L 7 KA 5/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 79 KA 368/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 5/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 50/15 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
BSG: NZB zurückgewiesen
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. November 2011 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine sachlich-rechnerische Richtigstellung seines Honorars und eine damit verbundene Honorarrückforderung in Höhe von 24.959,16 Euro.

Der Kläger ist Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Gastroenterologie. Er war vom 1. April 1986 bis zum 31. Dezember 2006 zur vertragsärztlichen Versorgung in Berlin F im fachärztlichen Versorgungsbereich zugelassen.

Seit dem 1. Januar 2005 führte der Kläger seine Praxis als Gemeinschaftspraxis (heute: Berufsausübungsgemeinschaft) mit dem Facharzt für Innere Medizin, Schwerpunkt Gastroenterologie, Dr. K.

Schon seit dem 1. Juli 1993 bildete der Kläger – seit 1. Januar 2005 als Gemeinschaftspraxis zusammen mit Dr. K – eine Praxisgemeinschaft mit dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. L, der zuvor seit 1990 als Praxisassistent in der Praxis des Klägers angestellt gewesen war.

Mit Bescheid vom 20. Februar 2008 in der Fassung eines berichtigenden Bescheides vom 26. Februar 2008 hob die Beklagte im Ergebnis einer Plausibilitätsprüfung wegen auffällig hoher Patientenidentität mit der Praxis des Arztes L die Honorarbescheide des Klägers für die Quartale III/03 bis IV/04 auf, führte eine sachlich-rechnerische Berichtigung durch und kürzte das Honorar um insgesamt 24.670,04 Euro.

Mit weiterem Bescheid vom 20. Februar 2008 in der Fassung eines berichtigenden Bescheides vom 26. Februar 2008 hob die Beklagte im Ergebnis derselben Plausibilitätsprüfung den Honorarbescheid der Gemeinschaftspraxis des Klägers mit Dr. K für das Quartal I/05 auf, führte eine sachlich-rechnerische Berichtigung durch und kürzte das Honorar für dieses Quartal um 289,12 Euro (Gesamtkürzung Quartale III/03 bis I/05: 24.959,16 Euro).

Für die geprüften Quartale setzte die Beklagte als Aufgreifkriterium einen Grenzwert von 60 Prozent identischer Patienten an, ermittelte die Überschreitung dieses Grenzwerts und multiplizierte die Anzahl der den Grenzwert überschreitenden Patienten mit dem jeweils geltenden Fallwert, um so den jeweiligen Rückforderungsbetrag zu ermitteln:

Quartal Insgesamt abgerechnete Patienten Gemeinsame Patienten mit dem Arzt L

% Überschreitung der 60 %-Grenze um % Überschreitung identischer Patienten (unzutreffend berechnet) Fall-wert Rückforderung (Fallwert x Überschreitung identischer Patienten) Abzüglich Verwaltungsgebühr (2,4 %) III/03 1.337 1.137 85,0 25,0 284 54,09 EUR 15.591,60 EUR 374,20 EUR IV/03 1.470 1.156 78,6 18,6 215 53,98 EUR 11.605,70 EUR 278,54 EUR I/04 1.303 835 64,1 4,1 34 55,87 EUR 1.899,58 EUR 45,59 EUR II/04 1.331 931 70,0 10,0 93 56,90 EUR 5.291,70 EUR 127,00 EUR III/04 1.225 948 77,4 17,4 164 55,05 EUR 9.028,20 EUR 216,67 EUR IV/04 1.338 970 72,5 12,5 121 58,98 EUR 7.136,58 EUR 1.213,28 EUR I/05 1.548 947 61,2 1,2 11 53,86 EUR 592,46 EUR 14.22 EUR Summe: 51.145,82 EUR Summe: 1.227,50 EUR

Durchschnitt: 989 Durchschnitt: 72,7 Rückforderung insgesamt netto: 49.918,32 EUR Davon ½ = 24.959,16 EUR

Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die Beklagte im Wesentlichen an: Für die hohe Anzahl der Doppelbehandlungsfälle gebe es keine Rechtfertigung; sie sei vielmehr auf eine ungenehmigte gemeinsame Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit im Sinne einer Gemeinschaftspraxis zurückzuführen. Stichprobenhaft ausgewählte Doppelbehandlungsfälle belegten die gemeinsame Behandlungstätigkeit. In zahlreichen Fällen seien dieselben Patienten aufgrund derselben Diagnosen am gleichen Tag von beiden Ärzten behandelt worden. Teilweise sei es lediglich zu ein bis zwei parallelen Patientenkontakten gekommen, bei denen jeweils lediglich die Ordinations- bzw. die Konsultationsgebühr abgerechnet worden sei. Auch eine wechselseitige Hausbesuchstätigkeit spiegele eine gemeinsame Behandlungstätigkeit wider. Ein weiteres Indiz für einen Missbrauch der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft liege darin, dass Krankenversicherungskarten der Patienten fast immer am selben Tag in die Praxissoftware beider Praxen eingelesen worden seien, zum Teil ohne dass an diesem Tag Behandlungen erfolgt seien. Die beiden Ärzte hätten sich auch dadurch wie eine Gemeinschaftspraxis verhalten, dass bis zur Einführung der Praxisgebühr im Jahre 2004 auf die Ausstellung von Überweisungsscheinen verzichtet worden sei. Der Kläger und der Arzt L (der ebenfalls mit einem Rückforderungsbetrag in Höhe von 24.959,16 Euro belastet wurde; insoweit rechtskräftige Klageabweisung durch Urteil vom 22. September 2010, S 71 KA 382/09) hätten die Kooperationsform der Praxisgemeinschaft missbräuchlich dazu genutzt, die Fallzahlen in ihren Praxen zu erhöhen und so rechtswidrig eine Steigerung ihrer Honorare herbeizuführen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2009 wies die Beklagte den hiergegen vom Kläger erhobenen Widerspruch für die Quartale III/03 bis IV/04 zurück. Mit weiterem an die Inhaber der Gemeinschaftspraxis gerichtetem Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2009 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers und seines Gemeinschaftspraxispartners Dr. K für das Quartal I/05 zurück. Im Falle des Klägers sei gerade das mit der Praxisgebühr bekämpfte "Ärztehopping" zu beobachten. Exemplarisch führte die Beklagte 35 in beiden Praxen behandelte Patienten auf und stellte hier jeweils den Einlesetag der Versichertenkarte (durchweg identisch), die Behandlungstage (oftmals identisch), die abgerechneten Leistungen (teilidentisch) und die Diagnosen (teilidentisch) gegenüber. Die Auflistungen belegten, dass die Patienten nicht wegen unterschiedlicher Krankheitsbilder, sondern abwechselnd und oftmals am selben Tag von beiden Ärzten behandelt worden seien. Offensichtlich seien Patientendaten in einer Weise gemeinschaftlich genutzt worden, wie es für Gemeinschaftspraxen typisch sei. Dasselbe gelte für die notwendige Koordinierung von bis zu 85 Prozent identischer Patientenströme. Durch ihr Verhalten hätten sich beide Praxen Abrechnungsvorteile verschafft. Das Kürzungsermessen sei auf dieser Grundlage zutreffend ausgeübt worden. Zwar sei die Rückforderungssumme in den Ausgangsbescheiden um insgesamt 6.875,03 Euro zu niedrig berechnet worden (Falschberechnung der Anzahl der jeweils über der 60-Prozent-Grenze liegenden Patientenmenge), doch gelte das Verbot der Verböserung im Widerspruchsverfahren, so dass es bei der Rückforderungssumme von insgesamt 24.959,16 Euro verbleibe. Wegen der Einzelheiten der nunmehrigen Berechnung wird auf Bl. 159 und Bl. 190 des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.

