L 3 SB 5158/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 14 SB 673/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 5158/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. November 2013 insoweit abgeändert, als der Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 29. August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Januar 2012 verurteilt wird, bei dem Kläger Grade der Behinderung von 20 (zwanzig) ab dem 03. Juni 2011 und von 30 (dreißig) ab dem 14. März 2012 festzustellen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Für das Klageverfahren verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Sozialgerichts.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt noch die Zuerkennung (behördliche Feststellung) eines Grades der Behinderung (GdB) überhaupt ab Antragstellung und von mehr als 30 ab dem 14.03.2012.

Der Kläger ist im Jahre 1968 geboren und in Deutschland wohnhaft. Er beantragte am 03.06.2011 erstmals die Zuerkennung eines GdB. Das Landratsamt Böblingen als Versorgungsamt (LRA) zog Befundberichte vor. Aus ihnen ergab sich, dass der Kläger im April 2010 eine tiefe Beinvenenthrombose im rechten Unterschenkel mit Lungenembolie erlitten hatte und im Mai 2011 eine Coxa valga (Achsenfehlstellung des Oberschenkelhalses) und eine Lumboischialgie links diagnostiziert worden war. Nachdem der versorgungsärztliche Dienst lediglich für eine Wirbelsäulenerkrankung einen GdB von 10 vorgeschlagen hatte, lehnte das LRA den Antrag mit Bescheid vom 29.08.2011 ab. Es liege kein GdB von wenigstens 20 vor. Den Widerspruch des Klägers wies das Landesversorgungsamt des beklagten Landes mit Bescheid vom 11.01.2012 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 06.02.2012 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er leide unter dauernden Lungenschmerzen, ferner inzwischen auch an einer psychischen Erkrankung.

Nachdem der Beklagte der Klage entgegengetreten war, hat das SG die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen vernommen. Auf die schriftlichen Aussagen des Facharztes für Inneres und Lungen- und Bronchialerkrankungen Dr. vom 08.08.2012 (Dyspnoe bei körperlicher Belastung, thorakales Druckgefühl, geringe bronchiale Symptomatik, lungenfunktionsanalytisch keine obstruktive und keine restriktive Ventilationsstörung), des Pneumologen Dr. B. vom 20.08.2012 (arterielle Hypertonie, Z.n. Lungenembolie bds. 2010, keine aktuelle Erkrankung der Atemorgane und keine Funktionseinschränkungen im Frühjahr 2012), des Orthopäden Dr. vom 23.08.2012 (Leistenschmerzen rechts bei Coxa valga bds., Lumboischialgie rechts bei Bandscheibenvorfall L5/S1 und Supraspinatussyndrom rechts, freie Beweglichkeit der Schultern und Hüftgelenke) sowie des Neurologen und Psychiaters Dr. D. vom 20.08.2012 (depressive Anpassungsstörung, ED 14.03.2012) wird Bezug genommen.

Sodann hat das SG den Kläger von Amts wegen bei dem Neurologen und Psychiater Dr. E. begutachten lassen. Dieser Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 14.02.2013 mitgeteilt, bei dem Kläger liege diagnostisch eine Anpassungsstörung vor, deren Auswirkungen mit einem GdB von 20 zu bewerten seien. Bei leicht akzentuierten - anankastischen - Persönlichkeitszügen sei die depressive Verstimmungsneigung derzeit wenig ausgeprägt. Eine stärkere Ausprägung könne um die Zeit der Operationen 2010 vorgelegen haben.

Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat das SG ferner das Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. F. vom 22.07.2013 erhoben. Dieser Sachverständige hat schriftlich ausgeführt, bei dem Kläger beständen ein degeneratives Lumbovertebralsyndrom, dessen Auswirkungen einen GdB von 20 bedingten, ein postthrombotisches Syndrom mit einem GdB von 10, ein Impingementsyndrom der rechten Schulter (GdB 20) sowie Belastungsschmerzen beider Hüftgelenke bei ausgeprägter coxa valga (GdB 10). Der GdB auf gesamtem orthopädischem Fachgebiet betrage 30, so dass ein Gesamt-GdB von 40 anzunehmen sei.

