L 5 KR 191/15 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 1 KR 95/15 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 191/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Arbeitsunfähigkeit nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V kann durch jeden Arzt festgestellt werden. Weder muss es sich um einen Vertragsarzt handeln, noch um den behandelnden Arzt des Versicherten. Auch die Ärzte des MDK können somit die Arbeitsunfähigkeit feststellen. Dies ergibt sich aus § 62 Abs. 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte wonach ein Gutachten des MDK zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit verbindlich ist.
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 8. April 2015 abgeändert und die Antragsgegnerin vorläufig verpflichtet, dem Antragsteller wegen der erstmalig zum 11. Juli 2014 festgestellten Arbeitsunfähigkeit infolge einer diffus parenchymatösen Lungenerkrankung Krankengeld ab 25. März 2015 längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Hauptsache maximal bis zur Erschöpfung des 78 Wochen dauernden Anspruches zu bewilligen, solange Arbeitsunfähigkeit bescheinigt ist.

II. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen.

III. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin B. bewilligt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Zahlung von Krankengeld im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Der 1970 geborene Antragsteller, der zuletzt Arbeitslosengeld bezog, ist seit 11.07.2014 arbeitsunfähig krank. Bis 21.08.2014 bestand Anspruch auf Leistungsfortzahlung durch die Agentur für Arbeit, ab 22.08.2014 bis einschließlich 15.02.2015 gewährte die Antragsgegnerin aufgrund lückenlos vorgelegter AU-Bescheinigungen Krankengeld. Eine Weiterzahlung lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 17.02.2015 ab, da der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit nicht lückenlos erfolgt sei. Der hiergegen unter Bezugnahme auf ein Urteil des LSG Baden Württemberg vom 31.08.2012 (L 4 KR 284/12) erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 05.03.2015 zurückgewiesen. In der Begründung der Entscheidung wird im Wesentlichen ausgeführt: Durch den Krankengeldauszahlschein der Praxis Dr. H. vom 07.01.2015 sei Arbeitsunfähigkeit bis Sonntag dem 15.02.2015 bescheinigt worden. Um die Mitgliedschaft aufrecht zu erhalten, wäre es notwendig gewesen, die weitere Folgebescheinigung spätestens am 15.02.2015 ausstellen zu lassen, damit durchgehend ein Krankengeldanspruch besteht. Die am Montag dem 16.02.2015 ausgestellte AU-Bescheinigung könne einen Krankengeldanspruch erst ab 17.02.2015 auslösen; zu diesem Zeitpunkt habe jedoch keine Mitgliedschaft mit Krankengeldanspruch nach § 192 Abs.1 Nr. 2 SGB V mehr bestanden. Gegen diese Entscheidung wurde am 24.03.2015 Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben (S 1 KR 92/15). Mit weiterem Schriftsatz vom 25.03.2015 (Eingang beim Sozialgericht: 25.03.2015) hat der Antragsteller einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Landshut gestellt mit dem Antrag, die Antragsgegnerin einstweilen zu verpflichten, dem Antragsteller Krankengeld infolge der seit dem 11.07.2014 bestehenden Arbeitsunfähigkeit über den 15.02.2015 hinaus ab Rechtshängigkeit dieses Antrag bis zur Beendigung der Arbeitsunfähigkeit, längstens bis zur Erschöpfung der Anspruchsdauer, zu bewilligen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen: Die Ablehnung von Krankengeld durch die Beklagte sei rechtswidrig gewesen. Die besondere Eilbedürftigkeit würde sich aus der Tatsache ergeben, dass der Antragsteller ansonsten schwerwiegende und unzumutbare Vermögensdispositionen treffen müsse, die nach Abschluss der Hauptsache nicht mehr rückgängig zu machen wären. Er könnte seinen Lebensunterhalt nicht anderweitig decken. Ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache könne ihm auch nicht unter Hinweis auf Leistungen nach dem SGB II zugemutet werden. Ergänzend trug der Antragsteller vor: Aufgrund eines ärztlichen Gutachtens sei durch die Krankenkasse die erhebliche Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit des Antragstellers festgestellt worden. Daraufhin sei der Antragsteller von der Krankenkasse aufgefordert worden, einen Reha-Antrag zu stellen. Dieser Antrag sei vom Rentenversicherungsträger mit Schreiben vom 13.03.2015 abgelehnt worden, da durch die beantragte Rehamaßnahme die geminderte Erwerbsfähigkeit nicht wesentlich gebessert werden könne. Der Reha-Antrag sei daher in einen Rentenantrag umgedeutet