Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 2167/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 1693/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 11. März 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des bei der Klägerin festzustellenden Grades der Behinderung (GdB) streitig, insb. ob bei der Klägerin die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch festzustellen ist.
Die am 06.01.1960 geborene Klägerin beantragte erstmals am 17.10.2011 beim Landratsamt A. - Versorgungsamt - (LRA) ihren GdB ab dem 01.01.2009 festzustellen. Sie führte an, an Depressionen/Angstzuständen, Fibromyalgie/Schmerzen, Schlafproblemen/Müdigkeit, Erschöpfungszuständen, Infektanfälligkeit/Leistungsabfall und Hypertonie zu leiden.
Das LRA forderte bei Dr. B. einen Befundbericht und bei den C.-Kliniken, Bad D., den Entlassungsbericht der vom 13.01. - 03.03.2011 durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme an und führte die vorgelegten Unterlagen einer versorgungsärztlichen Überprüfung zu. Dr. E. bewertete unter dem 29.11.2011 "Seelische Störung, chronisches Schmerzsyndrom, funktionelle Organbeschwerden" mit einen GdB von 30. Die Hypertonie begründe, so Dr. E., keinen Einzel-GdB von wenigstens 10. Mit Bescheid vom 06.12.2011 stellte das LRA den GdB der Klägerin ab dem 01.01.2011 mit 30 fest. Eine rückwirkende Feststellung könne nicht erfolgen, da nicht bekannt sei, in welchem Umfang die Symptomatik zuvor bestanden habe.
Zur Begründung ihres hiergegen eingelegten Widerspruchs brachte die Klägerin vor, sie leide an chronischen Schmerzen mit täglich auftretenden Beschwerden, insb. im Magen-Darm-Bereich, Kopfschmerzen und Migräne, sie sei infektanfällig und in ihrer Leistungsfähigkeit stärker beeinträchtigt. Nachdem Dr. F. die auf Anforderung des LRA von Dr. G. vorgelegte Befundbeschreibung versorgungsärztlich überprüft hatte und hierbei die Einschätzung vertrat, körperliche Funktionsbeeinträchtigungen seien nicht vorhanden, wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03.08.2012 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 23.08.2012 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Sie habe, so die Klägerin begründend, eine lange Leidensgeschichte hinter sich. Aufgrund der Schmerzen im ganzen Körper, vornehmlich im Schulter-Nacken-Bereich und in den Gelenken, habe sich ihre allgemeine Befindlichkeit verschlechtert. Es sei zu einer depressiven Entwicklung mit Angststörungen gekommen, weswegen sie für ihre berufliche Tätigkeit als Krankenschwester seit dem 01.12.2011 arbeitsunfähig sei. Sie habe im November 2012 einen Kreuzbandriss erlitten, der operativ versorgt worden sei, jedoch weiterhin zu Bewegungseinschränkungen führe. Hierzu hat sie den Entlassungsbericht des Rehazentrums bei der Therme, Bad-Waldsee, vom 26.03.2013 über eine vom 20.02. - 19.03.2013 andauernde Rehabilitationsmaßnahme vorgelegt.
Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat hierzu eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Reiniger vom 16.04.2013 vorgelegt.
Das SG hat den Bericht über eine stationäre Behandlung der Klägerin in der H. Klinik, I., vom 20.09. - 15.10.2012, anlässlich derer bei der Klägerin u.a. eine mittelgradige depressive Episode und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert worden ist, beigezogen und die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Dr. B., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, hat unter dem 03.12.2012 ausgeführt, bei der Klägerin bestehe eine chronisch somatoforme Schmerzstörung, durch die sie nachhaltig in ihrer Leistungsfunktionsbreite eingeschränkt sei. Ein GdB von 50 allein auf dem nervenärztlichen Fachgebiet sei gerechtfertigt. Dr. K., hausärztlicher Internist, hat unter dem 22.01.2013 ausgeführt, die bestehende Hypertonie sei gut eingestellt. Die Beschwerden durch die depressive Erkrankung und die Schmerzstörung hätten in den letzten Jahren zugenommen. Dr. L., Facharzt für physikalische und rehabilative Medizin hat unter dem 07.10.2013 mitgeteilt, anlässlich einer Untersuchung der Klägerin am 03.06.2013 habe sich ein Streckdefizit des rechten Kniegelenks um 10° gezeigt.
