Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 13 SO 39/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 25/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 8. Mai 2014 wird aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin (im Weiteren: Ast.) begehrt im vorliegenden Verfahren Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) in Form der Anerkennung eines behinderungsbedingten Mehrbedarfs von wöchentlich 29 Stunden persönliche Assistenz in der Kindertagesstätte "Zwergen-Palais" in R. (im Weiteren: Kita).
Die am ... 2008 geborene Ast. leidet an einem Phelan-McDermid - Syndrom (Mikrodeletionssyndrom 22q13.3) mit kombinierten umschriebenen Entwicklungsstörungen in Form von geistigen und motorischen Beeinträchtigungen sowie einer Sprachentwicklungsverzögerung. Ihr Entwicklungszustand ist der eines zwei- bis dreijährigen Kindes. Bei ihr sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 sowie die Merzeichen "G", "B", "H" sowie die Pflegestufe II anerkannt. Seit dem 1. September 2009 besucht die Ast. die Kita.
Der Ag. bewilligte zunächst Leistungen der ambulanten/mobilen Frühförderung nach dem SGB XII in Form von einer Fördereinheit/Woche vom 1. Dezember 2011 bis zum 31. Mai 2012 und sodann zwei Fördereinheiten/Woche vom 1. März 2012 bis zum 30. November 2012 (Bescheide vom 8. November 2011 und 1. März 2012).
Am 18. Juli 2012 beantragte die Ast. die Einzelintegration in der Kita. Aus der Einschätzung des Therapie- und Beratungszentrums des Christlichen Jugenddorfwerkes (CJD) S. vom 22. Juni 2012, das die Frühförderung seit Dezember 2011 durchgeführt hatte, ergibt sich, dass die Umsetzung in eine integrative Einrichtung empfohlen werde. Auch das Sozialpädiatrische Zentrum (SPZ) in H. (Epikrise vom 14. März 2012) und der Amtsarzt (Facharzt für Kinderheilkunde) Dipl.-Med. S. empfahlen die Aufnahme der Ast. in einen integrativen Kindergarten. Im Hinblick darauf, dass die Eltern der Ast. dies ablehnten, wurde aus amtsärztlicher Sicht die Unterbringung der Ast. in einem Regelkindergarten und eine tägliche Förderung in Form von Einzelintegration als Betreuungsmöglichkeit gesehen (Gutachten vom 5. August 2012).
Mit Bescheid vom 23. Juli 2012 stimmte das Jugendamt dem Antrag auf soziale Integration und Zusatzförderung der Ast. in der Kita zum 1. September 2012 zu. In dem Bescheid wurde die Auflage erteilt, dass die wöchentlichen zehn Stunden, die für die zusätzliche Förderung der Ast. erforderlich seien, durch eine Heilpädagogin zu erbringen seien. Der Bescheid enthält ferner den Hinweis, dass die Kita nicht als integrative Kindertagesstätte im rechtsgültigen Bedarfs- und Entwicklungsplan für Kindertageseinrichtungen des Landkreises M.-S. ausgewiesen sei.
Mit Bescheid vom 11. September 2012 bewilligte der Ag. der Ast. Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Einzelintegration für behinderte Menschen nach §§ 53, 54 SGB XII im Rahmen einer Einzelfallentscheidung. Die Leistung betrage monatlich 916,76 EUR. Die Hilfe werde in der Kita im Zeitraum vom 1. Oktober 2012 bis zum 31. Juli 2013 erbracht. Ebenfalls unter dem 11. September 2012 teilte der Ag. dem Träger der Kita mit, dass die Ast. für den Zeitraum vom 1. Oktober 2012 bis zum 31. Juli 2013 teilstationäre Leistungen der Eingliederungshilfe in der Kita erhalte und er - der Ag.- Kosten für den Aufenthalt in der Kita in Höhe von derzeit monatlich 916,76 EUR anerkenne.
Am 14. Februar 2013 beantragte die Ast. die Gewährung eines behinderungsbedingten Mehrbedarfs. Seit der Einzelintegration im Oktober 2002 sei ein deutlicher Entwicklungsschub, insbesondere im Bereich der Sprachentwicklung, zu verzeichnen. Aufgrund der weiterhin bestehenden deutlichen kombinierten Entwicklungsverzögerung sowie den syndromspezifischen Auffälligkeiten erfordere ihre Betreuung jedoch einen Mehraufwand insbesondere beim An- und Ausziehen, Toilettentraining, Schlafverhalten sowie eine permanente Beaufsichtigung. Nach Einholung einer Stellungnahme der Gutachterin D. Arb. (FH) Sch. vom 27. März 2013 lehnte der Ag. den Antrag auf Anerkennung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs mit Bescheid vom 3. April 2013 ab. Er verwies darauf, dass die erforderliche integrative Betreuung im Rahmen der Einzelförderung in der Regelkindertagesstätte erfolge. Die notwendige Betreuung könne aber auch im Rahmen des Besuchs einer integrativen Kindertagesstätte umgesetzt werden; in der gemeindeeigenen integrativen Kindertagesstätte "T.-K." stünde ein Platz zur Verfügung. Ein darüber hinausgehender Mehrbedarf sei nicht feststellbar.
Hiergegen legte die Ast. am 30. April 2013 Widerspruch ein. Sie legte dar, an ihrem Wohnort in ihrem gewohnten sozialen Umfeld mit den dort gewachsenen Strukturen betreut werden zu wollen, da sie umfangreicher Hilfe bedürfe. Zur weiteren Begründung hat sie einen Selbstauskunftsbogen zur Vorlage beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MdK) mit Angaben zu ihrer Pflegebedürftigkeit im Rahmen eines Pflegetagebuches für den Zeitraum vom 12. bis zum 22. Januar 2013 beigefügt; wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 71 bis 91 der Verwaltungsakte Bezug genommen.
