinik, H.- Straße ) über einen stationären Aufenthalt vom 8. Juni bis 6. Juli 1987 befanden. Nach der Epikrise der Kinderklinik waren die Diagnosen einer Enzephalitis (Verdacht auf Herpes-Enzephalitis) und einer Pneumonie (Lungenentzündung) gestellt worden. Ab 12. Juni 1987 habe sich der Zustand des Kindes verbessert. Nachdem auch die Leberschwellung rückläufig gewesen sei, habe man das Kind am 6. Juli 1987 in völlig unbeeinträchtigtem Allgemeinzustand nach Hause entlassen können. Zum Entlassungszeitpunkt habe das Kind keinen geschädigten Eindruck gemacht.
Nach Auswertung dieser medizinischen Unterlagen kam der beteiligte prüfärztliche Dienst des Beklagten (Dr. R.) in seiner Stellungnahme vom 2. März 2006 zu dem Ergebnis, beim Kläger sei eine Masernimpfung vom 15. April 1987 belegt. Danach sei er ab 13. Mai 1987 wegen einer obstruktiven Bronchitis zunächst ambulant und ab 23. Mai 1987 wegen hochfieberhafter Temperaturen auch stationär im Krankenhaus T. behandelt worden. Dort seien eine Bronchopneumonie und eine Herpangina festgestellt worden. Nach Verlegung in die Kinderklinik M. sei eine Enzephalitis diagnostiziert und nach dem EEG-Befund der Verdacht auf eine Herpes-Enzephalitis geäußert und entsprechend antiviral behandelt worden. Bei Einsatz des Masernimpfstoffes könnten bei ca. 5 % der geimpften Personen innerhalb von einem bis drei Tagen Impfreaktionen in Form von Rötungen, Schmerzhaftigkeit und Schwellungen auftreten, gelegentlich auch verbunden mit einer Schwellung der zugehörigen Lymphknoten. Bekannt seien ferner das Auftreten von allgemeinen Symptomen wie leichter bis mäßiger Temperaturerhöhung, Kopfschmerzen, Mattigkeit, Unwohlsein oder Magen-Darm-Erscheinungen. Im Abstand von 5 bis 14 Tage nach der Impfung könnten bei etwa 2 % dieser Personen Symptome einer leichten "Impfkrankheit" auftreten: Fieber, verbunden mit einem schwachen masernähnlichen Ausschlag. In der Regel seien diese sog. lokalen, ebenso wie die allgemeinen Reaktionen vorübergehender Natur und klängen rasch und folgenlos wieder ab. Als Komplikationen seien im Zusammenhang mit einer Fieberreaktion in seltenen Fällen auch Fieberkrämpfe oder allergische Reaktionen möglich. Eine Enzephalitis gehöre nicht zu den beschriebenen Komplikationen. Die Ursache für diese Erkrankung des Klägers sei unklar. In Einzelfällen sei in der medizinischen Literatur das Auftreten einer Enzephalitis im Zusammenhang mit Masernimpfung berichtet worden, wobei es sich aber in der Mehrzahl der Einzelfälle um das zufällige zeitliche Zusammentreffen von miteinander nicht ursächlich verbundenen selbstständigen Ereignissen handeln könne (Epidemiologisches Bulletin Robert-Koch-Institut 6. Februar 2004 Nr. 6).
Im vorliegenden Fall habe die Masernimpfung am 15. April 1987 stattgefunden. Die ersten Symptome der obstruktiven Bronchitis seien am 13. Mai 1987 festgestellt worden, mithin vier Wochen später und nicht im beschriebenen Abstand von längstens 14 Tagen. Aus diesem Grunde sei schon kein zeitlicher Zusammenhang wahrscheinlich zu machen. Wahrscheinlich seien die festgestellten Symptome einer Bronchitis und anschließend einer Lungenentzündung zuzuordnen, später sei eine Enzephalitis gefolgt. Jedoch sei zu keiner Zeit ein masernähnlicher Ausschlag festgestellt worden, ebenso keine Lokalreaktion oder Allgemeinreaktionen, die mit der Impfung hätten in Verbindung stehen können. Weiterhin sei insbesondere nach dem EEG-Befund der Verdacht auf eine Herpes-Enzephalitis genannt worden, zu keinem Zeitpunkt aber der Verdacht auf eine Masern-Enzephalitis. Am 6. Juli 1987 sei der Kläger in völlig unbeeinträchtigtem Allgemeinzustand nach Hause entlassen worden, wobei er zum Entlassungszeitpunkt keinen geschädigten Eindruck hinterlassen habe. Nach Auswertung der vorliegenden medizinischen Befunde und der entsprechenden medizinischen Literatur könne ein Zusammenhang zwischen der Masernschutzimpfung und der Enzephalitis nicht wahrscheinlich gemacht werden.
Mit Bescheid vom 8. März 2006 lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung ab, da die Prüfung des Sachverhaltes unter Beteiligung des Versorgungsärztlichen Dienstes ergeben habe, dass ein Kausalzusammenhang zwischen der nachgewiesenen Masernimpfung und der geltend gemachten Persönlichkeitsstörung und Hirnleistungsschwäche nicht gegeben sei. Die nach Applikation des Impfstoffes aufgetretene und diagnostizierte obstruktive Bronchitis und anschließende Lungenentzündung sowie späterhin folgende Enzephalitis begründeten nicht den erforderlichen zeitlichen Zusammenhang zwischen Impfung und Impfreaktion, auch stelle dieses Erkrankungsbild keine akute Impfkomplikation dar. Als mögliche Reaktionen innerhalb von einem bis drei Tagen nach der Impfung seien eine Rötung, Schmerzhaftigkeit und Schwellung der Stelle, gelegentlich auch die Schwellung der dazugehörigen Lymphknoten sowie leichte bis mäßige Temperaturerhöhungen mit Kopfschmerzen, Mattigkeit, Unwohlsein und Magen-Darm-Erscheinungen bekannt. Auch sei im Abstand von 5 bis 14 Tagen nach der Impfung eine leichte Erkrankung mit Fieber und masernähnlichem Ausschlag möglich. Diese Lokal- und Allgemeinreaktionen seien vorübergehender Natur und klängen rasch und folgenlos wieder ab. Im vorliegenden Falle seien die ersten Symptome der obstruktiven Bronchitis ausweislich der Behandlungsunterlagen vier Wochen nach der Masernimpfung und nicht im beschriebenen Abstand von maximal 14 Tagen festgestellt worden. Deshalb sei schon zeitlich kein Zusammenhang wahrscheinlich zu machen. Bei den festgestellten Symptomen habe es sich um eine Bronchitis mit anschließender Lungenentzündung und später einer Enzephalitis gehandelt. Bezüglich der Enzephalitis sei der Verdacht auf eine Herpes-Enzephalitis geäußert und eine entsprechende antivirale Behandlung durchgeführt worden. Die Diagnose einer Masern-Enzephalitis sei hingegen zu keinem Zeitpunkt gestellt worden. Bei einer Herpes-Enzephalitis handele es sich um eine eigenständige Erkrankung, die in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Masernschutzimpfung stehe. Die geltend gemachten Gesundheitsstörungen könnten somit nicht als Impfschaden angesehen werden. Hiergegen legte der nunmehr anwaltlich vertretene Kläger am 24. März 2006 erfolglos Widerspruch ein (Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2007).
Mit der dagegen am 27. Juli 2007 vor dem Sozialgericht (SG) Stendal erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und vorgetragen: Er habe Anspruch auf Feststellung eines Impfschadens infolge der Masernschutzimpfung am 15. April 1987 bezüglich der festgestellten Hirnleistungsschwäche und Persönlichkeitsstörung, da diese Erkrankungen infolge der Enzephalitis, die nach der Masernschutzimpfung aufgetreten sei, als Folge der Impfung zurückgeblieben seien. Die verharmlosende Behauptung des Beklagten, allein leichtes Fieber, Rötungen im Bereich der Impfstelle und/oder leichte Masernbildung seien die einzigen in der Wissenschaft beschriebenen Folgen einer Masernschutzimpfung, sei unzutreffend. Richtig sei vielmehr, dass daneben u. a. auch Fieber, Fieberkrämpfe, Thrombozytopenien, Darmerkrankungen, Gehirnentzündungen, Bronchitis und Lungenentzündung sowie Mittelohr- und Nebenhöhlenentzündungen auftreten könnten. Dabei sei es medizinisch gesichert, dass die Nebenwirkungen der Masernschutzimpfung bis zu drei Wochen nach der Impfung auftreten können. Studien hätten darüber hinaus belegt, dass durch Mutationen der Viren und nicht erfolgte Abschwächung bezüglich der Masernviren in den Wirkstoffen bei der Berücksichtigung, dass es sich hierbei um eine Lebendimpfung handele, Komplikationen u. a. auch Monate nach der Impfung auftreten könnten. Falsch sei die Behauptung des Beklagten, Nebenwirkungen bezüglich Masernschutzimpfungen würden allenfalls in einem Zeitraum von einem bis 14 Tagen auftreten. Hier sei zu berücksichtigen, dass die Impfung am 15. April 1987 stattgefunden habe und er bereits am 25. April 1987 mit einer schweren Bronchitis behandelt worden sei. Unter Berücksichtigung der normalen Inkubationszeit von Masern von zehn bis elf Tagen und der direkten Gabe der Lebendimpfung erscheine das Auftreten der schweren Bronchitis, die dann zur Pneumonie fortgeschritten sei, neun Tage nach der durchgeführten Impfung als plausible Folge dieser Impfung. Dass in der weiteren Folge die eingetretene Pneumonie und Enzephalitis zu dauernden Gesundheitsschädigungen beim Kläger geführt hätten, sei aufgrund der medizinischen Befunde als gesichert anzunehmen. Tatsächlich hätten die Symptome der Hirnhautentzündung bereits unmittelbar nach der Impfung vorgelegen. Insgesamt bestehe deshalb ein kausaler Zusammenhang zwischen der durchgeführten Impfung am 15. April 1987 und der eingetretenen Erkrankung einer Pneumonie und Enzephalitis als dauernde gesundheitliche Schädigung in Form einer Hirnleistungsschwäche und Persönlichkeitsstörung.
Das SG hat von der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. H. einen Befundbericht vom 10. Dezember 2007 eingeholt, die die Diagnosen eines Verdachtes auf Frühkindlichen Hirnschaden durch Enzephalitis, einer Hirnleistungsminderung mit Schulbeendigung nach der sechsten Klasse, einer Persönlichkeitsstörung mit Affektstörung und einen Zustand nach multiplem Drogengebrauch berichtet sowie zahlreiche weitere medizinische Unterlagen über den Kläger vorgelegt hat.