Das SG hat sodann Dr. M., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem nervenärztlich-sozialmedizinischen Gutachten vom 04.12.2013 hat Dr. M. bei der Klägerin eine mittelgradige depressive Episode und eine undifferenzierte Somatisierungsstörung diagnostiziert. Die Erkrankung sei mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten, für die Bluthockdruck-Erkrankung sei ein solcher von 10 angemessen. Die Verletzung des rechten Kniegelenks sei weitgehend folgenlos verheilt, weswegen ein Einzel-GdB hierfür nicht gerechtfertigt sei.
Die Klägerin ist der Einschätzung von Dr. M. unter Hinweis auf die Einschätzung von Dr. B. entgegen getreten.
Mit Gerichtsbescheid vom 11.03.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die bei der Klägerin bestehenden funktionellen Einschränkungen könnten nicht mit einem höheren GdB als 30 bewertet werden. Die bei der Klägerin bestehende depressive Erkrankung sei, der gutachterlichen Einschätzung von Dr. M. folgend, als stärker behindernde Störung mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten. Eine schwere Störung sei nicht ersichtlich, insb. habe auch Dr. B. eine derartig schwere Auswirkung nicht beschrieben. Dessen Einschätzung eines Einzel-GdB von 50 lasse eine Orientierung an den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen nicht erkennen. Im Hinblick auf die Verletzung des Kniegelenkes sei eine dauerhafte Funktionsbehinderung mit einer GdB-erhöhenden Wirkung nicht zu erkennen. Der behandelnde Facharzt Dr. L. habe den GdB auf sicherlich unter 20 bezeichnet. Dem Entlassungsbericht des Reha-Zentrums bei der Therme lasse sich insofern entnehmen, dass ein verbessertes, flüssiges und sicheres Gangbild bestanden habe.
Gegen den ihr am 14.03.2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 14.04.2014 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das SG habe sich bei seiner Entscheidung auf das Gutachten von Dr. M. gestützt, obschon sich die dortigen Bewertungen der Beeinträchtigungen nicht mit den tatsächlich bestehenden Einschränkungen deckten. Der Gutachter habe insb. nicht berücksichtigt, dass ein hoher subjektiver Leidendruck bestehe und stattdessen einseitig eine bloße Lebensunzufriedenheit beschrieben. Auch habe es das SG unterlassen, den Ehegatten der Klägerin als Zeugen zum Ausmaß der Depression einzuvernehmen. Sie sei zwischenzeitlich von ihrer Krankenkasse ausgesteuert worden, weswegen sie gezwungen gewesen sei, ihre Tätigkeit als Krankenschwester beim Blutspendedienst in einem zeitlichen Umfang von 16 Stunden pro Woche wieder aufzunehmen. Es träten jedoch weiterhin Arbeitsunfähigkeitszeiten auf.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 11. März 2014 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 06. Dezember 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. August 2012 zu verurteilen, die bei ihr bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 50 seit dem 01. Januar 2011 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung seines Antrages bringt der Beklagte vor, die Einschätzung des gerichtlichen Gutachters sei aus seiner Sicht zutreffend. Die Bewertung des GdB erfolge unabhängig vom ausgeübten Beruf.
Mit Schriftsatz vom 25.03.2015 hat die Klägerin, mit solchem vom 13.01.2015 der Beklagte das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die beim Beklagten für die Klägerin geführte Schwerbehindertenakte, welche Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung, über die der Senat nach dem erteilten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, führt jedoch für die Klägerin inhaltlich nicht zum Erfolg.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, der angefochtene Bescheid vom 06.12.2011 (Widerspruchsbescheid vom 03.08.2012) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind mit einem GdB von 30 angemessen und ausreichend bewertet.
Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Feststellung des GdB der Klägerin ist § 69 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX). Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX). Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der Fassung des am 15.01.2015 in Kraft getretenen Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 07.01.2015 (BGBl. II S. 15) ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht, indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der ab dem 15.01.2015 geltenden Fassung, dass soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 erlassen ist, die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab dem 01.01.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG; die jeweilige Seitenangabe bezieht sich auf das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebene Printexemplar) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV]) heranzuziehen, die auf Grundlage von § 30 Abs. 16 BVG erlassen wurde.