Im Widerspruchsverfahren wurden Zuarbeiten zur Feststellung des Mehrbedarfs der Ast. im Vergleich zu gleichaltrigen Kindern im Tagesablauf vom Leiter der Kita, dem Zeugen. L, vom 23. August und 11. November 2013 eingeholt. Hieraus ergibt sich u.a., dass die Heilpädagogin die Ast. zweimal wöchentlich jeweils fünf Stunden zu unterschiedlichen Zeiten in der Kita betreue; dies sei ungünstig, da die Ast. keine Regelmäßigkeit erfahre. Auf der Grundlage einer mehrstündigen Hospitation gab die Gutachterin D.-Arb. Sch. unter dem 18. Dezember 2013 eine Stellungnahme zum Umfang des Hilfebedarfs ab; wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 32 der W-Akte Bezug genommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2014 wies der Ag. den Widerspruch der Ast. als unbegründet zurück. Nach der mehrstündigen Begutachtung der Ast. während des Aufenthaltes in der Kita werde seitens des rehapädagogischen Fachdienstes mit Stellungnahme vom 18. Dezember 2013 die Auffassung vertreten, dass die Ast. trotz behinderungsbedingter Einschränkungen in der Lage sei, in der Gruppensituation an Gruppenaktivitäten selbstständig teilzunehmen. Die Notwendigkeit einer erhöhten Aufsicht und Anleitung beispielsweise bei Spaziergängen oder hygienischen Verrichtungen werde nicht bestritten; insoweit sei jedoch kein heilpädagogischer Bedarf erkennbar. Aus der Sicht der Gutachterin bestünden für die Ast. in dem Regelkindergarten keine optimalen Betreuungsbedingungen. Dies sei jedoch der Tatsache geschuldet, dass die Eltern der Ast. die Betreuung in einer integrativen Kindertagesstätte ablehnten. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass auch in diesen Einrichtungen behinderte und nichtbehinderte Kinder gemeinsam betreut würden, so dass dem Wunsch nach Inklusion entsprochen werde. In einer intergrativen Einrichtung könnte die Ast. nicht nur tageweise, sondern kontinuierlich durch eine Heilpädagogin betreut werden. Insoweit seien zum einen organisatorische Veränderungen in der Kita - Anwesenheit der Heilpädagogin betreuungstäglich für zwei Stunden anstelle der jetzigen zweimal fünfstündigen wöchentlichen Betreuung - oder der Wechsel in eine integrative Kindertagesstätte angezeigt. Ein Mehrbedarf, der über die bereits gewährten Leistungen hinausgehe, sei nicht feststellbar.
Hiergegen hat die Ast. am 14. Februar 2014 Klage beim Sozialgericht (SG) H. erhoben (S 13 SO 19/14).
Am 21. März 2014 hat sie zudem beim SG Halle den Antrag auf Erlass einer einst- weiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gestellt. Der Stellungnahme des rehapädagogischen Fachdienstes vom 18. Dezember 2013 sei nicht zu folgen. Ihr konkreter Hilfebedarf und der behinderungsbedingte Mehrbedarf seien durch die Begutachtung nicht hinreichend festgestellt worden. Die gewährte behinderungsbedingte Mehrbetreuung mit zehn Wochenstunden heilpädagogischer Frühförderung könne lediglich zu kleinen Fortschritten führen. Eine optimale Förderung könne nur durch eine weitergehende, dauerhafte Begleitung im Tagesablauf erreicht werden. Insoweit bestehe ein Anspruch auf Anerkennung eines behinderungsbedingten Mehrbedarfs. Die Dringlichkeit resultiere daraus, dass durch die Nichterfüllung der Eingliederungshilfe die Gefahr von nachträglich nicht wieder zu behebenden Schäden in ihrer Entwicklung bestehe. Sie werde voraussichtlich zum September 2015 schulpflichtig, so dass die Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren zu spät komme. Soweit der Ag. darauf verwiesen habe, dass im Regelkindergarten keine optimalen Betreuungsbedingungen bestünden, könne dies ihrem Leistungsanspruch nicht entgegenstehen. Denn mit den Neuformulierungen des § 5 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege des Landes Sachsen-Anhalt (Kinderförderungsgesetz - KiFöG) und des § 8 KiFöG werde die Verpflichtung zur Beseitigung eines Betreuungsdefizits eindringlich beschrieben und damit den Zielstellungen der UN-Behindertenrechtskonvention und Art. 23 Abs. 3 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes Rechnung getragen. Danach solle Kindern mit Behinderungen die Möglichkeit der Inklusion in allen Tageseinrichtungen und Tagespflegestellen ermöglicht werden. Schließlich entspräche ein Kindergartenwechsel auch nicht den ärztlichen Empfehlungen. Das SG hat im Rahmen eines Erörterungstermins am 30. April 2014 den Leiter der Kita, R. L., als Zeugen. vernommen; wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Die Ast. hat beim SG beantragt,
"den Antragsgegner vorläufig bis zu einer Entscheidung der Hauptsache zu verpflichten, einen behinderungsbedingten Mehrbedarf von weiteren 29 Stunden wöchentlich im Rahmen der Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der integrativen Betreuung in der Kindertagesstätte "Z.-P." in R. anzuerkennen".