In einem Erörterungstermin vom 11. November 2008 hat das SG den Beklagten darauf hingewiesen, dass nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) 2008 im Zusammenhang mit Impfschäden die Arbeitsergebnisse der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) zugrunde zu legen seien. Hierbei handele es sich um den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft. Der Beklagte habe daher den Sachverhalt erneut zu prüfen und Stellung zu nehmen. Mit Stellungnahme vom 9. Dezember 2008 hat der Beklagte angegeben, er habe die Kriterien der STIKO bereits in seiner Stellungnahme vom 9. Januar 2008 zu Grunde gelegt. Eine Masern-Einschlusskörperchen-Enzephalitis als eine Sonderform der Enzephalitis werde laut dem Epidemiologischen Bulletin in wenigen Fällen in der Weltliteratur als mögliche Komplikation einer Masernimpfung angenommen. Allerdings sei diese Erkrankung im Falle des Klägers nicht diagnostiziert worden. Als Ursache der Enzephalitis sei ein anderer Erreger (Herpes-Virus) gesichert worden, der im Masernimpfstoff definitiv nicht vorkomme. Mit der Diagnose einer Herpes-Enzephalitis sei die Anerkennung eines Impfschadens nicht möglich. Zusätzlich sei hinsichtlich einer spekulierten anderen Ursache der Enzephalitis ein zeitlicher Zusammenhang mit der Impfung auszuschließen. Eine akute Enzephalitis werde im Epidemiologischen Bulletin unter den Krankheiten in ungeklärtem ursächlichem Zusammenhang mit der Impfung aufgeführt. Dort werde beschrieben, dass die mögliche Komplikation einer Enzephalitis nach natürlichen Masern, also einer Masern-Erkrankung, unbestritten ist. Einen Zusammenhang mit einer Masernimpfung werde kontrovers diskutiert. In einer Studie unter Einbeziehung von zwei Millionen Kindern habe kein erhöhtes Enzephalitis-Risiko nach Masernimpfungen gesehen werden können. In einer älteren Studie habe sich ein erhöhtes Risiko zwischen sieben und 14 Tagen nach der Impfung für eine Enzephalitis ohne bleibende Schäden gefunden. Ein möglicher Zusammenhang könne nur dann angenommen werden, wenn dieser zeitliche Zusammenhang gegeben wäre. Bei dem Kläger seien erste Symptome einer Erkältung (nicht Enzephalitis) vier Wochen nach der Impfung aufgetreten. Als Ursache seien eine Lungenentzündung und eine Herpes-Angina (Virus-Erkrankung) diagnostiziert worden. Zwischen dem Auftreten dieser Erkrankungen und der Masernimpfung könne auch laut STIKO kein ursächlicher Zusammenhang angenommen werden. Zeichen, die den Verdacht auf eine akute Enzephalitis ergaben, hätten sich erst sieben Wochen nach der Impfung gezeigt. Zusammenfassend könne also bei feststehender schädigungsunabhängiger Diagnose einer Herpes-Enzephalitis und zusätzlich dem fehlenden zeitlichen Zusammenhang zwischen Impfung und Enzephalitis gemäß den laut AHP anzuwendenden Kriterien der STIKO kein Schaden festgestellt werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 20. Mai 2009 hat das SG die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung der bei ihm bestehenden Persönlichkeitsstörung und Hirnleistungsschwäche als Folge der Masern-Impfung am 15. April 1987 habe. Er erfülle weder die Voraussetzungen für die Gewährung einer Versorgung als "Pflichtleistung" gemäß § 60 Abs. 1 in Verbindung mit § 61 Satz 1 IfSG noch die Voraussetzungen für eine Versorgung als "Kannleistung" gemäß § 60 Abs. 1 i.V. m. § 61 Satz 2 IfSG. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens sei die Persönlichkeitsstörung und Hirnleistungsschwäche nach der derzeit herrschenden medizinischen Lehrmeinung offensichtlich nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die erfolgte Impfung zurückzuführen. Der Kläger habe insbesondere keinen Impfschaden erlitten. Ein Impfschaden sei nach § 2 Nr. 11 IfSG die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung. Welche Impfreaktion als Impfschaden anzusehen sei, sei im Falle des Masernimpfstoffes dem Epidemiologischen Bulletin Nr. 25 vom 22. Juni 2007 zu entnehmen, nach dessen Ausführungen die beim Kläger aufgetretene Enzephalitis/Enzephalopathie nicht als ein über das Ausmaß einer üblichen Impfreaktion hinausgehender Gesundheitsschaden anzusehen sei. Denn bei ihm sei im zeitlichen Anschluss an die am 15. April 1987 durchgeführte Impfung keine Enzephalitis klinisch manifest geworden. Vielmehr stehe fest, dass bei ihm nach Verabreichung des Impfstoffes eine ambulante Behandlung wegen einer obstruktiven Bronchitis erfolgt sei. Erst während des stationären Aufenthaltes des Klägers vom 8. Juni bis 6. Juli 1987 in der Kinderklinik der Universitätsklinik M. sei eine Enzephalitis diagnostiziert und der Verdacht auf eine Herpes-Enzephalitis geäußert worden. Nach diesem zeitlich nachgewiesen Ablauf sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Impfung und Gesundheitsschaden nicht anzunehmen. Ein erhöhtes Risiko der Enzephalitis nach Masern-Impfung bestehe allenfalls fünf bis 14 Tage nach der Impfung. Die ersten Symptome der Erkältung seien beim Kläger aber erst vier Wochen nach der Impfung aufgetreten; erste Zeichen mit dem Verdacht auf eine akute Enzephalitis hätten sich sogar erst sieben Wochen nach der Impfung gezeigt. Auch eine Kann-Versorgung komme nicht in Betracht, da es derzeit keine fundierte, einen Ursachenzusammenhang zwischen einer Masernimpfung und einer akuten Enzephalitis bejahende medizinische Lehrmeinung gebe.
Den ihm am 27. Mai 2009 zugestellten Gerichtsbescheid greift der Kläger mit der am 19. Juni 2009 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt erhobenen Berufung an. Er trägt vor, das SG habe den Sachverhalt trotz entsprechender Beweisanregung nicht durch Einholen eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum unmittelbaren Zusammenhang aufgeklärt. Dies sei ein schwerwiegendes Versäumnis, da das SG bei seiner Bewertung den im Jahr 1987 tatsächlich verwendeten Impfstoff nicht berücksichtigt habe. Die im Verfahren aufgezeigten gesundheitlichen Schäden könnten nämlich tatsächlich dem verwendeten Impfstoff L 16, hergestellt im Serumwerk D., als mögliche Folgen zuzuschreiben sein. Die ersten Symptome einer Erkrankung seien bereits kurz nach der Impfung aufgetreten und hätten sich dann verschlimmert. Erst nach Fortschreiten der Infektion sei eine Enzephalitis festgestellt worden. Es könne nicht dem Kläger angelastet werden, dass es hier möglicherweise zu ärztlichem Fehlverhalten gekommen war.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 20. Mai 2009 sowie den Bescheid des Beklagten vom 8. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, bei ihm eine Persönlichkeitsstörung und Hirnleistungsschwäche als Folgen der Impfung gegen Masern am 15. April 1987 anzuerkennen und ihm eine Versorgung nach einem Grad der Schädigung von mindestens 25 ab 14. Dezember 2005 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält seine Bescheide sowie die Entscheidung der Vorinstanz für rechtmäßig. Ferner trägt er unter Berufung auf die Stellungnahme der Leitenden Ärztin Dr. S. vom 14. Januar 2013 vor, nach Auswertung der medizinischen Unterlagen stehe fest, dass bei dem Kläger am 15. April 1987 eine erste Impfung gegen Masern mit einem nicht kombinierten Masern-Impfstoff vorgenommen worden sei. Die zweite Impfung gegen Masern sei am 7. September 1988 (genaues Datum schwer lesbar) ebenfalls mit einem nicht kombinierten Masernimpfstoff durchgeführt worden und eine dritte Impfung sei am 21. März 1996 (genaues Datum wiederum nicht gut lesbar) mit einem kombinierten Impfstoff gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR-Impfstoff) erfolgt. Ein vollständiger Impfschutz gegen Masern verlange drei Impfungen, so dass im Ergebnis der Impfabfolge davon auszugehen sei, dass im Falle des Klägers über die Zeiträume hinweg nichts gegen die Zielstellung gesprochen habe, einen vollständigen Impfschutz zu erreichen. Gleichermaßen fänden sich keine Einträge bezüglich etwaiger Impfkomplikationen oder pathogenetischer Reaktionen. Eine Zurückstellung von der zweiten Impfung gegen Masern habe wegen der aufgetretenen Enzephalitis allein den Zeitraum von Juni 1987 bis August 1988 betroffen. Gemäß herrschender Lehrmeinung sei anerkannt, dass die Möglichkeit des Auftretens einer akuten Enzephalitis nach Masernimpfung nicht ausgeschlossen werden könne. Etwaige Kausalitäten seien jedoch nur dann zu diskutieren, wenn die Erkrankung innerhalb von sieben bis 14 Tage nach der Impfung auftrete und als diagnostisch gesichert gelte. Diese Voraussetzungen seien im Falle des Klägers nachweislich nicht als gegeben anzusehen, da er erst ca. sieben Wochen später an einer Enzephalitis erkrankt sei. Deshalb könne das Krankheitsbild einer akuten Masern-Impf-Enzephalitis schon aus zeitlichen Gründen nicht erwogen werden. Denkbar seien noch eine Masern-Einschlusskörperchen-Enzephalitis, weil diese anerkannte Impfkomplikation nach fünf Wochen bis acht Monaten nach der Impfung auftreten könne, allerdings nur in äußerst seltenen Fällen bei schwer immunsupprimierten Menschen mit meist tödlichem Verlauf. Allerdings liefere die im Falle des Klägers vorhandene Faktenlage auch einen solchen Bezug nicht, da eine Masern-Einschlusskörperchen-Enzephalitis einen anderen Verlauf gezeigt hätte. Sie wären nicht unter einer gegen den Herpes-Virus verabfolgten Therapie binnen weniger Tage abgeklungen. Auch hätte sie mit Gewissheit keine zweite und dritte Impfung gegen Masern mit der Zielsetzung des Erreichens eines vollständigen Impfschutzes nach sich gezogen. Nicht zuletzt sei auch nachgewiesen, dass der Kläger im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der im Juni 1987 erlittenen Enzephalitis an einer Lungenentzündung und einer Herpes-Angina gelitten habe. Dabei handele es sich um eine pathogenetische Kombination, die für sich genommen qualitativ das Potenzial besitze, eigenständig und unabhängig von einer Masernimpfung eine Enzephalitis hervorzurufen. Bei dem seinerzeit im April 1987 verwendeten Impfstoff habe es sich nicht um einen Kombinationsimpfstoff gehandelt. Ein solcher sei erst 1996 in Form des MMR-Impfstoffes nachweislich ohne Komplikationen verabreicht worden. Insgesamt gebe es im Falle des Klägers keine plausiblen Hinweise oder gar Fakten, die geeignet sein könnten, die genannten Erkrankungen als gesichert anzusehen oder diagnostisch ernsthaft in Betracht zu ziehen.