Mit Urteil vom 23. November 2011 hat das Sozialgericht Berlin die hiergegen erhobene Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Befugnis der Beklagten zur Honorarberichtigung umfasse auch Fälle der missbräuchlichen Nutzung der Kooperationsform "Praxisgemeinschaft". Zu Recht sei die Beklagte davon ausgegangen, dass der Kläger in den streitigen Quartalen zusammen mit dem Arzt L faktisch eine Gemeinschaftspraxis geführt habe, obwohl die erforderliche Genehmigung hierfür nicht vorgelegen habe. Dies ergebe sich schon aus der hohen Quote von Doppelbehandlungen. Ein hoher gemeinsamer Patientenanteil spreche stets dafür, dass die Rechtsform der Praxisgemeinschaft im Praxisalltag nicht transparent realisiert werde, weil dann die für eine Gemeinschaftspraxis typische gemeinsame Ausübung der ärztlichen Tätigkeit mit gemeinschaftlicher Koordinierung des Patientenaufkommens stattfinde (Hinweis auf Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 2006, B 6 KA 76/04 R). Belegt sei dies hier schon dadurch, dass die Chipkarten der Patienten häufig am selben Tag in die Praxissoftware beider Praxen eingelesen worden seien, ohne dass an diesen Tagen immer auch Behandlungen in beiden Praxen stattgefunden hätten. Auch zum Zwecke einer vom Kläger angeführten bürokratischen Vereinfachung hätte dies in einer bloßen Praxisgemeinschaft nicht erfolgen dürfen. Die Betrachtung einzelner Behandlungsfälle zeige, dass die Behandlung einzelner Patienten durch beide Ärzte häufig schon zu Beginn eines Quartals geplant gewesen sein müsse. Auch der hohe Anteil der Überweisungen des Klägers an den Arzt L (ca. 45 Prozent) und der Anteil der Rücküberweisungen an die Praxis des Klägers (ca. 50 Prozent) sprächen für das faktische Betreiben einer Gemeinschaftspraxis. Im Übrigen werde der Missbrauch der Kooperationsform durch die von der Beklagten exemplarisch angeführten Einzelfälle belegt. Hier werde sichtbar, dass Behandlungen in der Praxis des Klägers und in derjenigen des Arztes L zum Teil am selben Tag, häufig aber auch an verschiedenen Tagen aufgrund überwiegend gleicher Diagnosen erfolgt seien. Häufig hätten nur ein oder zwei parallele Arzt-Patienten-Kontakte stattgefunden, wobei beide Ärzte lediglich die Ordinations- bzw. die Konsultationsgebühr abgerechnet hätten. Durch seine Einlassungen im Klageverfahren habe der Kläger dies nicht plausibel machen können. Auffällig sei zudem die Durchführung wechselseitiger Hausbesuche bei denselben Patienten durch beide Ärzte. Die Abrechnungssammelerklärungen für die einzelnen Quartale erwiesen sich danach als falsch, was der Kläger zu vertreten habe, da er aufgrund der Offenkundigkeit des Gestaltungsmissbrauchs zumindest grob fahrlässig gehandelt habe.

Gegen das ihm am 16. Dezember 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. Januar 2012 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe die zur missbräuchlichen Nutzung der Gestaltungsform "Praxisgemeinschaft" ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts unzutreffend angewandt. Allein von der Erfüllung des Aufgreifkriteriums dürfe nicht auf einen Gestaltungsmissbrauch geschlossen werden; notwendig sei das – hier fehlende – Hinzutreten zusätzlicher belastender Umstände. In der Kombination eines Internisten mit gastroenterologischem Schwerpunkt und eines Facharztes für Allgemeinmedizin sei es nicht ungewöhnlich, wenn die Patienten des Internisten zugleich auch die Praxis des Allgemeinmediziners aufsuchten. Der Arzt L habe seinen Patientenstamm letztlich aus der schon länger eingeführten Praxis des Klägers rekrutiert. Soweit das Sozialgericht dem Kläger vorhalte, er habe für keinen der in den Widerspruchsbescheiden aufgeführten Fälle die Notwendigkeit einer Doppelbehandlung belegt, konstruiere es zu Unrecht eine Beweislast zu seinen Ungunsten. Dass die Chipkarten von Patienten häufig am selben Tag in die Praxissoftware beider Praxen eingelesen worden seien, sei noch kein Beleg für eine gemeinschaftliche Berufsausübung. Häufig vergäßen Patienten ihre Chipkarte. Daher sei es nur verständlich, dass das Praxispersonal die Chipkarte am selben Tag in beide Systeme einlese, wenn bekannt sei, dass der Patient sich in dem laufenden Quartal in beiden Praxen behandeln lasse. Ein schuldhaftes Verhalten könne ihm nicht vorgeworfen werden, da er sich bei Beginn der Kooperation mit dem Arzt Lackner vom Vorstand der Beklagten habe beraten lassen. Für das Jahr 2002 habe der Plausibilitätsausschuss auch nach Vergleichsrechnungen keine Beanstandungen erhoben. Ihm nun aber nach seinem Eintritt in den Ruhestand einen Gestaltungsmissbrauch vorzuwerfen und eine fünfstellige Summe zurückzufordern, sei starker Tobak.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. November 2011 sowie die Bescheide der Beklagten vom 20. Februar 2008 in der Fassung der Bescheide vom 26. Februar 2008 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 24. Februar 2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das erstinstanzliche Urteil sei zutreffend. Die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts finde auch auf Fälle einer von Anfang als Praxisgemeinschaft bestehenden Zusammenarbeit zweier fachfremder Ärzte Anwendung. In einem solchen Fall sei auch die Auffälligkeitsgrenze mit 60 % gemeinsamer Patienten höher. Eine Patientenidentität in so hohem Ausmaß wie bei dem Kläger und dem Arzt Lackner (zwischen 61 und 85 Prozent) sei nur vorstellbar mit Hilfe einer Koordinierung des Patientenaufkommens in einer für Gemeinschaftspraxen typischen einheitlichen Praxisorganisation. Belegt sei ein Gestaltungsmissbrauch, weil die Patienten ohne erkennbaren Grund mit gleichen Diagnosen wechselseitig von den Praxisgemeinschaftspartnern behandelt worden seien; die in den Widerspruchsbescheiden enthaltenen patientenbezogenen Aufstellungen belegten dies. Das in großem Umfange praktizierte Einlesen der Krankenversicherungskarte eines Patienten am selben Tag für beide Praxen sei unzulässig, weil dann noch nicht bekannt sei, ob im Laufe des Quartals überhaupt beide Praxen aufgesucht würden. Die umfangreiche Doppelbehandlung sei auch deshalb nicht plausibel, weil der Kläger weit überwiegend (in 33 von 35 geprüften Behandlungsfällen) keine einzige gastroenterologische Leistung abgerechnet habe und die Doppelbehandlungen daher nicht mit der unterschiedlichen Praxisausrichtung der beiden Ärzte erklärbar seien. Selbst wenn der Vorstand der Beklagten dem Kläger einmal zur Gründung einer Praxisgemeinschaft geraten habe, trage der Kläger allein die Verantwortung für die Abrechnung seiner Leistungen; ganz sicher sei ihm nicht geraten worden, seine Praxis nach außen hin als Praxisgemeinschaft zu führen, die Patienten aber wie in einer Gemeinschaftspraxis zu behandeln.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