Der Ag. hat beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Er hat zum einen daran festgehalten, dass die Bewilligung eines weiteren behinderungsbedingten Mehrbedarfs nicht notwendig sei. Zum anderen verweist er bei einer von der Ast. für unzureichend erachteten Betreuung auf die ab sofort bestehende Möglichkeit des Wechsels in eine integrative Kindertagesstätte. Dies sei von der Rechtsprechung auch unter der Geltung der UN-Behindertenrechtskonvention als zumutbar erachtet worden (Hinweis auf Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 15. Oktober 2013 - 4 ME 238/13 - )
Das SG hat den Ag. mit Beschluss vom 8. Mai 2014 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig die Kosten eines behinderungsbedingten Mehrbedarfs der Ast. während des Besuchs der Kita für weitere 29 Stunden für die Zeit vom 8. Mai 2014 bis zum 31. Juli 2015, längstens jedoch bis zur Entscheidung in der Hauptsache (S 13 SO 19/14), zu übernehmen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der Antrag sei zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang erfolgreich; im Übrigen (eine Antragsabweisung ergibt sich aus dem Tenor nicht) sei er unbegründet und insoweit abzulehnen. Der behinderungsbedingte Mehrbedarf könne erst ab dem Tag der Beschlussfassung zuerkannt werden. Das Gericht weise klarstellend darauf hin, dass eine vorläufige Übernahme der Kosten für den behinderungsbedingten Mehrbedarf durch den Ag. erst ab dem Tag erfolgen könne, an dem tatsächlich eine Begleitperson in der Kita zur Betreuung der Ast. eingesetzt werde. Für die Zeit ab dem 8. Mai 2014 spreche mehr dafür als dagegen, dass die Zuerkennung eines behindertenbedingten Mehrbedarfs zur Verwirklichung der Ziele der Eingliederungshilfe erforderlich sei. Dies ergebe sich aus den vorliegenden medizinischen Stellungnahmen sowie der Stellungnahme der Kita. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen.
Gegen den ihm am 9. Mai 2014 zugestellten Beschluss hat der Ag. am 13. Mai 2014 Beschwerde beim SG Halle eingelegt, das diese an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weitergeleitet hat. Zur Begründung hat der Ag. angeführt, der Ast. sei eine Förderung in einer integrativen Gruppe in der Kindertagesstätte "T.-K." in R. angeboten worden. Durch den von ihm - dem Ag. - bewilligten Satz in Höhe von 915,00 EUR, welcher momentan auch für die Förderung im Regelkindergarten bewilligt werde, wäre eine Betreuung der Ast. sichergestellt. Die Finanzierung von weiteren 29 Stunden wöchentlich für die Betreuung und Beaufsichtigung der Ast. bedeute unverhältnismäßige Mehrkosten für ihn - den Ag. -. Diese beliefen sich bei der Umsetzung des angefochtenen Beschlusses auf 2.360,55 EUR monatlich. Unverhältnismäßige Mehrkosten seien im Regelfall ausgeschlossen; sie könnten gerechtfertigt sein, wenn der Bedarf von kurzer Dauer sei. Dies sei aber vorliegend nicht der Fall, da die Ast. frühestens im September 2015 bzw. bei möglicher Zurückstellung im September 2016 eingeschult werde. Schließlich ergebe sich aus dem Beschluss des SG nicht, welche Leistungen erbracht werden sollten, d.h. ob der Bedarf sich auf eine Fach- oder auf eine Hilfskraft beziehe. Insoweit sei fraglich, ob dem Beschluss ein vollstreckbarer Titel entnommen werden könne.
Der Ag. beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 8. Mai 2014 aufzuheben.
Die Ast. beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie habe zu keiner Zeit die durchgängige Betreuung durch eine Heilpädagogin beantragt. Sie halte daran fest, dass sie der Betreuung und Begleitung bedürfe, wobei diese auch von einer Hilfskraft im Rahmen einer persönlichen Assistenz verwirklicht werden könne.
Im Beschwerdeverfahren ist der Zeuge L. gebeten worden, klarzustellen, in welchem konkreten zeitlichen Umfang er die tägliche Betreuung der Ast. durch eine heilpädagogische Fachkraft für notwendig und in welchem Umfang er die Unterstützung durch eine Hilfskraft für ausreichend erachte und ob es bereits konkrete Pläne und/oder Absprachen gebe, welche Fach-/Hilfskraft für die Betreuung der Ast. eingesetzt werden könnte. Hierzu hat der Zeuge L. unter dem 9. Juli 2014 darauf hingewiesen, dass es sich bei der Kita nicht um eine integrative Einrichtung handele. Insofern stehe die Beurteilung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs "eher einer Fachbehörde zu". Derzeit sichere die Gemeinde den Einsatz einer Heilpädagogin im Umfang von zehn Stunden pro Woche ab. Empfehlenswert wäre möglicherweise eine Aufstockung um weitere Stunden pro Woche für eine gezielte Förderung. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Kita um einen Regelkindergarten mit vorgehaltenem gesetzlichem Mindestpersonalschlüssel handele, wäre für den besonderen Betreuungsbedarf eine zusätzliche Betreuung in der übrigen Zeit durch eine Fachkraft, etwa eine/n stattlich anerkannte/n Erzieherin/Erzieher wünschenswert, wenn nicht gar angemessen. Die Beurteilung stehe aber sicher nicht der Gemeinde bzw. der Einrichtungsleitung zu.