In Anlegung der dortigen Maßstäbe können die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht mit einem höheren GdB als 30 bewertet werden.
Die bei der Klägerin bestehenden Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet sind mit einem Einzel-GdB von 30 zu berücksichtigen. Nach Nr. 3.7 (S. 42) der VG sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem Einzel-GdB von 0 - 20, stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Schmerzstörungen) mit einem solchen von 30 - 40, schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheiten) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsstörungen mit einem solchen von 50 - 70 und solche mit schweren sozialen Anpassungsstörungen mit einem Einzel-GdB von 80 - 100 zu bewerten. Nach den von dem im erstinstanzlich gutachterlich gehörten Dr. M. benannten Gesundheitsstörungen leidet die Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet an einer mittelgradigen depressiven Episode und einer undifferenzierten Somatisierungsstörung. Diese führen zur Überzeugung des Senats zwar zu einer verminderten psychischen Belastbarkeit der Klägerin, der Senat vermag sich jedoch nicht davon zu überzeugen, dass bei ihr eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsstörungen vorliegt, die eine höhere GdB-Bewertung als mit 30 eröffnet. Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten sind durch psychische Veränderungen gekennzeichnet, die eine verminderte Einsatzfähigkeit bedingen und auch im privaten Bereich zu erheblichen Problemen, insb. durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung, führen. Nicht erforderlich ist, dass es zu einer vollständigen Isolierung oder einem gänzlichen sozialen Rückzug gekommen ist (vgl. auch Wendler/Schillings, Kommentar zu den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen, 5. Aufl., S. 126). Die von Dr. M. erhobenen und mitgeteilten psychopathologischen Befunde benennen lediglich eine resignierende, adyname, d.h. eine kraft- bzw. schwunglose Grundstimmung. Beeinträchtigungen auf anderen psychischen Dimensionen wurden hingegen von Dr. M. nicht benannt. Er hat vielmehr berichtet, dass die Klägerin affektiv schwingungsfähig und ihre Konzentrations- und Merkfähigkeit nicht beeinträchtigt sei. Korrespondierend hierzu wird auch im Entlassungsbericht der H. Klinik vom 16.11.2012 lediglich von einer gedrückten Stimmungslage und einer leicht reduzierten affektiven Modulation bei ansonsten im Wesentlichen unbeeinträchtigten anderen psychischen Dimensionen berichtet. Ein Abgleich der sich so vermittelten psychischen Stabilität der Klägerin mit deren sozialen Integration zeigt, dass keine mittelgradigen sozialen Anpassungsstörung bestehen. So ist die Klägerin in einem zeitlichen Umfang von 16 Stunden pro Woche erwerbstätig. Als Krankenschwester im Blutspendedienst ist sie hierbei nicht an einem festen Arbeitsplatz, sondern an unterschiedlichen Einsatzorten tätig. Hieraus wird ersichtlich, dass die Klägerin im beruflichen Bereich jedenfalls ausreichend flexibel ist, um sich auf neue soziale Gegebenheiten einstellen zu können. Auch ist sie in der Lage, ein nach ihren eigenen Angaben harmonisches Familienleben aufrechtzuerhalten und sich am Kontakt mit ihren Enkelkindern zu erfreuen. In Zusammenschau der vorliegenden psychopathologischen Befunde und der anamnestischen Schilderungen der Klägerin ist der Senat daher davon überzeugt, dass bei der Klägerin eine stärker behindernde, nicht jedoch eine schwere psychische Beeinträchtigung besteht. Anhaltspunkt, den hierfür eröffneten GdB-Rahmen von 30 - 40 auszuschöpfen, bestehen für den Senat nicht, so dass die Funktionsbeeinträchtigung mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten ist. Der Senat vermag sich der Einschätzung des behandelnden Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B., der in seiner Stellungnahme vom 03.12.2012 die Einschätzung vertreten hat, bei der Klägerin sei auf nervenärztlichem Fachgebiet ein GdB von 50 gerechtfertigt, nicht anzuschließen, da er keine hierzu korrelierenden Befunde mitgeteilt hat. Die psychische Erkrankung der Klägerin ist daher, unter Berücksichtigung der schmerzbedingten Einschränkung mit einem Einzel-GdB von 30 ausreichend und angemessen bewertet.