Mit angekündigtem Gerichtsbescheid vom 11.11.2013 hat das SG unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide den Beklagten verurteilt, dem Kläger einen GdB von 30 seit dem 14.03.2012 zuzuerkennen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen, und es hat den Beklagten in ein Drittel der außergerichtlichen Kosten des Klägers verurteilt. Das SG hat zunächst die rechtlichen Grundlagen seiner Entscheidung dargelegt. Sodann hat es ausgeführt, auf lungenfachärztlichem Gebiet sei bei dem Kläger nach einer Leistenhernie-Operation mit anschließender tiefen Beinvenenthrombose mit Lungenembolie keine Lungenfunktionsstörung zurückgeblieben, dies hätten Dr. A. und Dr. B. übereinstimmend bekundet. Ein GdB sei insoweit nicht anzusetzen. Soweit nach den Feststellungen des Wahlgutachters Dr. F.s eine Schwellneigung des Beins zurückgeblieben sei, sei diese mit einem GdB von 10 ausreichend bewertet, da eine Ödembildung nicht festzustellen sei. Bezüglich der coxa valga habe auch Dr. F. keine Bewegungseinschränkungen festgestellt, sodass entgegen seiner gesonderten Bewertung kein weiterer GdB für die unteren Gliedmaßen festzustellen sei. Das Impingementsyndrom der Schulter sei, so das SG weiter, angesichts der nicht eingeschränkten Beweglichkeit mit einem GdB von 10 ausreichend bewertet. An der Lendenwirbelsäule (LWS) beständen Verschleißerscheinungen mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen, die mit einem GdB von 20 zu bewerten seien. Auf psychiatrischem Gebiet leide der Kläger nach den Feststellungen des Amtsgutachters Dr. E. an einer Anpassungsstörung, die einen GdB von 20 bedinge. Bei der Bildung des Gesamt-GdB sei entgegen der Ansicht Dr. F.s kein Zwischenschritt für das orthopädische Fachgebiet zu machen. Vielmehr seien Funktionssysteme zusammenhängend zu bewerten. Auf dieser Basis sei aus den insoweit relevanten Teil-GdB-Werten von je 20 für die Wirbelsäule und die Psyche ein Gesamt-GdB von 30 zu bilden.

Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 28.11.2013 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Er trägt vor, die Schulterbehinderung sei höher zu bewerten, nachdem auch Dr. F. eine verminderte Belastbarkeit für alle Tätigkeiten knapp unter der Horizontalen beschrieben habe. Ferner sei für ein Schmerzsyndrom, das neben der psychischen Erkrankung zu bewerten sei, ein weiterer GdB von 20 anzuerkennen. Insbesondere beständen chronische Schmerzen im Lungenbereich bzw. eine Dyspnoe. Es ergebe sich ein Gesamt-GdB von 50.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. November 2013 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 29. August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Januar 2012 einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Berichterstatter des Senats hat den Kläger persönlich angehört. Auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 10.04.2014 wird verwiesen.