Während des Beschwerdeverfahrens hat der Ag. eine Kostenübernahmeerklärung gegenüber der Ast. für Leistungen der Eingliederungshilfe für die Ast. im Zeitraum vom 1. Oktober 2013 bis zum 31. Juli 2015 in der Kita abgegeben. Ferner hat er gegenüber dem Träger der Kita im Hinblick darauf, dass für Einzelintegrationsplätze die im Beschluss Nr. 3/2013 der Kommission "K 75" vom 12. September 2013 festgelegten Pauschalen ab dem 1. Oktober 2013 entsprechend zu berücksichtigen seien, im Rahmen einer Kostenübernahmeerklärung gemäß § 75 Abs. 4 SGB XII ab dem 1. Oktober 2013 für die Ast. 943,22 EUR im Monat bewilligt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und auf die Verwaltungsakten des Ag, die sämtlich Gegenstand der Entscheidung des Senats gewesen sind, Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das SG den Ag. im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig die Kosten eines behinderungsbedingten Mehrbedarfs für die Ast. während des Besuchs der Kita für weitere 29 Stunden für die Zeit vom 8. Mai 2014 bis zum 31. Juli 2015 zu übernehmen.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Der geltend gemachte Hilfeanspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund), die Eilbedürftigkeit, sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes im summarischen Verfahren (Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Beschluss vom 29. Juli 2003 - 2 BvR 311/03 - NVwZ 2004, 95, 96). Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 ff.).
Der Ast. steht kein materiellrechtlicher Anspruch auf Übernahme der Kosten des geltend gemachten Mehrbedarfs zu. Der diesen Anspruch ablehnende Bescheid des Ag. vom 3. April 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2014 ist rechtmäßig. Denn eine Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist nicht ersichtlich.
Rechtsgrundlage für die der Ast. mit den Bescheiden vom 11. September 2012 und 8. August 2014 bewilligte Eingliederungshilfe in Form der Einzelintegration in der Kita vom 1. Oktober 2012 bis zum 31. Juli 2015 in Höhe von 916,76 EUR monatlich für den Zeitraum vom 1. Oktober 2012 bis zum 30. September 2013 und in Höhe von 943,22 EUR monatlich für die Zeit vom 1. Oktober 2013 bis zum 31. Juli 2015 ist § 75 Abs. 4 Satz 3 SGB XII. Danach dürfen Vergütungen nur bis zu der Höhe übernommen werden, wie sie der Träger der Sozialhilfe am Ort der Unterbringung oder in seiner nächsten Umgebung für vergleichbare Leistungen nach den nach Abs. 3 abgeschlossenen Vereinbarungen mit anderen Einrichtungen trägt. Hier hat der Ag. die Beschlüsse der Kommission "K 75" zu Leistungen der Eingliederungshilfe für Kinder gemäß § 8 KiFöG LSA in integrativen Tageseinrichtungen und im Rahmen der Einzelintegration auf die Ast. angewendet. Diese wird in der Kita seit dem 1. September 2009 betreut. Die Kita ist keine integrative Einrichtung im Bedarfs- und Entwicklungsplan für Kindertageseinrichtungen des Landkreises M.-S. Insoweit ist zwischen der Kita und dem Ag. keine Vereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII abgeschlossen worden. Gemäß § 75 Abs. 4 Satz 1 SGB XII darf der Träger der Sozialhilfe Leistungen durch eine Einrichtung, mit der keine der in Absatz 3 genannten Vereinbarungen abgeschlossen ist, nur erbringen, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalls geboten ist. Hier ist der Ag. aufgrund der Umstände, dass einerseits sowohl aus der Sicht des SBZ-Halle als auch nach amtsärztlicher Empfehlung die Aufnahme der Ast. in eine integrative Kindergarteneinrichtung geboten war, andererseits die Eltern der Ast. dies aber abgelehnt hatten, von einem solchen besonderen Einzelfall ausgegangen. Im Hinblick auf die damalige Einschätzung, wöchentlich zehn Stunden Heilpädagogik seien im Rahmen der Einzelintegration ausreichend, und die Genehmigung des Jugendamtes zur Aufnahme der Ast. in die Kita - auf der Grundlage der Auflage der Vorhaltung dieser heilpädagogischen wöchentlich zehnstündigen Betreuung - hat der Ag. Eingliederungshilfe in der Form der Einzelintegration bewilligt. Diese Bewilligung ist erfolgt, obwohl es an der in § 75 Abs. 4 Satz 2 SGB XII genannten weiteren Voraussetzung fehlt. Danach hat der Träger der Einrichtung ein Leistungsangebot vorzulegen, das die Voraussetzungen des § 76 SGB XII erfüllt, und sich schriftlich zu verpflichten, Leistungen entsprechend diesem Angebot zu erbringen. Ein solches konkretes Leistungsangebot der Kita liegt bislang nicht vor. In Bezug auf ein den Anforderungen des § 76 SGB XII genügendes Angebot ist es bislang zudem nicht gelungen, festzustellen, wie das konkrete Leistungsangebot der Kita aussieht bzw. aussehen könnte. Der Stellungnahme des Zeugen. L. im Beschwerdeverfahren vom 9. Juli 2014 ist vielmehr zu entnehmen, dass er sich zur Beurteilung des "behinderungsbedingten Mehrbedarfs" nicht in der Lage sieht und der Auffassung ist, dass die Beurteilung, von wem und in welcher Form die Ast. betreut werden sollte, weder ihm noch der Gemeinde, sondern einer Fachbehörde zusteht. Insoweit ist zurzeit auch nicht erkennbar, welche konkrete Vereinbarung zwischen der Kita und dem Ag. abgeschlossen werden könnte, um der erforderlichen Betreuung der Ast. Rechnung zu tragen.
Da weder eine Vergütungsvereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII noch eine Individualvereinbarung auf der Grundlage eines Angebots nach § 75 Abs. 4 Satz 2 SGB XII vorliegen, besteht jedenfalls kein Anspruch auf Leistungen, die über die von dem Ag. bewilligte Eingliederungshilfe hinausgehen.
Soweit das Begehren der Ast. darauf gerichtet sein sollte, ihr ohne Beteiligung der Kita eine individuelle Assistenz zur Verfügung zu stellen, ist hierfür keine Rechtsgrundlage ersichtlich. Dieser Bedarf wäre allein dem Umstand geschuldet, dass die Kita keine geeignete Einrichtung im Sinne des § 75 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13 SGB XII ist.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 177 SGG.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin (im Weiteren: Ast.) begehrt im vorliegenden Verfahren Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) in Form der Anerkennung eines behinderungsbedingten Mehrbedarfs von wöchentlich 29 Stunden persönliche Assistenz in der Kindertagesstätte "Zwergen-Palais" in R. (im Weiteren: Kita).