Der Senat ist in Zusammenhang mit der psychischen Erkrankung der Klägerin nicht gehalten, entsprechend der Anregungen der Klägerin, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen oder den Ehegatten der Klägerin als Zeugen einzuvernehmen. Wird, wie vorliegend, nicht aufgrund mündlicher Verhandlung, sondern im ausdrücklich erklärten vorbehaltlosen Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden, werden die Beteiligten, die - wie auch hier - Beweisanregungen gegeben und Beweisanträge gestellt haben, grundsätzlich so behandelt, als hätten sich diese erledigt, da sie nach dem objektiven Erklärungswert ihrer Mitteilung dem Gericht gegenüber zum Ausdruck gebracht haben, dass das Gericht nunmehr entscheiden könne. Jedenfalls jedem rechtskundig vertretenen Beteiligten, der vorbehaltlos sein Einverständnis gemäß § 124 Abs. 2 SGG erklärt, muss danach klar sein, dass das Gericht ohne weitere Sachverhaltsaufklärung entscheiden kann. Will ein Beteiligter dieses Ergebnis vermeiden, muss er das Einverständnis verweigern oder die beantragte Beweisaufnahme im Rahmen des Einverständnisses ausdrücklich aufrechterhalten. Dies ist vorliegend nicht geschehen, so dass den Anregungen der Klägerin nicht nachzugehen ist (vgl. Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.09.1999 - B 9 V 42/99 B - veröffentlicht in juris, dort Rn.5). Eines entsprechenden ausdrücklichen Hinweises durch das Gericht bedurfte es nicht.
Die weiteren bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen rechtfertigen jeweils keine Berücksichtigung mit einem höheren Einzel-GdB als 10. Die Bluthochdruckerkrankung ist nach der Auskunft des behandelnden hausärztlichen Internisten Dr. G. vom 22.01.2013 ausreichend eingestellt. Da überdies aus keiner der vorliegenden medizinischen Unterlagen ersichtlich ist, dass die Hypertonie bereits mit einer Organbeteiligung leichten oder mittleren Grades einhergeht (vgl. Nr. 9.3 [S. 67] der VG), ist ein Einzel-GdB von mehr als 10 nicht einzustellen. In Ansehung der im Rehabilitationsentlassungsbericht des Rehazentrums bei der Therme vom 26.03.2013 beschriebenen Beweglichkeit des rechten Kniegelenks von 135° in der Dimension Beugung ist nach Nr. 18.14 (S. 117) der VG kein Einzel-GdB von mehr als 10 möglich. Weitere GdB-pflichtige Funktionsbeeinträchtigungen bestehen bei der Klägerin nicht. Die klägerseits angeführte Schmerzbelastung fließt vollständig in die Bewertung der psychischen Erkrankung ein, die ferner angeführten Schmerzen in den Gelenken (Handgelenke, Finger, Ellenbogen, Knie, Sprunggelenke) führen nicht zu einer Beeinträchtigung der jeweiligen Bewegungsfähigkeit.
In Zusammenschau der bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen ist zur Überzeugung des Senats ein GdB von mehr als 30, wie klägerseits begehrt, nicht festzustellen. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen sind unter Berück¬sichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzu¬stellen, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind (vgl. Nr. 3 [S. 22 f.] Teil A der VG). In die bei der Klägerin bestehende verminderte psychische Belastbarkeit fließen die organischen Beeinträchtigungen, so diese überhaupt einen Einzel-GdB begründen, vollständig ein. Eine Erhöhung des GdB von 30 für die psychische Beeinträchtigung ist daher nicht gerechtfertigt. Eine Zusammenschau der bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen ergibt vielmehr, dass diese mit funktionellen Einschränkungen, die bei dem Verlust eines Armes im Unterarm oder dem Verlust eines Beines im Unterschenkel auftreten, die jeweils einen GdB von 50 begründen, nicht vergleichbar sind.
Die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind mithin mit einem GdB von 30 zu bewerten.
Der Bescheid vom 06.12.2011 (Widerspruchsbescheid vom 03.08.2012) ist hiernach rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Berufung gegen den klagabweisenden Gerichtsbescheid des SG vom 11.03.2014 ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des bei der Klägerin festzustellenden Grades der Behinderung (GdB) streitig, insb. ob bei der Klägerin die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch festzustellen ist.