Der Senat hat von Professor Dr. B. ein fachärztlich-internistisch-infektiologisches Gutachten nach Aktenlage vom 4. Dezember 2013 eingeholt. Darin kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass der Kläger im zweiten Lebensjahr am 15. April 1987 erstmalig durch die Fachärztin für Kinderheilkunde Dr. M. gegen Masern geimpft worden sei. Nachfolgend sei es am 13. Mai 1987 zu einer obstruktiven Bronchitis gekommen, die vom ambulanten Kinderarzt mit Berlocombin und Aminophyllin behandelt worden sei. Nachdem sich die Symptomatik zunächst gebessert habe, seien am 23. Mai 1987 erneut Husten und Atemnot aufgetreten und der Kläger sei in das Krankenhaus T. stationär aufgenommen worden. Trotz wechselnder medikamentöser Behandlung sei es zu anhaltend hochfieberhaften Temperaturen gekommen. Nachdem als weiterer Befund eine Herpangina diagnostiziert worden sei, habe man den Kläger am 8. Juni 1987 in die Universitätskinderklinik M. verlegt, wo er vom 8. Juni bis 6. Juli 1987 wegen Enzephalitis mit Verdacht auf Herpes-Enzephalitis und Pneumonie behandelt worden sei. Die Diagnose der Herpes-Enzephalitis sei nach tonisch-klonischem Krampfanfall und abgeleitetem EEG mit Veränderungen im Sinne einer Herpes-Enzephalitis gestellt worden. Im Anschluss sei eine virostatische Therapie mit Acyclovir (Zovirax) sowie eine antiinflammatorische Therapie mit Dexamethason erfolgt. Im Verlaufe der Behandlung sei eine zwischenzeitlich aufgetretene Leberschwellung rückläufig gewesen und eine Digitalis-Therapie beendet worden. Bei der Entlassung hätten die Ärzte im Universitätskinderkrankenhaus M. den Eindruck gehabt, den Kläger in unbeeinträchtigtem Allgemeinzustand nach Hause zu entlassen. Im späteren Verlauf sei die Beschulung des Klägers schwierig, die Intelligenz gemindert und die Integration in den Beruf erschwert gewesen. Als Folge einer Maserninfektion bzw. einer Impfung mit abgeschwächten Lebendmasernviren könnten grundsätzlich eine akute Masern-Enzephalitis, eine subakute Einschlusskörperchen-Enzephalitis oder eine subakute sklerosierende Enzephalitis (SSPE) auftreten. Die akute Masern-Enzephalitis trete typischerweise in den ersten zwei Wochen, die beiden anderen Formen erst nach mehreren Wochen bis Monaten auf. Gegen die akute Enzephalitis spreche hier der Abstand zwischen der Masernimpfung am 15. April 1987 und dem Auftreten der Enzephalitis am 9. Juni 1987 (sieben Wochen und sechs Tage). Gegen das Auftreten einer subakuten Einschlusskörperchen-Enzephalitis spreche der Verlauf, da diese typischerweise mit schwersten neurologischen Symptomen und in aller Regel mit dem Tode einhergehe. Gegen das Vorliegen einer subakuten sklerosierenden Masern-Enzephalitis spreche der Liquor-Befund, der keine charakteristischen Liquor-Veränderungen aufgewiesen habe. Bezüglich des in der DDR verwendeten attenuierten (Attenuierung = Abschwächung der Virulenz von Krankheitserregern unter Erhaltung der antigenen Eigenschaften) Lebendimpfstoffes Leningrad-16 seien 14 dokumentierte Fälle eine Enzephalopathie/Enzephalitis bei drei Millionen Impfdosen dokumentiert. Im früheren Bundesgebiet seien bis 1999 sieben Impfschäden nach Verwendung des dortigen Impfstoffes anerkannt worden, bezüglich des Leningrad-16-Impfstoffes der DDR sei kein anerkannter Fall dokumentiert. Bei dem Kläger sei am 9. Juli 1987 eine Enzephalitis unklarer Genese festgestellt worden, bei der es sich differenzialdiagnostisch um eine Herpes-Enzephalitis gehandelt habe.
Ein Zusammenhang zwischen dieser Enzephalitis und der vorausgegangenen Impfung sei unwahrscheinlich, da gegen die akute Enzephalitis der zeitliche Abstand, gegen die subakute Einschlusskörperchen-Enzephalitis der klinische Verlauf und gegen die subakute sklerosierende Enzephalitis eindeutig der fehlende charakteristische Liquor-Befund spreche. Insgesamt sei die mehr als sieben Wochen nach der ersten Impfdosis eingetretene Enzephalitis nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer der drei möglichen masernimpfbedingten Enzephalitisformen assoziiert. Ein Impfschaden sei aus Gutachtersicht nicht festzustellen.
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben in Auswertung des Gutachtens vorgetragen, der Sachverständige habe zwar den erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen der Masernschutzimpfung des Klägers und der dann eingetretenen Erkrankung nicht festgestellt, gleichwohl bleibe die Berufung aufrechterhalten.
Die Gerichtsakten, die Verwaltungsakten des Beklagten einschließlich der Schwerbehindertenakte des Klägers haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthafte und auch in der von § 151 Abs. 1 SGG vorgeschriebenen Form und Frist eingelegte Berufung des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung von Schädigungsfolgen und die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem IfSG. Der Gerichtsbescheid des SG Stendal und die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind daher zu Recht ergangen.
Streitgegenstand ist das Begehren des Klägers, die im Schwerbehindertenverfahren bestandskräftig festgestellte Persönlichkeitsstörung und Hirnleistungsminderung als Folgen einer impfbedingt aufgetretenen Enzephalitis anzuerkennen und ihm wegen dieser Impfschädigungen einen Anspruch auf Versorgungsleistungen zuzusprechen. Mit diesem Begehren dringt der Kläger nicht durch.
Der mit Antrag vom 14. Dezember 2005 geltend gemachte Anspruch ist nach dem IfSG (vom 20. Juli 2000, BGBl. I, S. 1045) zu beurteilen. Die Tatsache, dass die angeschuldigte Impfung am 15. April 1987 in S. auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) durchgeführt und nach den damals dort geltenden Regelungen des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen (GüK-DDR) vom 3. Dezember 1982 (GBl. DDR I, S. 631) nicht entschädigt worden ist, ändert daran nichts. Denn die Versorgungsansprüche aufgrund einer Impfung in der DDR richteten sich in der Zeit vom 3. Oktober 1990 bis zum 31. Dezember 1999 nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten &8722; Bundesseuchengesetz (BSeuchG), das gemäß Anlage I Kap X Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 3 Buchst. c EinigVertr. (BGBl. 1990, Teil II, S. 1088) mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 auf das Gebiet der DDR (Beitrittsgebiet) übergeleitet wurde. Das am 1. Januar 2000 in Kraft getretene IfSG entspricht im Wesentlichen den bis 31. Dezember geltenden BSeuchG (vgl. BSG, Urteil vom 20. Juli 2005, B 9a/9 VJ 2/04 R, juris). Die mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 geschaffene Rechtslage hat somit zur Folge, dass nach den Regelungen des BSeuchG bzw. IfSG auch über Impfschäden zu entscheiden ist, die als Folgen von Impfungen in der DDR geltend gemacht werden, damals aber nicht als Impfschaden anerkannt worden sind.
Nach § 60 Abs. 1 IfSG erhält unter anderem derjenige, der durch eine gesetzlich vorgeschriebene Schutzimpfung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, nach der Schutzimpfung wegen eines Impfschadens i. S. des § 2 Nr. 11 IfSG wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetztes (BVG), soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. Ein Impfschaden ist nach § 2 Nr. 11 IfSG ein über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehender Gesundheitsschaden.
Nach § 61 Abs. 1 IfSG genügt zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wahrscheinlich ist der ursächliche Zusammenhang dann, wenn wenigstens mehr dafür als dagegen spricht (BSG, Urteil vom 17. Dezember 1997, 9 RVI 1/95 zu §§ 51, 52 BSeuchG). In jedem Fall ist der Nachweis eines Impftermins und eines Primärschadens in Form einer unüblichen Impfreaktion erforderlich.
Die auch in der DDR gesetzlich vorgeschrieben gewesene Masernschutzimpfung ist hier durch die Eintragungen im Impfausweis belegt; wonach die erste Impfung am 15. April 1987 stattgefunden hat. Ebenso festgestellt sind nach Durchführung des Schwerbehindertenverfahrens die Leiden des Klägers in Form einer Persönlichkeitsstörung und Hirnleistungsschwäche. Die Anerkennung dieser Leiden als Impfschaden scheitert jedoch daran, dass sie nicht mit Wahrscheinlichkeit auf einen Primärschaden in Form einer unüblichen Impfreaktion zurückzuführen sind. Der Nachweis, dass die damals aufgetretene Enzephalitis Folgeerscheinung der Masern-Schutzimpfung war, ist dem Kläger nicht gelungen.