Die am ... 2008 geborene Ast. leidet an einem Phelan-McDermid - Syndrom (Mikrodeletionssyndrom 22q13.3) mit kombinierten umschriebenen Entwicklungsstörungen in Form von geistigen und motorischen Beeinträchtigungen sowie einer Sprachentwicklungsverzögerung. Ihr Entwicklungszustand ist der eines zwei- bis dreijährigen Kindes. Bei ihr sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 sowie die Merzeichen "G", "B", "H" sowie die Pflegestufe II anerkannt. Seit dem 1. September 2009 besucht die Ast. die Kita.
Der Ag. bewilligte zunächst Leistungen der ambulanten/mobilen Frühförderung nach dem SGB XII in Form von einer Fördereinheit/Woche vom 1. Dezember 2011 bis zum 31. Mai 2012 und sodann zwei Fördereinheiten/Woche vom 1. März 2012 bis zum 30. November 2012 (Bescheide vom 8. November 2011 und 1. März 2012).
Am 18. Juli 2012 beantragte die Ast. die Einzelintegration in der Kita. Aus der Einschätzung des Therapie- und Beratungszentrums des Christlichen Jugenddorfwerkes (CJD) S. vom 22. Juni 2012, das die Frühförderung seit Dezember 2011 durchgeführt hatte, ergibt sich, dass die Umsetzung in eine integrative Einrichtung empfohlen werde. Auch das Sozialpädiatrische Zentrum (SPZ) in H. (Epikrise vom 14. März 2012) und der Amtsarzt (Facharzt für Kinderheilkunde) Dipl.-Med. S. empfahlen die Aufnahme der Ast. in einen integrativen Kindergarten. Im Hinblick darauf, dass die Eltern der Ast. dies ablehnten, wurde aus amtsärztlicher Sicht die Unterbringung der Ast. in einem Regelkindergarten und eine tägliche Förderung in Form von Einzelintegration als Betreuungsmöglichkeit gesehen (Gutachten vom 5. August 2012).
Mit Bescheid vom 23. Juli 2012 stimmte das Jugendamt dem Antrag auf soziale Integration und Zusatzförderung der Ast. in der Kita zum 1. September 2012 zu. In dem Bescheid wurde die Auflage erteilt, dass die wöchentlichen zehn Stunden, die für die zusätzliche Förderung der Ast. erforderlich seien, durch eine Heilpädagogin zu erbringen seien. Der Bescheid enthält ferner den Hinweis, dass die Kita nicht als integrative Kindertagesstätte im rechtsgültigen Bedarfs- und Entwicklungsplan für Kindertageseinrichtungen des Landkreises M.-S. ausgewiesen sei.
Mit Bescheid vom 11. September 2012 bewilligte der Ag. der Ast. Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Einzelintegration für behinderte Menschen nach §§ 53, 54 SGB XII im Rahmen einer Einzelfallentscheidung. Die Leistung betrage monatlich 916,76 EUR. Die Hilfe werde in der Kita im Zeitraum vom 1. Oktober 2012 bis zum 31. Juli 2013 erbracht. Ebenfalls unter dem 11. September 2012 teilte der Ag. dem Träger der Kita mit, dass die Ast. für den Zeitraum vom 1. Oktober 2012 bis zum 31. Juli 2013 teilstationäre Leistungen der Eingliederungshilfe in der Kita erhalte und er - der Ag.- Kosten für den Aufenthalt in der Kita in Höhe von derzeit monatlich 916,76 EUR anerkenne.
Am 14. Februar 2013 beantragte die Ast. die Gewährung eines behinderungsbedingten Mehrbedarfs. Seit der Einzelintegration im Oktober 2002 sei ein deutlicher Entwicklungsschub, insbesondere im Bereich der Sprachentwicklung, zu verzeichnen. Aufgrund der weiterhin bestehenden deutlichen kombinierten Entwicklungsverzögerung sowie den syndromspezifischen Auffälligkeiten erfordere ihre Betreuung jedoch einen Mehraufwand insbesondere beim An- und Ausziehen, Toilettentraining, Schlafverhalten sowie eine permanente Beaufsichtigung. Nach Einholung einer Stellungnahme der Gutachterin D. Arb. (FH) Sch. vom 27. März 2013 lehnte der Ag. den Antrag auf Anerkennung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs mit Bescheid vom 3. April 2013 ab. Er verwies darauf, dass die erforderliche integrative Betreuung im Rahmen der Einzelförderung in der Regelkindertagesstätte erfolge. Die notwendige Betreuung könne aber auch im Rahmen des Besuchs einer integrativen Kindertagesstätte umgesetzt werden; in der gemeindeeigenen integrativen Kindertagesstätte "T.-K." stünde ein Platz zur Verfügung. Ein darüber hinausgehender Mehrbedarf sei nicht feststellbar.
Hiergegen legte die Ast. am 30. April 2013 Widerspruch ein. Sie legte dar, an ihrem Wohnort in ihrem gewohnten sozialen Umfeld mit den dort gewachsenen Strukturen betreut werden zu wollen, da sie umfangreicher Hilfe bedürfe. Zur weiteren Begründung hat sie einen Selbstauskunftsbogen zur Vorlage beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MdK) mit Angaben zu ihrer Pflegebedürftigkeit im Rahmen eines Pflegetagebuches für den Zeitraum vom 12. bis zum 22. Januar 2013 beigefügt; wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 71 bis 91 der Verwaltungsakte Bezug genommen.