worden. Solange über das Rentenverfahren noch nicht abschließend entschieden ist, sei die Krankenkasse zur Leistung von Krankengeld verpflichtet. Ein Obsiegen in der Hauptsache sei wahrscheinlich, da bei der Gesamtschau alles dafür spreche, dass der Krankenkasse die wohl dauerhafte Arbeitsunfähigkeit unabhängig von den eingereichten Zahlscheinen, auch aufgrund des ärztlichen Gutachtens, bekannt gewesen sein müsste. Mit Beschluss vom 08.04.2015 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruches aus der Beschäftigtenversicherung sei nach der Rechtsprechung des BSG erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Krankengeldbewilligungsabschnittes erneut ärztlich festgestellt werde (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. zuletzt Urteile vom 16. Dezember 2014, Az: B 1 KR 31/14 R, B 1 KR 35/14 R, B 1 KR 37/14 R). Hieran würde es im vorliegenden Fall fehlen. Die auf der Krankenversicherung der Arbeitslosen beruhende Mitgliedschaft des Antragstellers bei der Beklagten habe mit Ablauf des 15.02.2015 geendet. Als der Antragsteller am 16.02.2015 erneut seinen Hausarzt aufgesucht habe, um die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen, sei er nicht mehr nach § 192 Abs.1 Nr. 2 SGB V mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen. Hinweise darauf, dass der Antragsteller möglicherweise durch Handlungs- oder Geschäftsunfähigkeit gehindert gewesen wäre, seine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig vor Ablauf des 15.02.2015 feststellen zu lassen, würden nicht vorliegen. Allein der Umstand, dass die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit an einem Sonntag geendet habe, rechtfertige keine andere Beurteilung. Auch in diesem Fall wäre der Versicherte verpflichtet gewesen, rechtzeitig ein Fortbestehen seiner Arbeitsunfähigkeit ärztlich feststellen zu lassen (Bundessozialgericht, Urteil vom 04.03.2014, B 1 KR 17/13 R). Nichts anderes würde sich aus dem Umstand ergeben, dass die Praxis Dr. H. vom 11. bis 15.02.2015 geschlossen gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hätte der Kläger einen anderen Arzt zur Feststellung seiner Arbeitsunfähigkeit aufsuchen oder aber den hausärztlichen Notfalldienst in Anspruch nehmen müssen (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 04.03.2014 a.a.O., Rd.Nr. 20, Jurisausdruck). Schließlich würden auch die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht vorliegen. Hiergegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt. Der Antragsteller hat nochmals darauf hingewiesen, dass sich aus dem zum Reha-Verfahren nach § 51 SGB V vom MDK erstellten Gutachten ergeben würde, dass der Antragsteller bis auf weiteres Arbeitsunfähig wäre.

Der Antragsteller beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 08.04.2015 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig über den 15.2.2015 hinaus Krankengeld in gesetzlicher Höhe zuzahlen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin verweist im Wesentlichen auf die Gründe des Beschlusses des Sozialgerichts Landshut vom 08.04.2015. Der Senat hat das auf Grund persönlicher Untersuchung des Antragstellers erstellte MDK-Gutachten vom 12.01.2015 beigezogen. Der Gutachter Dr. H. stellte in dem Gutachten u.a. fest: "Ein Ende der Arbeitsunfähigkeit ist nicht zu erkennen ...Die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben ist erheblich gefährdet ...Es ist mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ...Durch die gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die damit verbundenen Funktionseinschränkungen ist in absehbarer Zeit mit einer weiteren Minderung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben zu rechnen." Ergänzend wird verwiesen auf die Akten beider Rechtszüge sowie auf die Akte der Antragsgegnerin.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 08.04.2015 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 SGG zulässig und überwiegend begründet und führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung des sozialgerichtlichen Beschlusses. Durch die Feststellung Arbeitsunfähigkeit des Antragstellers - ohne zeitliche Begrenzung - durch den Arzt des MDK Dr. H. am 12.1.2015 ist der Antragsteller auch über den 15.2.2015 hinaus mit Anspruch auf Krankengeld bei der Antragsgegnerin nach § 192 Abs.1 Nr. 2 SGB V versichert. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, das sich eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung - § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Eine solche Regelungsanordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung, ZPO). 