Sodann hat der Senat den Kläger von Amts wegen fachinternistisch-pneumologisch bei Prof. Dr. G., Klinik Schillerhöhe in Gerlingen, begutachten lassen. Dieser Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 23.01.2015 mitgeteilt, bei dem Kläger sei es im Anschluss an einen Arbeitsunfall und einer deswegen nötigen beidseitigen Leistenhernieoperation (09.04.2010) zu einer Harnblasenläsion links gekommen, die eine laparoskopische Revision am 14.04.2010 erfordert habe. Ab dem 23.04.2010 habe sich der Kläger wegen einer Lungenarterienembolie beidseits, eines postembolischen Infiltrats rechts und einer tiefen Unterschenkelvenenthrombose rechts erneut in stationärer Behandlung befunden. Im Juli 2011 habe Dr. A. eine Belastungsatemnot und eine geringe bronchitische Symptomatik mit intermittierendem thorakalem Druckgefühl beschrieben. Eine Lungenfunktionsanalyse bei Dr. B. am 11.04.2012 habe keine Auffälligkeiten ergeben. Prof. Dr. G. hat weiterhin die vom SG erhobenen Zeugenaussagen sowie einen Befundbericht über eine Computertomografie des Thorax am 10.10.2012 (keine akute Lungenarterienembolie, feinfleckige milchglasige Trübungen rechter Unterlappen dorsal u.a.) gewürdigt. Bei der Untersuchung des Klägers am 16.12.2014 hätten sich keine Ruhedyspnoe, kein Ikterus und keine Ödeme gezeigt, das EKG in Ruhe habe keine Auffälligkeiten gezeigt, bei der Lungenfunktionsanalyse hätten sich u.a. eine Vitalkapazität (VC) von 102,3 % sowie eine Einsekundenkapazität (FEV1) von 95,4 % des Sollwerts gezeigt, der Tiffeneau-Index habe 81,3 % bei einer Soll-Untergrenze von 69,4 % betragen. Die Blutgasanalyse habe u.a. eine Sauerstoffsättigung von 94 % gezeigt. Eine bronchiale Hyperreagibilität habe nicht nachgewiesen werden können, auch sei der spezifische IgE-Test negativ gegen Schimmelpilze, Milben, Lieschgras, Roggen, Früh- und Spätblüher sowie gegen Kräuter ausgefallen. Spiroergometrisch habe der Kläger bis 180 W belastet werden können, der Abbruch sei wegen Dyspnoe erfolgt, wobei der Blutdruck bis 200/90 mmHg und die Herzfrequenz bis 155 bpm habe gesteigert werden können. Die kardiopulmonale Leistungsbreite sei nicht eingeschränkt gewesen, Hinweise auf eine Gasaustauschstörung hätten sich nicht gezeigt. Diagnostisch, so Prof. Dr. G. - beständen bei dem Kläger neben dem Z.n. Lungenembolie bei tiefer Unterschenkelvenenthrombose eine Adipositas (BMI 31,9 kg/qm) und - nebenbefundlich - eine Steatosis hepatis (Fettleber). Auf internistischem und pneumologischem Fachgebiet, so der Sachverständige abschließend, sei daher kein GdB zu vergeben. Ausgehend von GdB-Werten von je 30 für die Wirbelsäule und die Psyche entsprechend den Vorschlägen der beiden Gutachter aus der ersten Instanz sei ein Gesamt-GdB von 30 anzunehmen.

Der Kläger ist den Feststellungen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen entgegengetreten. Der Senat hat Prof. Dr. G. daraufhin um schriftliche Erläuterung seines Gutachtens gebeten. Unter dem 05.04.2015 hat der Sachverständige mitgeteilt, die neu diagnostizierte Steatosis hepatis begründe keine Funktionsbeeinträchtigung der Leber, die vom Kläger angegebene Infarktpneumonie (Lungenentzündung im Zusammenhang mit der Lungenembolie) - diese im Jahre 2010 - sei berücksichtigt worden, der Kläger habe vor den Untersuchungen Flüssigkeiten zu sich genommen, die in der Blutgasanalyse ermittelte O2-Sättigung von 94 % sei korrekt. Zu der Frage des Klägers, ob die Befunde und die radiologischen Untersuchungen der Behandler berücksichtigt worden seien und ob die geklagten Lungenschmerzen auf eine Vernarbung von Lungengewebe zurückzuführen seien, hat Prof. Dr. G. ergänzend mitgeteilt, die Behandler hätten ausschließlich lungenfunktionelle und blutgasanalytische Normalbefunde erhoben, insbesondere habe die CT des Thorax am 10.10.2012 keine Vernarbungen gezeigt; wobei der Nachweis funktionell bedeutungsloser Narben im Lungengewebe keinen GdB bedinge.