Im Widerspruchsverfahren wurden Zuarbeiten zur Feststellung des Mehrbedarfs der Ast. im Vergleich zu gleichaltrigen Kindern im Tagesablauf vom Leiter der Kita, dem Zeugen. L, vom 23. August und 11. November 2013 eingeholt. Hieraus ergibt sich u.a., dass die Heilpädagogin die Ast. zweimal wöchentlich jeweils fünf Stunden zu unterschiedlichen Zeiten in der Kita betreue; dies sei ungünstig, da die Ast. keine Regelmäßigkeit erfahre. Auf der Grundlage einer mehrstündigen Hospitation gab die Gutachterin D.-Arb. Sch. unter dem 18. Dezember 2013 eine Stellungnahme zum Umfang des Hilfebedarfs ab; wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 32 der W-Akte Bezug genommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2014 wies der Ag. den Widerspruch der Ast. als unbegründet zurück. Nach der mehrstündigen Begutachtung der Ast. während des Aufenthaltes in der Kita werde seitens des rehapädagogischen Fachdienstes mit Stellungnahme vom 18. Dezember 2013 die Auffassung vertreten, dass die Ast. trotz behinderungsbedingter Einschränkungen in der Lage sei, in der Gruppensituation an Gruppenaktivitäten selbstständig teilzunehmen. Die Notwendigkeit einer erhöhten Aufsicht und Anleitung beispielsweise bei Spaziergängen oder hygienischen Verrichtungen werde nicht bestritten; insoweit sei jedoch kein heilpädagogischer Bedarf erkennbar. Aus der Sicht der Gutachterin bestünden für die Ast. in dem Regelkindergarten keine optimalen Betreuungsbedingungen. Dies sei jedoch der Tatsache geschuldet, dass die Eltern der Ast. die Betreuung in einer integrativen Kindertagesstätte ablehnten. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass auch in diesen Einrichtungen behinderte und nichtbehinderte Kinder gemeinsam betreut würden, so dass dem Wunsch nach Inklusion entsprochen werde. In einer intergrativen Einrichtung könnte die Ast. nicht nur tageweise, sondern kontinuierlich durch eine Heilpädagogin betreut werden. Insoweit seien zum einen organisatorische Veränderungen in der Kita - Anwesenheit der Heilpädagogin betreuungstäglich für zwei Stunden anstelle der jetzigen zweimal fünfstündigen wöchentlichen Betreuung - oder der Wechsel in eine integrative Kindertagesstätte angezeigt. Ein Mehrbedarf, der über die bereits gewährten Leistungen hinausgehe, sei nicht feststellbar.
Hiergegen hat die Ast. am 14. Februar 2014 Klage beim Sozialgericht (SG) H. erhoben (S 13 SO 19/14).
Am 21. März 2014 hat sie zudem beim SG Halle den Antrag auf Erlass einer einst- weiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gestellt. Der Stellungnahme des rehapädagogischen Fachdienstes vom 18. Dezember 2013 sei nicht zu folgen. Ihr konkreter Hilfebedarf und der behinderungsbedingte Mehrbedarf seien durch die Begutachtung nicht hinreichend festgestellt worden. Die gewährte behinderungsbedingte Mehrbetreuung mit zehn Wochenstunden heilpädagogischer Frühförderung könne lediglich zu kleinen Fortschritten führen. Eine optimale Förderung könne nur durch eine weitergehende, dauerhafte Begleitung im Tagesablauf erreicht werden. Insoweit bestehe ein Anspruch auf Anerkennung eines behinderungsbedingten Mehrbedarfs. Die Dringlichkeit resultiere daraus, dass durch die Nichterfüllung der Eingliederungshilfe die Gefahr von nachträglich nicht wieder zu behebenden Schäden in ihrer Entwicklung bestehe. Sie werde voraussichtlich zum September 2015 schulpflichtig, so dass die Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren zu spät komme. Soweit der Ag. darauf verwiesen habe, dass im Regelkindergarten keine optimalen Betreuungsbedingungen bestünden, könne dies ihrem Leistungsanspruch nicht entgegenstehen. Denn mit den Neuformulierungen des § 5 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege des Landes Sachsen-Anhalt (Kinderförderungsgesetz - KiFöG) und des § 8 KiFöG werde die Verpflichtung zur Beseitigung eines Betreuungsdefizits eindringlich beschrieben und damit den Zielstellungen der UN-Behindertenrechtskonvention und Art. 23 Abs. 3 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes Rechnung getragen. Danach solle Kindern mit Behinderungen die Möglichkeit der Inklusion in allen Tageseinrichtungen und Tagespflegestellen ermöglicht werden. Schließlich entspräche ein Kindergartenwechsel auch nicht den ärztlichen Empfehlungen. Das SG hat im Rahmen eines Erörterungstermins am 30. April 2014 den Leiter der Kita, R. L., als Zeugen. vernommen; wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Die Ast. hat beim SG beantragt,
"den Antragsgegner vorläufig bis zu einer Entscheidung der Hauptsache zu verpflichten, einen behinderungsbedingten Mehrbedarf von weiteren 29 Stunden wöchentlich im Rahmen der Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der integrativen Betreuung in der Kindertagesstätte "Z.-P." in R. anzuerkennen".