1.) Nach der in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) grundsätzlich gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage steht dem Antragsteller ab 25.3.2015 (Eingang des Antrags beim Sozialgericht) ein Anspruch auf Krankengeld nach den gesetzlichen Vorschriften und damit auch ein Anordnungsanspruch zu, längstens jedoch bis zu rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache maximal bis zur Erschöpfung des 78 Wochen dauernden Anspruchs auf Krankengeld. a) Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn eine Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Nach den insoweit übereinstimmenden Feststellungen des behandelnden Arztes Dr. H. (vgl. u.a. Auszahlschein vom 16.2.2015 Diagnose "DPLD") und des sozialmedizinischen Gutachtens des MDK vom 12.01.2015 (Dr. H.) leidet der Antragsteller an einer diffus parenchymatösen Lungenerkrankung (engl. diffuse parenchymal lung disease - DPLD). Die Arbeitsunfähigkeit ist damit ausreichend glaubhaft gemacht. Der behandelnde Arzt des Antragstellers Dr. H. hat diesem zunächst bis Sonntag dem 15.2.2015 lückenlos auf den Auszahlscheinen gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V Arbeitsunfähigkeit bescheinigt (vgl. Auszahlschein vom 7.1.2015). Der nächste sich in den Akten befindliche Auszahlschein des Dr. H. datiert vom Montag dem 16.2.2015 und wäre - worauf das Sozialgericht zu Recht hingewiesen hat - nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. nur Urteilsserie des BSG vom 16.12.2014 - B 1 KR 31/14 R; B 1 KR 32/13 R; B 1 KR 19/14 R u.a.) zu spät ausgestellt, um die Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin mit Anspruch auf Krankengeld gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V aufrechtzuerhalten. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 29.12.2014 - BT-Drs. 641/14 (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG -) mit dem eine Änderung des § 46 SGB V dahingehend geplant ist, dass nach Satz 1 folgender Satz eingefügt wird "Der Anspruch auf Krankengeld bleibt bestehen, wenn nach dem Ende der ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit deren Fortdauer wegen derselben Krankheit am nächsten Arbeitstag, der ein Werktag ist, ärztlich festgestellt wird." ist noch nicht in Kraft getreten. Nach dem aktuellem Stand des Gesetzgebungsverfahrens (vgl. BT-Drs. 18/4095 v. 25.2.2015) soll dem GKV-VSG in diesem Punkt auch keine Rückwirkung zukommen, so dass die geplante Gesetzesänderung auf den streitgegenständlichen Fall keine Auswirkung hat und auch nicht haben wird. b) Die "Lücke" in der AU-Feststellung vom 16.2.2015 wird jedoch durch die erstmals im Beschwerdeverfahren vorgelegte und sich laut Eingangsstempel seit 13.01.2015 in den Verwaltungsakten der Antragsgegnerin befindliche Arbeitsunfähigkeitsfeststellung des MDK (Dr. H.) vom 12.01.2015 "geheilt". In dem sozialmedizinischen Gutachten des MDK vom 12.1.2015 wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass beim Antragsteller "ein Ende der Arbeitsunfähigkeit nicht zu erkennen ist ...Die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben erheblich gefährdet ist ...Mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist ...Durch die gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die damit verbundenen Funktionseinschränkungen in absehbarer Zeit mit einer weiteren Minderung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben zu rechnen ist." Der MDK legte seiner Arbeitsunfähigkeitsfeststellung auch den richtigen Bezugspunkt für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit - "auf alle Tätigkeiten verweisbar" zu Grunde. aa) In der Rechtsprechung und Literatur ist geklärt, dass die Arbeitsunfähigkeit durch jeden Arzt festgestellt werden kann. Weder muss es sich um einen Vertragsarzt handeln, noch um den behandelnden Arzt des Versicherten. Eine Begrenzung auf Vertragsärzte kennt das Gesetz nicht (vgl. im Einzelnen Berchtold, Krankengeld, 2004, Rn. 481 ff.; vgl. hierzu auch KassKomm/Brandts SGB V § 46 Rn. 10). Auch im Urteil vom 16.1.2014 - B 1 KR 25/14 R - hat der 1. Senat des BSG nochmals darauf hingewiesen, dass § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit eine persönliche Untersuchung des Versicherten - wie hier - durch einen Arzt voraussetzt. Hierzu zählen dann aber auch die Ärzte des MDK. Dies ergibt sich zunächst aus dem Regelungssystem von § 275 Abs. 1 Nr. 3b SGB V und § 62 Abs. 