Die am 06.01.1960 geborene Klägerin beantragte erstmals am 17.10.2011 beim Landratsamt A. - Versorgungsamt - (LRA) ihren GdB ab dem 01.01.2009 festzustellen. Sie führte an, an Depressionen/Angstzuständen, Fibromyalgie/Schmerzen, Schlafproblemen/Müdigkeit, Erschöpfungszuständen, Infektanfälligkeit/Leistungsabfall und Hypertonie zu leiden.
Das LRA forderte bei Dr. B. einen Befundbericht und bei den C.-Kliniken, Bad D., den Entlassungsbericht der vom 13.01. - 03.03.2011 durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme an und führte die vorgelegten Unterlagen einer versorgungsärztlichen Überprüfung zu. Dr. E. bewertete unter dem 29.11.2011 "Seelische Störung, chronisches Schmerzsyndrom, funktionelle Organbeschwerden" mit einen GdB von 30. Die Hypertonie begründe, so Dr. E., keinen Einzel-GdB von wenigstens 10. Mit Bescheid vom 06.12.2011 stellte das LRA den GdB der Klägerin ab dem 01.01.2011 mit 30 fest. Eine rückwirkende Feststellung könne nicht erfolgen, da nicht bekannt sei, in welchem Umfang die Symptomatik zuvor bestanden habe.
Zur Begründung ihres hiergegen eingelegten Widerspruchs brachte die Klägerin vor, sie leide an chronischen Schmerzen mit täglich auftretenden Beschwerden, insb. im Magen-Darm-Bereich, Kopfschmerzen und Migräne, sie sei infektanfällig und in ihrer Leistungsfähigkeit stärker beeinträchtigt. Nachdem Dr. F. die auf Anforderung des LRA von Dr. G. vorgelegte Befundbeschreibung versorgungsärztlich überprüft hatte und hierbei die Einschätzung vertrat, körperliche Funktionsbeeinträchtigungen seien nicht vorhanden, wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03.08.2012 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 23.08.2012 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Sie habe, so die Klägerin begründend, eine lange Leidensgeschichte hinter sich. Aufgrund der Schmerzen im ganzen Körper, vornehmlich im Schulter-Nacken-Bereich und in den Gelenken, habe sich ihre allgemeine Befindlichkeit verschlechtert. Es sei zu einer depressiven Entwicklung mit Angststörungen gekommen, weswegen sie für ihre berufliche Tätigkeit als Krankenschwester seit dem 01.12.2011 arbeitsunfähig sei. Sie habe im November 2012 einen Kreuzbandriss erlitten, der operativ versorgt worden sei, jedoch weiterhin zu Bewegungseinschränkungen führe. Hierzu hat sie den Entlassungsbericht des Rehazentrums bei der Therme, Bad-Waldsee, vom 26.03.2013 über eine vom 20.02. - 19.03.2013 andauernde Rehabilitationsmaßnahme vorgelegt.
Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat hierzu eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Reiniger vom 16.04.2013 vorgelegt.
Das SG hat den Bericht über eine stationäre Behandlung der Klägerin in der H. Klinik, I., vom 20.09. - 15.10.2012, anlässlich derer bei der Klägerin u.a. eine mittelgradige depressive Episode und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert worden ist, beigezogen und die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Dr. B., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, hat unter dem 03.12.2012 ausgeführt, bei der Klägerin bestehe eine chronisch somatoforme Schmerzstörung, durch die sie nachhaltig in ihrer Leistungsfunktionsbreite eingeschränkt sei. Ein GdB von 50 allein auf dem nervenärztlichen Fachgebiet sei gerechtfertigt. Dr. K., hausärztlicher Internist, hat unter dem 22.01.2013 ausgeführt, die bestehende Hypertonie sei gut eingestellt. Die Beschwerden durch die depressive Erkrankung und die Schmerzstörung hätten in den letzten Jahren zugenommen. Dr. L., Facharzt für physikalische und rehabilative Medizin hat unter dem 07.10.2013 mitgeteilt, anlässlich einer Untersuchung der Klägerin am 03.06.2013 habe sich ein Streckdefizit des rechten Kniegelenks um 10° gezeigt.