Der Beklagte hat sich unter dem 24.04.2015, der Kläger mit Schriftsatz vom 13.05.2015 mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Aussagen und Schlussfolgerungen der drei Sachverständigen wird im Einzelnen auf die genannten schriftlichen Gutachten samt ergänzender Stellungnahme verwiesen.

Entscheidungsgründe:

1. Über die Berufung entscheidet im Einvernehmen mit beiden Beteiligten der Berichterstatter als Einzelrichter (§ 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und ohne mündliche Verhandlung (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG), weswegen die ehrenamtlichen Richter nicht zu beteiligen sind (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 155 Rn. 11).

2. Die Berufung des Klägers ist nach § 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG statthaft, insbesondere nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 SGG zulassungsbedürftig. Sie ist auch im Übrigen zulässig, vor allem form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Sie ist aber nur zu einem kleinen Teil begründet: Für die Zeit ab dem 14.03.2012 hat das SG zu Recht den Beklagten zur Zuerkennung eines GdB von - nur - 30 verurteilt. Darüber hinaus besteht lediglich ein Anspruch auf einen GdB von 20 für die Zeit zwischen Antragstellung und dem 13.03.2012. Die weitergehende Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) des Klägers, insbesondere auf Zuerkennung eines GdB von 50 ab Antragstellung oder ab dem 14.03.2012, ist unbegründet.

a) Die rechtlichen Voraussetzungen der Zuerkennung eines GdB nach § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und die medizinischen Anforderungen an die Bewertung einzelner Behinderungen mit einem GdB sowie die Bildung eines Gesamt-GdB hat das SG in dem angegriffenen Urteil zutreffend dargelegt. Sie beruhen auf den Versorgungsmedizinischen Grund¬sätzen (VG), der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV). Diese gilt auch nach den Neuregelungen in den §§ 69 Abs. 1, 70 Abs. 2, 159 Abs. 7 SGB IX durch das Gesetz vom 07.01.2015 (BGBl I S. 15) für die Bemessung des GdB vorläufig weiter. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher auf die Ausführungen des SG verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).

b) Auf lungenfachärztlichem und auf kardiologischem Gebiet (Funktionssysteme Atmung und Herz-Kreislauf, vgl. zur Zusammenfassung von Behinderungen in Funktionssysteme Teil A Nr. 2 lit. e Satz 2 VG) liegen keine Schädigungen vor, die das Leben des Klägers in der Gesellschaft beeinträchtigen könnten. Dies entnimmt der Senat den ausführlichen und nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. G., die sich insoweit mit den Aussagen der behandelnden Ärzte Dr. A. und Dr. B. in erster Instanz decken. Insbesondere besteht keine relevante Luftnot und auch die Schmerzen im Lungenbereich konnten nicht auf diese Fachgebiete zurückgeführt werden. Vielmehr war der Kläger bei der Begutachtung bei Prof. Dr. G. spiroergometrisch bis 180 W belastbar. Auch wenn der Abbruch dann wegen Dyspnoe erfolgte, so lag die Belastbarkeit doch deutlich über jenen Werten, die bereits für eine volle Erwerbsfähigkeit auch in körperlichen Berufen ausreichen, sodass von Einschränkungen im Alltag nicht ausgegangen werden kann. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass ein - für die Bildung des Gesamt-GdB relevanter - GdB von wenigstens 20 nach Teil B Nr. 9.1.1 VG sogar Leistungsbeeinträchtigungen mittelschweren Grades, also z.B. beim forschen Gehen, und pathologische Messdaten schon bei einer Ergometerbelastung von 75 W verlangt. Auch die Lungenfunktionsprüfung hat keine Hinweise auf Leistungseinschränkungen ergeben. Ein GdB von wenigstens 20 setzt nach Teil B Nr. 8.3 VG eine ungewöhnliche Atemnot bereits bei mittelschwerem Gehen und eine Absenkung der statischen und dynamischen Messwerte der Lungenfunktionsprüfung auf bis zu 67 % der Sollwerte bei normalen Blutgaswerten voraus. Die O2-Sättigung des Klägers lag mit 94 % noch im Normbereich, und auch die VC (statisch) und die FEV1 (dynamisch) waren mit 102,3 % sowie 95,4 % der Sollwerte nicht relevant abgesenkt, dies galt dann auch für den Tiffeneau-Index (relative Sekundenkapazität). Eine Hyperreagibilität im Sinne eines Asthma bronchiale (Teil B Nr. 8.5 VG) besteht ebenfalls nicht.