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte. Nach § 275 Abs. 1 Nr. 3b SGB V sind die Krankenkassen bei Arbeitsunfähigkeit unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst) einzuholen. § 62 Abs. 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) v. 1. Januar 2015 (vgl. http://www.kbv.de/media/sp/BMV Aerzte.pdf) bestimmt, dass ein Gutachten des MDK zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit verbindlich ist. Diese verbindliche Feststellung greift jedoch nicht nur zu Lasten der Versicherten sondern auch zu ihren Gunsten. Diese verbindliche Feststellung muss aber auch dann gelten, wenn die Arbeitsunfähigkeit - wie vorliegend - in einem Gutachten des MDK im Rahmen einer Antragstellung nach § 51 SGB V erfolgt. Der gutachterlichen Stellungnahme des MDK im Rahmen des § 51 SGB V bzgl. der "Erwerbsfähigkeit" hat jedenfalls einen höheren Stellenwert als eine einfaches Attest oder eine ärztliche Bescheinigung (Brinkhoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 51 SGB V Rn. 15). bb) Nach der Rechtsprechung des BSG muss die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit auch nicht auf dem durch § 5 Abs.1 oder § 6 Abs. 1 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien vorgesehenen Vordruck erfolgen, um die Voraussetzungen des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V zu erfüllen (BSG v.10.05.2012 - B 1 KR 20/11 R). Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit muss idR die Schlussfolgerung aus einer persönlichen ärztlichen Untersuchung sein. Hierzu genügt es, dass der Arzt in einem formlosen Verfahren die Erkrankung feststellt und dass der Versicherte aufgrund dessen weder seine letzte noch eine ähnlich bzw. gleich geartete Arbeit verrichten kann (BeckOK SozR/Tischler SGB V § 46 Rn. 13 ff). Auch diesen Anforderungen genügt das Gutachten des MDK vom 12.01.2015. Es fand eine persönliche ärztliche Untersuchung des Klägers am 22.12.2014 statt und es wurde im Gutachten vom 12.01.2015 ausdrücklich Arbeitsunfähigkeit bezüglich "allen Tätigkeiten" bis auf weiteres ("Ein Ende der Arbeitsunfähigkeit ist nicht zu erkennen") festgestellt. Es wurde ferner darauf hingewiesen, dass mit einer weiteren Minderung der Leistungsfähigkeit zu rechnen ist. cc) Stellt der MDK eine längere - zeitlich nicht begrenzte - Arbeitsunfähigkeit ärztlich fest, dann kommt es bzgl. dieses Zeitraums auf eine Lücke in den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen durch den behandelnden Arzt nicht mehr an. Dieses Ergebnis entspricht auch der Sinn und Zweck der Ausschlussregelung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V - ebenso dem des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V - wonach die Krankenkasse lediglich davon freigestellt werden soll, die Voraussetzungen eines verspätet geltend gemachten Krankengeld-Anspruchs im Nachhinein aufklären zu müssen. Diese Normen sollen der Krankenkasse die Möglichkeit erhalten, die Arbeitsunfähigkeit zeitnah durch den MDK überprüfen zu lassen, um Leistungsmissbräuchen entgegenzutreten und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können. Wenn aber der MDK selbst Arbeitsunfähigkeit feststellt und dies der Krankenkasse mitteilt, können die Ausschluss- bzw. Ruhensregelungen nicht mehr greifen. Von einem Missbrauch und praktischen Schwierigkeiten kann in dieser Fallgestaltung nicht mehr die Rede sein. dd) Bei einer Krankschreibung "auf nicht absehbare Zeit" oder "bis auf Weiteres" müssen für eine ärztliche Feststellung iSd. § 46 Satz 1 Nr. 1 SGB V keine neuen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mehr vorgelegt werden unabhängig davon, ob die Krankenkasse dieser Beurteilung folgt oder nicht (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2014 - L 11 KR 4174/12 -, juris). Dies gilt in gleicher Weise, wenn der MDK in einer gutachterlichen Stellungnahme feststellt "dass ein Ende der Arbeitsunfähigkeit nicht zu erkennen ist". ee) Vorliegend hat sich die AU-Feststellung durch den MDK (Persönliche Untersuchung am 22.12.2014) nicht durch den Auszahlschein vom 07.01.2015 überholt. Zum einen ist für das Entstehen des Krankengeldanspruchs nach § 46 Satz 1 Nr. 1 SGB V die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit entscheidend - dies ist vorliegend der 12.01.2015. Zum anderen hat sich nicht auf Grund einer persönlichen Untersuchung des Antragstellers durch einen Arzt kein neuer Sachverhalt ergeben. 