Nach der Legaldefinition des § 2 Nr. 11 IfSG ist Impfschaden nicht jede Gesundheitsstörung, die mit Wahrscheinlichkeit auf der Impfung beruht, sondern nur die über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehende. Welche Impfreaktionen danach als Impfschäden anzusehen sind, war bis Dezember 2006 den AHP 2004 zu entnehmen. Die AHP gaben den der herrschenden medizinischen Lehrmeinung (Schulmedizin) entsprechenden aktuellen Kenntnis- und Wissenstand wieder, u.a. auch über die Auswirkungen und Ursachen von Gesundheitsstörungen nach Impfungen. Die als medizinische Sachverständige tätigen Gutachter und die Versorgungsverwaltungen waren an die in den AHP enthaltenen Erkenntnisse für Begutachtungen bzw. Entscheidungen über Anträge auf Versorgung gebunden (vgl. BSG SozR 3-3870 § 3 Nr. 5 sowie BVerfG SozR 3-3870 § 3 Nr. 6). Zwar beruhten die AHP weder auf dem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften, so dass sie keinerlei Normqualität hatten. Dennoch wirkten sie in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit, hatten deshalb normähnlichen Charakter und waren als antizipierte Sachverständigengutachten zu verstehen. Im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung waren sie von den Gerichten wie untergesetzliche Rechtsnormen anzuwenden, bis der Gesetzgeber die erforderliche Ermächtigungsnorm für im Verordnungswege zu erlassende Regelungen geschaffen hatte (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2003, Az.: B 9 SB 3/02 R).
Nach Nr. 57 Ziff. 3a der AHP 2004 gehört bei der Masern-Schutzimpfung mit Lebendimpfstoff zu den üblichen Impfreaktionen das gelegentliche Auftreten des Bildes der Impfmasern ab dem 7. Tag (milde Imitation der Krankheit), ohne Infektionsgefährdung der Umgebung, bis zu drei Tage anhaltend. Zu "Impfschäden" wird Folgendes ausgeführt: "Akut entzündliche Erkrankungen des ZNS bedürfen einer besonders sorgfältigen diagnostischen Klärung. Ein ursächlicher Zusammenhang mit der Impfung kommt in Betracht, wenn die Erkrankung innerhalb von 7 bis 14 Tagen nach der Impfung aufgetreten ist, eine Antikörperbildung nachweisbar war und andere Ursachen der Erkrankung ausscheiden. Wenn Krampfanfälle innerhalb der ersten postvakzinalen Woche auftreten, können diese in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung stehen, da in diesem Zeitraum das Impfvirus noch zu keiner Virämie geführt hat. Sehr selten akute thrombozytopenische Purpura ohne Spätfolgen."
Allerdings sind diese detaillierten Angaben zu Impfkomplikationen bei Schutzimpfungen in Nr. 57 AHP 2004 bereits Ende 2006 aufgrund eines Beschlusses des Ärztlichen Sachverständigenbeirats "Versorgungsmedizin" beim BMAS gestrichen und durch folgenden Text ersetzt worden (Rundschreiben des BMAS vom 12. Dezember 2006 &8722; IV.c.6-48064-3; vgl. auch Nr. 57 AHP 2008): "Die beim Robert-Koch-Institut eingerichtete Ständige Impfkommission (STIKO) entwickelt Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß der Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung (Impfschaden). Die Arbeitsergebnisse der STIKO werden im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht und stellen den jeweiligen aktuellen Stand der Wissenschaft dar. Die Versorgungsmedizinische Begutachtung von Impfschäden (§ 2 Nr. 11 Infektionsschutzgesetz und Nr. 56 Abs. 1 der Anhaltspunkte) bezüglich Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Kannversorgung ist ausschließlich nach den Kriterien von §§ 60 f. Infektionsschutzgesetz durchzuführen "
Indes sind auch die AHP 2008 mit Inkrafttreten der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung &8722; VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I 2008, S. 2412) außer Kraft getreten. Die seit 1. Januar 2009 anstelle der früheren AHP geltende VersMedV wird auf der Grundlage des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellt und fortentwickelt. Wie in der Gesetzesbegründung (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drucksache 541/07 S. 1 ff., 66 f., 87) angegeben, ergeben sich hieraus jedoch nur die im Rahmen der Fortentwicklung zu erwartenden vereinzelten Abweichungen gegenüber den bislang nach den AHP anzuwendenden Maßstäben. Anders als die AHP enthält die VersMedV keine Bestimmungen über die Kausalitätsbeurteilung bei einzelnen Krankheitsbildern, so dass insoweit entweder auf die letzte Fassung der AHP zugegriffen werden muss, in der solche Ausführungen enthalten sind oder bei Anzeichen dafür, dass diese den aktuellen Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft nicht mehr beinhalten, auf andere Erkenntnisquellen, insbesondere Sachverständigengutachten (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011, B 9 VJ 1/10 R, a.a.O.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist hier festzustellen, dass der Kläger am 15. April 1987 mit dem Lebendimpfstoff Leningrad-16 gegen Masern geimpft worden ist. Außerdem steht fest, dass er an einer Persönlichkeitsstörung und Hirnleistungsschwäche leidet, wofür ihm ein GdB von 20 zuerkannt ist. Allerdings lässt sich der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen der im Mai 1987 diagnostizierten Enzephalitis, der in der Folge dieser Erkrankung eingetretenen Persönlichkeitsstörung und Hirnleistungsschwäche und der Impfung nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen. Wie der Sachverständige Prof. Dr. B. im Gutachten vom 4. Dezember 2013 mit überzeugender und nachvollziehbarer Begründung ausgeführt hat, ist ein Zusammenhang zwischen dieser Enzephalitis und der vorausgegangenen Impfung unwahrscheinlich, weil gegen die Annahme, es habe sich dabei um eine akute Enzephalitis gehandelt der zeitliche Abstand, gegen die Annahme einer subakuten Einschlusskörperchen-Enzephalitis der klinische Verlauf und gegen die Annahme einer subakuten sklerosierenden Enzephalitis eindeutig der fehlende charakteristische Liquor-Befund spreche. Im Ergebnis stellt der Sachverständige fest, dass die mehr als sieben Wochen nach der ersten Impfdosis eingetretene Enzephalitis nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer der drei möglichen masernimpfbedingten Enzephalitisformen in Verbindung zu bringen sei. Von der Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhanges ist nach diesen klaren Ausführungen nicht auszugehen. Die Feststellungen von Prof. Dr. B. stehen auch im Einklang mit den AHP 2004, wonach eine akut entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), wozu die Enzephalitis (Entzündung des Gehirns) gehört, als Impfschaden in Betracht zu ziehen ist, wenn die Erkrankung innerhalb von 7 bis 14 Tagen nach der Impfung aufgetreten ist. Diese generelle medizinischwissenschaftliche Zusammenhangsbeurteilung nach den AHP 2004 beansprucht auch nach wie vor Gültigkeit, da entgegenstehende neuere Erkenntnisse offensichtlich nicht vorliegen und von der STIKO demzufolge auch nicht festgestellt worden sind. Den Angaben des Sachverständigen zufolge sind zwar auf dem Gebiet der früheren Bundesrepublik in seltenen Fällen Imfpschäden nach Verabreichung des dort eingesetzten Lebendimpfstoffes anerkannt worden. Dies ändert aber nichts an der medizinischen Tatsache, dass das Auftreten unerwünschter Nebenwirkungen stets in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung dokumentiert sein muss. Dies ist bei dem Kläger offensichtlich nicht der Fall.
Soweit der Kläger geltend macht, der erforderliche zeitliche Zusammenhang sei gegeben, da die Enzephalitis zunächst nicht erkannt und mit den anfänglichen Symptomen irrtümlich als fiebrige Erkältung und Bronchitis behandelt worden sei, ist ihm nicht zu folgen. Es ist anerkannt, dass eine leichte Gehirnentzündung im Rahmen einer Grippe unentdeckt bleiben und mit der Grippe wieder abklingen kann (vgl. die Ausführungen zum Verlauf einer Enzephalitis bei Wikipedia.de). Eine solche leichte Form der Erkrankung war beim Kläger aber nicht aufgetreten. Medizinische Erkenntnisse dafür, dass eine Enzephalitis einen zunächst leichten, später aber schweren Verlauf nehmen kann, liegen nicht vor. Hierzu hat der Sachverständige keine Angaben gemacht und der Kläger hat für seine Behauptung keine Belege beigebracht. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der 1987 stattgehabten Entzündung des Gehirns möglicherweise um eine Herpes-Enzephalitis gehandelt hat, wie die Ärzte der Kinderklinik der Medizinischen Akademie M. seinerzeit als Verdacht geäußert haben. Damit könnte erklärt werden, warum es sich bei der Erkrankung des Klägers um keine der Enzephalitis-Formen gehandelt hat, die – wie der Sachverständige Prof. Dr. B. ausgeführt hat– mit der Masern-Impfung in Verbindung gebracht werden kann.
Die Anwendung von § 15 des Gesetzes über die Verwaltungsverfahren des Kriegsopferversorgung (KOV), der auch im Recht der Impfopferversorgung gilt (§ 64 Abs. 2 IfSG), kommt hier nicht in Betracht, weil die angeschuldigte Impfung und die spätere Gehirnentzündung ausreichend dokumentiert sind. Lücken im Sachverhalt, die durch Glaubhaftmachung geschlossen werden könnten, bestehen daher nicht.
Auch für Voraussetzungen der sog. Kann-Versorgung liegen nicht vor. Dies würde voraussetzen, dass ein ursächlicher Zusammenhang der im Einzelfall vorliegenden Umstände in den wissenschaftlichen Arbeitshypothesen als zumindest theoretisch begründet in Erwägung gezogen werden kann. Im vorliegenden Verfahren ist davon nicht auszugehen, denn keiner der beteiligten Ärzte hat eine durch wissenschaftliche Fakten und statistische Erhebungen medizinisch-biologisch nachvollziehbare Mindermeinung (zu diesen Voraussetzungen vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 1995, 9 Rv 17/04, juris) dargelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Ansprüche des Klägers nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG).
Der am ... 1986 geborene Kläger beantragte am 14. Dezember 2005 beim Beklagten die Gewährung von Versorgung wegen eines Impfschadens und ließ vortragen, er habe am 15. April 1987 in der Kreispoliklinik S. von der Fachärztin für Kinderkrankheiten Dr. M. eine Masernschutzimpfung erhalten. Zuvor sei er in diesem Krankenhaus am 25. März 1987 wegen Fieber und einer starken Erkältung behandelt worden. Am 27. April 1987 sei er in die Behandlung der Kinderärztin Dr. W. gekommen, wo er auch Medikamente bekommen habe. Er sei dann für einige Zeit im Krankenhaus T. gewesen, wo er unter ständigem Fieber von 39 bis 40 Grad Celsius gelitten habe. Als Ursache sei zunächst an eine Bronchitis, dann an eine Lungenentzündung gedacht worden. Schließlich habe man ihn in die Kinderklinik der Medizinischen Akademie M. verlegt. Auf dem Transport im Krankenwagen sei ein anderes Kind gestorben. Für ihn habe es dann mit Krämpfen und Koma einen schlimmen Verlauf genommen. Wegen der Impfung sei er an einer Enzephalitis erkrankt. Der Schaden bestehe in einer Persönlichkeitsstörung, für die der Beklagte mit Bescheid vom 19. Januar 2006 einen Grad der Behinderung (GdB) von 20 festgestellt habe.