Der Ag. hat beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Er hat zum einen daran festgehalten, dass die Bewilligung eines weiteren behinderungsbedingten Mehrbedarfs nicht notwendig sei. Zum anderen verweist er bei einer von der Ast. für unzureichend erachteten Betreuung auf die ab sofort bestehende Möglichkeit des Wechsels in eine integrative Kindertagesstätte. Dies sei von der Rechtsprechung auch unter der Geltung der UN-Behindertenrechtskonvention als zumutbar erachtet worden (Hinweis auf Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 15. Oktober 2013 - 4 ME 238/13 - )
Das SG hat den Ag. mit Beschluss vom 8. Mai 2014 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig die Kosten eines behinderungsbedingten Mehrbedarfs der Ast. während des Besuchs der Kita für weitere 29 Stunden für die Zeit vom 8. Mai 2014 bis zum 31. Juli 2015, längstens jedoch bis zur Entscheidung in der Hauptsache (S 13 SO 19/14), zu übernehmen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der Antrag sei zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang erfolgreich; im Übrigen (eine Antragsabweisung ergibt sich aus dem Tenor nicht) sei er unbegründet und insoweit abzulehnen. Der behinderungsbedingte Mehrbedarf könne erst ab dem Tag der Beschlussfassung zuerkannt werden. Das Gericht weise klarstellend darauf hin, dass eine vorläufige Übernahme der Kosten für den behinderungsbedingten Mehrbedarf durch den Ag. erst ab dem Tag erfolgen könne, an dem tatsächlich eine Begleitperson in der Kita zur Betreuung der Ast. eingesetzt werde. Für die Zeit ab dem 8. Mai 2014 spreche mehr dafür als dagegen, dass die Zuerkennung eines behindertenbedingten Mehrbedarfs zur Verwirklichung der Ziele der Eingliederungshilfe erforderlich sei. Dies ergebe sich aus den vorliegenden medizinischen Stellungnahmen sowie der Stellungnahme der Kita. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen.
Gegen den ihm am 9. Mai 2014 zugestellten Beschluss hat der Ag. am 13. Mai 2014 Beschwerde beim SG Halle eingelegt, das diese an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weitergeleitet hat. Zur Begründung hat der Ag. angeführt, der Ast. sei eine Förderung in einer integrativen Gruppe in der Kindertagesstätte "T.-K." in R. angeboten worden. Durch den von ihm - dem Ag. - bewilligten Satz in Höhe von 915,00 EUR, welcher momentan auch für die Förderung im Regelkindergarten bewilligt werde, wäre eine Betreuung der Ast. sichergestellt. Die Finanzierung von weiteren 29 Stunden wöchentlich für die Betreuung und Beaufsichtigung der Ast. bedeute unverhältnismäßige Mehrkosten für ihn - den Ag. -. Diese beliefen sich bei der Umsetzung des angefochtenen Beschlusses auf 2.360,55 EUR monatlich. Unverhältnismäßige Mehrkosten seien im Regelfall ausgeschlossen; sie könnten gerechtfertigt sein, wenn der Bedarf von kurzer Dauer sei. Dies sei aber vorliegend nicht der Fall, da die Ast. frühestens im September 2015 bzw. bei möglicher Zurückstellung im September 2016 eingeschult werde. Schließlich ergebe sich aus dem Beschluss des SG nicht, welche Leistungen erbracht werden sollten, d.h. ob der Bedarf sich auf eine Fach- oder auf eine Hilfskraft beziehe. Insoweit sei fraglich, ob dem Beschluss ein vollstreckbarer Titel entnommen werden könne.
Der Ag. beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 8. Mai 2014 aufzuheben.
Die Ast. beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie habe zu keiner Zeit die durchgängige Betreuung durch eine Heilpädagogin beantragt. Sie halte daran fest, dass sie der Betreuung und Begleitung bedürfe, wobei diese auch von einer Hilfskraft im Rahmen einer persönlichen Assistenz verwirklicht werden könne.
Im Beschwerdeverfahren ist der Zeuge L. gebeten worden, klarzustellen, in welchem konkreten zeitlichen Umfang er die tägliche Betreuung der Ast. durch eine heilpädagogische Fachkraft für notwendig und in welchem Umfang er die Unterstützung durch eine Hilfskraft für ausreichend erachte und ob es bereits konkrete Pläne und/oder Absprachen gebe, welche Fach-/Hilfskraft für die Betreuung der Ast. eingesetzt werden könnte. Hierzu hat der Zeuge L. unter dem 9. Juli 2014 darauf hingewiesen, dass es sich bei der Kita nicht um eine integrative Einrichtung handele. Insofern stehe die Beurteilung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs "eher einer Fachbehörde zu". Derzeit sichere die Gemeinde den Einsatz einer Heilpädagogin im Umfang von zehn Stunden pro Woche ab. Empfehlenswert wäre möglicherweise eine Aufstockung um weitere Stunden pro Woche für eine gezielte Förderung. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Kita um einen Regelkindergarten mit vorgehaltenem gesetzlichem Mindestpersonalschlüssel handele, wäre für den besonderen Betreuungsbedarf eine zusätzliche Betreuung in der übrigen Zeit durch eine Fachkraft, etwa eine/n stattlich anerkannte/n Erzieherin/Erzieher wünschenswert, wenn nicht gar angemessen. Die Beurteilung stehe aber sicher nicht der Gemeinde bzw. der Einrichtungsleitung zu.
Während des Beschwerdeverfahrens hat der Ag. eine Kostenübernahmeerklärung gegenüber der Ast. für Leistungen der Eingliederungshilfe für die Ast. im Zeitraum vom 1. Oktober 2013 bis zum 31. Juli 2015 in der Kita abgegeben. Ferner hat er gegenüber dem Träger der Kita im Hinblick darauf, dass für Einzelintegrationsplätze die im Beschluss Nr. 3/2013 der Kommission "K 75" vom 12. September 2013 festgelegten Pauschalen ab dem 1. Oktober 2013 entsprechend zu berücksichtigen seien, im Rahmen einer Kostenübernahmeerklärung gemäß § 75 Abs. 4 SGB XII ab dem 1. Oktober 2013 für die Ast. 943,22 EUR im Monat bewilligt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und auf die Verwaltungsakten des Ag, die sämtlich Gegenstand der Entscheidung des Senats gewesen sind, Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das SG den Ag. im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig die Kosten eines behinderungsbedingten Mehrbedarfs für die Ast. während des Besuchs der Kita für weitere 29 Stunden für die Zeit vom 8. Mai 2014 bis zum 31. Juli 2015 zu übernehmen.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Der geltend gemachte Hilfeanspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund), die Eilbedürftigkeit, sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes im summarischen Verfahren (Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Beschluss vom 29. Juli 2003 - 2 BvR 311/03 - NVwZ 2004, 95, 96). Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 ff.).