2.) Der Antragsteller hat jedoch nicht nur einen Anordnungsanspruch gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG, sondern zumindest für den Zeitraum ab 25.3.2015 auch einen Anordnungsrund für eine Krankengeldgewährung glaubhaft gemacht. a) Dem Antragsteller kann bei der Prüfung des Anordnungsgrundes nicht entgegengehalten werden, dass die begehrte einstweilige Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nicht notwendig sei, weil es ihm grundsätzlich zuzumuten sei, Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II bzw. SGB XII) zu beantragen. Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 22.1.2013 - L 5 KR 492/12 B ER = NZS 2013, 422 entschieden, dass diese Rechtsauffassung nicht mit Art. 19 Abs. 4 GG zu vereinbaren ist. Ein Anordnungsgrund kann daher nicht mit der Begründung verneint werden, die Antragstellerin könne Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende oder Sozialhilfe in Anspruch nehmen. b) Soweit der Antragsteller mit seinem Beschwerdeantrag jedoch einen Krankengeldanspruch auch für die Zeit vom 16.2.2015 bis 24.3.2015 geltend macht, fehlt ihm allerdings der Anordnungsgrund. Insoweit ist die Beschwerde zurückzuweisen. Dem Wesen der einstweiligen Anordnung gemäß § 86 b Abs. 2 SGG entsprechend werden im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nur vorläufige Regelungen getroffen, um die Zeit bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens zu überbrücken. Die vorläufige Regelung durch das Gericht soll nur sicherstellen, dass ein Antragsteller während der Dauer eines Widerspruchs- oder Klageverfahrens - was häufig viele Monate in Anspruch nehmen kann - nicht ohne finanzielle Mittel für seinen Lebensunterhalt bleibt, obwohl ihm vielleicht in der Sache bei vorläufiger Prüfung ein Anspruch zur Seite steht. Dieser Gedanke kann aber grundsätzlich nicht eingreifen, wenn es sich um Leistungszeiträume vor Stellung des Eilantrages beim SG handelt. Denn hinsichtlich dieser Zeiträume besteht kein dringend zu regelndes Bedürfnis mehr, weil sich insoweit die Antragsteller selbst haben helfen können. Die rückwirkende Feststellung einer besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - NJW 2003, S. 1236 und vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - Breithaupt 2005, S. 803). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der Anhängigkeit des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz bei Gericht vorgelegen hat. Denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar (Vgl. dazu bereits BayLSG, Beschluss v. 22.01.2013 - L 5 KR 492/12 B ER; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 86b Rn. 29a und 35a) Nur ausnahmsweise kann das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Artikel 19 Absatz 4 GG in besonderen Fällen auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume verlangen, so insbesondere dann, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich durch eine - stattgebende - Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen lassen. An diesen Grundsätzen gemessen, ist hier für den Zeitraum 16.2.2015 bis 24.3.2015 bereits keine besondere, fortbestehende Notlage erkennbar, die den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung rechtfertigen würde. Eine solche wurde zum einen nicht glaubhaft gemacht, zum anderen ist eine solche auch von anderweitig nicht ersichtlich. 3.) Hinzuweisen ist auf die Vorläufigkeit der Bewilligung von Krankengeld im vorliegenden Verfahren. Falls nach der gebotenen Sachaufklärung in der Hauptsache die Voraussetzungen des Krankengeldes verneint werden, sind die Leistungen der Antragsgegnerin zurückzuerstatten. Eines Erstattungsbescheides bedarf es wegen der Prozessnatur des Rückerstattungsanspruches nicht (Krodel in: Beck scher Online-Kommentar Sozialrecht, Stand: 01.12.2013, 37. Edition, § 86b Rn. 187 ff). Zudem bestünde ein Schadensersatzanspruch gem. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG, § 945 ZPO, der zB auch die Beiträge umfassen kann, die die Antragsgegnerin wegen der Versicherungspflicht von Krankengeldbeziehern in der Arbeitslosen- und Rentenversicherung abzuführen hat. 4.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens selbst. 5.) Dem Beschwerdeführer ist gemäß § 73 a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) Prozesskostenhilfe zu gewähren. Er ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen und es bestand eine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Wegen der Schwierigkeiten der Rechtsfragen und der Bedeutung der Angelegenheit war ihm antragsgemäß Rechtsanwältin B. beizuordnen.

Dieser Beschluss beendet das Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz und kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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