Der Beklagte zog medizinische Unterlagen bei, unter denen sich u.a. der Impfausweis des Klägers und Behandlungsunterlagen der Kinderabteilung des Krankenhauses T. über einen stationären Aufenthalt vom 23. Mai bis 9. Juni 1987 und eines weiteren Krankenhauses (vermutlich Medizinische Akademie M., Kinderklinik, H.- Straße ) über einen stationären Aufenthalt vom 8. Juni bis 6. Juli 1987 befanden. Nach der Epikrise der Kinderklinik waren die Diagnosen einer Enzephalitis (Verdacht auf Herpes-Enzephalitis) und einer Pneumonie (Lungenentzündung) gestellt worden. Ab 12. Juni 1987 habe sich der Zustand des Kindes verbessert. Nachdem auch die Leberschwellung rückläufig gewesen sei, habe man das Kind am 6. Juli 1987 in völlig unbeeinträchtigtem Allgemeinzustand nach Hause entlassen können. Zum Entlassungszeitpunkt habe das Kind keinen geschädigten Eindruck gemacht.
Nach Auswertung dieser medizinischen Unterlagen kam der beteiligte prüfärztliche Dienst des Beklagten (Dr. R.) in seiner Stellungnahme vom 2. März 2006 zu dem Ergebnis, beim Kläger sei eine Masernimpfung vom 15. April 1987 belegt. Danach sei er ab 13. Mai 1987 wegen einer obstruktiven Bronchitis zunächst ambulant und ab 23. Mai 1987 wegen hochfieberhafter Temperaturen auch stationär im Krankenhaus T. behandelt worden. Dort seien eine Bronchopneumonie und eine Herpangina festgestellt worden. Nach Verlegung in die Kinderklinik M. sei eine Enzephalitis diagnostiziert und nach dem EEG-Befund der Verdacht auf eine Herpes-Enzephalitis geäußert und entsprechend antiviral behandelt worden. Bei Einsatz des Masernimpfstoffes könnten bei ca. 5 % der geimpften Personen innerhalb von einem bis drei Tagen Impfreaktionen in Form von Rötungen, Schmerzhaftigkeit und Schwellungen auftreten, gelegentlich auch verbunden mit einer Schwellung der zugehörigen Lymphknoten. Bekannt seien ferner das Auftreten von allgemeinen Symptomen wie leichter bis mäßiger Temperaturerhöhung, Kopfschmerzen, Mattigkeit, Unwohlsein oder Magen-Darm-Erscheinungen. Im Abstand von 5 bis 14 Tage nach der Impfung könnten bei etwa 2 % dieser Personen Symptome einer leichten "Impfkrankheit" auftreten: Fieber, verbunden mit einem schwachen masernähnlichen Ausschlag. In der Regel seien diese sog. lokalen, ebenso wie die allgemeinen Reaktionen vorübergehender Natur und klängen rasch und folgenlos wieder ab. Als Komplikationen seien im Zusammenhang mit einer Fieberreaktion in seltenen Fällen auch Fieberkrämpfe oder allergische Reaktionen möglich. Eine Enzephalitis gehöre nicht zu den beschriebenen Komplikationen. Die Ursache für diese Erkrankung des Klägers sei unklar. In Einzelfällen sei in der medizinischen Literatur das Auftreten einer Enzephalitis im Zusammenhang mit Masernimpfung berichtet worden, wobei es sich aber in der Mehrzahl der Einzelfälle um das zufällige zeitliche Zusammentreffen von miteinander nicht ursächlich verbundenen selbstständigen Ereignissen handeln könne (Epidemiologisches Bulletin Robert-Koch-Institut 6. Februar 2004 Nr. 6).
Im vorliegenden Fall habe die Masernimpfung am 15. April 1987 stattgefunden. Die ersten Symptome der obstruktiven Bronchitis seien am 13. Mai 1987 festgestellt worden, mithin vier Wochen später und nicht im beschriebenen Abstand von längstens 14 Tagen. Aus diesem Grunde sei schon kein zeitlicher Zusammenhang wahrscheinlich zu machen. Wahrscheinlich seien die festgestellten Symptome einer Bronchitis und anschließend einer Lungenentzündung zuzuordnen, später sei eine Enzephalitis gefolgt. Jedoch sei zu keiner Zeit ein masernähnlicher Ausschlag festgestellt worden, ebenso keine Lokalreaktion oder Allgemeinreaktionen, die mit der Impfung hätten in Verbindung stehen können. Weiterhin sei insbesondere nach dem EEG-Befund der Verdacht auf eine Herpes-Enzephalitis genannt worden, zu keinem Zeitpunkt aber der Verdacht auf eine Masern-Enzephalitis. Am 6. Juli 1987 sei der Kläger in völlig unbeeinträchtigtem Allgemeinzustand nach Hause entlassen worden, wobei er zum Entlassungszeitpunkt keinen geschädigten Eindruck hinterlassen habe. Nach Auswertung der vorliegenden medizinischen Befunde und der entsprechenden medizinischen Literatur könne ein Zusammenhang zwischen der Masernschutzimpfung und der Enzephalitis nicht wahrscheinlich gemacht werden.
Mit Bescheid vom 8. März 2006 lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung ab, da die Prüfung des Sachverhaltes unter Beteiligung des Versorgungsärztlichen Dienstes ergeben habe, dass ein Kausalzusammenhang zwischen der nachgewiesenen Masernimpfung und der geltend gemachten Persönlichkeitsstörung und Hirnleistungsschwäche nicht gegeben sei. Die nach Applikation des Impfstoffes aufgetretene und diagnostizierte obstruktive Bronchitis und anschließende Lungenentzündung sowie späterhin folgende Enzephalitis begründeten nicht den erforderlichen zeitlichen Zusammenhang zwischen Impfung und Impfreaktion, auch stelle dieses Erkrankungsbild keine akute Impfkomplikation dar. Als mögliche Reaktionen innerhalb von einem bis drei Tagen nach der Impfung seien eine Rötung, Schmerzhaftigkeit und Schwellung der Stelle, gelegentlich auch die Schwellung der dazugehörigen Lymphknoten sowie leichte bis mäßige Temperaturerhöhungen mit Kopfschmerzen, Mattigkeit, Unwohlsein und Magen-Darm-Erscheinungen bekannt. Auch sei im Abstand von 5 bis 14 Tagen nach der Impfung eine leichte Erkrankung mit Fieber und masernähnlichem Ausschlag möglich. Diese Lokal- und Allgemeinreaktionen seien vorübergehender Natur und klängen rasch und folgenlos wieder ab. Im vorliegenden Falle seien die ersten Symptome der obstruktiven Bronchitis ausweislich der Behandlungsunterlagen vier Wochen nach der Masernimpfung und nicht im beschriebenen Abstand von maximal 14 Tagen festgestellt worden. Deshalb sei schon zeitlich kein Zusammenhang wahrscheinlich zu machen. Bei den festgestellten Symptomen habe es sich um eine Bronchitis mit anschließender Lungenentzündung und später einer Enzephalitis gehandelt. Bezüglich der Enzephalitis sei der Verdacht auf eine Herpes-Enzephalitis geäußert und eine entsprechende antivirale Behandlung durchgeführt worden. Die Diagnose einer Masern-Enzephalitis sei hingegen zu keinem Zeitpunkt gestellt worden. Bei einer Herpes-Enzephalitis handele es sich um eine eigenständige Erkrankung, die in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Masernschutzimpfung stehe. Die geltend gemachten Gesundheitsstörungen könnten somit nicht als Impfschaden angesehen werden. Hiergegen legte der nunmehr anwaltlich vertretene Kläger am 24. März 2006 erfolglos Widerspruch ein (Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2007).
Mit der dagegen am 27. Juli 2007 vor dem Sozialgericht (SG) Stendal erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und vorgetragen: Er habe Anspruch auf Feststellung eines Impfschadens infolge der Masernschutzimpfung am 15. April 1987 bezüglich der festgestellten Hirnleistungsschwäche und Persönlichkeitsstörung, da diese Erkrankungen infolge der Enzephalitis, die nach der Masernschutzimpfung aufgetreten sei, als Folge der Impfung zurückgeblieben seien. Die verharmlosende Behauptung des Beklagten, allein leichtes Fieber, Rötungen im Bereich der Impfstelle und/oder leichte Masernbildung seien die einzigen in der Wissenschaft beschriebenen Folgen einer Masernschutzimpfung, sei unzutreffend. Richtig sei vielmehr, dass daneben u. a. auch Fieber, Fieberkrämpfe, Thrombozytopenien, Darmerkrankungen, Gehirnentzündungen, Bronchitis und Lungenentzündung sowie Mittelohr- und Nebenhöhlenentzündungen auftreten könnten. Dabei sei es medizinisch gesichert, dass die Nebenwirkungen der Masernschutzimpfung bis zu drei Wochen nach der Impfung auftreten können. Studien hätten darüber hinaus belegt, dass durch Mutationen der Viren und nicht erfolgte Abschwächung bezüglich der Masernviren in den Wirkstoffen bei der Berücksichtigung, dass es sich hierbei um eine Lebendimpfung handele, Komplikationen u. a. auch Monate nach der Impfung auftreten könnten. Falsch sei die Behauptung des Beklagten, Nebenwirkungen bezüglich Masernschutzimpfungen würden allenfalls in einem Zeitraum von einem bis 14 Tagen auftreten. Hier sei zu berücksichtigen, dass die Impfung am 15. April 1987 stattgefunden habe und er bereits am 25. April 1987 mit einer schweren Bronchitis behandelt worden sei. Unter Berücksichtigung der normalen Inkubationszeit von Masern von zehn bis elf Tagen und der direkten Gabe der Lebendimpfung erscheine das Auftreten der schweren Bronchitis, die dann zur Pneumonie fortgeschritten sei, neun Tage nach der durchgeführten Impfung als plausible Folge dieser Impfung. Dass in der weiteren Folge die eingetretene Pneumonie und Enzephalitis zu dauernden Gesundheitsschädigungen beim Kläger geführt hätten, sei aufgrund der medizinischen Befunde als gesichert anzunehmen. Tatsächlich hätten die Symptome der Hirnhautentzündung bereits unmittelbar nach der Impfung vorgelegen. Insgesamt bestehe deshalb ein kausaler Zusammenhang zwischen der durchgeführten Impfung am 15. April 1987 und der eingetretenen Erkrankung einer Pneumonie und Enzephalitis als dauernde gesundheitliche Schädigung in Form einer Hirnleistungsschwäche und Persönlichkeitsstörung.