c) Die übrigen internistischen Diagnosen führen - mit Ausnahme der Schwellneigung am rechten Bein - nicht zu Funktionsbeeinträchtigungen.

Die Steatosis hepatis, die Prof. Dr. G. nebenbefundlich diagnostiziert hat, hat bislang keine Funktionsbeeinträchtigungen gezeitigt, anscheinend hatte sie der Kläger noch nicht bemerkt. Ein GdB ist daher nicht anzusetzen (vgl. Teil B Nr. 10.3.3 VG).

Der Bluthochdruck des Klägers bedingt keinen GdB (Teil B Nr. 9.3 VG), da keine Organveränderungen dokumentiert sind und der diastolische Wert nicht - regelmäßig - über 100 mmHg hinausgeht; selbst nach Belastung hatte Prof. Dr. G. insoweit nur 130/90 mmHg gemessen.

d) Das Funktionssystem Wirbelsäule ist zu Recht mit einem GdB von 20 zu bewerten.

Dr. F. hatte in seinem Gutachten mittelgradige Funktionsbeeinträchtigungen in einem WS-Abschnitt, nämlich der LWS, festgestellt und diese zutreffenderweise (vgl. Teil B Nr. 18.9 VG) mit einem GdB von 20 bewertet. Der Grund dafür sind altersvorauseilende degenerative Verschleißerscheinungen und ein BSV am Segment L5/S1 mit hochgradiger Verschmälerung der Bandscheibe. Es ist auch bereits zu Sklerosierungen der Wirbelgelenke gekommen. An Beeinträchtigungen liegen nach den Feststellungen Dr. F.s zwar keine sensomotorischen Ausfälle der unteren Gliedmaßen vor, wohl aber pseudoradikuläre Schmerzausstrahlungen in die Beine und den linken Hoden. Dagegen ist die Beweglichkeit der LWS allenfalls endgradig eingeschränkt: das Schober’sche Zeichen betrug 10:14 cm bei Normwerten bis zu 10:15 cm; der FBA (Finger-Boden-Abstand) wurde nicht gemessen.

Dagegen hat Dr. F. die HWS und die BWS als frei beweglich beschrieben und auch der Kläger hat keine Beschwerden in diesem Bereich und vor allem keine Schmerzausstrahlungen und sensomotorischen Ausfälle in den oberen Gliedmaßen beschrieben.

e) Für das Funktionssystem der oberen Gliedmaßen verbleibt es bei dem GdB von 10, den auch das SG angenommen hatte. Insbesondere das diagnostizierte Impingement-Syndrom bedingt keine Funktionseinbußen. Insoweit würde eine Einschränkung der Armhebung auf bis zu 120° einen GdB von 10 bedingen, eine solche auf bis zu 90° einen solchen von 20, beides jedoch nur bei entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit. Dr. F. hat aber allenfalls bei der Armhebung seit- und körperwärts mit 150-0-30° bds. eine verschwindend geringe Einschränkung gemessen (Normwert 180-0-30°). Eventuell damit hängt sein Hinweis auf Schmerzen bei der Armhebung über 85° (knapp unter der Horizontalen) zusammen. Die Armhebung vor und zurück (170-0-40°) und die Drehfähigkeit (85-0-60°, alle Werte nach der Neutral-Null-Methode) waren dagegen sehr gut. Einen GdB bedingen die beschriebenen Einschränkungen nicht.