Der Ast. steht kein materiellrechtlicher Anspruch auf Übernahme der Kosten des geltend gemachten Mehrbedarfs zu. Der diesen Anspruch ablehnende Bescheid des Ag. vom 3. April 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2014 ist rechtmäßig. Denn eine Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist nicht ersichtlich.
Rechtsgrundlage für die der Ast. mit den Bescheiden vom 11. September 2012 und 8. August 2014 bewilligte Eingliederungshilfe in Form der Einzelintegration in der Kita vom 1. Oktober 2012 bis zum 31. Juli 2015 in Höhe von 916,76 EUR monatlich für den Zeitraum vom 1. Oktober 2012 bis zum 30. September 2013 und in Höhe von 943,22 EUR monatlich für die Zeit vom 1. Oktober 2013 bis zum 31. Juli 2015 ist § 75 Abs. 4 Satz 3 SGB XII. Danach dürfen Vergütungen nur bis zu der Höhe übernommen werden, wie sie der Träger der Sozialhilfe am Ort der Unterbringung oder in seiner nächsten Umgebung für vergleichbare Leistungen nach den nach Abs. 3 abgeschlossenen Vereinbarungen mit anderen Einrichtungen trägt. Hier hat der Ag. die Beschlüsse der Kommission "K 75" zu Leistungen der Eingliederungshilfe für Kinder gemäß § 8 KiFöG LSA in integrativen Tageseinrichtungen und im Rahmen der Einzelintegration auf die Ast. angewendet. Diese wird in der Kita seit dem 1. September 2009 betreut. Die Kita ist keine integrative Einrichtung im Bedarfs- und Entwicklungsplan für Kindertageseinrichtungen des Landkreises M.-S. Insoweit ist zwischen der Kita und dem Ag. keine Vereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII abgeschlossen worden. Gemäß § 75 Abs. 4 Satz 1 SGB XII darf der Träger der Sozialhilfe Leistungen durch eine Einrichtung, mit der keine der in Absatz 3 genannten Vereinbarungen abgeschlossen ist, nur erbringen, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalls geboten ist. Hier ist der Ag. aufgrund der Umstände, dass einerseits sowohl aus der Sicht des SBZ-Halle als auch nach amtsärztlicher Empfehlung die Aufnahme der Ast. in eine integrative Kindergarteneinrichtung geboten war, andererseits die Eltern der Ast. dies aber abgelehnt hatten, von einem solchen besonderen Einzelfall ausgegangen. Im Hinblick auf die damalige Einschätzung, wöchentlich zehn Stunden Heilpädagogik seien im Rahmen der Einzelintegration ausreichend, und die Genehmigung des Jugendamtes zur Aufnahme der Ast. in die Kita - auf der Grundlage der Auflage der Vorhaltung dieser heilpädagogischen wöchentlich zehnstündigen Betreuung - hat der Ag. Eingliederungshilfe in der Form der Einzelintegration bewilligt. Diese Bewilligung ist erfolgt, obwohl es an der in § 75 Abs. 4 Satz 2 SGB XII genannten weiteren Voraussetzung fehlt. Danach hat der Träger der Einrichtung ein Leistungsangebot vorzulegen, das die Voraussetzungen des § 76 SGB XII erfüllt, und sich schriftlich zu verpflichten, Leistungen entsprechend diesem Angebot zu erbringen. Ein solches konkretes Leistungsangebot der Kita liegt bislang nicht vor. In Bezug auf ein den Anforderungen des § 76 SGB XII genügendes Angebot ist es bislang zudem nicht gelungen, festzustellen, wie das konkrete Leistungsangebot der Kita aussieht bzw. aussehen könnte. Der Stellungnahme des Zeugen. L. im Beschwerdeverfahren vom 9. Juli 2014 ist vielmehr zu entnehmen, dass er sich zur Beurteilung des "behinderungsbedingten Mehrbedarfs" nicht in der Lage sieht und der Auffassung ist, dass die Beurteilung, von wem und in welcher Form die Ast. betreut werden sollte, weder ihm noch der Gemeinde, sondern einer Fachbehörde zusteht. Insoweit ist zurzeit auch nicht erkennbar, welche konkrete Vereinbarung zwischen der Kita und dem Ag. abgeschlossen werden könnte, um der erforderlichen Betreuung der Ast. Rechnung zu tragen.
Da weder eine Vergütungsvereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII noch eine Individualvereinbarung auf der Grundlage eines Angebots nach § 75 Abs. 4 Satz 2 SGB XII vorliegen, besteht jedenfalls kein Anspruch auf Leistungen, die über die von dem Ag. bewilligte Eingliederungshilfe hinausgehen.
Soweit das Begehren der Ast. darauf gerichtet sein sollte, ihr ohne Beteiligung der Kita eine individuelle Assistenz zur Verfügung zu stellen, ist hierfür keine Rechtsgrundlage ersichtlich. Dieser Bedarf wäre allein dem Umstand geschuldet, dass die Kita keine geeignete Einrichtung im Sinne des § 75 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13 SGB XII ist.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 177 SGG.
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