Das SG hat von der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. H. einen Befundbericht vom 10. Dezember 2007 eingeholt, die die Diagnosen eines Verdachtes auf Frühkindlichen Hirnschaden durch Enzephalitis, einer Hirnleistungsminderung mit Schulbeendigung nach der sechsten Klasse, einer Persönlichkeitsstörung mit Affektstörung und einen Zustand nach multiplem Drogengebrauch berichtet sowie zahlreiche weitere medizinische Unterlagen über den Kläger vorgelegt hat.
In einem Erörterungstermin vom 11. November 2008 hat das SG den Beklagten darauf hingewiesen, dass nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) 2008 im Zusammenhang mit Impfschäden die Arbeitsergebnisse der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) zugrunde zu legen seien. Hierbei handele es sich um den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft. Der Beklagte habe daher den Sachverhalt erneut zu prüfen und Stellung zu nehmen. Mit Stellungnahme vom 9. Dezember 2008 hat der Beklagte angegeben, er habe die Kriterien der STIKO bereits in seiner Stellungnahme vom 9. Januar 2008 zu Grunde gelegt. Eine Masern-Einschlusskörperchen-Enzephalitis als eine Sonderform der Enzephalitis werde laut dem Epidemiologischen Bulletin in wenigen Fällen in der Weltliteratur als mögliche Komplikation einer Masernimpfung angenommen. Allerdings sei diese Erkrankung im Falle des Klägers nicht diagnostiziert worden. Als Ursache der Enzephalitis sei ein anderer Erreger (Herpes-Virus) gesichert worden, der im Masernimpfstoff definitiv nicht vorkomme. Mit der Diagnose einer Herpes-Enzephalitis sei die Anerkennung eines Impfschadens nicht möglich. Zusätzlich sei hinsichtlich einer spekulierten anderen Ursache der Enzephalitis ein zeitlicher Zusammenhang mit der Impfung auszuschließen. Eine akute Enzephalitis werde im Epidemiologischen Bulletin unter den Krankheiten in ungeklärtem ursächlichem Zusammenhang mit der Impfung aufgeführt. Dort werde beschrieben, dass die mögliche Komplikation einer Enzephalitis nach natürlichen Masern, also einer Masern-Erkrankung, unbestritten ist. Einen Zusammenhang mit einer Masernimpfung werde kontrovers diskutiert. In einer Studie unter Einbeziehung von zwei Millionen Kindern habe kein erhöhtes Enzephalitis-Risiko nach Masernimpfungen gesehen werden können. In einer älteren Studie habe sich ein erhöhtes Risiko zwischen sieben und 14 Tagen nach der Impfung für eine Enzephalitis ohne bleibende Schäden gefunden. Ein möglicher Zusammenhang könne nur dann angenommen werden, wenn dieser zeitliche Zusammenhang gegeben wäre. Bei dem Kläger seien erste Symptome einer Erkältung (nicht Enzephalitis) vier Wochen nach der Impfung aufgetreten. Als Ursache seien eine Lungenentzündung und eine Herpes-Angina (Virus-Erkrankung) diagnostiziert worden. Zwischen dem Auftreten dieser Erkrankungen und der Masernimpfung könne auch laut STIKO kein ursächlicher Zusammenhang angenommen werden. Zeichen, die den Verdacht auf eine akute Enzephalitis ergaben, hätten sich erst sieben Wochen nach der Impfung gezeigt. Zusammenfassend könne also bei feststehender schädigungsunabhängiger Diagnose einer Herpes-Enzephalitis und zusätzlich dem fehlenden zeitlichen Zusammenhang zwischen Impfung und Enzephalitis gemäß den laut AHP anzuwendenden Kriterien der STIKO kein Schaden festgestellt werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 20. Mai 2009 hat das SG die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung der bei ihm bestehenden Persönlichkeitsstörung und Hirnleistungsschwäche als Folge der Masern-Impfung am 15. April 1987 habe. Er erfülle weder die Voraussetzungen für die Gewährung einer Versorgung als "Pflichtleistung" gemäß § 60 Abs. 1 in Verbindung mit § 61 Satz 1 IfSG noch die Voraussetzungen für eine Versorgung als "Kannleistung" gemäß § 60 Abs. 1 i.V. m. § 61 Satz 2 IfSG. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens sei die Persönlichkeitsstörung und Hirnleistungsschwäche nach der derzeit herrschenden medizinischen Lehrmeinung offensichtlich nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die erfolgte Impfung zurückzuführen. Der Kläger habe insbesondere keinen Impfschaden erlitten. Ein Impfschaden sei nach § 2 Nr. 11 IfSG die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung. Welche Impfreaktion als Impfschaden anzusehen sei, sei im Falle des Masernimpfstoffes dem Epidemiologischen Bulletin Nr. 25 vom 22. Juni 2007 zu entnehmen, nach dessen Ausführungen die beim Kläger aufgetretene Enzephalitis/Enzephalopathie nicht als ein über das Ausmaß einer üblichen Impfreaktion hinausgehender Gesundheitsschaden anzusehen sei. Denn bei ihm sei im zeitlichen Anschluss an die am 15. April 1987 durchgeführte Impfung keine Enzephalitis klinisch manifest geworden. Vielmehr stehe fest, dass bei ihm nach Verabreichung des Impfstoffes eine ambulante Behandlung wegen einer obstruktiven Bronchitis erfolgt sei. Erst während des stationären Aufenthaltes des Klägers vom 8. Juni bis 6. Juli 1987 in der Kinderklinik der Universitätsklinik M. sei eine Enzephalitis diagnostiziert und der Verdacht auf eine Herpes-Enzephalitis geäußert worden. Nach diesem zeitlich nachgewiesen Ablauf sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Impfung und Gesundheitsschaden nicht anzunehmen. Ein erhöhtes Risiko der Enzephalitis nach Masern-Impfung bestehe allenfalls fünf bis 14 Tage nach der Impfung. Die ersten Symptome der Erkältung seien beim Kläger aber erst vier Wochen nach der Impfung aufgetreten; erste Zeichen mit dem Verdacht auf eine akute Enzephalitis hätten sich sogar erst sieben Wochen nach der Impfung gezeigt. Auch eine Kann-Versorgung komme nicht in Betracht, da es derzeit keine fundierte, einen Ursachenzusammenhang zwischen einer Masernimpfung und einer akuten Enzephalitis bejahende medizinische Lehrmeinung gebe.
Den ihm am 27. Mai 2009 zugestellten Gerichtsbescheid greift der Kläger mit der am 19. Juni 2009 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt erhobenen Berufung an. Er trägt vor, das SG habe den Sachverhalt trotz entsprechender Beweisanregung nicht durch Einholen eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum unmittelbaren Zusammenhang aufgeklärt. Dies sei ein schwerwiegendes Versäumnis, da das SG bei seiner Bewertung den im Jahr 1987 tatsächlich verwendeten Impfstoff nicht berücksichtigt habe. Die im Verfahren aufgezeigten gesundheitlichen Schäden könnten nämlich tatsächlich dem verwendeten Impfstoff L 16, hergestellt im Serumwerk D., als mögliche Folgen zuzuschreiben sein. Die ersten Symptome einer Erkrankung seien bereits kurz nach der Impfung aufgetreten und hätten sich dann verschlimmert. Erst nach Fortschreiten der Infektion sei eine Enzephalitis festgestellt worden. Es könne nicht dem Kläger angelastet werden, dass es hier möglicherweise zu ärztlichem Fehlverhalten gekommen war.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 20. Mai 2009 sowie den Bescheid des Beklagten vom 8. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, bei ihm eine Persönlichkeitsstörung und Hirnleistungsschwäche als Folgen der Impfung gegen Masern am 15. April 1987 anzuerkennen und ihm eine Versorgung nach einem Grad der Schädigung von mindestens 25 ab 14. Dezember 2005 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält seine Bescheide sowie die Entscheidung der Vorinstanz für rechtmäßig. Ferner trägt er unter Berufung auf die Stellungnahme der Leitenden Ärztin Dr. S. vom 14. Januar 2013 vor, nach Auswertung der medizinischen Unterlagen stehe fest, dass bei dem Kläger am 15. April 1987 eine erste Impfung gegen Masern mit einem nicht kombinierten Masern-Impfstoff vorgenommen worden sei. Die zweite Impfung gegen Masern sei am 7. September 1988 (genaues Datum schwer lesbar) ebenfalls mit einem nicht kombinierten Masernimpfstoff durchgeführt worden und eine dritte Impfung sei am 21. März 1996 (genaues Datum wiederum nicht gut lesbar) mit einem kombinierten Impfstoff gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR-Impfstoff) erfolgt. Ein vollständiger Impfschutz gegen Masern verlange drei Impfungen, so dass im Ergebnis der Impfabfolge davon auszugehen sei, dass im Falle des Klägers über die Zeiträume hinweg nichts gegen die Zielstellung gesprochen habe, einen vollständigen Impfschutz zu erreichen. Gleichermaßen fänden sich keine Einträge bezüglich etwaiger Impfkomplikationen oder pathogenetischer Reaktionen. Eine Zurückstellung von der zweiten Impfung gegen Masern habe wegen der aufgetretenen Enzephalitis allein den Zeitraum von Juni 1987 bis August 1988 betroffen. Gemäß herrschender Lehrmeinung sei anerkannt, dass die Möglichkeit des Auftretens einer akuten Enzephalitis nach Masernimpfung nicht ausgeschlossen werden könne. Etwaige Kausalitäten seien jedoch nur dann zu diskutieren, wenn die Erkrankung innerhalb von sieben bis 14 Tage nach der Impfung auftrete und als diagnostisch gesichert gelte. Diese Voraussetzungen seien im Falle des Klägers nachweislich nicht als gegeben anzusehen, da er erst ca. sieben Wochen später an einer Enzephalitis erkrankt sei. Deshalb könne das Krankheitsbild einer akuten Masern-Impf-Enzephalitis schon aus zeitlichen Gründen nicht erwogen werden. Denkbar seien noch eine Masern-Einschlusskörperchen-Enzephalitis, weil diese anerkannte Impfkomplikation nach fünf Wochen bis acht Monaten nach der Impfung auftreten könne, allerdings nur in äußerst seltenen Fällen bei schwer immunsupprimierten Menschen mit meist tödlichem Verlauf. Allerdings liefere die im Falle des Klägers vorhandene Faktenlage auch einen solchen Bezug nicht, da eine Masern-Einschlusskörperchen-Enzephalitis einen anderen Verlauf gezeigt hätte. Sie wären nicht unter einer gegen den Herpes-Virus verabfolgten Therapie binnen weniger Tage abgeklungen. Auch hätte sie mit Gewissheit keine zweite und dritte Impfung gegen Masern mit der Zielsetzung des Erreichens eines vollständigen Impfschutzes nach sich gezogen. Nicht zuletzt sei auch nachgewiesen, dass der Kläger im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der im Juni 1987 erlittenen Enzephalitis an einer Lungenentzündung und einer Herpes-Angina gelitten habe. Dabei handele es sich um eine pathogenetische Kombination, die für sich genommen qualitativ das Potenzial besitze, eigenständig und unabhängig von einer Masernimpfung eine Enzephalitis hervorzurufen. Bei dem seinerzeit im April 1987 verwendeten Impfstoff habe es sich nicht um einen Kombinationsimpfstoff gehandelt. Ein solcher sei erst 1996 in Form des MMR-Impfstoffes nachweislich ohne Komplikationen verabreicht worden. Insgesamt gebe es im Falle des Klägers keine plausiblen Hinweise oder gar Fakten, die geeignet sein könnten, die genannten Erkrankungen als gesichert anzusehen oder diagnostisch ernsthaft in Betracht zu ziehen.