Das SG hat sodann Dr. M., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem nervenärztlich-sozialmedizinischen Gutachten vom 04.12.2013 hat Dr. M. bei der Klägerin eine mittelgradige depressive Episode und eine undifferenzierte Somatisierungsstörung diagnostiziert. Die Erkrankung sei mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten, für die Bluthockdruck-Erkrankung sei ein solcher von 10 angemessen. Die Verletzung des rechten Kniegelenks sei weitgehend folgenlos verheilt, weswegen ein Einzel-GdB hierfür nicht gerechtfertigt sei.
Die Klägerin ist der Einschätzung von Dr. M. unter Hinweis auf die Einschätzung von Dr. B. entgegen getreten.
Mit Gerichtsbescheid vom 11.03.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die bei der Klägerin bestehenden funktionellen Einschränkungen könnten nicht mit einem höheren GdB als 30 bewertet werden. Die bei der Klägerin bestehende depressive Erkrankung sei, der gutachterlichen Einschätzung von Dr. M. folgend, als stärker behindernde Störung mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten. Eine schwere Störung sei nicht ersichtlich, insb. habe auch Dr. B. eine derartig schwere Auswirkung nicht beschrieben. Dessen Einschätzung eines Einzel-GdB von 50 lasse eine Orientierung an den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen nicht erkennen. Im Hinblick auf die Verletzung des Kniegelenkes sei eine dauerhafte Funktionsbehinderung mit einer GdB-erhöhenden Wirkung nicht zu erkennen. Der behandelnde Facharzt Dr. L. habe den GdB auf sicherlich unter 20 bezeichnet. Dem Entlassungsbericht des Reha-Zentrums bei der Therme lasse sich insofern entnehmen, dass ein verbessertes, flüssiges und sicheres Gangbild bestanden habe.
Gegen den ihr am 14.03.2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 14.04.2014 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das SG habe sich bei seiner Entscheidung auf das Gutachten von Dr. M. gestützt, obschon sich die dortigen Bewertungen der Beeinträchtigungen nicht mit den tatsächlich bestehenden Einschränkungen deckten. Der Gutachter habe insb. nicht berücksichtigt, dass ein hoher subjektiver Leidendruck bestehe und stattdessen einseitig eine bloße Lebensunzufriedenheit beschrieben. Auch habe es das SG unterlassen, den Ehegatten der Klägerin als Zeugen zum Ausmaß der Depression einzuvernehmen. Sie sei zwischenzeitlich von ihrer Krankenkasse ausgesteuert worden, weswegen sie gezwungen gewesen sei, ihre Tätigkeit als Krankenschwester beim Blutspendedienst in einem zeitlichen Umfang von 16 Stunden pro Woche wieder aufzunehmen. Es träten jedoch weiterhin Arbeitsunfähigkeitszeiten auf.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 11. März 2014 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 06. Dezember 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. August 2012 zu verurteilen, die bei ihr bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 50 seit dem 01. Januar 2011 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung seines Antrages bringt der Beklagte vor, die Einschätzung des gerichtlichen Gutachters sei aus seiner Sicht zutreffend. Die Bewertung des GdB erfolge unabhängig vom ausgeübten Beruf.
Mit Schriftsatz vom 25.03.2015 hat die Klägerin, mit solchem vom 13.01.2015 der Beklagte das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die beim Beklagten für die Klägerin geführte Schwerbehindertenakte, welche Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung, über die der Senat nach dem erteilten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, führt jedoch für die Klägerin inhaltlich nicht zum Erfolg.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, der angefochtene Bescheid vom 06.12.2011 (Widerspruchsbescheid vom 03.08.2012) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind mit einem GdB von 30 angemessen und ausreichend bewertet.
Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Feststellung des GdB der Klägerin ist § 69 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX). Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX). Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der Fassung des am 15.01.2015 in Kraft getretenen Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 07.01.2015 (BGBl. II S. 15) ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht, indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der ab dem 15.01.2015 geltenden Fassung, dass soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 erlassen ist, die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab dem 01.01.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG; die jeweilige Seitenangabe bezieht sich auf das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebene Printexemplar) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV]) heranzuziehen, die auf Grundlage von § 30 Abs. 16 BVG erlassen wurde.