f) Das Funktionssystem der unteren Gliedmaßen bewertet der Senat in Übereinstimmung mit dem SG mit einem GdB von 10. Im Vordergrund steht hier die postthrombotische Schwellneigung, während die angeborene Fehlstellung der Oberschenkelknochen keine signifikanten Einschränkungen herbeiführt, insbesondere ist die Beweglichkeit hier (Beugung/Streckung seitengleich 130-0-10°, also vollständig normgerecht) nicht beeinträchtigt.

g) Das Funktionssystem Psyche kann letztlich mit einem GdB von 20 bewertet werden, und dies ab dem 14.03.2012.

Der Sachverständige Dr. E. hat insoweit eine depressiv geprägte Anpassungsstörung diagnostiziert (F43.2 nach der ICD-10-GM, der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, deutsche Modifikation, herausgegeben von der Weltgesundheitsorganisation WHO). Dies deckt sich mit der Einschätzung des behandelnden Psychiaters Dr. D. in seiner Zeugenaussage gegenüber dem SG vom 28.08.2012. Die Symptome, die Dr. E. beschrieben hat (bemühte Kontaktaufnahme, fast etwas überangepasst, leichte Verminderung der Schwingungsfähigkeit), waren geringfügig und beruhen zum Teil eventuell auch auf der vorbestehenden Persönlichkeitsstruktur des Klägers, die Dr. E. als "leichte anankastische Züge" beschrieben hat, die aber ihrerseits sicherlich keinen Krankheitswert hat, weil sie nicht das Ausmaß einer Störung nach F60.5 ICD-10 erreicht. Hinzu kommen die Schmerzen, die der Kläger vor allem im Bereich Lunge/Thorax empfindet und für die eine organische Ursache nicht gefunden werden konnte, insbesondere keine Vernarbungen im Lungenbereich. Vor diesem Hintergrund stimmt der Senat dem Vorschlag des Gutachters zu, insoweit von leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen im oberen Bereich mit einem GdB von 20 auszugehen, aber noch keine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit anzunehmen (vgl. Teil B Nr. 3.7 VG). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger voll berufstätig ist und über eine funktionsfähige soziale Einbindung verfügt.

Die Erstdiagnose der psychischen Erkrankung des Klägers wird mit dem 14.03.2012 angegeben, daher kann dieser GdB ab diesem Tage zuerkannt werden. Hinweise darauf, dass die Erkrankung vorbestehend war, liegen nicht vor.

h) Ebenso wie das SG bildet der Senat nach Teil A Nr. 3 VG für die Zeit ab dem 14.03.2012 aus den dann maßgeblichen (Teil A Nr. 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee Satz 1 VG) beiden Teil-GdB-Werten von 20 für die Psyche und die Wirbelsäule einen Gesamt-GdB von 30. Die Voraussetzungen dafür, einen dieser Werte unberücksichtigt zu lassen (Teil A Nr. 3 Buchstabe d Doppelbuchstabe ee Satz 2 VG), liegen nicht vor. Für die Zeit zwischen Antragstellung und dem 13.03.2012 verbleibt es dagegen bei dem GdB von 20 für das Wirbelsäulenleiden. Nach dem Gutachten Dr. F. lagen die Schädigungen hier schon länger vor; sie bestanden daher jedenfalls ab Antragstellung.

3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Es war nicht angezeigt, die Kostenquote des SG für das Klageverfahren zu ändern und für das Berufungsverfahren eine Kostenquote zuzusprechen, nachdem die Berufung nur in geringem Umfang Erfolg hatte (vgl. den Rechtsgedanken des § 92 Abs. 2 Nr. 1 Zivilprozessordnung [ZPO]).

4. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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