Der Senat hat von Professor Dr. B. ein fachärztlich-internistisch-infektiologisches Gutachten nach Aktenlage vom 4. Dezember 2013 eingeholt. Darin kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass der Kläger im zweiten Lebensjahr am 15. April 1987 erstmalig durch die Fachärztin für Kinderheilkunde Dr. M. gegen Masern geimpft worden sei. Nachfolgend sei es am 13. Mai 1987 zu einer obstruktiven Bronchitis gekommen, die vom ambulanten Kinderarzt mit Berlocombin und Aminophyllin behandelt worden sei. Nachdem sich die Symptomatik zunächst gebessert habe, seien am 23. Mai 1987 erneut Husten und Atemnot aufgetreten und der Kläger sei in das Krankenhaus T. stationär aufgenommen worden. Trotz wechselnder medikamentöser Behandlung sei es zu anhaltend hochfieberhaften Temperaturen gekommen. Nachdem als weiterer Befund eine Herpangina diagnostiziert worden sei, habe man den Kläger am 8. Juni 1987 in die Universitätskinderklinik M. verlegt, wo er vom 8. Juni bis 6. Juli 1987 wegen Enzephalitis mit Verdacht auf Herpes-Enzephalitis und Pneumonie behandelt worden sei. Die Diagnose der Herpes-Enzephalitis sei nach tonisch-klonischem Krampfanfall und abgeleitetem EEG mit Veränderungen im Sinne einer Herpes-Enzephalitis gestellt worden. Im Anschluss sei eine virostatische Therapie mit Acyclovir (Zovirax) sowie eine antiinflammatorische Therapie mit Dexamethason erfolgt. Im Verlaufe der Behandlung sei eine zwischenzeitlich aufgetretene Leberschwellung rückläufig gewesen und eine Digitalis-Therapie beendet worden. Bei der Entlassung hätten die Ärzte im Universitätskinderkrankenhaus M. den Eindruck gehabt, den Kläger in unbeeinträchtigtem Allgemeinzustand nach Hause zu entlassen. Im späteren Verlauf sei die Beschulung des Klägers schwierig, die Intelligenz gemindert und die Integration in den Beruf erschwert gewesen. Als Folge einer Maserninfektion bzw. einer Impfung mit abgeschwächten Lebendmasernviren könnten grundsätzlich eine akute Masern-Enzephalitis, eine subakute Einschlusskörperchen-Enzephalitis oder eine subakute sklerosierende Enzephalitis (SSPE) auftreten. Die akute Masern-Enzephalitis trete typischerweise in den ersten zwei Wochen, die beiden anderen Formen erst nach mehreren Wochen bis Monaten auf. Gegen die akute Enzephalitis spreche hier der Abstand zwischen der Masernimpfung am 15. April 1987 und dem Auftreten der Enzephalitis am 9. Juni 1987 (sieben Wochen und sechs Tage). Gegen das Auftreten einer subakuten Einschlusskörperchen-Enzephalitis spreche der Verlauf, da diese typischerweise mit schwersten neurologischen Symptomen und in aller Regel mit dem Tode einhergehe. Gegen das Vorliegen einer subakuten sklerosierenden Masern-Enzephalitis spreche der Liquor-Befund, der keine charakteristischen Liquor-Veränderungen aufgewiesen habe. Bezüglich des in der DDR verwendeten attenuierten (Attenuierung = Abschwächung der Virulenz von Krankheitserregern unter Erhaltung der antigenen Eigenschaften) Lebendimpfstoffes Leningrad-16 seien 14 dokumentierte Fälle eine Enzephalopathie/Enzephalitis bei drei Millionen Impfdosen dokumentiert. Im früheren Bundesgebiet seien bis 1999 sieben Impfschäden nach Verwendung des dortigen Impfstoffes anerkannt worden, bezüglich des Leningrad-16-Impfstoffes der DDR sei kein anerkannter Fall dokumentiert. Bei dem Kläger sei am 9. Juli 1987 eine Enzephalitis unklarer Genese festgestellt worden, bei der es sich differenzialdiagnostisch um eine Herpes-Enzephalitis gehandelt habe.
Ein Zusammenhang zwischen dieser Enzephalitis und der vorausgegangenen Impfung sei unwahrscheinlich, da gegen die akute Enzephalitis der zeitliche Abstand, gegen die subakute Einschlusskörperchen-Enzephalitis der klinische Verlauf und gegen die subakute sklerosierende Enzephalitis eindeutig der fehlende charakteristische Liquor-Befund spreche. Insgesamt sei die mehr als sieben Wochen nach der ersten Impfdosis eingetretene Enzephalitis nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer der drei möglichen masernimpfbedingten Enzephalitisformen assoziiert. Ein Impfschaden sei aus Gutachtersicht nicht festzustellen.
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben in Auswertung des Gutachtens vorgetragen, der Sachverständige habe zwar den erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen der Masernschutzimpfung des Klägers und der dann eingetretenen Erkrankung nicht festgestellt, gleichwohl bleibe die Berufung aufrechterhalten.
Die Gerichtsakten, die Verwaltungsakten des Beklagten einschließlich der Schwerbehindertenakte des Klägers haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthafte und auch in der von § 151 Abs. 1 SGG vorgeschriebenen Form und Frist eingelegte Berufung des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung von Schädigungsfolgen und die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem IfSG. Der Gerichtsbescheid des SG Stendal und die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind daher zu Recht ergangen.
Streitgegenstand ist das Begehren des Klägers, die im Schwerbehindertenverfahren bestandskräftig festgestellte Persönlichkeitsstörung und Hirnleistungsminderung als Folgen einer impfbedingt aufgetretenen Enzephalitis anzuerkennen und ihm wegen dieser Impfschädigungen einen Anspruch auf Versorgungsleistungen zuzusprechen. Mit diesem Begehren dringt der Kläger nicht durch.
Der mit Antrag vom 14. Dezember 2005 geltend gemachte Anspruch ist nach dem IfSG (vom 20. Juli 2000, BGBl. I, S. 1045) zu beurteilen. Die Tatsache, dass die angeschuldigte Impfung am 15. April 1987 in S. auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) durchgeführt und nach den damals dort geltenden Regelungen des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen (GüK-DDR) vom 3. Dezember 1982 (GBl. DDR I, S. 631) nicht entschädigt worden ist, ändert daran nichts. Denn die Versorgungsansprüche aufgrund einer Impfung in der DDR richteten sich in der Zeit vom 3. Oktober 1990 bis zum 31. Dezember 1999 nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten &8722; Bundesseuchengesetz (BSeuchG), das gemäß Anlage I Kap X Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 3 Buchst. c EinigVertr. (BGBl. 1990, Teil II, S. 1088) mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 auf das Gebiet der DDR (Beitrittsgebiet) übergeleitet wurde. Das am 1. Januar 2000 in Kraft getretene IfSG entspricht im Wesentlichen den bis 31. Dezember geltenden BSeuchG (vgl. BSG, Urteil vom 20. Juli 2005, B 9a/9 VJ 2/04 R, juris). Die mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 geschaffene Rechtslage hat somit zur Folge, dass nach den Regelungen des BSeuchG bzw. IfSG auch über Impfschäden zu entscheiden ist, die als Folgen von Impfungen in der DDR geltend gemacht werden, damals aber nicht als Impfschaden anerkannt worden sind.
Nach § 60 Abs. 1 IfSG erhält unter anderem derjenige, der durch eine gesetzlich vorgeschriebene Schutzimpfung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, nach der Schutzimpfung wegen eines Impfschadens i. S. des § 2 Nr. 11 IfSG wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetztes (BVG), soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt. Ein Impfschaden ist nach § 2 Nr. 11 IfSG ein über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehender Gesundheitsschaden.
Nach § 61 Abs. 1 IfSG genügt zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wahrscheinlich ist der ursächliche Zusammenhang dann, wenn wenigstens mehr dafür als dagegen spricht (BSG, Urteil vom 17. Dezember 1997, 9 RVI 1/95 zu §§ 51, 52 BSeuchG). In jedem Fall ist der Nachweis eines Impftermins und eines Primärschadens in Form einer unüblichen Impfreaktion erforderlich.
Die auch in der DDR gesetzlich vorgeschrieben gewesene Masernschutzimpfung ist hier durch die Eintragungen im Impfausweis belegt; wonach die erste Impfung am 15. April 1987 stattgefunden hat. Ebenso festgestellt sind nach Durchführung des Schwerbehindertenverfahrens die Leiden des Klägers in Form einer Persönlichkeitsstörung und Hirnleistungsschwäche. Die Anerkennung dieser Leiden als Impfschaden scheitert jedoch daran, dass sie nicht mit Wahrscheinlichkeit auf einen Primärschaden in Form einer unüblichen Impfreaktion zurückzuführen sind. Der Nachweis, dass die damals aufgetretene Enzephalitis Folgeerscheinung der Masern-Schutzimpfung war, ist dem Kläger nicht gelungen.