In Anlegung der dortigen Maßstäbe können die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht mit einem höheren GdB als 30 bewertet werden.
Die bei der Klägerin bestehenden Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet sind mit einem Einzel-GdB von 30 zu berücksichtigen. Nach Nr. 3.7 (S. 42) der VG sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem Einzel-GdB von 0 - 20, stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Schmerzstörungen) mit einem solchen von 30 - 40, schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheiten) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsstörungen mit einem solchen von 50 - 70 und solche mit schweren sozialen Anpassungsstörungen mit einem Einzel-GdB von 80 - 100 zu bewerten. Nach den von dem im erstinstanzlich gutachterlich gehörten Dr. M. benannten Gesundheitsstörungen leidet die Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet an einer mittelgradigen depressiven Episode und einer undifferenzierten Somatisierungsstörung. Diese führen zur Überzeugung des Senats zwar zu einer verminderten psychischen Belastbarkeit der Klägerin, der Senat vermag sich jedoch nicht davon zu überzeugen, dass bei ihr eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsstörungen vorliegt, die eine höhere GdB-Bewertung als mit 30 eröffnet. Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten sind durch psychische Veränderungen gekennzeichnet, die eine verminderte Einsatzfähigkeit bedingen und auch im privaten Bereich zu erheblichen Problemen, insb. durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung, führen. Nicht erforderlich ist, dass es zu einer vollständigen Isolierung oder einem gänzlichen sozialen Rückzug gekommen ist (vgl. auch Wendler/Schillings, Kommentar zu den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen, 5. Aufl., S. 126). Die von Dr. M. erhobenen und mitgeteilten psychopathologischen Befunde benennen lediglich eine resignierende, adyname, d.h. eine kraft- bzw. schwunglose Grundstimmung. Beeinträchtigungen auf anderen psychischen Dimensionen wurden hingegen von Dr. M. nicht benannt. Er hat vielmehr berichtet, dass die Klägerin affektiv schwingungsfähig und ihre Konzentrations- und Merkfähigkeit nicht beeinträchtigt sei. Korrespondierend hierzu wird auch im Entlassungsbericht der H. Klinik vom 16.11.2012 lediglich von einer gedrückten Stimmungslage und einer leicht reduzierten affektiven Modulation bei ansonsten im Wesentlichen unbeeinträchtigten anderen psychischen Dimensionen berichtet. Ein Abgleich der sich so vermittelten psychischen Stabilität der Klägerin mit deren sozialen Integration zeigt, dass keine mittelgradigen sozialen Anpassungsstörung bestehen. So ist die Klägerin in einem zeitlichen Umfang von 16 Stunden pro Woche erwerbstätig. Als Krankenschwester im Blutspendedienst ist sie hierbei nicht an einem festen Arbeitsplatz, sondern an unterschiedlichen Einsatzorten tätig. Hieraus wird ersichtlich, dass die Klägerin im beruflichen Bereich jedenfalls ausreichend flexibel ist, um sich auf neue soziale Gegebenheiten einstellen zu können. Auch ist sie in der Lage, ein nach ihren eigenen Angaben harmonisches Familienleben aufrechtzuerhalten und sich am Kontakt mit ihren Enkelkindern zu erfreuen. In Zusammenschau der vorliegenden psychopathologischen Befunde und der anamnestischen Schilderungen der Klägerin ist der Senat daher davon überzeugt, dass bei der Klägerin eine stärker behindernde, nicht jedoch eine schwere psychische Beeinträchtigung besteht. Anhaltspunkt, den hierfür eröffneten GdB-Rahmen von 30 - 40 auszuschöpfen, bestehen für den Senat nicht, so dass die Funktionsbeeinträchtigung mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten ist. Der Senat vermag sich der Einschätzung des behandelnden Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B., der in seiner Stellungnahme vom 03.12.2012 die Einschätzung vertreten hat, bei der Klägerin sei auf nervenärztlichem Fachgebiet ein GdB von 50 gerechtfertigt, nicht anzuschließen, da er keine hierzu korrelierenden Befunde mitgeteilt hat. Die psychische Erkrankung der Klägerin ist daher, unter Berücksichtigung der schmerzbedingten Einschränkung mit einem Einzel-GdB von 30 ausreichend und angemessen bewertet.