1. Der Zulässigkeit von Klage bzw. Berufung steht im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten nicht entgegen, dass auch für das Quartal I/05, in dem der Kläger seine Praxis als Gemeinschaftspraxis zusammen mit Dr. K führte, nur der Kläger das Verfahren betreibt und nicht die Gemeinschaftspraxis. Die Befugnis des Klägers, das Verfahren allein zu führen, ist nicht zweifelhaft. Er ist persönlich haftender Schuldner für Forderungen gegen die Gemeinschaftspraxis etwa auch im Rahmen sachlich-rechnerischer Berichtigungen durch die Beklagte. Als Gesellschafter muss er für solche Forderungen gegen die Gemeinschaftspraxis in eigener Person einstehen. Er kann Forderungen, die gegenüber der Gemeinschaftspraxis geltend gemacht werden, wahlweise zusammen mit seinem Praxispartner gemeinschaftlich abwehren, oder er kann sie - sowohl wenn sie nur gegenüber der Gemeinschaftspraxis als auch wenn sie auch ihm selbst gegenüber geltend gemacht werden - allein abwehren. Aus der Befugnis, eigenständig zu handeln, folgt zugleich, dass der Mitgesamtschuldner weder als sogenannter notwendiger Streitgenosse einbezogen noch notwendig beigeladen werden muss (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 3. Februar 2010, B 6 KA 37/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 16).

2. Im Übrigen kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen werden, § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Das Sozialgericht hat die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Honorarkürzung bei missbräuchlicher Nutzung der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft zutreffend dargestellt und den vorliegenden Fall im Lichte dieser Rechtsprechung überzeugend gewürdigt. Zu ergänzen und hervorzuheben bleibt:

Das Bundessozialgericht hat in seiner Leitentscheidung vom 22. März 2006 (B 6 KA 76/04 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 18 f.; bestätigend: Beschluss vom 11. Mai 2011, B 6 KA 1/11 B, zitiert nach juris, dort Rdnr.11; Beschluss vom 6. Februar 2013, B 6 KA 43/12 B, zitiert nach juris, dort Rdnr. 6; Beschluss vom 2. Juli 2014, B 6 KA 2/14 B, zitiert nach juris, dort Rdnr. 8) ausgeführt, dass bei missbräuchlicher Nutzung der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft im Sinne des § 33 Abs. 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte bzw. Vertragszahnärzte (in der bis zum 31.Dezember 2006 geltenden Fassung) Honorarbescheide korrigiert werden können. Ein derartiger Formenmissbrauch liegt vor, wenn Ärzte oder Zahnärzte ihre Zusammenarbeit im Innen- und Außenverhältnis so gestalten, wie dies für eine Gemeinschaftspraxis (heute: Berufsausübungsgemeinschaft) typisch ist. Eine solche Form der Kooperation kann - wie auch im vorliegenden Fall - zu einem sehr hohen Anteil an Patienten führen, an deren Behandlung sowohl der betroffene Arzt als auch der bzw. die Kollege(n) gemeinsam beteiligt sind. Ein hoher gemeinsamer Patientenanteil spricht stets dafür, dass die Rechtsform der Praxisgemeinschaft im Praxisalltag nicht transparent realisiert wurde. Zur Frage, ab welcher Größenordnung ein in diesem Sinne auffälliger Anteil gemeinsam behandelter Patienten vorliegt, wird in dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 22. März 2006 zwar nicht abschließend Stellung genommen. Es wird aber auf die Richtlinien hingewiesen, die die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Spitzenverbände der Krankenkassen vereinbart haben und nach denen bereits bei 20 Prozent Patientenidentität - bzw. bei 30 Prozent im Falle gebietsübergreifender/versorgungsübergreifender Praxisgemeinschaften - eine Abrechnungsauffälligkeit anzunehmen ist. Nach Auffassung des Bundessozialgerichts liegt jedenfalls dann, wenn zwei kooperierende Vertragsärzte desselben Fachgebiets mehr als 50 Prozent der Patienten gemeinsam behandeln, eine für eine Gemeinschaftspraxis kennzeichnende gemeinschaftliche Ausübung der ärztlichen Tätigkeit mit Behandlung eines gemeinsamen Patientenstamms vor (Bundessozialgericht, Beschluss vom 11. Mai 2011, B 6 KA 1/11 B, zitiert nach juris, dort Rdnr.11; ebenso: Beschluss vom 6. Februar 2013, B 6 KA 43/12 B, zitiert nach juris, dort Rdnr. 6); eine Patientenidentität von so großem Ausmaß ist nur vorstellbar mit Hilfe der Koordinierung des Patientenaufkommens in einer für Gemeinschaftspraxen typischen einheitlichen Praxisorganisation.

Hier betrug das gemeinsame Patientenaufkommen in den streitigen Quartalen zwischen 61,2 und 85 Prozent, im Durchschnitt der sieben streitigen Quartale 72,7 Prozent bzw. 989 Patienten. Auch zur Überzeugung des Senats hatte die Praxisgemeinschaft bei dieser Größenordnung dauerhaft gemeinsamer Patienten das Gepräge einer Gemeinschaftspraxis. Auch nach dem Vorbringen des Klägers "rekrutierte" der Arzt L sein Patientenaufkommen aus dem klägerischen Patientenstamm. Die Koordinierung des Patientenaufkommens zeigt sich schon in dem Einlesen der Chipkarten der Patienten beim ersten Besuch der Ärzte im Quartal in beide Praxiscomputer. Die Doppelbehandlungen sind für eine Praxisgemeinschaft überwiegend nicht plausibel begründet. Plausibilität wäre etwa gegeben, wenn der Allgemeinmediziner L seine Patienten zu nur vom Kläger vornehmbaren gastroenterologischen Untersuchungen an diesen überwiesen hätte. Das war aber in den repräsentativen Stichproben der Beklagten nur in zwei von 35 Patienten der Fall.

Die Beklagte war danach berechtigt, das Honorar des Klägers in den streitgegenständlichen Quartalen zu reduzieren. Die Rechtmäßigkeit sachlich-rechnerischer Berichtigungen setzt grundsätzlich kein Verschulden des Vertragsarztes voraus. Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine Kassenärztliche Vereinigung – was hier nicht geschehen ist – den gesamten Honorarbescheid für ein Quartal allein wegen der Unrichtigkeit der Abrechnungssammelerklärung aufhebt; diese Rechtsfolge setzt voraus, dass unrichtige Angaben in den Behandlungsausweisen zumindest grob fahrlässig erfolgt sind (Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 2006, B 6 KA 76/04 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 28). Unabhängig davon kann der Kläger im Rahmen der sachlich-rechnerischen Berichtigung Vertrauensschutz nicht für sich beanspruchen. Er selbst behauptet nicht, dass ihm von der Beklagten jemals freigestellt worden sei, seine Praxisgemeinschaft wie eine (ungenehmigte) Gemeinschaftspraxis zu führen. Ebenso wenig kann von der im Jahre 2006 ohne Sanktion abgeschlossenen Plausibilitätsprüfung auf andere Prüfquartale geschlossen werden. Ob das Honorar der in Praxisgemeinschaft tätigen Ärzte zusammen genommen sogar höher gewesen wäre, wenn sie eine genehmigte Gemeinschaftspraxis geführt hätten, ist ebenso unbeachtlich, denn jedenfalls hat die Verfahrensweise der beiden Ärzte für die hier streitigen Quartale zu einer deutlichen künstlichen Vermehrung der Fallzahlen sowie der abrechenbaren Leistungen geführt, die der sachlich-rechnerischen Richtigstellung im geschehenen Umfang rechtlich beanstandungsfrei zugänglich war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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