Nach der Legaldefinition des § 2 Nr. 11 IfSG ist Impfschaden nicht jede Gesundheitsstörung, die mit Wahrscheinlichkeit auf der Impfung beruht, sondern nur die über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehende. Welche Impfreaktionen danach als Impfschäden anzusehen sind, war bis Dezember 2006 den AHP 2004 zu entnehmen. Die AHP gaben den der herrschenden medizinischen Lehrmeinung (Schulmedizin) entsprechenden aktuellen Kenntnis- und Wissenstand wieder, u.a. auch über die Auswirkungen und Ursachen von Gesundheitsstörungen nach Impfungen. Die als medizinische Sachverständige tätigen Gutachter und die Versorgungsverwaltungen waren an die in den AHP enthaltenen Erkenntnisse für Begutachtungen bzw. Entscheidungen über Anträge auf Versorgung gebunden (vgl. BSG SozR 3-3870 § 3 Nr. 5 sowie BVerfG SozR 3-3870 § 3 Nr. 6). Zwar beruhten die AHP weder auf dem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften, so dass sie keinerlei Normqualität hatten. Dennoch wirkten sie in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit, hatten deshalb normähnlichen Charakter und waren als antizipierte Sachverständigengutachten zu verstehen. Im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung waren sie von den Gerichten wie untergesetzliche Rechtsnormen anzuwenden, bis der Gesetzgeber die erforderliche Ermächtigungsnorm für im Verordnungswege zu erlassende Regelungen geschaffen hatte (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2003, Az.: B 9 SB 3/02 R).
Nach Nr. 57 Ziff. 3a der AHP 2004 gehört bei der Masern-Schutzimpfung mit Lebendimpfstoff zu den üblichen Impfreaktionen das gelegentliche Auftreten des Bildes der Impfmasern ab dem 7. Tag (milde Imitation der Krankheit), ohne Infektionsgefährdung der Umgebung, bis zu drei Tage anhaltend. Zu "Impfschäden" wird Folgendes ausgeführt: "Akut entzündliche Erkrankungen des ZNS bedürfen einer besonders sorgfältigen diagnostischen Klärung. Ein ursächlicher Zusammenhang mit der Impfung kommt in Betracht, wenn die Erkrankung innerhalb von 7 bis 14 Tagen nach der Impfung aufgetreten ist, eine Antikörperbildung nachweisbar war und andere Ursachen der Erkrankung ausscheiden. Wenn Krampfanfälle innerhalb der ersten postvakzinalen Woche auftreten, können diese in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung stehen, da in diesem Zeitraum das Impfvirus noch zu keiner Virämie geführt hat. Sehr selten akute thrombozytopenische Purpura ohne Spätfolgen."
Allerdings sind diese detaillierten Angaben zu Impfkomplikationen bei Schutzimpfungen in Nr. 57 AHP 2004 bereits Ende 2006 aufgrund eines Beschlusses des Ärztlichen Sachverständigenbeirats "Versorgungsmedizin" beim BMAS gestrichen und durch folgenden Text ersetzt worden (Rundschreiben des BMAS vom 12. Dezember 2006 &8722; IV.c.6-48064-3; vgl. auch Nr. 57 AHP 2008): "Die beim Robert-Koch-Institut eingerichtete Ständige Impfkommission (STIKO) entwickelt Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß der Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung (Impfschaden). Die Arbeitsergebnisse der STIKO werden im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht und stellen den jeweiligen aktuellen Stand der Wissenschaft dar. Die Versorgungsmedizinische Begutachtung von Impfschäden (§ 2 Nr. 11 Infektionsschutzgesetz und Nr. 56 Abs. 1 der Anhaltspunkte) bezüglich Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Kannversorgung ist ausschließlich nach den Kriterien von §§ 60 f. Infektionsschutzgesetz durchzuführen "
Indes sind auch die AHP 2008 mit Inkrafttreten der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung &8722; VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I 2008, S. 2412) außer Kraft getreten. Die seit 1. Januar 2009 anstelle der früheren AHP geltende VersMedV wird auf der Grundlage des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellt und fortentwickelt. Wie in der Gesetzesbegründung (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drucksache 541/07 S. 1 ff., 66 f., 87) angegeben, ergeben sich hieraus jedoch nur die im Rahmen der Fortentwicklung zu erwartenden vereinzelten Abweichungen gegenüber den bislang nach den AHP anzuwendenden Maßstäben. Anders als die AHP enthält die VersMedV keine Bestimmungen über die Kausalitätsbeurteilung bei einzelnen Krankheitsbildern, so dass insoweit entweder auf die letzte Fassung der AHP zugegriffen werden muss, in der solche Ausführungen enthalten sind oder bei Anzeichen dafür, dass diese den aktuellen Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft nicht mehr beinhalten, auf andere Erkenntnisquellen, insbesondere Sachverständigengutachten (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011, B 9 VJ 1/10 R, a.a.O.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist hier festzustellen, dass der Kläger am 15. April 1987 mit dem Lebendimpfstoff Leningrad-16 gegen Masern geimpft worden ist. Außerdem steht fest, dass er an einer Persönlichkeitsstörung und Hirnleistungsschwäche leidet, wofür ihm ein GdB von 20 zuerkannt ist. Allerdings lässt sich der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen der im Mai 1987 diagnostizierten Enzephalitis, der in der Folge dieser Erkrankung eingetretenen Persönlichkeitsstörung und Hirnleistungsschwäche und der Impfung nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen. Wie der Sachverständige Prof. Dr. B. im Gutachten vom 4. Dezember 2013 mit überzeugender und nachvollziehbarer Begründung ausgeführt hat, ist ein Zusammenhang zwischen dieser Enzephalitis und der vorausgegangenen Impfung unwahrscheinlich, weil gegen die Annahme, es habe sich dabei um eine akute Enzephalitis gehandelt der zeitliche Abstand, gegen die Annahme einer subakuten Einschlusskörperchen-Enzephalitis der klinische Verlauf und gegen die Annahme einer subakuten sklerosierenden Enzephalitis eindeutig der fehlende charakteristische Liquor-Befund spreche. Im Ergebnis stellt der Sachverständige fest, dass die mehr als sieben Wochen nach der ersten Impfdosis eingetretene Enzephalitis nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer der drei möglichen masernimpfbedingten Enzephalitisformen in Verbindung zu bringen sei. Von der Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhanges ist nach diesen klaren Ausführungen nicht auszugehen. Die Feststellungen von Prof. Dr. B. stehen auch im Einklang mit den AHP 2004, wonach eine akut entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), wozu die Enzephalitis (Entzündung des Gehirns) gehört, als Impfschaden in Betracht zu ziehen ist, wenn die Erkrankung innerhalb von 7 bis 14 Tagen nach der Impfung aufgetreten ist. Diese generelle medizinischwissenschaftliche Zusammenhangsbeurteilung nach den AHP 2004 beansprucht auch nach wie vor Gültigkeit, da entgegenstehende neuere Erkenntnisse offensichtlich nicht vorliegen und von der STIKO demzufolge auch nicht festgestellt worden sind. Den Angaben des Sachverständigen zufolge sind zwar auf dem Gebiet der früheren Bundesrepublik in seltenen Fällen Imfpschäden nach Verabreichung des dort eingesetzten Lebendimpfstoffes anerkannt worden. Dies ändert aber nichts an der medizinischen Tatsache, dass das Auftreten unerwünschter Nebenwirkungen stets in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung dokumentiert sein muss. Dies ist bei dem Kläger offensichtlich nicht der Fall.
Soweit der Kläger geltend macht, der erforderliche zeitliche Zusammenhang sei gegeben, da die Enzephalitis zunächst nicht erkannt und mit den anfänglichen Symptomen irrtümlich als fiebrige Erkältung und Bronchitis behandelt worden sei, ist ihm nicht zu folgen. Es ist anerkannt, dass eine leichte Gehirnentzündung im Rahmen einer Grippe unentdeckt bleiben und mit der Grippe wieder abklingen kann (vgl. die Ausführungen zum Verlauf einer Enzephalitis bei Wikipedia.de). Eine solche leichte Form der Erkrankung war beim Kläger aber nicht aufgetreten. Medizinische Erkenntnisse dafür, dass eine Enzephalitis einen zunächst leichten, später aber schweren Verlauf nehmen kann, liegen nicht vor. Hierzu hat der Sachverständige keine Angaben gemacht und der Kläger hat für seine Behauptung keine Belege beigebracht. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der 1987 stattgehabten Entzündung des Gehirns möglicherweise um eine Herpes-Enzephalitis gehandelt hat, wie die Ärzte der Kinderklinik der Medizinischen Akademie M. seinerzeit als Verdacht geäußert haben. Damit könnte erklärt werden, warum es sich bei der Erkrankung des Klägers um keine der Enzephalitis-Formen gehandelt hat, die – wie der Sachverständige Prof. Dr. B. ausgeführt hat– mit der Masern-Impfung in Verbindung gebracht werden kann.
Die Anwendung von § 15 des Gesetzes über die Verwaltungsverfahren des Kriegsopferversorgung (KOV), der auch im Recht der Impfopferversorgung gilt (§ 64 Abs. 2 IfSG), kommt hier nicht in Betracht, weil die angeschuldigte Impfung und die spätere Gehirnentzündung ausreichend dokumentiert sind. Lücken im Sachverhalt, die durch Glaubhaftmachung geschlossen werden könnten, bestehen daher nicht.
Auch für Voraussetzungen der sog. Kann-Versorgung liegen nicht vor. Dies würde voraussetzen, dass ein ursächlicher Zusammenhang der im Einzelfall vorliegenden Umstände in den wissenschaftlichen Arbeitshypothesen als zumindest theoretisch begründet in Erwägung gezogen werden kann. Im vorliegenden Verfahren ist davon nicht auszugehen, denn keiner der beteiligten Ärzte hat eine durch wissenschaftliche Fakten und statistische Erhebungen medizinisch-biologisch nachvollziehbare Mindermeinung (zu diesen Voraussetzungen vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 1995, 9 Rv 17/04, juris) dargelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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