Der Senat ist in Zusammenhang mit der psychischen Erkrankung der Klägerin nicht gehalten, entsprechend der Anregungen der Klägerin, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen oder den Ehegatten der Klägerin als Zeugen einzuvernehmen. Wird, wie vorliegend, nicht aufgrund mündlicher Verhandlung, sondern im ausdrücklich erklärten vorbehaltlosen Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden, werden die Beteiligten, die - wie auch hier - Beweisanregungen gegeben und Beweisanträge gestellt haben, grundsätzlich so behandelt, als hätten sich diese erledigt, da sie nach dem objektiven Erklärungswert ihrer Mitteilung dem Gericht gegenüber zum Ausdruck gebracht haben, dass das Gericht nunmehr entscheiden könne. Jedenfalls jedem rechtskundig vertretenen Beteiligten, der vorbehaltlos sein Einverständnis gemäß § 124 Abs. 2 SGG erklärt, muss danach klar sein, dass das Gericht ohne weitere Sachverhaltsaufklärung entscheiden kann. Will ein Beteiligter dieses Ergebnis vermeiden, muss er das Einverständnis verweigern oder die beantragte Beweisaufnahme im Rahmen des Einverständnisses ausdrücklich aufrechterhalten. Dies ist vorliegend nicht geschehen, so dass den Anregungen der Klägerin nicht nachzugehen ist (vgl. Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.09.1999 - B 9 V 42/99 B - veröffentlicht in juris, dort Rn.5). Eines entsprechenden ausdrücklichen Hinweises durch das Gericht bedurfte es nicht.
Die weiteren bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen rechtfertigen jeweils keine Berücksichtigung mit einem höheren Einzel-GdB als 10. Die Bluthochdruckerkrankung ist nach der Auskunft des behandelnden hausärztlichen Internisten Dr. G. vom 22.01.2013 ausreichend eingestellt. Da überdies aus keiner der vorliegenden medizinischen Unterlagen ersichtlich ist, dass die Hypertonie bereits mit einer Organbeteiligung leichten oder mittleren Grades einhergeht (vgl. Nr. 9.3 [S. 67] der VG), ist ein Einzel-GdB von mehr als 10 nicht einzustellen. In Ansehung der im Rehabilitationsentlassungsbericht des Rehazentrums bei der Therme vom 26.03.2013 beschriebenen Beweglichkeit des rechten Kniegelenks von 135° in der Dimension Beugung ist nach Nr. 18.14 (S. 117) der VG kein Einzel-GdB von mehr als 10 möglich. Weitere GdB-pflichtige Funktionsbeeinträchtigungen bestehen bei der Klägerin nicht. Die klägerseits angeführte Schmerzbelastung fließt vollständig in die Bewertung der psychischen Erkrankung ein, die ferner angeführten Schmerzen in den Gelenken (Handgelenke, Finger, Ellenbogen, Knie, Sprunggelenke) führen nicht zu einer Beeinträchtigung der jeweiligen Bewegungsfähigkeit.
In Zusammenschau der bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen ist zur Überzeugung des Senats ein GdB von mehr als 30, wie klägerseits begehrt, nicht festzustellen. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen sind unter Berück¬sichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzu¬stellen, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind (vgl. Nr. 3 [S. 22 f.] Teil A der VG). In die bei der Klägerin bestehende verminderte psychische Belastbarkeit fließen die organischen Beeinträchtigungen, so diese überhaupt einen Einzel-GdB begründen, vollständig ein. Eine Erhöhung des GdB von 30 für die psychische Beeinträchtigung ist daher nicht gerechtfertigt. Eine Zusammenschau der bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen ergibt vielmehr, dass diese mit funktionellen Einschränkungen, die bei dem Verlust eines Armes im Unterarm oder dem Verlust eines Beines im Unterschenkel auftreten, die jeweils einen GdB von 50 begründen, nicht vergleichbar sind.
Die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind mithin mit einem GdB von 30 zu bewerten.
Der Bescheid vom 06.12.2011 (Widerspruchsbescheid vom 03.08.2012) ist hiernach rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Berufung gegen den klagabweisenden Gerichtsbescheid des SG vom 11.03.2014 ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
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